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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Hauben- und Haidelerche.
während der Nacht und in den Mittagsstunden. Die Jungen schlüpfen nach vierzehntägiger Bebrü-
tung aus und werden von beiden Eltern reichlich mit Kerbthieren gefüttert. Sie verlassen das Nest,
noch ehe sie ordentlich fliegen können, huschen anfangs behend auf dem Boden hin und drücken sich bei
Gefahr platt auf demselben nieder. Die Eltern führen sie so lange, bis sie sich selbst forthelfen
können. Dann schreiten sie zur zweiten Brut.

Die Haubenlerchen genießen insofern ein glücklicheres Loos, als sie nicht in so großer Menge
wie die Feldlerchen für die Küche gefangen und außerdem kaum verfolgt werden. Die übrigen Feinde
sind dieselben, welche auch andern Erdvögeln nachstellen. Jm Käfig hält man Haubenlerchen selten.
Jhr Gesang behagt nicht Jedermann, und der wahre Liebhaber zieht namentlich die Haidelerche der
gehäubten Schwester bei weitem vor.



Geringe Größe, zarter Schnabel, kleine Flügel, große, runde, breite Flügel und eine kaum
bemerkbare Holle kennzeichnen unsere Haide-, Baum-, Wald-, Busch-, Holz-, Dull- oder
Lulllerche (Chorys arborea), welche außerdem den stolzen Beinamen Wald- oder Haidenachti-
gall
und zwar mit vollem Rechte trägt. Unter unsern deutschen Lerchen ist sie die kleinste. Jhre
Länge beträgt höchstens 6 Zoll, die Breite 113/4 Zoll, die Fittiglänge 31/2, die Schwanzlänge 2 Zoll.
Das Weibchen ist um einige Linien kürzer und schmäler. Das Gefieder ist auf der Oberseite lerchen-
farbig mit einem Anflug ins Röstliche, auf der Unterseite weißlich, bis zur Brust schwärzlich längs
gestreift. Die Spitzen der vier äußersten Steuerfedern sind weiß oder gelblich. Ein lichtes Kopf-
band beginnt an der Wurzel des Oberschnabels, läuft über das Auge weg und unter der Holle um
den Kopf herum. Jm Jugendkleide sind die Federn der Oberseite dunkel gesäumt.

Mittel- und Südeuropa und ein großer Theil Mittelasiens bis nach Kamtschatka hin beherbergen
diesen liebenswürdigen Vogel. Aber er ist hinsichtlich seines Aufenthaltes beschränkter, als andere
Lerchen; denn er gehört nur den ödesten Haide- und Waldgegenden an. "Jn den fruchtbaren Fel-
dern weiter Ebenen", sagt mein Vater, "in den üppigen Laubgehölzen oder in den hochstämmigen
Nadelwäldern sucht man die Haidelerche vergebens. Die Lehden, grasarme Schläge und Bergebenen
bis hoch hinauf, wo wenig andere Vögel hausen, sind ihre Wohnplätze."

"Nach der Brutzeit kommt sie mit ihren Jungen auf die gemähten Wiesen und auf dem Zuge
besucht sie die Brach- und Stoppelfelder der ebenen Gegenden, denn sie macht auf der Wanderung
kleine Tagereisen, weil sie Zeit haben muß, die ihr spärlich zugemessene, in kleinen Käfern und win-
zigen Sämereien bestehende Nahrung aufzusuchen."

"Sobald der Schnee auf den Bergen geschmolzen ist, in der letzten Hälfte des Februar, kehrt sie
von ihrer Wanderung, welche sich bis Afrika erstreckt, zurück in unser Vaterland und nimmt ihren
alten Wohnplatz wieder ein. Sie hat ein besonderes Ahnungsvermögen in Bezug auf die Witterung.
Jch habe sie mehrmals im März Vormittags über unsern beschneiten Bergen fröhlich singen hören und
stets gefunden, daß der Schnee in den Mittagsstunden wegthauete, was ihr feines Gefühl sie voraus
sehen ließ. Warum hätte sie des Morgens über den ihre Nahrung bedeckenden Schnee trauern sollen?
Sie wußte ja, daß er bald verschwinden und sie dann an der Aufsuchung ihres Futters nicht mehr hin-
dern würde."

"Jn ihrem Betragen ist sie ein allerliebstes Thierchen, rasch und gewandt in ihren Bewegungen;
da, wo sie geschont wird, zahm und zutraulich, wo sie Verfolgung erfährt, oder auch nur fürchtet, vor-
sichtig und scheu. Sie läuft hurtig mit kleinen Schritten, etwas empor gerichteter Brust und kleiner
Holle, und nimmt sich dabei sehr gut aus."

"Kommt ein Sperber oder Baumfalke in ihre Nähe -- dann drückt sie sich, d. h. sie legt sich
platt auf den Boden und gewöhnlich so geschickt in eine kleine Vertiefung, daß sie äußerst schwer zu sehen

Hauben- und Haidelerche.
während der Nacht und in den Mittagsſtunden. Die Jungen ſchlüpfen nach vierzehntägiger Bebrü-
tung aus und werden von beiden Eltern reichlich mit Kerbthieren gefüttert. Sie verlaſſen das Neſt,
noch ehe ſie ordentlich fliegen können, huſchen anfangs behend auf dem Boden hin und drücken ſich bei
Gefahr platt auf demſelben nieder. Die Eltern führen ſie ſo lange, bis ſie ſich ſelbſt forthelfen
können. Dann ſchreiten ſie zur zweiten Brut.

Die Haubenlerchen genießen inſofern ein glücklicheres Loos, als ſie nicht in ſo großer Menge
wie die Feldlerchen für die Küche gefangen und außerdem kaum verfolgt werden. Die übrigen Feinde
ſind dieſelben, welche auch andern Erdvögeln nachſtellen. Jm Käfig hält man Haubenlerchen ſelten.
Jhr Geſang behagt nicht Jedermann, und der wahre Liebhaber zieht namentlich die Haidelerche der
gehäubten Schweſter bei weitem vor.



Geringe Größe, zarter Schnabel, kleine Flügel, große, runde, breite Flügel und eine kaum
bemerkbare Holle kennzeichnen unſere Haide-, Baum-, Wald-, Buſch-, Holz-, Dull- oder
Lulllerche (Chorys arborea), welche außerdem den ſtolzen Beinamen Wald- oder Haidenachti-
gall
und zwar mit vollem Rechte trägt. Unter unſern deutſchen Lerchen iſt ſie die kleinſte. Jhre
Länge beträgt höchſtens 6 Zoll, die Breite 11¾ Zoll, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2 Zoll.
Das Weibchen iſt um einige Linien kürzer und ſchmäler. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite lerchen-
farbig mit einem Anflug ins Röſtliche, auf der Unterſeite weißlich, bis zur Bruſt ſchwärzlich längs
geſtreift. Die Spitzen der vier äußerſten Steuerfedern ſind weiß oder gelblich. Ein lichtes Kopf-
band beginnt an der Wurzel des Oberſchnabels, läuft über das Auge weg und unter der Holle um
den Kopf herum. Jm Jugendkleide ſind die Federn der Oberſeite dunkel geſäumt.

Mittel- und Südeuropa und ein großer Theil Mittelaſiens bis nach Kamtſchatka hin beherbergen
dieſen liebenswürdigen Vogel. Aber er iſt hinſichtlich ſeines Aufenthaltes beſchränkter, als andere
Lerchen; denn er gehört nur den ödeſten Haide- und Waldgegenden an. „Jn den fruchtbaren Fel-
dern weiter Ebenen‟, ſagt mein Vater, „in den üppigen Laubgehölzen oder in den hochſtämmigen
Nadelwäldern ſucht man die Haidelerche vergebens. Die Lehden, grasarme Schläge und Bergebenen
bis hoch hinauf, wo wenig andere Vögel hauſen, ſind ihre Wohnplätze.‟

„Nach der Brutzeit kommt ſie mit ihren Jungen auf die gemähten Wieſen und auf dem Zuge
beſucht ſie die Brach- und Stoppelfelder der ebenen Gegenden, denn ſie macht auf der Wanderung
kleine Tagereiſen, weil ſie Zeit haben muß, die ihr ſpärlich zugemeſſene, in kleinen Käfern und win-
zigen Sämereien beſtehende Nahrung aufzuſuchen.‟

„Sobald der Schnee auf den Bergen geſchmolzen iſt, in der letzten Hälfte des Februar, kehrt ſie
von ihrer Wanderung, welche ſich bis Afrika erſtreckt, zurück in unſer Vaterland und nimmt ihren
alten Wohnplatz wieder ein. Sie hat ein beſonderes Ahnungsvermögen in Bezug auf die Witterung.
Jch habe ſie mehrmals im März Vormittags über unſern beſchneiten Bergen fröhlich ſingen hören und
ſtets gefunden, daß der Schnee in den Mittagsſtunden wegthauete, was ihr feines Gefühl ſie voraus
ſehen ließ. Warum hätte ſie des Morgens über den ihre Nahrung bedeckenden Schnee trauern ſollen?
Sie wußte ja, daß er bald verſchwinden und ſie dann an der Aufſuchung ihres Futters nicht mehr hin-
dern würde.‟

„Jn ihrem Betragen iſt ſie ein allerliebſtes Thierchen, raſch und gewandt in ihren Bewegungen;
da, wo ſie geſchont wird, zahm und zutraulich, wo ſie Verfolgung erfährt, oder auch nur fürchtet, vor-
ſichtig und ſcheu. Sie läuft hurtig mit kleinen Schritten, etwas empor gerichteter Bruſt und kleiner
Holle, und nimmt ſich dabei ſehr gut aus.‟

„Kommt ein Sperber oder Baumfalke in ihre Nähe — dann drückt ſie ſich, d. h. ſie legt ſich
platt auf den Boden und gewöhnlich ſo geſchickt in eine kleine Vertiefung, daß ſie äußerſt ſchwer zu ſehen

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[269/0291] Hauben- und Haidelerche. während der Nacht und in den Mittagsſtunden. Die Jungen ſchlüpfen nach vierzehntägiger Bebrü- tung aus und werden von beiden Eltern reichlich mit Kerbthieren gefüttert. Sie verlaſſen das Neſt, noch ehe ſie ordentlich fliegen können, huſchen anfangs behend auf dem Boden hin und drücken ſich bei Gefahr platt auf demſelben nieder. Die Eltern führen ſie ſo lange, bis ſie ſich ſelbſt forthelfen können. Dann ſchreiten ſie zur zweiten Brut. Die Haubenlerchen genießen inſofern ein glücklicheres Loos, als ſie nicht in ſo großer Menge wie die Feldlerchen für die Küche gefangen und außerdem kaum verfolgt werden. Die übrigen Feinde ſind dieſelben, welche auch andern Erdvögeln nachſtellen. Jm Käfig hält man Haubenlerchen ſelten. Jhr Geſang behagt nicht Jedermann, und der wahre Liebhaber zieht namentlich die Haidelerche der gehäubten Schweſter bei weitem vor. Geringe Größe, zarter Schnabel, kleine Flügel, große, runde, breite Flügel und eine kaum bemerkbare Holle kennzeichnen unſere Haide-, Baum-, Wald-, Buſch-, Holz-, Dull- oder Lulllerche (Chorys arborea), welche außerdem den ſtolzen Beinamen Wald- oder Haidenachti- gall und zwar mit vollem Rechte trägt. Unter unſern deutſchen Lerchen iſt ſie die kleinſte. Jhre Länge beträgt höchſtens 6 Zoll, die Breite 11¾ Zoll, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2 Zoll. Das Weibchen iſt um einige Linien kürzer und ſchmäler. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite lerchen- farbig mit einem Anflug ins Röſtliche, auf der Unterſeite weißlich, bis zur Bruſt ſchwärzlich längs geſtreift. Die Spitzen der vier äußerſten Steuerfedern ſind weiß oder gelblich. Ein lichtes Kopf- band beginnt an der Wurzel des Oberſchnabels, läuft über das Auge weg und unter der Holle um den Kopf herum. Jm Jugendkleide ſind die Federn der Oberſeite dunkel geſäumt. Mittel- und Südeuropa und ein großer Theil Mittelaſiens bis nach Kamtſchatka hin beherbergen dieſen liebenswürdigen Vogel. Aber er iſt hinſichtlich ſeines Aufenthaltes beſchränkter, als andere Lerchen; denn er gehört nur den ödeſten Haide- und Waldgegenden an. „Jn den fruchtbaren Fel- dern weiter Ebenen‟, ſagt mein Vater, „in den üppigen Laubgehölzen oder in den hochſtämmigen Nadelwäldern ſucht man die Haidelerche vergebens. Die Lehden, grasarme Schläge und Bergebenen bis hoch hinauf, wo wenig andere Vögel hauſen, ſind ihre Wohnplätze.‟ „Nach der Brutzeit kommt ſie mit ihren Jungen auf die gemähten Wieſen und auf dem Zuge beſucht ſie die Brach- und Stoppelfelder der ebenen Gegenden, denn ſie macht auf der Wanderung kleine Tagereiſen, weil ſie Zeit haben muß, die ihr ſpärlich zugemeſſene, in kleinen Käfern und win- zigen Sämereien beſtehende Nahrung aufzuſuchen.‟ „Sobald der Schnee auf den Bergen geſchmolzen iſt, in der letzten Hälfte des Februar, kehrt ſie von ihrer Wanderung, welche ſich bis Afrika erſtreckt, zurück in unſer Vaterland und nimmt ihren alten Wohnplatz wieder ein. Sie hat ein beſonderes Ahnungsvermögen in Bezug auf die Witterung. Jch habe ſie mehrmals im März Vormittags über unſern beſchneiten Bergen fröhlich ſingen hören und ſtets gefunden, daß der Schnee in den Mittagsſtunden wegthauete, was ihr feines Gefühl ſie voraus ſehen ließ. Warum hätte ſie des Morgens über den ihre Nahrung bedeckenden Schnee trauern ſollen? Sie wußte ja, daß er bald verſchwinden und ſie dann an der Aufſuchung ihres Futters nicht mehr hin- dern würde.‟ „Jn ihrem Betragen iſt ſie ein allerliebſtes Thierchen, raſch und gewandt in ihren Bewegungen; da, wo ſie geſchont wird, zahm und zutraulich, wo ſie Verfolgung erfährt, oder auch nur fürchtet, vor- ſichtig und ſcheu. Sie läuft hurtig mit kleinen Schritten, etwas empor gerichteter Bruſt und kleiner Holle, und nimmt ſich dabei ſehr gut aus.‟ „Kommt ein Sperber oder Baumfalke in ihre Nähe — dann drückt ſie ſich, d. h. ſie legt ſich platt auf den Boden und gewöhnlich ſo geſchickt in eine kleine Vertiefung, daß ſie äußerſt ſchwer zu ſehen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/291>, abgerufen am 21.11.2024.