ihnen gefüttert und geführt. Sobald die Maulbeeren und Feigen reifen, erscheinen sie auf den Bäu- men, wie sie früher auf den Kirsch- und andern Fruchtbäumen erschienen, und dann können sie ziemlich bedeutende Verwüstungen anrichten. Jm Frühjahr hingegen nähren sie sich fast ausschließlich von Kerbthieren, welche sie entweder von Zweigen und Blättern ablesen oder fliegend verfolgen und zwar mit großer Behendigkeit. Schon frühzeitig im Jahre treten sie ihre Wanderung an. Sie reisen bei Tage in hoher Luft, meist einzeln, unter laut tönendem Geschrei und mit großer Eile. Erst gegen Sonnenuntergang senken sie sich nach geeigneten Bäumen hernieder, suchen hastig etwas Futter, schlafen, frühstücken und setzen dann ihre Reise fort.
Die Bewegungen des Baltimorevogels sind zierlich und gleichmäßig. Der Flug ist gerade und anhaltend, der Gang auf dem Boden ziemlich geschickt. Seine größte Fertigkeit entfaltet der Vogel im Gezweig der Bäume; hier klettert er mit den Meisen um die Wette.
Seiner Schönheit halber hält man den Baltimorevogel häufig im Käfig. Man füttert ihn hier mit getrockneten Rosinen, Korinthen, Feigen und Kerbthieren; dabei hält er jahrelang aus. Der Gesang ist zwar einfach, aber äußerst angenehm wegen der Fülle, der Stärke und des Wohllauts der drei oder vier, höchstens acht oder zehn Töne.
Den Gilbvögeln stehen die Schwarzvögel (Cassici) nahe. Auch sie sind schlank gebaut mit langem, spitzkegelförmigen Schnabel, ziemlich langen, zugespitzten Flügeln, langem, breit- fedrigen und gewöhnlich stufig abgerundeten Schwanz, starken, langzehigen und scharf bekrallten Füßen und derbem, glatten, glänzenden Gefieder von vorherrschend schwärzlicher Farbe, welche durch das oft auftretende Gelb besonders gehoben wird. Die Größe ist ziemlich bedeutend; viele kommen unsern Dohlen etwa gleich.
Die Schwarzvögel vertreten in Amerika theilweise die Stelle unserer Raben. Sie sind schöne, lebhafte und bewegliche Geschöpfe, welche in ihrer Lebensweise manches mit den Gilbvögeln gemein haben, jedoch in den Wäldern und immer auf Bäumen leben. Zur Zeit der Reife des Getreides oder der Früchte nähern sie sich den Wohnungen und Pflanzungen ohne Scheu und machen sich dann zuweilen lästig. Jm Walde stellen sie Kerbthieren und die größern Arten wohl auch kleinen Wirbelthieren nach; nebenbei fressen sie Früchte und Sämereien. Jhre Stimme ist zwar nicht so wohllautend, wie die der Gilbvögel, entbehrt jedoch keineswegs alles Wohlklanges und zeichnet sich durch große Bieg- samkeit aus. Nach Schomburgk werden einzelne Arten von den Europäern Guyanas Spott- vögel genannt. Sie ahmen nicht blos die Stimmen aller um und neben ihnen singenden und schreienden Vögel, sondern auch die Laute der Säugethiere nach. "Es kann", sagt Schomburgk, "kaum einen unruhigern und lärmendern Sänger geben, als diesen Spottvogel. Schweigt die um- gebende Thierwelt, so stimmt er seinen eigenen Gesang an, welcher etwas ganz Angenehmes hat. Plötzlich läßt vielleicht ein Pfefferfresser seine hohle Stimme erschallen, und der Schwarzvogel wird augenblicklich zum Pfefferfresser; die verschiedenen Spechte werden laut, der Schwarzvogel wird zum Specht; blöcken die Schafe, so ist er um die Antwort ebensowenig verlegen. Wird aber einige Augenblicke keine andere Stimme laut, dann fällt er wieder in seinen eigenthümlichen Gesang, bis dieser vielleicht von dem Geschrei der Truthühner oder dem Geschnatter der Enten auf dem Gehöft unterbrochen wird, und er dann augenblicklich als Truthahn oder Ente auftritt. Alle diese nachgeahmten Töne begleitet der Vogel zugleich mit so sonderbaren Bewegungen und Drehungen des Kopfes, des Halses und des ganzen Körpers, daß ich oft in helles Lachen über den so redseligen und sich doch so zierenden Gesellen habe ausbrechen müssen."
Kaum weniger merkwürdig als durch ihre Stimme werden die Schwarzvögel durch ihren Nest- bau. Auch sie bilden Brutansiedlungen und hängen ihre beutelförmigen, ziemlich künstlichen Nester gemeinschaftlich an ein und demselben Baume auf, gar nicht selten in brüderlicher Eintracht mit ver-
Brehm, Thierleben. III. 19
Baltimorevogel.
ihnen gefüttert und geführt. Sobald die Maulbeeren und Feigen reifen, erſcheinen ſie auf den Bäu- men, wie ſie früher auf den Kirſch- und andern Fruchtbäumen erſchienen, und dann können ſie ziemlich bedeutende Verwüſtungen anrichten. Jm Frühjahr hingegen nähren ſie ſich faſt ausſchließlich von Kerbthieren, welche ſie entweder von Zweigen und Blättern ableſen oder fliegend verfolgen und zwar mit großer Behendigkeit. Schon frühzeitig im Jahre treten ſie ihre Wanderung an. Sie reiſen bei Tage in hoher Luft, meiſt einzeln, unter laut tönendem Geſchrei und mit großer Eile. Erſt gegen Sonnenuntergang ſenken ſie ſich nach geeigneten Bäumen hernieder, ſuchen haſtig etwas Futter, ſchlafen, frühſtücken und ſetzen dann ihre Reiſe fort.
Die Bewegungen des Baltimorevogels ſind zierlich und gleichmäßig. Der Flug iſt gerade und anhaltend, der Gang auf dem Boden ziemlich geſchickt. Seine größte Fertigkeit entfaltet der Vogel im Gezweig der Bäume; hier klettert er mit den Meiſen um die Wette.
Seiner Schönheit halber hält man den Baltimorevogel häufig im Käfig. Man füttert ihn hier mit getrockneten Roſinen, Korinthen, Feigen und Kerbthieren; dabei hält er jahrelang aus. Der Geſang iſt zwar einfach, aber äußerſt angenehm wegen der Fülle, der Stärke und des Wohllauts der drei oder vier, höchſtens acht oder zehn Töne.
Den Gilbvögeln ſtehen die Schwarzvögel (Cassici) nahe. Auch ſie ſind ſchlank gebaut mit langem, ſpitzkegelförmigen Schnabel, ziemlich langen, zugeſpitzten Flügeln, langem, breit- fedrigen und gewöhnlich ſtufig abgerundeten Schwanz, ſtarken, langzehigen und ſcharf bekrallten Füßen und derbem, glatten, glänzenden Gefieder von vorherrſchend ſchwärzlicher Farbe, welche durch das oft auftretende Gelb beſonders gehoben wird. Die Größe iſt ziemlich bedeutend; viele kommen unſern Dohlen etwa gleich.
Die Schwarzvögel vertreten in Amerika theilweiſe die Stelle unſerer Raben. Sie ſind ſchöne, lebhafte und bewegliche Geſchöpfe, welche in ihrer Lebensweiſe manches mit den Gilbvögeln gemein haben, jedoch in den Wäldern und immer auf Bäumen leben. Zur Zeit der Reife des Getreides oder der Früchte nähern ſie ſich den Wohnungen und Pflanzungen ohne Scheu und machen ſich dann zuweilen läſtig. Jm Walde ſtellen ſie Kerbthieren und die größern Arten wohl auch kleinen Wirbelthieren nach; nebenbei freſſen ſie Früchte und Sämereien. Jhre Stimme iſt zwar nicht ſo wohllautend, wie die der Gilbvögel, entbehrt jedoch keineswegs alles Wohlklanges und zeichnet ſich durch große Bieg- ſamkeit aus. Nach Schomburgk werden einzelne Arten von den Europäern Guyanas Spott- vögel genannt. Sie ahmen nicht blos die Stimmen aller um und neben ihnen ſingenden und ſchreienden Vögel, ſondern auch die Laute der Säugethiere nach. „Es kann‟, ſagt Schomburgk, „kaum einen unruhigern und lärmendern Sänger geben, als dieſen Spottvogel. Schweigt die um- gebende Thierwelt, ſo ſtimmt er ſeinen eigenen Geſang an, welcher etwas ganz Angenehmes hat. Plötzlich läßt vielleicht ein Pfefferfreſſer ſeine hohle Stimme erſchallen, und der Schwarzvogel wird augenblicklich zum Pfefferfreſſer; die verſchiedenen Spechte werden laut, der Schwarzvogel wird zum Specht; blöcken die Schafe, ſo iſt er um die Antwort ebenſowenig verlegen. Wird aber einige Augenblicke keine andere Stimme laut, dann fällt er wieder in ſeinen eigenthümlichen Geſang, bis dieſer vielleicht von dem Geſchrei der Truthühner oder dem Geſchnatter der Enten auf dem Gehöft unterbrochen wird, und er dann augenblicklich als Truthahn oder Ente auftritt. Alle dieſe nachgeahmten Töne begleitet der Vogel zugleich mit ſo ſonderbaren Bewegungen und Drehungen des Kopfes, des Halſes und des ganzen Körpers, daß ich oft in helles Lachen über den ſo redſeligen und ſich doch ſo zierenden Geſellen habe ausbrechen müſſen.‟
Kaum weniger merkwürdig als durch ihre Stimme werden die Schwarzvögel durch ihren Neſt- bau. Auch ſie bilden Brutanſiedlungen und hängen ihre beutelförmigen, ziemlich künſtlichen Neſter gemeinſchaftlich an ein und demſelben Baume auf, gar nicht ſelten in brüderlicher Eintracht mit ver-
Brehm, Thierleben. III. 19
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Baltimorevogel.
ihnen gefüttert und geführt. Sobald die Maulbeeren und Feigen reifen, erſcheinen ſie auf den Bäu-
men, wie ſie früher auf den Kirſch- und andern Fruchtbäumen erſchienen, und dann können ſie
ziemlich bedeutende Verwüſtungen anrichten. Jm Frühjahr hingegen nähren ſie ſich faſt ausſchließlich
von Kerbthieren, welche ſie entweder von Zweigen und Blättern ableſen oder fliegend verfolgen und
zwar mit großer Behendigkeit. Schon frühzeitig im Jahre treten ſie ihre Wanderung an. Sie reiſen
bei Tage in hoher Luft, meiſt einzeln, unter laut tönendem Geſchrei und mit großer Eile. Erſt
gegen Sonnenuntergang ſenken ſie ſich nach geeigneten Bäumen hernieder, ſuchen haſtig etwas Futter,
ſchlafen, frühſtücken und ſetzen dann ihre Reiſe fort.
Die Bewegungen des Baltimorevogels ſind zierlich und gleichmäßig. Der Flug iſt gerade und
anhaltend, der Gang auf dem Boden ziemlich geſchickt. Seine größte Fertigkeit entfaltet der Vogel
im Gezweig der Bäume; hier klettert er mit den Meiſen um die Wette.
Seiner Schönheit halber hält man den Baltimorevogel häufig im Käfig. Man füttert ihn hier
mit getrockneten Roſinen, Korinthen, Feigen und Kerbthieren; dabei hält er jahrelang aus. Der
Geſang iſt zwar einfach, aber äußerſt angenehm wegen der Fülle, der Stärke und des Wohllauts der
drei oder vier, höchſtens acht oder zehn Töne.
Den Gilbvögeln ſtehen die Schwarzvögel (Cassici) nahe. Auch ſie ſind ſchlank gebaut
mit langem, ſpitzkegelförmigen Schnabel, ziemlich langen, zugeſpitzten Flügeln, langem, breit-
fedrigen und gewöhnlich ſtufig abgerundeten Schwanz, ſtarken, langzehigen und ſcharf bekrallten Füßen
und derbem, glatten, glänzenden Gefieder von vorherrſchend ſchwärzlicher Farbe, welche durch das oft
auftretende Gelb beſonders gehoben wird. Die Größe iſt ziemlich bedeutend; viele kommen unſern
Dohlen etwa gleich.
Die Schwarzvögel vertreten in Amerika theilweiſe die Stelle unſerer Raben. Sie ſind ſchöne,
lebhafte und bewegliche Geſchöpfe, welche in ihrer Lebensweiſe manches mit den Gilbvögeln gemein haben,
jedoch in den Wäldern und immer auf Bäumen leben. Zur Zeit der Reife des Getreides oder der
Früchte nähern ſie ſich den Wohnungen und Pflanzungen ohne Scheu und machen ſich dann zuweilen
läſtig. Jm Walde ſtellen ſie Kerbthieren und die größern Arten wohl auch kleinen Wirbelthieren
nach; nebenbei freſſen ſie Früchte und Sämereien. Jhre Stimme iſt zwar nicht ſo wohllautend, wie
die der Gilbvögel, entbehrt jedoch keineswegs alles Wohlklanges und zeichnet ſich durch große Bieg-
ſamkeit aus. Nach Schomburgk werden einzelne Arten von den Europäern Guyanas Spott-
vögel genannt. Sie ahmen nicht blos die Stimmen aller um und neben ihnen ſingenden und
ſchreienden Vögel, ſondern auch die Laute der Säugethiere nach. „Es kann‟, ſagt Schomburgk,
„kaum einen unruhigern und lärmendern Sänger geben, als dieſen Spottvogel. Schweigt die um-
gebende Thierwelt, ſo ſtimmt er ſeinen eigenen Geſang an, welcher etwas ganz Angenehmes hat.
Plötzlich läßt vielleicht ein Pfefferfreſſer ſeine hohle Stimme erſchallen, und der Schwarzvogel
wird augenblicklich zum Pfefferfreſſer; die verſchiedenen Spechte werden laut, der Schwarzvogel
wird zum Specht; blöcken die Schafe, ſo iſt er um die Antwort ebenſowenig verlegen. Wird aber
einige Augenblicke keine andere Stimme laut, dann fällt er wieder in ſeinen eigenthümlichen Geſang,
bis dieſer vielleicht von dem Geſchrei der Truthühner oder dem Geſchnatter der Enten auf dem
Gehöft unterbrochen wird, und er dann augenblicklich als Truthahn oder Ente auftritt. Alle dieſe
nachgeahmten Töne begleitet der Vogel zugleich mit ſo ſonderbaren Bewegungen und Drehungen des
Kopfes, des Halſes und des ganzen Körpers, daß ich oft in helles Lachen über den ſo redſeligen und
ſich doch ſo zierenden Geſellen habe ausbrechen müſſen.‟
Kaum weniger merkwürdig als durch ihre Stimme werden die Schwarzvögel durch ihren Neſt-
bau. Auch ſie bilden Brutanſiedlungen und hängen ihre beutelförmigen, ziemlich künſtlichen Neſter
gemeinſchaftlich an ein und demſelben Baume auf, gar nicht ſelten in brüderlicher Eintracht mit ver-
Brehm, Thierleben. III. 19
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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