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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
ist er, obwohl nirgends selten, doch auch nirgends gerade häufig, während er in Schweden ebensowohl
als in Griechenland, in Spanien so gut wie in Rußland gemein zu nennen ist".

"Der Standort eines Kolkrabenpaares ist stets vortrefflich gewählt. Der Vogel bewohnt ein
großes Gebiet und sieht besonders auf Manchfaltigkeit der Erzeugnisse desselben. Gegenden, in denen
Wald und Feld, Wiese und Gewässer mit einander abwechseln, sind seine liebsten Wohnsitze, weil er
hier die meiste Nahrung findet. Die Meeresküste oder ein südliches Gebirge ersetzen ihm solche Vor-
züge des platten Landes vollständig; hier sieht man ihn dann nicht mehr einzeln, wie in letzteren, son-
dern zuweilen in ganzen Flügen." Jn der Sierra Nevada beobachtete ich eine Schar, welche gegen
funfzig Stück zählen mochte; in Lappland traf ich ihn ebenfalls sehr häufig, und Faber und Hol-
boell
berichten Aehnliches von Jsland und Grönland.

Ueber die Lebensweise des Kolkraben hat mein verstorbener Vater vor nunmehr 42 Jahren aus-
führlich berichtet, und seine Schilderung ist heute noch nicht übertroffen; ich werde sie deshalb dem
Nachfolgenden zu Grunde legen und ihr nur hier und da neuere Beobachtungen zufügen.

"Der Kolkrabe lebt gewöhnlich, also auch im Winter, paarweise. Die in Nähe meines Wohnorts
horstenden Paare fliegen im Winter oft täglich über unsere Thäler weg und lassen sich auf den höchsten
Bäumen nieder. Hört man den einen des Paares, so braucht man sich nur umzusehen, der andere
ist nicht weit davon. Trifft ein Paar bei seinem Fluge auf ein anderes, dann vereinigen sich die
beiden und schweben einige Zeit mit einander umher. Die Einzelnen sind ungepaarte Junge, welche
herumstreichen; denn der Kolkrabe gehört zu den Vögeln, die, einmal gepaart, zeitlebens treu zusam-
menhalten. Sein Flug ist wunderschön. Er geht fast gerade aus und wird, wenn er schnell ist,
durch starke Flügelschwingen beschleunigt; oft aber schwebt der Rabe lange Zeit und führt dabei die
schönsten kreisförmigen Bewegungen aus, wobei Flügel und Schwanz stark ausgebreitet werden.
Man sieht deutlich, daß ihm das Fliegen keine Anstrengung kostet, und daß er oft blos zum Vergnü-
gen große Lustreisen unternimmt. Gelegentlich derselben nähert er sich auf den Bergen oft dem
Boden; über die Thäler aber streift er gewöhnlich in bedeutender Höhe weg. Bei seinen Spazier-
flügen stürzt er oft einige Fuß weit herab, besonders wenn nach ihm geschossen worden ist, so daß der
mit dieser Spielerei unbekannte Schütze glauben muß, er habe ihn angeschossen und werde ihn bald
herabstürzen sehen. Während des Winters bringt er den größten Theil des Tages fliegend zu. Der
Flug ähnelt dem der Raubvögel mehr, als dem anderer Krähen; er ist so bezeichnend für ihn, daß ihn
der Kundige in jeder Entfernung von den verwandten Krähenarten zu unterscheiden im Stande ist.
Auf der Erde schreitet der Rabe mit einer scheinbar angenommenen lächerlichen Würde einher, trägt
dabei den Leib vorn etwas höher als hinten, nickt mit dem Kopfe und bewegt bei jedem Tritt den Leib
hin und her. Beim Sitzen auf Aesten hält er den Leib bald wagrecht, bald sehr aufgerichtet. Die
Federn liegen fast immer so glatt an, daß er wie gegossen aussieht; sie werden nur bei Gemüths-
bewegungen auf dem Kopfe und dem ganzen Halse gesträubt. Die Flügel hält er gewöhnlich etwas
vom Leibe ab. Wie er hierin Nichts mit seinen Verwandten gemein hat, so ist es auch hinsichtlich
einer gewissen Liebe, welche die andern Krähenarten zu einander hegen. Die Rabenkrähen leben in
größter Freundschaft mit den Nebelkrähen und Elstern, die Dohlen mischen sich unter die Saatkrähen,
und keine Art thut der andern etwas zu Leide: die Kolkraben aber werden von den Verwandten
gehaßt und angefeindet. Jch habe die Rabenkrähe sehr heftig auf den Kolkraben stoßen sehen, und
wenn sich dieser unter einen Schwarm Rabenkrähen mischen will, entsteht ein Lärm, als wenn ein
Habicht oder Bussard unter ihnen erscheine. Ein allgemeiner Angriff nöthigt den unwillkomme-
nen Gefährten, sich zu entfernen. Auch dadurch zeichnet sich der Kolkrabe vor den andern Arten aus,
daß er an Scheu alle übertrifft. Es ist unglaublich, wie vorsichtig dieser Vogel ist. Er läßt sich nur
dann erst nieder, wenn er die Gegend gehörig umkreist und weder durch das Gesicht, noch durch den
Geruch etwas für sich Gefährliches bemerkt hat. Er verläßt, wenn sich ein Mensch dem Neste mit Eiern
nähert, seine Brut sofort und kehrt dann zu den Jungen, so groß auch seine Liebe zu ihnen ist, nur
mit der äußersten Vorsicht zurück. Sein Haß gegen den Uhu ist außerordentlich groß, seine Vorsicht

Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
iſt er, obwohl nirgends ſelten, doch auch nirgends gerade häufig, während er in Schweden ebenſowohl
als in Griechenland, in Spanien ſo gut wie in Rußland gemein zu nennen iſt‟.

„Der Standort eines Kolkrabenpaares iſt ſtets vortrefflich gewählt. Der Vogel bewohnt ein
großes Gebiet und ſieht beſonders auf Manchfaltigkeit der Erzeugniſſe deſſelben. Gegenden, in denen
Wald und Feld, Wieſe und Gewäſſer mit einander abwechſeln, ſind ſeine liebſten Wohnſitze, weil er
hier die meiſte Nahrung findet. Die Meeresküſte oder ein ſüdliches Gebirge erſetzen ihm ſolche Vor-
züge des platten Landes vollſtändig; hier ſieht man ihn dann nicht mehr einzeln, wie in letzteren, ſon-
dern zuweilen in ganzen Flügen.‟ Jn der Sierra Nevada beobachtete ich eine Schar, welche gegen
funfzig Stück zählen mochte; in Lappland traf ich ihn ebenfalls ſehr häufig, und Faber und Hol-
boell
berichten Aehnliches von Jsland und Grönland.

Ueber die Lebensweiſe des Kolkraben hat mein verſtorbener Vater vor nunmehr 42 Jahren aus-
führlich berichtet, und ſeine Schilderung iſt heute noch nicht übertroffen; ich werde ſie deshalb dem
Nachfolgenden zu Grunde legen und ihr nur hier und da neuere Beobachtungen zufügen.

„Der Kolkrabe lebt gewöhnlich, alſo auch im Winter, paarweiſe. Die in Nähe meines Wohnorts
horſtenden Paare fliegen im Winter oft täglich über unſere Thäler weg und laſſen ſich auf den höchſten
Bäumen nieder. Hört man den einen des Paares, ſo braucht man ſich nur umzuſehen, der andere
iſt nicht weit davon. Trifft ein Paar bei ſeinem Fluge auf ein anderes, dann vereinigen ſich die
beiden und ſchweben einige Zeit mit einander umher. Die Einzelnen ſind ungepaarte Junge, welche
herumſtreichen; denn der Kolkrabe gehört zu den Vögeln, die, einmal gepaart, zeitlebens treu zuſam-
menhalten. Sein Flug iſt wunderſchön. Er geht faſt gerade aus und wird, wenn er ſchnell iſt,
durch ſtarke Flügelſchwingen beſchleunigt; oft aber ſchwebt der Rabe lange Zeit und führt dabei die
ſchönſten kreisförmigen Bewegungen aus, wobei Flügel und Schwanz ſtark ausgebreitet werden.
Man ſieht deutlich, daß ihm das Fliegen keine Anſtrengung koſtet, und daß er oft blos zum Vergnü-
gen große Luſtreiſen unternimmt. Gelegentlich derſelben nähert er ſich auf den Bergen oft dem
Boden; über die Thäler aber ſtreift er gewöhnlich in bedeutender Höhe weg. Bei ſeinen Spazier-
flügen ſtürzt er oft einige Fuß weit herab, beſonders wenn nach ihm geſchoſſen worden iſt, ſo daß der
mit dieſer Spielerei unbekannte Schütze glauben muß, er habe ihn angeſchoſſen und werde ihn bald
herabſtürzen ſehen. Während des Winters bringt er den größten Theil des Tages fliegend zu. Der
Flug ähnelt dem der Raubvögel mehr, als dem anderer Krähen; er iſt ſo bezeichnend für ihn, daß ihn
der Kundige in jeder Entfernung von den verwandten Krähenarten zu unterſcheiden im Stande iſt.
Auf der Erde ſchreitet der Rabe mit einer ſcheinbar angenommenen lächerlichen Würde einher, trägt
dabei den Leib vorn etwas höher als hinten, nickt mit dem Kopfe und bewegt bei jedem Tritt den Leib
hin und her. Beim Sitzen auf Aeſten hält er den Leib bald wagrecht, bald ſehr aufgerichtet. Die
Federn liegen faſt immer ſo glatt an, daß er wie gegoſſen ausſieht; ſie werden nur bei Gemüths-
bewegungen auf dem Kopfe und dem ganzen Halſe geſträubt. Die Flügel hält er gewöhnlich etwas
vom Leibe ab. Wie er hierin Nichts mit ſeinen Verwandten gemein hat, ſo iſt es auch hinſichtlich
einer gewiſſen Liebe, welche die andern Krähenarten zu einander hegen. Die Rabenkrähen leben in
größter Freundſchaft mit den Nebelkrähen und Elſtern, die Dohlen miſchen ſich unter die Saatkrähen,
und keine Art thut der andern etwas zu Leide: die Kolkraben aber werden von den Verwandten
gehaßt und angefeindet. Jch habe die Rabenkrähe ſehr heftig auf den Kolkraben ſtoßen ſehen, und
wenn ſich dieſer unter einen Schwarm Rabenkrähen miſchen will, entſteht ein Lärm, als wenn ein
Habicht oder Buſſard unter ihnen erſcheine. Ein allgemeiner Angriff nöthigt den unwillkomme-
nen Gefährten, ſich zu entfernen. Auch dadurch zeichnet ſich der Kolkrabe vor den andern Arten aus,
daß er an Scheu alle übertrifft. Es iſt unglaublich, wie vorſichtig dieſer Vogel iſt. Er läßt ſich nur
dann erſt nieder, wenn er die Gegend gehörig umkreiſt und weder durch das Geſicht, noch durch den
Geruch etwas für ſich Gefährliches bemerkt hat. Er verläßt, wenn ſich ein Menſch dem Neſte mit Eiern
nähert, ſeine Brut ſofort und kehrt dann zu den Jungen, ſo groß auch ſeine Liebe zu ihnen iſt, nur
mit der äußerſten Vorſicht zurück. Sein Haß gegen den Uhu iſt außerordentlich groß, ſeine Vorſicht

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[344/0370] Die Knacker. Rabenvögel. Raben. iſt er, obwohl nirgends ſelten, doch auch nirgends gerade häufig, während er in Schweden ebenſowohl als in Griechenland, in Spanien ſo gut wie in Rußland gemein zu nennen iſt‟. „Der Standort eines Kolkrabenpaares iſt ſtets vortrefflich gewählt. Der Vogel bewohnt ein großes Gebiet und ſieht beſonders auf Manchfaltigkeit der Erzeugniſſe deſſelben. Gegenden, in denen Wald und Feld, Wieſe und Gewäſſer mit einander abwechſeln, ſind ſeine liebſten Wohnſitze, weil er hier die meiſte Nahrung findet. Die Meeresküſte oder ein ſüdliches Gebirge erſetzen ihm ſolche Vor- züge des platten Landes vollſtändig; hier ſieht man ihn dann nicht mehr einzeln, wie in letzteren, ſon- dern zuweilen in ganzen Flügen.‟ Jn der Sierra Nevada beobachtete ich eine Schar, welche gegen funfzig Stück zählen mochte; in Lappland traf ich ihn ebenfalls ſehr häufig, und Faber und Hol- boell berichten Aehnliches von Jsland und Grönland. Ueber die Lebensweiſe des Kolkraben hat mein verſtorbener Vater vor nunmehr 42 Jahren aus- führlich berichtet, und ſeine Schilderung iſt heute noch nicht übertroffen; ich werde ſie deshalb dem Nachfolgenden zu Grunde legen und ihr nur hier und da neuere Beobachtungen zufügen. „Der Kolkrabe lebt gewöhnlich, alſo auch im Winter, paarweiſe. Die in Nähe meines Wohnorts horſtenden Paare fliegen im Winter oft täglich über unſere Thäler weg und laſſen ſich auf den höchſten Bäumen nieder. Hört man den einen des Paares, ſo braucht man ſich nur umzuſehen, der andere iſt nicht weit davon. Trifft ein Paar bei ſeinem Fluge auf ein anderes, dann vereinigen ſich die beiden und ſchweben einige Zeit mit einander umher. Die Einzelnen ſind ungepaarte Junge, welche herumſtreichen; denn der Kolkrabe gehört zu den Vögeln, die, einmal gepaart, zeitlebens treu zuſam- menhalten. Sein Flug iſt wunderſchön. Er geht faſt gerade aus und wird, wenn er ſchnell iſt, durch ſtarke Flügelſchwingen beſchleunigt; oft aber ſchwebt der Rabe lange Zeit und führt dabei die ſchönſten kreisförmigen Bewegungen aus, wobei Flügel und Schwanz ſtark ausgebreitet werden. Man ſieht deutlich, daß ihm das Fliegen keine Anſtrengung koſtet, und daß er oft blos zum Vergnü- gen große Luſtreiſen unternimmt. Gelegentlich derſelben nähert er ſich auf den Bergen oft dem Boden; über die Thäler aber ſtreift er gewöhnlich in bedeutender Höhe weg. Bei ſeinen Spazier- flügen ſtürzt er oft einige Fuß weit herab, beſonders wenn nach ihm geſchoſſen worden iſt, ſo daß der mit dieſer Spielerei unbekannte Schütze glauben muß, er habe ihn angeſchoſſen und werde ihn bald herabſtürzen ſehen. Während des Winters bringt er den größten Theil des Tages fliegend zu. Der Flug ähnelt dem der Raubvögel mehr, als dem anderer Krähen; er iſt ſo bezeichnend für ihn, daß ihn der Kundige in jeder Entfernung von den verwandten Krähenarten zu unterſcheiden im Stande iſt. Auf der Erde ſchreitet der Rabe mit einer ſcheinbar angenommenen lächerlichen Würde einher, trägt dabei den Leib vorn etwas höher als hinten, nickt mit dem Kopfe und bewegt bei jedem Tritt den Leib hin und her. Beim Sitzen auf Aeſten hält er den Leib bald wagrecht, bald ſehr aufgerichtet. Die Federn liegen faſt immer ſo glatt an, daß er wie gegoſſen ausſieht; ſie werden nur bei Gemüths- bewegungen auf dem Kopfe und dem ganzen Halſe geſträubt. Die Flügel hält er gewöhnlich etwas vom Leibe ab. Wie er hierin Nichts mit ſeinen Verwandten gemein hat, ſo iſt es auch hinſichtlich einer gewiſſen Liebe, welche die andern Krähenarten zu einander hegen. Die Rabenkrähen leben in größter Freundſchaft mit den Nebelkrähen und Elſtern, die Dohlen miſchen ſich unter die Saatkrähen, und keine Art thut der andern etwas zu Leide: die Kolkraben aber werden von den Verwandten gehaßt und angefeindet. Jch habe die Rabenkrähe ſehr heftig auf den Kolkraben ſtoßen ſehen, und wenn ſich dieſer unter einen Schwarm Rabenkrähen miſchen will, entſteht ein Lärm, als wenn ein Habicht oder Buſſard unter ihnen erſcheine. Ein allgemeiner Angriff nöthigt den unwillkomme- nen Gefährten, ſich zu entfernen. Auch dadurch zeichnet ſich der Kolkrabe vor den andern Arten aus, daß er an Scheu alle übertrifft. Es iſt unglaublich, wie vorſichtig dieſer Vogel iſt. Er läßt ſich nur dann erſt nieder, wenn er die Gegend gehörig umkreiſt und weder durch das Geſicht, noch durch den Geruch etwas für ſich Gefährliches bemerkt hat. Er verläßt, wenn ſich ein Menſch dem Neſte mit Eiern nähert, ſeine Brut ſofort und kehrt dann zu den Jungen, ſo groß auch ſeine Liebe zu ihnen iſt, nur mit der äußerſten Vorſicht zurück. Sein Haß gegen den Uhu iſt außerordentlich groß, ſeine Vorſicht

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/370>, abgerufen am 24.11.2024.