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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
hungern. Hat er sich satt gefressen, so ruft er seine Kameraden zu dem Reste der Mahlzeit herbei.
Ebenso macht er es auch, wenn er sie zur Jagd braucht; denn diese betreibt er mit Leidenschaft."

"Jm Dezember 1847 ging ich bei hohem Schnee mit einem Gefährten auf die Hasenjagd. Ob-
gleich wir schon einige Male geschossen hatten, erblickten wir doch an einer Schlucht des gegenüber
liegenden Berges zwei Raben. Der eine saß ruhig auf dem Rande und blickte hinunter, der andere,
welcher etwa zwei Fuß niedriger stand, langte mit dem Schnabel vorwärts und sprang behend zurück.
Dies wiederholte er mehrere Male. Beide waren so eifrig beschäftigt, daß sie unser Kommen nicht zu
bemerken schienen. Erst als wir uns ihnen bis auf einige Schritte genähert hatten, flogen die Räuber
auf, setzten sich aber in einer Entfernung von wenigen hundert Schritten wieder nieder, wie es schien,
in der Hoffnung, daß auch wir, wie sonst die Bauern, vorbei gehen würden, ohne ihnen Schaden zu
thun: an der Stelle nun, wo wir sie beobachtet hatten, saß in der Schneewand, etwa zwei Fuß tief,
ein großer alter Hase. Der eine Rabe hatte denselben von vorn angegriffen, um ihn zum Aufstehen
zu zwingen, der andere hatte mit Schnabel und Krallen von oben ein Loch in die Schneewand gebohrt,
augenscheinlich in der Absicht, den Hasen von oben herauszujagen. Dieser aber war so klug gewesen,
sitzen zu bleiben, und hatte durch Brummen und Fauchen den Raben zurückgescheucht."

"Jm Jahre 1850 sah ich im Felde zwei Raben, welche in einer Vertiefung beschäftigt waren.
Als ich an die Stelle kam, lag daselbst ein Hase mit blutendem Kopfe in den letzten Zügen. Jch folgte
der Spur etwa zwanzig Schritte und fand hier sein Lager mit den deutlichen Anzeichen, daß die Raben
ihn herausgetrieben hatten. Wie kurz war seine Flucht gewesen!"

"Jm Dezember 1851 sah ich drei Raben, zwei auf dem Boden, den dritten in der Luft. Ein
Hase sprang auf und lief was er laufen konnte. Alle Raben verfolgten ihn laut krächzend und
stießen, Raubvögeln vergleichbar, bis auf die Erde herab. Der Hase setzte sich einmal, lief darauf
weiter, setzte sich zum zweiten Mal und duckte sich endlich zu Boden. Sofort stürzte der eine Rabe
sich auf das Opfer, schlug die Krallen in des Hasen Rücken und hieb auf dessen Kopf los. Der andere
Rabe kam bald zu Hilfe, und der dritte traf Anstalt, der Beute den Bauch aufzubrechen. Obgleich
ich schnell aus dem Schlitten sprang und eiligst auf den Hasen zulief, kam derselbe doch nur noch halb
lebendig in meine Hände."

"Jm Dezember 1855 traf ich wiederum Raben an, welche bereits mit dem Säubern eines Hasen-
gerippes beschäftigt waren. Jch ging der Hasenspur nach und gelangte in einer Entfernung von etwa
200 Schritt zum Lager. Dasselbe war zwei Fuß tief unter dem Schnee und sehr merkwürdig ange-
legt; denn ein unterirdischer Gang von etwa acht Fuß Länge, welcher sehr rein ausgetreten war,
führte zu dem eigentlichen Lager und ein ähnlicher auf der entgegengesetzten Seite wieder ins Freie.
Die Spur der Raben zeigte mir deutlich, daß sich der eine der Räuber in den Gang gewagt hatte,
um den Hasen dem andern zuzutreiben."

"Gleich den Jagdhunden folgen die Raben der Spur eines Hasen oft funfzehn bis zwanzig Schritt
weit zu Fuß. Durch Krächzen und Stoßen ängstigen sie den armen Schelm und bringen ihn dahin,
daß er sich niederdrückt, schließlich die Besinnung verliert und ihnen dann leicht zur Beute wird."

Als Nesträuber benimmt sich der Kolkrabe nicht minder kühn; Wodzicki sah, daß einer sogar
das Ei eines Schreiadler paars davon trug. Jm Norden ist unser Vogel der abscheulichste Nester-
plünderer, welchen es geben kann. Jch bestieg in Norwegen einen Felsen, auf dem eine junge Raben-
familie saß, welche noch von den Eltern gefüttert wurde. Hier fand ich auf einer einzigen Platte
gegen sechszig ausgefressene Eier von Eidergänsen, Möven und Brachvögeln unter Hühner-
beinen, Enten flügeln, Lemming pelzen, leeren Muschelschalen, Ueberresten von jungen Möven,
Strandläufern, Regenpfeifern
u. s. w. Da die vier Jungen unaufhörlich nach Nahrung
kreischten, trugen die Alten fortwährend neue Beute zur Schlachtbank. Kein Wunder, daß sämmt-
liche Möven der Nachbarschaft, sobald die Raben sich zeigten, wüthend über sie hersielen und sich nach
Kräften mit ihnen herumbalgten, kein Wunder, daß auch die Bewohner der nächsten Gehöfte sie ver-
wünschten und aufs Aeußerste haßten!

Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
hungern. Hat er ſich ſatt gefreſſen, ſo ruft er ſeine Kameraden zu dem Reſte der Mahlzeit herbei.
Ebenſo macht er es auch, wenn er ſie zur Jagd braucht; denn dieſe betreibt er mit Leidenſchaft.‟

„Jm Dezember 1847 ging ich bei hohem Schnee mit einem Gefährten auf die Haſenjagd. Ob-
gleich wir ſchon einige Male geſchoſſen hatten, erblickten wir doch an einer Schlucht des gegenüber
liegenden Berges zwei Raben. Der eine ſaß ruhig auf dem Rande und blickte hinunter, der andere,
welcher etwa zwei Fuß niedriger ſtand, langte mit dem Schnabel vorwärts und ſprang behend zurück.
Dies wiederholte er mehrere Male. Beide waren ſo eifrig beſchäftigt, daß ſie unſer Kommen nicht zu
bemerken ſchienen. Erſt als wir uns ihnen bis auf einige Schritte genähert hatten, flogen die Räuber
auf, ſetzten ſich aber in einer Entfernung von wenigen hundert Schritten wieder nieder, wie es ſchien,
in der Hoffnung, daß auch wir, wie ſonſt die Bauern, vorbei gehen würden, ohne ihnen Schaden zu
thun: an der Stelle nun, wo wir ſie beobachtet hatten, ſaß in der Schneewand, etwa zwei Fuß tief,
ein großer alter Haſe. Der eine Rabe hatte denſelben von vorn angegriffen, um ihn zum Aufſtehen
zu zwingen, der andere hatte mit Schnabel und Krallen von oben ein Loch in die Schneewand gebohrt,
augenſcheinlich in der Abſicht, den Haſen von oben herauszujagen. Dieſer aber war ſo klug geweſen,
ſitzen zu bleiben, und hatte durch Brummen und Fauchen den Raben zurückgeſcheucht.‟

„Jm Jahre 1850 ſah ich im Felde zwei Raben, welche in einer Vertiefung beſchäftigt waren.
Als ich an die Stelle kam, lag daſelbſt ein Haſe mit blutendem Kopfe in den letzten Zügen. Jch folgte
der Spur etwa zwanzig Schritte und fand hier ſein Lager mit den deutlichen Anzeichen, daß die Raben
ihn herausgetrieben hatten. Wie kurz war ſeine Flucht geweſen!‟

„Jm Dezember 1851 ſah ich drei Raben, zwei auf dem Boden, den dritten in der Luft. Ein
Haſe ſprang auf und lief was er laufen konnte. Alle Raben verfolgten ihn laut krächzend und
ſtießen, Raubvögeln vergleichbar, bis auf die Erde herab. Der Haſe ſetzte ſich einmal, lief darauf
weiter, ſetzte ſich zum zweiten Mal und duckte ſich endlich zu Boden. Sofort ſtürzte der eine Rabe
ſich auf das Opfer, ſchlug die Krallen in des Haſen Rücken und hieb auf deſſen Kopf los. Der andere
Rabe kam bald zu Hilfe, und der dritte traf Anſtalt, der Beute den Bauch aufzubrechen. Obgleich
ich ſchnell aus dem Schlitten ſprang und eiligſt auf den Haſen zulief, kam derſelbe doch nur noch halb
lebendig in meine Hände.‟

„Jm Dezember 1855 traf ich wiederum Raben an, welche bereits mit dem Säubern eines Haſen-
gerippes beſchäftigt waren. Jch ging der Haſenſpur nach und gelangte in einer Entfernung von etwa
200 Schritt zum Lager. Daſſelbe war zwei Fuß tief unter dem Schnee und ſehr merkwürdig ange-
legt; denn ein unterirdiſcher Gang von etwa acht Fuß Länge, welcher ſehr rein ausgetreten war,
führte zu dem eigentlichen Lager und ein ähnlicher auf der entgegengeſetzten Seite wieder ins Freie.
Die Spur der Raben zeigte mir deutlich, daß ſich der eine der Räuber in den Gang gewagt hatte,
um den Haſen dem andern zuzutreiben.‟

„Gleich den Jagdhunden folgen die Raben der Spur eines Haſen oft funfzehn bis zwanzig Schritt
weit zu Fuß. Durch Krächzen und Stoßen ängſtigen ſie den armen Schelm und bringen ihn dahin,
daß er ſich niederdrückt, ſchließlich die Beſinnung verliert und ihnen dann leicht zur Beute wird.‟

Als Neſträuber benimmt ſich der Kolkrabe nicht minder kühn; Wodzicki ſah, daß einer ſogar
das Ei eines Schreiadler paars davon trug. Jm Norden iſt unſer Vogel der abſcheulichſte Neſter-
plünderer, welchen es geben kann. Jch beſtieg in Norwegen einen Felſen, auf dem eine junge Raben-
familie ſaß, welche noch von den Eltern gefüttert wurde. Hier fand ich auf einer einzigen Platte
gegen ſechszig ausgefreſſene Eier von Eidergänſen, Möven und Brachvögeln unter Hühner-
beinen, Enten flügeln, Lemming pelzen, leeren Muſchelſchalen, Ueberreſten von jungen Möven,
Strandläufern, Regenpfeifern
u. ſ. w. Da die vier Jungen unaufhörlich nach Nahrung
kreiſchten, trugen die Alten fortwährend neue Beute zur Schlachtbank. Kein Wunder, daß ſämmt-
liche Möven der Nachbarſchaft, ſobald die Raben ſich zeigten, wüthend über ſie herſielen und ſich nach
Kräften mit ihnen herumbalgten, kein Wunder, daß auch die Bewohner der nächſten Gehöfte ſie ver-
wünſchten und aufs Aeußerſte haßten!

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[346/0374] Die Knacker. Rabenvögel. Raben. hungern. Hat er ſich ſatt gefreſſen, ſo ruft er ſeine Kameraden zu dem Reſte der Mahlzeit herbei. Ebenſo macht er es auch, wenn er ſie zur Jagd braucht; denn dieſe betreibt er mit Leidenſchaft.‟ „Jm Dezember 1847 ging ich bei hohem Schnee mit einem Gefährten auf die Haſenjagd. Ob- gleich wir ſchon einige Male geſchoſſen hatten, erblickten wir doch an einer Schlucht des gegenüber liegenden Berges zwei Raben. Der eine ſaß ruhig auf dem Rande und blickte hinunter, der andere, welcher etwa zwei Fuß niedriger ſtand, langte mit dem Schnabel vorwärts und ſprang behend zurück. Dies wiederholte er mehrere Male. Beide waren ſo eifrig beſchäftigt, daß ſie unſer Kommen nicht zu bemerken ſchienen. Erſt als wir uns ihnen bis auf einige Schritte genähert hatten, flogen die Räuber auf, ſetzten ſich aber in einer Entfernung von wenigen hundert Schritten wieder nieder, wie es ſchien, in der Hoffnung, daß auch wir, wie ſonſt die Bauern, vorbei gehen würden, ohne ihnen Schaden zu thun: an der Stelle nun, wo wir ſie beobachtet hatten, ſaß in der Schneewand, etwa zwei Fuß tief, ein großer alter Haſe. Der eine Rabe hatte denſelben von vorn angegriffen, um ihn zum Aufſtehen zu zwingen, der andere hatte mit Schnabel und Krallen von oben ein Loch in die Schneewand gebohrt, augenſcheinlich in der Abſicht, den Haſen von oben herauszujagen. Dieſer aber war ſo klug geweſen, ſitzen zu bleiben, und hatte durch Brummen und Fauchen den Raben zurückgeſcheucht.‟ „Jm Jahre 1850 ſah ich im Felde zwei Raben, welche in einer Vertiefung beſchäftigt waren. Als ich an die Stelle kam, lag daſelbſt ein Haſe mit blutendem Kopfe in den letzten Zügen. Jch folgte der Spur etwa zwanzig Schritte und fand hier ſein Lager mit den deutlichen Anzeichen, daß die Raben ihn herausgetrieben hatten. Wie kurz war ſeine Flucht geweſen!‟ „Jm Dezember 1851 ſah ich drei Raben, zwei auf dem Boden, den dritten in der Luft. Ein Haſe ſprang auf und lief was er laufen konnte. Alle Raben verfolgten ihn laut krächzend und ſtießen, Raubvögeln vergleichbar, bis auf die Erde herab. Der Haſe ſetzte ſich einmal, lief darauf weiter, ſetzte ſich zum zweiten Mal und duckte ſich endlich zu Boden. Sofort ſtürzte der eine Rabe ſich auf das Opfer, ſchlug die Krallen in des Haſen Rücken und hieb auf deſſen Kopf los. Der andere Rabe kam bald zu Hilfe, und der dritte traf Anſtalt, der Beute den Bauch aufzubrechen. Obgleich ich ſchnell aus dem Schlitten ſprang und eiligſt auf den Haſen zulief, kam derſelbe doch nur noch halb lebendig in meine Hände.‟ „Jm Dezember 1855 traf ich wiederum Raben an, welche bereits mit dem Säubern eines Haſen- gerippes beſchäftigt waren. Jch ging der Haſenſpur nach und gelangte in einer Entfernung von etwa 200 Schritt zum Lager. Daſſelbe war zwei Fuß tief unter dem Schnee und ſehr merkwürdig ange- legt; denn ein unterirdiſcher Gang von etwa acht Fuß Länge, welcher ſehr rein ausgetreten war, führte zu dem eigentlichen Lager und ein ähnlicher auf der entgegengeſetzten Seite wieder ins Freie. Die Spur der Raben zeigte mir deutlich, daß ſich der eine der Räuber in den Gang gewagt hatte, um den Haſen dem andern zuzutreiben.‟ „Gleich den Jagdhunden folgen die Raben der Spur eines Haſen oft funfzehn bis zwanzig Schritt weit zu Fuß. Durch Krächzen und Stoßen ängſtigen ſie den armen Schelm und bringen ihn dahin, daß er ſich niederdrückt, ſchließlich die Beſinnung verliert und ihnen dann leicht zur Beute wird.‟ Als Neſträuber benimmt ſich der Kolkrabe nicht minder kühn; Wodzicki ſah, daß einer ſogar das Ei eines Schreiadler paars davon trug. Jm Norden iſt unſer Vogel der abſcheulichſte Neſter- plünderer, welchen es geben kann. Jch beſtieg in Norwegen einen Felſen, auf dem eine junge Raben- familie ſaß, welche noch von den Eltern gefüttert wurde. Hier fand ich auf einer einzigen Platte gegen ſechszig ausgefreſſene Eier von Eidergänſen, Möven und Brachvögeln unter Hühner- beinen, Enten flügeln, Lemming pelzen, leeren Muſchelſchalen, Ueberreſten von jungen Möven, Strandläufern, Regenpfeifern u. ſ. w. Da die vier Jungen unaufhörlich nach Nahrung kreiſchten, trugen die Alten fortwährend neue Beute zur Schlachtbank. Kein Wunder, daß ſämmt- liche Möven der Nachbarſchaft, ſobald die Raben ſich zeigten, wüthend über ſie herſielen und ſich nach Kräften mit ihnen herumbalgten, kein Wunder, daß auch die Bewohner der nächſten Gehöfte ſie ver- wünſchten und aufs Aeußerſte haßten!

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/374>, abgerufen am 25.11.2024.