hilflosen Geschöpfe war. Jn dem Garten seines Eigners gab es eine Zahl von Rosenbüschen, welche von einem Drahtgehege umwoben und von dichten Schlingpflanzen dicht umsponnen waren. Hier nistete ein Paar von Finken, welches beständig von den Einwohnern des Hauses gefüttert wurde, weil diese gegen alle Thiere freundlich gesinnt waren. Die vielen Besuche des Rosenhaines fielen Polly, dem Papagei, bald auf; er sah, wie dort Futter gestreut wurde und beschloß, so gutem Beispiele zu folgen. Da er sich frei bewegen konnte, verließ er bald seinen Käfig, ahmte den Lockton der alten Finken täuschend nach und schleppte den Jungen hierauf einen Schnabel voll nach dem andern von seinem Futter zu. Seine Beweise von Zuneigung gegen die Pflegekinder waren aber den Alten etwas zu stürmisch; unbekannt mit dem großen Vogel flogen sie erschreckt von dannen, und Polly sah jetzt die Jungen gänzlich verwaist und für ihre Pflegebestrebungen den weitesten Spiel- raum. Von Stund an weigerte sie sich, in ihren Käfig zurückzukehren, blieb vielmehr Tag und Nacht bei ihren Pflegekindern, fütterte sie sehr sorgfältig und hatte die Freude, sie groß zu ziehen. Als die Kleinen flügge waren, saßen sie auf Kopf und Nacken ihrer Pflegemutter, und dann kam es vor, daß Polly sehr ernsthaft mit ihrer Last umherging. Doch erntete der Papagei wenig Dank; als den Pflegekindern die Schwingen gewachsen waren, flogen sie auf und davon."
"Die arme Polly zeigte einige Zeit großen Kummer, tröstete sich aber bald darauf, weil sie Gelegenheit fand, ihre mütterlichen Gefühle bei der Pflege anderer kleiner Wesen zu befriedigen. Sie hatte junge Grasmücken ausgestöbert, die durch irgend welchen Unfall verwaist waren. Diese brachte sie einzeln nach ihrem Käfig und wußte sich wirklich mit ihnen zu verständigen."
Nach derartigen Mittheilungen über das Gefangenleben des rothschwänzigen Papageis muß eine Schilderung seiner übrigen Eigenschaften als nebensächlich erscheinen, und deshalb will ich nur flüchtig noch erwähnen, daß man auch diesen Papagei wie alle übrigen mit verschiedenen Sämereien leicht erhält, aber an allerlei Nahrung gewöhnen kann, und daß er bei dem einfachsten Futter am besten sich hält. Einige Male hat man Gefangene auch zur Fortpflanzung gebracht und ohne beson- dere Mühe Junge gezogen; doch will ich auch hierauf nicht weiter eingehen, weil ich später hierüber noch Einiges zu sagen habe. Dagegen muß ich noch einmal auf Le Vaillant zurückkommen, weil aus seiner Erzählung hervorgeht, daß dieser Papagei in der Gefangenschaft ein hohes Menschenalter erreichen kann. Derjenige, welchen der Kaufmann Minninck-Huysen in Amsterdam besaß, hatte, bevor er durch Erbschaft seinem späteren Besitzer zufiel, bereits 32 Jahr in der Gefangenschaft gelebt und hielt dann noch 41 Jahre aus. Ungefähr vier bis fünf Jahre vor seinem Ende wurde er alters- schwach. Seine Lebhaftigkeit und seine Geistesfähigkeiten, namentlich sein Gedächtniß, nahmen ab und schwanden endlich ganz dahin. Jn den letzten zwei Jahren konnte er nicht mehr auf seiner Stange sitzen, sondern nur noch auf dem Boden hocken. Zuletzt war er nicht mehr im Stande, selbst zu fressen und mußte geäzt werden. Auch seine Mauser ging in den letzten Jahren seines Lebens nur sehr unvollkommen von statten; sie erstreckte sich blos auf einzelne Federn, und diese wurden end- lich auch nicht wieder ersetzt. Altersmatt und schwach schwand er ganz allmählich dahin. Aus diesem einen Beispiele geht hervor, daß die von Humboldt mitgetheilte und von Curtius bearbeitete Sage, welcher ich oben Raum gegönnt habe, auf thatsächlichem Grunde beruht.
Mehrere amerikanische Arten der Kurzschwänze, welche man gegenwärtig mit dem Namen Grün- papageien (Chrysotis) bezeichnet, unterscheiden sich von den grauen Verwandten durch vorwaltend grüne Färbung und einen kleineren nackten Augenring; im übrigen sind beider Kennzeichen dieselben. Der Leib ist gedrungen, der Kopf groß, der starke Schnabel gebogen, der Schwanz kurz, breit und etwas gerundet, der Flügel breit und stark gebaut, bis über die Mitte des Schwanzes herabreichend, das Bein stark, dick und fleischig, der Fuß kräftig und mit großen Krallen bewehrt, das Gefieder knapp anliegend, derb, kleinfedrig und schuppig.
Beiſpiele der Abrichtung. Lebensalter.
hilfloſen Geſchöpfe war. Jn dem Garten ſeines Eigners gab es eine Zahl von Roſenbüſchen, welche von einem Drahtgehege umwoben und von dichten Schlingpflanzen dicht umſponnen waren. Hier niſtete ein Paar von Finken, welches beſtändig von den Einwohnern des Hauſes gefüttert wurde, weil dieſe gegen alle Thiere freundlich geſinnt waren. Die vielen Beſuche des Roſenhaines fielen Polly, dem Papagei, bald auf; er ſah, wie dort Futter geſtreut wurde und beſchloß, ſo gutem Beiſpiele zu folgen. Da er ſich frei bewegen konnte, verließ er bald ſeinen Käfig, ahmte den Lockton der alten Finken täuſchend nach und ſchleppte den Jungen hierauf einen Schnabel voll nach dem andern von ſeinem Futter zu. Seine Beweiſe von Zuneigung gegen die Pflegekinder waren aber den Alten etwas zu ſtürmiſch; unbekannt mit dem großen Vogel flogen ſie erſchreckt von dannen, und Polly ſah jetzt die Jungen gänzlich verwaiſt und für ihre Pflegebeſtrebungen den weiteſten Spiel- raum. Von Stund an weigerte ſie ſich, in ihren Käfig zurückzukehren, blieb vielmehr Tag und Nacht bei ihren Pflegekindern, fütterte ſie ſehr ſorgfältig und hatte die Freude, ſie groß zu ziehen. Als die Kleinen flügge waren, ſaßen ſie auf Kopf und Nacken ihrer Pflegemutter, und dann kam es vor, daß Polly ſehr ernſthaft mit ihrer Laſt umherging. Doch erntete der Papagei wenig Dank; als den Pflegekindern die Schwingen gewachſen waren, flogen ſie auf und davon.‟
„Die arme Polly zeigte einige Zeit großen Kummer, tröſtete ſich aber bald darauf, weil ſie Gelegenheit fand, ihre mütterlichen Gefühle bei der Pflege anderer kleiner Weſen zu befriedigen. Sie hatte junge Grasmücken ausgeſtöbert, die durch irgend welchen Unfall verwaiſt waren. Dieſe brachte ſie einzeln nach ihrem Käfig und wußte ſich wirklich mit ihnen zu verſtändigen.‟
Nach derartigen Mittheilungen über das Gefangenleben des rothſchwänzigen Papageis muß eine Schilderung ſeiner übrigen Eigenſchaften als nebenſächlich erſcheinen, und deshalb will ich nur flüchtig noch erwähnen, daß man auch dieſen Papagei wie alle übrigen mit verſchiedenen Sämereien leicht erhält, aber an allerlei Nahrung gewöhnen kann, und daß er bei dem einfachſten Futter am beſten ſich hält. Einige Male hat man Gefangene auch zur Fortpflanzung gebracht und ohne beſon- dere Mühe Junge gezogen; doch will ich auch hierauf nicht weiter eingehen, weil ich ſpäter hierüber noch Einiges zu ſagen habe. Dagegen muß ich noch einmal auf Le Vaillant zurückkommen, weil aus ſeiner Erzählung hervorgeht, daß dieſer Papagei in der Gefangenſchaft ein hohes Menſchenalter erreichen kann. Derjenige, welchen der Kaufmann Minninck-Huyſen in Amſterdam beſaß, hatte, bevor er durch Erbſchaft ſeinem ſpäteren Beſitzer zufiel, bereits 32 Jahr in der Gefangenſchaft gelebt und hielt dann noch 41 Jahre aus. Ungefähr vier bis fünf Jahre vor ſeinem Ende wurde er alters- ſchwach. Seine Lebhaftigkeit und ſeine Geiſtesfähigkeiten, namentlich ſein Gedächtniß, nahmen ab und ſchwanden endlich ganz dahin. Jn den letzten zwei Jahren konnte er nicht mehr auf ſeiner Stange ſitzen, ſondern nur noch auf dem Boden hocken. Zuletzt war er nicht mehr im Stande, ſelbſt zu freſſen und mußte geäzt werden. Auch ſeine Mauſer ging in den letzten Jahren ſeines Lebens nur ſehr unvollkommen von ſtatten; ſie erſtreckte ſich blos auf einzelne Federn, und dieſe wurden end- lich auch nicht wieder erſetzt. Altersmatt und ſchwach ſchwand er ganz allmählich dahin. Aus dieſem einen Beiſpiele geht hervor, daß die von Humboldt mitgetheilte und von Curtius bearbeitete Sage, welcher ich oben Raum gegönnt habe, auf thatſächlichem Grunde beruht.
Mehrere amerikaniſche Arten der Kurzſchwänze, welche man gegenwärtig mit dem Namen Grün- papageien (Chrysotis) bezeichnet, unterſcheiden ſich von den grauen Verwandten durch vorwaltend grüne Färbung und einen kleineren nackten Augenring; im übrigen ſind beider Kennzeichen dieſelben. Der Leib iſt gedrungen, der Kopf groß, der ſtarke Schnabel gebogen, der Schwanz kurz, breit und etwas gerundet, der Flügel breit und ſtark gebaut, bis über die Mitte des Schwanzes herabreichend, das Bein ſtark, dick und fleiſchig, der Fuß kräftig und mit großen Krallen bewehrt, das Gefieder knapp anliegend, derb, kleinfedrig und ſchuppig.
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[27/0039]
Beiſpiele der Abrichtung. Lebensalter.
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welche von einem Drahtgehege umwoben und von dichten Schlingpflanzen dicht umſponnen waren.
Hier niſtete ein Paar von Finken, welches beſtändig von den Einwohnern des Hauſes gefüttert wurde,
weil dieſe gegen alle Thiere freundlich geſinnt waren. Die vielen Beſuche des Roſenhaines fielen
Polly, dem Papagei, bald auf; er ſah, wie dort Futter geſtreut wurde und beſchloß, ſo gutem
Beiſpiele zu folgen. Da er ſich frei bewegen konnte, verließ er bald ſeinen Käfig, ahmte den
Lockton der alten Finken täuſchend nach und ſchleppte den Jungen hierauf einen Schnabel voll nach
dem andern von ſeinem Futter zu. Seine Beweiſe von Zuneigung gegen die Pflegekinder waren aber
den Alten etwas zu ſtürmiſch; unbekannt mit dem großen Vogel flogen ſie erſchreckt von dannen, und
Polly ſah jetzt die Jungen gänzlich verwaiſt und für ihre Pflegebeſtrebungen den weiteſten Spiel-
raum. Von Stund an weigerte ſie ſich, in ihren Käfig zurückzukehren, blieb vielmehr Tag und Nacht
bei ihren Pflegekindern, fütterte ſie ſehr ſorgfältig und hatte die Freude, ſie groß zu ziehen. Als die
Kleinen flügge waren, ſaßen ſie auf Kopf und Nacken ihrer Pflegemutter, und dann kam es vor, daß
Polly ſehr ernſthaft mit ihrer Laſt umherging. Doch erntete der Papagei wenig Dank; als den
Pflegekindern die Schwingen gewachſen waren, flogen ſie auf und davon.‟
„Die arme Polly zeigte einige Zeit großen Kummer, tröſtete ſich aber bald darauf, weil ſie
Gelegenheit fand, ihre mütterlichen Gefühle bei der Pflege anderer kleiner Weſen zu befriedigen. Sie
hatte junge Grasmücken ausgeſtöbert, die durch irgend welchen Unfall verwaiſt waren. Dieſe
brachte ſie einzeln nach ihrem Käfig und wußte ſich wirklich mit ihnen zu verſtändigen.‟
Nach derartigen Mittheilungen über das Gefangenleben des rothſchwänzigen Papageis muß
eine Schilderung ſeiner übrigen Eigenſchaften als nebenſächlich erſcheinen, und deshalb will ich nur
flüchtig noch erwähnen, daß man auch dieſen Papagei wie alle übrigen mit verſchiedenen Sämereien
leicht erhält, aber an allerlei Nahrung gewöhnen kann, und daß er bei dem einfachſten Futter am
beſten ſich hält. Einige Male hat man Gefangene auch zur Fortpflanzung gebracht und ohne beſon-
dere Mühe Junge gezogen; doch will ich auch hierauf nicht weiter eingehen, weil ich ſpäter hierüber
noch Einiges zu ſagen habe. Dagegen muß ich noch einmal auf Le Vaillant zurückkommen, weil
aus ſeiner Erzählung hervorgeht, daß dieſer Papagei in der Gefangenſchaft ein hohes Menſchenalter
erreichen kann. Derjenige, welchen der Kaufmann Minninck-Huyſen in Amſterdam beſaß, hatte,
bevor er durch Erbſchaft ſeinem ſpäteren Beſitzer zufiel, bereits 32 Jahr in der Gefangenſchaft gelebt
und hielt dann noch 41 Jahre aus. Ungefähr vier bis fünf Jahre vor ſeinem Ende wurde er alters-
ſchwach. Seine Lebhaftigkeit und ſeine Geiſtesfähigkeiten, namentlich ſein Gedächtniß, nahmen ab
und ſchwanden endlich ganz dahin. Jn den letzten zwei Jahren konnte er nicht mehr auf ſeiner
Stange ſitzen, ſondern nur noch auf dem Boden hocken. Zuletzt war er nicht mehr im Stande, ſelbſt
zu freſſen und mußte geäzt werden. Auch ſeine Mauſer ging in den letzten Jahren ſeines Lebens
nur ſehr unvollkommen von ſtatten; ſie erſtreckte ſich blos auf einzelne Federn, und dieſe wurden end-
lich auch nicht wieder erſetzt. Altersmatt und ſchwach ſchwand er ganz allmählich dahin. Aus dieſem
einen Beiſpiele geht hervor, daß die von Humboldt mitgetheilte und von Curtius bearbeitete
Sage, welcher ich oben Raum gegönnt habe, auf thatſächlichem Grunde beruht.
Mehrere amerikaniſche Arten der Kurzſchwänze, welche man gegenwärtig mit dem Namen Grün-
papageien (Chrysotis) bezeichnet, unterſcheiden ſich von den grauen Verwandten durch vorwaltend
grüne Färbung und einen kleineren nackten Augenring; im übrigen ſind beider Kennzeichen dieſelben.
Der Leib iſt gedrungen, der Kopf groß, der ſtarke Schnabel gebogen, der Schwanz kurz, breit und
etwas gerundet, der Flügel breit und ſtark gebaut, bis über die Mitte des Schwanzes herabreichend,
das Bein ſtark, dick und fleiſchig, der Fuß kräftig und mit großen Krallen bewehrt, das Gefieder knapp
anliegend, derb, kleinfedrig und ſchuppig.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/39>, abgerufen am 03.12.2024.
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