Heuschrecken, von denen er eine unschätzbare Menge verzehrt. Jm August beginnt die Brutzeit; sie währt, da jedes Pärchen zweimal brütet, bis zum Januar. Das runde und offene Nest ist aus Reiß- holz und Blättern erbaut und mit zarteren Stoffen, wie sie eben vorkommen, ausgefüttert. Die drei bis vier Eier, welche das Gelege ausmachen, konnte Gould nicht erhalten; dagegen beschreibt er die eines sehr nahen Verwandten. Sie sind auf düster bläulichweißem, zuweilen ins Röthliche spielenden Grunde mit großen braunrothen oder lichtkastanienbraunen Flecken zickzackartig gezeichnet.
Als Gould Australien bereiste, gehörte ein gefangener Flötenvogel noch zu den Seltenheiten; gegenwärtig erhalten wir alle Jahre ihn oder seine nächsten Verwandten lebend. Die Gefangenen finden viele Liebhaber; in Thiergärten sind sie geradezu unentbehrlich. Sie verstehen es, die Besucher zu fesseln. Schon der schweigsame Vogel ist der Theilnahme werth; allgemein anziehend aber wird er, wenn er eins seiner sonderbaren Lieder beginnt. Die Töne sind, wie bemerkt, kaum zu beschrei- ben, das Lied ist auch sehr verschieden; denn die einen sind große Künstler, die andern nur Stümper. Jch habe Flötenvögel gehört, welche wunderherrlich sangen, viele andere aber beobachtet, welche nur einige fugenartig verbundene Töne hören ließen. Jeder einzelne Laut des Vortrags ist volltönend und rein; nur die Endstrophe wird gewöhnlich mehr geschnarrt, als geflötet. Unsere Thiere sind, um es mit zwei Worten zu sagen, geschickt im Ausführen, aber ungeschickt im Erfinden eines Liedes. Sie verderben oft den Spaß durch allerlei Grillen, welche ihnen gerade in den Kopf kommen. Gelehrig sind sie im allerhöchsten Grade; sie nehmen ohne Mühe Lieder an, gleichviel, ob dieselben aus beredtem Vogelmunde ihnen vorgetragen, oder ob sie auf einer Drehorgel und anderweitigen Tonwerkzeugen ihnen vorgespielt werden. Sämmtliche Gefangene, welche ich beobachten konnte, mischen bekannte Lie- der, namentlich beliebte Volksweisen in ihren Gesang; sie scheinen dieselben während der Ueberfahrt den Matrosen abgelauscht zu haben. Bekannte werden von den Flötenvögeln regelmäßig mit einem Liede erfreut, Freunde mit einer gewissen Zärtlichkeit begrüßt. Die Freundschaft ist jedoch noch leich- ter verscherzt, als gewonnen; denn nach meinen Ersahrungen sind diese Raben sehr heftige und jähzornige, ja rachsüchtige Geschöpfe, welche sich bei der geringsten Veranlassung ihres Schnabels bedienen, oft in recht empfindlicher Weise. Jhr Zorn wird beim geringsten Necken rege, sie sträuben dann das Gefieder, breiten die Flügel und den Schwanz und fahren wie ein erboster Hahn gegen den Störenfried los. Auch mit ihres Gleichen leben sie viel im Streit und Kampf, und andere Vögel fal- len sie sofort mörderisch an. Sie wissen selbst starke Klassengenossen zu bewältigen.
Jhre Haltung im Käfig verursacht keine Schwierigkeiten. Sie bedürfen allerdings thierischer Nahrung, nehmen aber auch gern mit Pflanzenstoffen vorlieb. Fleisch, Brod und Früchte bilden den Haupttheil ihrer Mahlzeit. Gegen die Witterung zeigen sie sich wenig empfindlich. Sie könnten wohl ohne Gefahr auch während des Winters im Freien gehalten werden; man zieht es jedoch vor, sie bei Eintritt der Kälte in geschützten Räumen zu beherbergen. Jch halte es für unzweifelhaft, daß sie in einem größeren Gebauer zur Fortpflanzung gebracht werden können.
Die Klingelatzeln (Strepera) unterscheiden sich von den eigentlichen Flötenvögeln durch längeren und schlankeren, auch stärker gebogenen Schnabel mit kräftigerem Haken und deutlicherem Zahn.
Die lärmende Klingelatzel (Strepera graculina) ist schön bläulichschwarz; die Wurzelhälfte der vierten bis achten Schwinge, die Wurzelhälfte und die Spitze des Schwanzes, sowie die Unter- schwanzdeckfedern sind weiß. Auf dem Flügel bildet sich durch diese Farbenvertheilung ein weißer Flecken; der Schwanz erscheint weiß mit breitem schwarzen Querband. Das Auge ist schön gelb, der Schnabel und die Beine sind schwarz. Die Länge deträgt 17 Zoll.
Auch die Klingelatzel, welche ihren Namen von ihrem eigenthümlich klingelnden Geschrei erhielt, bewohnt vorzugsweise Neusüdwales und ist hier allgemein verbreitet, scheint aber zeitweilig im Lande umherzustreichen, weil man sie zuweilen zahlreich an der offenen Küste findet, während sie zu andern
Brehm, Thierleben. III. 24
Flötenvogel. Klingelatzel.
Heuſchrecken, von denen er eine unſchätzbare Menge verzehrt. Jm Auguſt beginnt die Brutzeit; ſie währt, da jedes Pärchen zweimal brütet, bis zum Januar. Das runde und offene Neſt iſt aus Reiß- holz und Blättern erbaut und mit zarteren Stoffen, wie ſie eben vorkommen, ausgefüttert. Die drei bis vier Eier, welche das Gelege ausmachen, konnte Gould nicht erhalten; dagegen beſchreibt er die eines ſehr nahen Verwandten. Sie ſind auf düſter bläulichweißem, zuweilen ins Röthliche ſpielenden Grunde mit großen braunrothen oder lichtkaſtanienbraunen Flecken zickzackartig gezeichnet.
Als Gould Auſtralien bereiſte, gehörte ein gefangener Flötenvogel noch zu den Seltenheiten; gegenwärtig erhalten wir alle Jahre ihn oder ſeine nächſten Verwandten lebend. Die Gefangenen finden viele Liebhaber; in Thiergärten ſind ſie geradezu unentbehrlich. Sie verſtehen es, die Beſucher zu feſſeln. Schon der ſchweigſame Vogel iſt der Theilnahme werth; allgemein anziehend aber wird er, wenn er eins ſeiner ſonderbaren Lieder beginnt. Die Töne ſind, wie bemerkt, kaum zu beſchrei- ben, das Lied iſt auch ſehr verſchieden; denn die einen ſind große Künſtler, die andern nur Stümper. Jch habe Flötenvögel gehört, welche wunderherrlich ſangen, viele andere aber beobachtet, welche nur einige fugenartig verbundene Töne hören ließen. Jeder einzelne Laut des Vortrags iſt volltönend und rein; nur die Endſtrophe wird gewöhnlich mehr geſchnarrt, als geflötet. Unſere Thiere ſind, um es mit zwei Worten zu ſagen, geſchickt im Ausführen, aber ungeſchickt im Erfinden eines Liedes. Sie verderben oft den Spaß durch allerlei Grillen, welche ihnen gerade in den Kopf kommen. Gelehrig ſind ſie im allerhöchſten Grade; ſie nehmen ohne Mühe Lieder an, gleichviel, ob dieſelben aus beredtem Vogelmunde ihnen vorgetragen, oder ob ſie auf einer Drehorgel und anderweitigen Tonwerkzeugen ihnen vorgeſpielt werden. Sämmtliche Gefangene, welche ich beobachten konnte, miſchen bekannte Lie- der, namentlich beliebte Volksweiſen in ihren Geſang; ſie ſcheinen dieſelben während der Ueberfahrt den Matroſen abgelauſcht zu haben. Bekannte werden von den Flötenvögeln regelmäßig mit einem Liede erfreut, Freunde mit einer gewiſſen Zärtlichkeit begrüßt. Die Freundſchaft iſt jedoch noch leich- ter verſcherzt, als gewonnen; denn nach meinen Erſahrungen ſind dieſe Raben ſehr heftige und jähzornige, ja rachſüchtige Geſchöpfe, welche ſich bei der geringſten Veranlaſſung ihres Schnabels bedienen, oft in recht empfindlicher Weiſe. Jhr Zorn wird beim geringſten Necken rege, ſie ſträuben dann das Gefieder, breiten die Flügel und den Schwanz und fahren wie ein erboſter Hahn gegen den Störenfried los. Auch mit ihres Gleichen leben ſie viel im Streit und Kampf, und andere Vögel fal- len ſie ſofort mörderiſch an. Sie wiſſen ſelbſt ſtarke Klaſſengenoſſen zu bewältigen.
Jhre Haltung im Käfig verurſacht keine Schwierigkeiten. Sie bedürfen allerdings thieriſcher Nahrung, nehmen aber auch gern mit Pflanzenſtoffen vorlieb. Fleiſch, Brod und Früchte bilden den Haupttheil ihrer Mahlzeit. Gegen die Witterung zeigen ſie ſich wenig empfindlich. Sie könnten wohl ohne Gefahr auch während des Winters im Freien gehalten werden; man zieht es jedoch vor, ſie bei Eintritt der Kälte in geſchützten Räumen zu beherbergen. Jch halte es für unzweifelhaft, daß ſie in einem größeren Gebauer zur Fortpflanzung gebracht werden können.
Die Klingelatzeln (Strepera) unterſcheiden ſich von den eigentlichen Flötenvögeln durch längeren und ſchlankeren, auch ſtärker gebogenen Schnabel mit kräftigerem Haken und deutlicherem Zahn.
Die lärmende Klingelatzel (Strepera graculina) iſt ſchön bläulichſchwarz; die Wurzelhälfte der vierten bis achten Schwinge, die Wurzelhälfte und die Spitze des Schwanzes, ſowie die Unter- ſchwanzdeckfedern ſind weiß. Auf dem Flügel bildet ſich durch dieſe Farbenvertheilung ein weißer Flecken; der Schwanz erſcheint weiß mit breitem ſchwarzen Querband. Das Auge iſt ſchön gelb, der Schnabel und die Beine ſind ſchwarz. Die Länge deträgt 17 Zoll.
Auch die Klingelatzel, welche ihren Namen von ihrem eigenthümlich klingelnden Geſchrei erhielt, bewohnt vorzugsweiſe Neuſüdwales und iſt hier allgemein verbreitet, ſcheint aber zeitweilig im Lande umherzuſtreichen, weil man ſie zuweilen zahlreich an der offenen Küſte findet, während ſie zu andern
Brehm, Thierleben. III. 24
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0397"n="369"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Flötenvogel. Klingelatzel.</hi></fw><lb/>
Heuſchrecken, von denen er eine unſchätzbare Menge verzehrt. Jm Auguſt beginnt die Brutzeit; ſie<lb/>
währt, da jedes Pärchen zweimal brütet, bis zum Januar. Das runde und offene Neſt iſt aus Reiß-<lb/>
holz und Blättern erbaut und mit zarteren Stoffen, wie ſie eben vorkommen, ausgefüttert. Die drei<lb/>
bis vier Eier, welche das Gelege ausmachen, konnte <hirendition="#g">Gould</hi> nicht erhalten; dagegen beſchreibt er die<lb/>
eines ſehr nahen Verwandten. Sie ſind auf düſter bläulichweißem, zuweilen ins Röthliche ſpielenden<lb/>
Grunde mit großen braunrothen oder lichtkaſtanienbraunen Flecken zickzackartig gezeichnet.</p><lb/><p>Als <hirendition="#g">Gould</hi> Auſtralien bereiſte, gehörte ein gefangener Flötenvogel noch zu den Seltenheiten;<lb/>
gegenwärtig erhalten wir alle Jahre ihn oder ſeine nächſten Verwandten lebend. Die Gefangenen<lb/>
finden viele Liebhaber; in Thiergärten ſind ſie geradezu unentbehrlich. Sie verſtehen es, die Beſucher<lb/>
zu feſſeln. Schon der ſchweigſame Vogel iſt der Theilnahme werth; allgemein anziehend aber wird<lb/>
er, wenn er eins ſeiner ſonderbaren Lieder beginnt. Die Töne ſind, wie bemerkt, kaum zu beſchrei-<lb/>
ben, das Lied iſt auch ſehr verſchieden; denn die einen ſind große Künſtler, die andern nur Stümper.<lb/>
Jch habe Flötenvögel gehört, welche wunderherrlich ſangen, viele andere aber beobachtet, welche nur<lb/>
einige fugenartig verbundene Töne hören ließen. Jeder einzelne Laut des Vortrags iſt volltönend und<lb/>
rein; nur die Endſtrophe wird gewöhnlich mehr geſchnarrt, als geflötet. Unſere Thiere ſind, um es<lb/>
mit zwei Worten zu ſagen, geſchickt im Ausführen, aber ungeſchickt im Erfinden eines Liedes. Sie<lb/>
verderben oft den Spaß durch allerlei Grillen, welche ihnen gerade in den Kopf kommen. Gelehrig ſind<lb/>ſie im allerhöchſten Grade; ſie nehmen ohne Mühe Lieder an, gleichviel, ob dieſelben aus beredtem<lb/>
Vogelmunde ihnen vorgetragen, oder ob ſie auf einer Drehorgel und anderweitigen Tonwerkzeugen<lb/>
ihnen vorgeſpielt werden. Sämmtliche Gefangene, welche ich beobachten konnte, miſchen bekannte Lie-<lb/>
der, namentlich beliebte Volksweiſen in ihren Geſang; ſie ſcheinen dieſelben während der Ueberfahrt<lb/>
den Matroſen abgelauſcht zu haben. Bekannte werden von den Flötenvögeln regelmäßig mit einem<lb/>
Liede erfreut, Freunde mit einer gewiſſen Zärtlichkeit begrüßt. Die Freundſchaft iſt jedoch noch leich-<lb/>
ter verſcherzt, als gewonnen; denn nach meinen Erſahrungen ſind dieſe Raben ſehr heftige und<lb/>
jähzornige, ja rachſüchtige Geſchöpfe, welche ſich bei der geringſten Veranlaſſung ihres Schnabels<lb/>
bedienen, oft in recht empfindlicher Weiſe. Jhr Zorn wird beim geringſten Necken rege, ſie ſträuben<lb/>
dann das Gefieder, breiten die Flügel und den Schwanz und fahren wie ein erboſter <hirendition="#g">Hahn</hi> gegen den<lb/>
Störenfried los. Auch mit ihres Gleichen leben ſie viel im Streit und Kampf, und andere Vögel fal-<lb/>
len ſie ſofort mörderiſch an. Sie wiſſen ſelbſt ſtarke Klaſſengenoſſen zu bewältigen.</p><lb/><p>Jhre Haltung im Käfig verurſacht keine Schwierigkeiten. Sie bedürfen allerdings thieriſcher<lb/>
Nahrung, nehmen aber auch gern mit Pflanzenſtoffen vorlieb. Fleiſch, Brod und Früchte bilden den<lb/>
Haupttheil ihrer Mahlzeit. Gegen die Witterung zeigen ſie ſich wenig empfindlich. Sie könnten<lb/>
wohl ohne Gefahr auch während des Winters im Freien gehalten werden; man zieht es jedoch vor,<lb/>ſie bei Eintritt der Kälte in geſchützten Räumen zu beherbergen. Jch halte es für unzweifelhaft,<lb/>
daß ſie in einem größeren Gebauer zur Fortpflanzung gebracht werden können.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Die <hirendition="#g">Klingelatzeln</hi> (<hirendition="#aq">Strepera</hi>) unterſcheiden ſich von den eigentlichen Flötenvögeln durch längeren<lb/>
und ſchlankeren, auch ſtärker gebogenen Schnabel mit kräftigerem Haken und deutlicherem Zahn.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">lärmende Klingelatzel</hi> (<hirendition="#aq">Strepera graculina</hi>) iſt ſchön bläulichſchwarz; die Wurzelhälfte<lb/>
der vierten bis achten Schwinge, die Wurzelhälfte und die Spitze des Schwanzes, ſowie die Unter-<lb/>ſchwanzdeckfedern ſind weiß. Auf dem Flügel bildet ſich durch dieſe Farbenvertheilung ein weißer<lb/>
Flecken; der Schwanz erſcheint weiß mit breitem ſchwarzen Querband. Das Auge iſt ſchön gelb,<lb/>
der Schnabel und die Beine ſind ſchwarz. Die Länge deträgt 17 Zoll.</p><lb/><p>Auch die Klingelatzel, welche ihren Namen von ihrem eigenthümlich klingelnden Geſchrei erhielt,<lb/>
bewohnt vorzugsweiſe Neuſüdwales und iſt hier allgemein verbreitet, ſcheint aber zeitweilig im Lande<lb/>
umherzuſtreichen, weil man ſie zuweilen zahlreich an der offenen Küſte findet, während ſie zu andern<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hirendition="#aq">III.</hi> 24</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[369/0397]
Flötenvogel. Klingelatzel.
Heuſchrecken, von denen er eine unſchätzbare Menge verzehrt. Jm Auguſt beginnt die Brutzeit; ſie
währt, da jedes Pärchen zweimal brütet, bis zum Januar. Das runde und offene Neſt iſt aus Reiß-
holz und Blättern erbaut und mit zarteren Stoffen, wie ſie eben vorkommen, ausgefüttert. Die drei
bis vier Eier, welche das Gelege ausmachen, konnte Gould nicht erhalten; dagegen beſchreibt er die
eines ſehr nahen Verwandten. Sie ſind auf düſter bläulichweißem, zuweilen ins Röthliche ſpielenden
Grunde mit großen braunrothen oder lichtkaſtanienbraunen Flecken zickzackartig gezeichnet.
Als Gould Auſtralien bereiſte, gehörte ein gefangener Flötenvogel noch zu den Seltenheiten;
gegenwärtig erhalten wir alle Jahre ihn oder ſeine nächſten Verwandten lebend. Die Gefangenen
finden viele Liebhaber; in Thiergärten ſind ſie geradezu unentbehrlich. Sie verſtehen es, die Beſucher
zu feſſeln. Schon der ſchweigſame Vogel iſt der Theilnahme werth; allgemein anziehend aber wird
er, wenn er eins ſeiner ſonderbaren Lieder beginnt. Die Töne ſind, wie bemerkt, kaum zu beſchrei-
ben, das Lied iſt auch ſehr verſchieden; denn die einen ſind große Künſtler, die andern nur Stümper.
Jch habe Flötenvögel gehört, welche wunderherrlich ſangen, viele andere aber beobachtet, welche nur
einige fugenartig verbundene Töne hören ließen. Jeder einzelne Laut des Vortrags iſt volltönend und
rein; nur die Endſtrophe wird gewöhnlich mehr geſchnarrt, als geflötet. Unſere Thiere ſind, um es
mit zwei Worten zu ſagen, geſchickt im Ausführen, aber ungeſchickt im Erfinden eines Liedes. Sie
verderben oft den Spaß durch allerlei Grillen, welche ihnen gerade in den Kopf kommen. Gelehrig ſind
ſie im allerhöchſten Grade; ſie nehmen ohne Mühe Lieder an, gleichviel, ob dieſelben aus beredtem
Vogelmunde ihnen vorgetragen, oder ob ſie auf einer Drehorgel und anderweitigen Tonwerkzeugen
ihnen vorgeſpielt werden. Sämmtliche Gefangene, welche ich beobachten konnte, miſchen bekannte Lie-
der, namentlich beliebte Volksweiſen in ihren Geſang; ſie ſcheinen dieſelben während der Ueberfahrt
den Matroſen abgelauſcht zu haben. Bekannte werden von den Flötenvögeln regelmäßig mit einem
Liede erfreut, Freunde mit einer gewiſſen Zärtlichkeit begrüßt. Die Freundſchaft iſt jedoch noch leich-
ter verſcherzt, als gewonnen; denn nach meinen Erſahrungen ſind dieſe Raben ſehr heftige und
jähzornige, ja rachſüchtige Geſchöpfe, welche ſich bei der geringſten Veranlaſſung ihres Schnabels
bedienen, oft in recht empfindlicher Weiſe. Jhr Zorn wird beim geringſten Necken rege, ſie ſträuben
dann das Gefieder, breiten die Flügel und den Schwanz und fahren wie ein erboſter Hahn gegen den
Störenfried los. Auch mit ihres Gleichen leben ſie viel im Streit und Kampf, und andere Vögel fal-
len ſie ſofort mörderiſch an. Sie wiſſen ſelbſt ſtarke Klaſſengenoſſen zu bewältigen.
Jhre Haltung im Käfig verurſacht keine Schwierigkeiten. Sie bedürfen allerdings thieriſcher
Nahrung, nehmen aber auch gern mit Pflanzenſtoffen vorlieb. Fleiſch, Brod und Früchte bilden den
Haupttheil ihrer Mahlzeit. Gegen die Witterung zeigen ſie ſich wenig empfindlich. Sie könnten
wohl ohne Gefahr auch während des Winters im Freien gehalten werden; man zieht es jedoch vor,
ſie bei Eintritt der Kälte in geſchützten Räumen zu beherbergen. Jch halte es für unzweifelhaft,
daß ſie in einem größeren Gebauer zur Fortpflanzung gebracht werden können.
Die Klingelatzeln (Strepera) unterſcheiden ſich von den eigentlichen Flötenvögeln durch längeren
und ſchlankeren, auch ſtärker gebogenen Schnabel mit kräftigerem Haken und deutlicherem Zahn.
Die lärmende Klingelatzel (Strepera graculina) iſt ſchön bläulichſchwarz; die Wurzelhälfte
der vierten bis achten Schwinge, die Wurzelhälfte und die Spitze des Schwanzes, ſowie die Unter-
ſchwanzdeckfedern ſind weiß. Auf dem Flügel bildet ſich durch dieſe Farbenvertheilung ein weißer
Flecken; der Schwanz erſcheint weiß mit breitem ſchwarzen Querband. Das Auge iſt ſchön gelb,
der Schnabel und die Beine ſind ſchwarz. Die Länge deträgt 17 Zoll.
Auch die Klingelatzel, welche ihren Namen von ihrem eigenthümlich klingelnden Geſchrei erhielt,
bewohnt vorzugsweiſe Neuſüdwales und iſt hier allgemein verbreitet, ſcheint aber zeitweilig im Lande
umherzuſtreichen, weil man ſie zuweilen zahlreich an der offenen Küſte findet, während ſie zu andern
Brehm, Thierleben. III. 24
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/397>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.