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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Wiriwa und weißwangiger Mäusevogel.
war der erste Forscher, welcher ausführlich über die merkwürdigen Thiere berichtete. Er erzählte
sonderbare Dinge über sie, welche schon damals mit Kopfschütteln aufgenommen wurden und heute
noch Anstoß erregen. Gleichwohl hat er schwerlich etwas Unwahres mitgetheilt. Jch selbst glaubte,
nachdem ich die Mäusevögel länger beobachtet hatte, Vaillant widersprechen zu können: neuere
Beobachter aber haben seine Mittheilungen so vollständig bestätigt, daß ich Dies jetzt nicht mehr zu
thun wage.

Alle Mäusevögel leben in Familien oder kleinen Gesellschaften, gewöhnlich in solchen von sechs
Stücken. Sie nehmen in einem Garten oder in einem Waldtheile ihren Stand und durchstreifen nun
tagtäglich mit einer gewissen Regelmäßigkeit ein ziemlich ausgedehntes Gebiet. Zum Mittelpunkt
desselben wird unter allen Umständen derjenige Theil gewählt, welcher die dichtesten Gebüsche besitzt.
Wer nicht selbst die Pflanzenwelt der Gleicherländer aus eigener Anschauung kennen lernte, mag sich
schwerlich einen Begriff machen von derartigen Bäumen oder Gebüschen, wie jene Vögel sie bedürfen.

[Abbildung] Der Wiriwa (Collus senegalensis).
Ein ohnehin dichtwipfliger Baum oder Busch, welcher in weitaus den meisten Fällen dornig ist, wird
derart mit Schmarotzerpflanzen überdeckt, umsponnen und durchflochten, daß man von dem eigent-
lichen Baume vielleicht nur hier und da einen durchbrechenden Ast gewahren kann. Das Netz, welches
diese Schlingpflanzen bilden, ist so dicht, daß es nicht blos für den Menschen und andere Säugethiere
buchstäblich undurchdringlich ist, sondern daß man sich nicht einmal mit dem Jagdmesser eine Oeffnung
aushauen kann, daß der Vogel, welcher auf solchem Busch sich niederläßt, vor jedem Feind geschützt ist,
selbst vor dem Geschoß des Jägers, weil dieser den getödteten nicht aufnehmen könnte, auch wenn er
sich alle nur denkbare Mühe gäbe. Auf große Strecken hin schließen die Rankengewächse einen Theil
des Waldes vollständig dem zudringlichen Fuße ab und lassen hierdurch Dickichte entstehen, deren
Jnneres für immer Geheimniß bleibt. Solche Waldestheile sind es, welche die Mäusevögel bewohnen,
die dichtesten von den Gebüschen, in denen sie sich umhertreiben. Kein anderer Vogel ist im Stande,
da einzudringen, wo der Mäusevogel noch lustig durchschlüpft oder richtiger durchkriecht; denn auch in

Wiriwa und weißwangiger Mäuſevogel.
war der erſte Forſcher, welcher ausführlich über die merkwürdigen Thiere berichtete. Er erzählte
ſonderbare Dinge über ſie, welche ſchon damals mit Kopfſchütteln aufgenommen wurden und heute
noch Anſtoß erregen. Gleichwohl hat er ſchwerlich etwas Unwahres mitgetheilt. Jch ſelbſt glaubte,
nachdem ich die Mäuſevögel länger beobachtet hatte, Vaillant widerſprechen zu können: neuere
Beobachter aber haben ſeine Mittheilungen ſo vollſtändig beſtätigt, daß ich Dies jetzt nicht mehr zu
thun wage.

Alle Mäuſevögel leben in Familien oder kleinen Geſellſchaften, gewöhnlich in ſolchen von ſechs
Stücken. Sie nehmen in einem Garten oder in einem Waldtheile ihren Stand und durchſtreifen nun
tagtäglich mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit ein ziemlich ausgedehntes Gebiet. Zum Mittelpunkt
deſſelben wird unter allen Umſtänden derjenige Theil gewählt, welcher die dichteſten Gebüſche beſitzt.
Wer nicht ſelbſt die Pflanzenwelt der Gleicherländer aus eigener Anſchauung kennen lernte, mag ſich
ſchwerlich einen Begriff machen von derartigen Bäumen oder Gebüſchen, wie jene Vögel ſie bedürfen.

[Abbildung] Der Wiriwa (Collus senegalensis).
Ein ohnehin dichtwipfliger Baum oder Buſch, welcher in weitaus den meiſten Fällen dornig iſt, wird
derart mit Schmarotzerpflanzen überdeckt, umſponnen und durchflochten, daß man von dem eigent-
lichen Baume vielleicht nur hier und da einen durchbrechenden Aſt gewahren kann. Das Netz, welches
dieſe Schlingpflanzen bilden, iſt ſo dicht, daß es nicht blos für den Menſchen und andere Säugethiere
buchſtäblich undurchdringlich iſt, ſondern daß man ſich nicht einmal mit dem Jagdmeſſer eine Oeffnung
aushauen kann, daß der Vogel, welcher auf ſolchem Buſch ſich niederläßt, vor jedem Feind geſchützt iſt,
ſelbſt vor dem Geſchoß des Jägers, weil dieſer den getödteten nicht aufnehmen könnte, auch wenn er
ſich alle nur denkbare Mühe gäbe. Auf große Strecken hin ſchließen die Rankengewächſe einen Theil
des Waldes vollſtändig dem zudringlichen Fuße ab und laſſen hierdurch Dickichte entſtehen, deren
Jnneres für immer Geheimniß bleibt. Solche Waldestheile ſind es, welche die Mäuſevögel bewohnen,
die dichteſten von den Gebüſchen, in denen ſie ſich umhertreiben. Kein anderer Vogel iſt im Stande,
da einzudringen, wo der Mäuſevogel noch luſtig durchſchlüpft oder richtiger durchkriecht; denn auch in

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[397/0425] Wiriwa und weißwangiger Mäuſevogel. war der erſte Forſcher, welcher ausführlich über die merkwürdigen Thiere berichtete. Er erzählte ſonderbare Dinge über ſie, welche ſchon damals mit Kopfſchütteln aufgenommen wurden und heute noch Anſtoß erregen. Gleichwohl hat er ſchwerlich etwas Unwahres mitgetheilt. Jch ſelbſt glaubte, nachdem ich die Mäuſevögel länger beobachtet hatte, Vaillant widerſprechen zu können: neuere Beobachter aber haben ſeine Mittheilungen ſo vollſtändig beſtätigt, daß ich Dies jetzt nicht mehr zu thun wage. Alle Mäuſevögel leben in Familien oder kleinen Geſellſchaften, gewöhnlich in ſolchen von ſechs Stücken. Sie nehmen in einem Garten oder in einem Waldtheile ihren Stand und durchſtreifen nun tagtäglich mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit ein ziemlich ausgedehntes Gebiet. Zum Mittelpunkt deſſelben wird unter allen Umſtänden derjenige Theil gewählt, welcher die dichteſten Gebüſche beſitzt. Wer nicht ſelbſt die Pflanzenwelt der Gleicherländer aus eigener Anſchauung kennen lernte, mag ſich ſchwerlich einen Begriff machen von derartigen Bäumen oder Gebüſchen, wie jene Vögel ſie bedürfen. [Abbildung Der Wiriwa (Collus senegalensis).] Ein ohnehin dichtwipfliger Baum oder Buſch, welcher in weitaus den meiſten Fällen dornig iſt, wird derart mit Schmarotzerpflanzen überdeckt, umſponnen und durchflochten, daß man von dem eigent- lichen Baume vielleicht nur hier und da einen durchbrechenden Aſt gewahren kann. Das Netz, welches dieſe Schlingpflanzen bilden, iſt ſo dicht, daß es nicht blos für den Menſchen und andere Säugethiere buchſtäblich undurchdringlich iſt, ſondern daß man ſich nicht einmal mit dem Jagdmeſſer eine Oeffnung aushauen kann, daß der Vogel, welcher auf ſolchem Buſch ſich niederläßt, vor jedem Feind geſchützt iſt, ſelbſt vor dem Geſchoß des Jägers, weil dieſer den getödteten nicht aufnehmen könnte, auch wenn er ſich alle nur denkbare Mühe gäbe. Auf große Strecken hin ſchließen die Rankengewächſe einen Theil des Waldes vollſtändig dem zudringlichen Fuße ab und laſſen hierdurch Dickichte entſtehen, deren Jnneres für immer Geheimniß bleibt. Solche Waldestheile ſind es, welche die Mäuſevögel bewohnen, die dichteſten von den Gebüſchen, in denen ſie ſich umhertreiben. Kein anderer Vogel iſt im Stande, da einzudringen, wo der Mäuſevogel noch luſtig durchſchlüpft oder richtiger durchkriecht; denn auch in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/425>, abgerufen am 22.11.2024.