dem andern den Kopf einkneipte und bei Seite legte. Eine lebende alte Krähe machte ihm in seinem Gefängnisse viel zu schaffen, desgleichen auch eine Eule. Wenn er mich mit einer lebenden Eule kommen sah, machte er sich struppicht und setzte sich schlagfertig auf den obersten Sitz seines Behälters; die Eule legte sich, sobald sie in den Käfig kam, auf den Rücken, stellte ihm ihre offnen Klauen ent- gegen und zischte fürchterlich; der Falk kehrte sich aber hieran nicht, sondern stieß so lange von oben herab, bis es ihm glückte, sie beim Halse zu packen und ihr die Gurgel zuzuhalten. Auf seiner Beute sitzend, breitete er jetzt freudig seine Flügel aus, rief aus vollem Halse sein "Kgia, kgia, kgia!" und riß ihr mit dem Schnabel die Gurgel heraus. Mäuse fraß er auch, aber bei Hamstern und Maulwürfen verhungerte er."
Unser Thiergarten besitzt einen Wanderfalken, welcher im Golf von Mejiko auf ein hamburger Schiff flog, dort gefangen und uns überbracht wurde.
Jn Afien und Afrika leben mehrere Verwandte unseres Wanderfalken im allgemeinen unter deuselben Umständen und in derselben Weise wie er. Unter diesen hat mich besonders der kleinste und schönste angezogen, der rothhälsige Falk nämlich (Falco ruficollis). Da er in Jndien einen ihm täuschend ähnlichen Verwandten, den Turumdi (Falco Chiquera) hat, mag er hier als Vertreter der südlichen Wanderfalken seine Stelle finden.
Der rothhälsige Falk ist vielleicht der schönste aller Edelfalken überhaupt. Kopf und Nacken sind rostroth, hier und da durch die dunkleren Schäfte der Federn fein gestrichelt, der Rücken, Oberflügel, die Flügeldeckfedern und kleinen Schwingen dagegen auf dunkelaschgrauem, im Leben hellblau über- flogenem Grunde mit breiten, stark hervortretenden schwarzen Querbinden gezeichnet. Der Flügelbug ist hellrostgelb. Der Schwanz hat dieselbe Grundfärbung und ist acht- bis zehnmal dunkler gebändert; die sehr breite Endbinde ist weiß gesäumt. Die Kehle ist weiß; Vorderhals und Brust sind hellrost- röthlich, namentlich an den Seiten, die Unterbrust, der Bauch und die Schenkel auf lichtröthlichgelbem Grunde dicht mit dunkelaschgrauen Bändern gezeichnet. Ein schmaler Streifen über dem Auge ist, wie der deutlich hervortretende Bart, schwarz. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel am Grunde grünlichgelb, an der Spitze hornblau, der Fuß hellorangengelb. Die Länge beträgt beim Männchen 11. beim Weibchen 13 Zoll, die Breite beim Männchen 22 und beim Weibchen 261/2 Zoll; der Flügel mißt beim Männchen 7, beim Weibchen 8 1/6 Zoll, der Schwanz beim Männchen 41/4, beim Weibchen 51/2 Zoll.
Nach meinen Erfahrungen findet sich dieser reizende Falk erst südlich des 16. Grads nördlicher Breite und hier ausschließlich auf den Dulebpalmen, welche mit prächtigen Kronen hoch über den übrigen Wald sich erheben und ihm auf ihren breiten Fächerblättern eine wohlgeeignete Stelle zur Anlage seines Horstes gewähren. Wir durften mit aller Sicherheit darauf rechnen, da, wo wir eine dieser Palmen sahen, auch unsern Edelfalken anzutreffen. Nur ein einziges Mal sahen wir ihn in einem Dompalmenwalde bei Roseeres; freilich gab es da weit und breit keine Dulebpalmen. Heuglin hat unsern Falken in Mittelafrika auf denselben Bäumen gefunden, und wahrscheinlich siedelt er sich an der Westküste, wo er ebenfalls vorkommt, eben auch nur auf breithlättrigen Palmen an.
Eine einzige dieser Palmen ist genügend, ein Pärchen zu fesseln. Von hier fliegt der Falk wohl auch auf einen der Affenbrodbäume und nimmt hier auf der höchsten Spitze seinen Sitz, um von dieser Warte aus sein Gebiet zu überblicken. Fliegt dann ein Schwarm Webervögel vorüber, so sieht man ihn wie einen Pfeil vom Bogen von oben sich hernieder stürzen und selten vergeblich; denn seine Gewandtheit ist außerordentlich groß und übertrifft nach meinem Dafürhalten die aller übrigen Falken, welche ich beobachtet habe. Unter seinem Horste habe ich einen getödteten Zwergsegler (Cypsiurus ambrosiacus) gefunden und später gesehen, wie ein Paar dieser prachtvollen Falken einen dieser schnellsten aller Flieger längere Zeit verfolgte und glücklich fing. Kleinere Vögel, vor Allem aber die Finkenarten und zwar wiederum eben die Webervögel, scheinen die ausschließliche Nahrung unseres Falken zu bilden. An größeren Thieren vergreift er sich nicht; dafür spricht wenigstens ein eigen-
Die Fänger. Raubvögel. Falken.
dem andern den Kopf einkneipte und bei Seite legte. Eine lebende alte Krähe machte ihm in ſeinem Gefängniſſe viel zu ſchaffen, desgleichen auch eine Eule. Wenn er mich mit einer lebenden Eule kommen ſah, machte er ſich ſtruppicht und ſetzte ſich ſchlagfertig auf den oberſten Sitz ſeines Behälters; die Eule legte ſich, ſobald ſie in den Käfig kam, auf den Rücken, ſtellte ihm ihre offnen Klauen ent- gegen und ziſchte fürchterlich; der Falk kehrte ſich aber hieran nicht, ſondern ſtieß ſo lange von oben herab, bis es ihm glückte, ſie beim Halſe zu packen und ihr die Gurgel zuzuhalten. Auf ſeiner Beute ſitzend, breitete er jetzt freudig ſeine Flügel aus, rief aus vollem Halſe ſein „Kgia, kgia, kgia!‟ und riß ihr mit dem Schnabel die Gurgel heraus. Mäuſe fraß er auch, aber bei Hamſtern und Maulwürfen verhungerte er.‟
Unſer Thiergarten beſitzt einen Wanderfalken, welcher im Golf von Mejiko auf ein hamburger Schiff flog, dort gefangen und uns überbracht wurde.
Jn Afien und Afrika leben mehrere Verwandte unſeres Wanderfalken im allgemeinen unter deuſelben Umſtänden und in derſelben Weiſe wie er. Unter dieſen hat mich beſonders der kleinſte und ſchönſte angezogen, der rothhälſige Falk nämlich (Falco ruficolliſ). Da er in Jndien einen ihm täuſchend ähnlichen Verwandten, den Turumdi (Falco Chiquera) hat, mag er hier als Vertreter der ſüdlichen Wanderfalken ſeine Stelle finden.
Der rothhälſige Falk iſt vielleicht der ſchönſte aller Edelfalken überhaupt. Kopf und Nacken ſind roſtroth, hier und da durch die dunkleren Schäfte der Federn fein geſtrichelt, der Rücken, Oberflügel, die Flügeldeckfedern und kleinen Schwingen dagegen auf dunkelaſchgrauem, im Leben hellblau über- flogenem Grunde mit breiten, ſtark hervortretenden ſchwarzen Querbinden gezeichnet. Der Flügelbug iſt hellroſtgelb. Der Schwanz hat dieſelbe Grundfärbung und iſt acht- bis zehnmal dunkler gebändert; die ſehr breite Endbinde iſt weiß geſäumt. Die Kehle iſt weiß; Vorderhals und Bruſt ſind hellroſt- röthlich, namentlich an den Seiten, die Unterbruſt, der Bauch und die Schenkel auf lichtröthlichgelbem Grunde dicht mit dunkelaſchgrauen Bändern gezeichnet. Ein ſchmaler Streifen über dem Auge iſt, wie der deutlich hervortretende Bart, ſchwarz. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel am Grunde grünlichgelb, an der Spitze hornblau, der Fuß hellorangengelb. Die Länge beträgt beim Männchen 11. beim Weibchen 13 Zoll, die Breite beim Männchen 22 und beim Weibchen 26½ Zoll; der Flügel mißt beim Männchen 7, beim Weibchen 8⅙ Zoll, der Schwanz beim Männchen 4¼, beim Weibchen 5½ Zoll.
Nach meinen Erfahrungen findet ſich dieſer reizende Falk erſt ſüdlich des 16. Grads nördlicher Breite und hier ausſchließlich auf den Dulébpalmen, welche mit prächtigen Kronen hoch über den übrigen Wald ſich erheben und ihm auf ihren breiten Fächerblättern eine wohlgeeignete Stelle zur Anlage ſeines Horſtes gewähren. Wir durften mit aller Sicherheit darauf rechnen, da, wo wir eine dieſer Palmen ſahen, auch unſern Edelfalken anzutreffen. Nur ein einziges Mal ſahen wir ihn in einem Dompalmenwalde bei Roſeeres; freilich gab es da weit und breit keine Dulébpalmen. Heuglin hat unſern Falken in Mittelafrika auf denſelben Bäumen gefunden, und wahrſcheinlich ſiedelt er ſich an der Weſtküſte, wo er ebenfalls vorkommt, eben auch nur auf breithlättrigen Palmen an.
Eine einzige dieſer Palmen iſt genügend, ein Pärchen zu feſſeln. Von hier fliegt der Falk wohl auch auf einen der Affenbrodbäume und nimmt hier auf der höchſten Spitze ſeinen Sitz, um von dieſer Warte aus ſein Gebiet zu überblicken. Fliegt dann ein Schwarm Webervögel vorüber, ſo ſieht man ihn wie einen Pfeil vom Bogen von oben ſich hernieder ſtürzen und ſelten vergeblich; denn ſeine Gewandtheit iſt außerordentlich groß und übertrifft nach meinem Dafürhalten die aller übrigen Falken, welche ich beobachtet habe. Unter ſeinem Horſte habe ich einen getödteten Zwergſegler (Cypsiurus ambrosiacus) gefunden und ſpäter geſehen, wie ein Paar dieſer prachtvollen Falken einen dieſer ſchnellſten aller Flieger längere Zeit verfolgte und glücklich fing. Kleinere Vögel, vor Allem aber die Finkenarten und zwar wiederum eben die Webervögel, ſcheinen die ausſchließliche Nahrung unſeres Falken zu bilden. An größeren Thieren vergreift er ſich nicht; dafür ſpricht wenigſtens ein eigen-
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Die Fänger. Raubvögel. Falken.
dem andern den Kopf einkneipte und bei Seite legte. Eine lebende alte Krähe machte ihm in ſeinem
Gefängniſſe viel zu ſchaffen, desgleichen auch eine Eule. Wenn er mich mit einer lebenden Eule
kommen ſah, machte er ſich ſtruppicht und ſetzte ſich ſchlagfertig auf den oberſten Sitz ſeines Behälters;
die Eule legte ſich, ſobald ſie in den Käfig kam, auf den Rücken, ſtellte ihm ihre offnen Klauen ent-
gegen und ziſchte fürchterlich; der Falk kehrte ſich aber hieran nicht, ſondern ſtieß ſo lange von oben
herab, bis es ihm glückte, ſie beim Halſe zu packen und ihr die Gurgel zuzuhalten. Auf ſeiner Beute
ſitzend, breitete er jetzt freudig ſeine Flügel aus, rief aus vollem Halſe ſein „Kgia, kgia, kgia!‟ und
riß ihr mit dem Schnabel die Gurgel heraus. Mäuſe fraß er auch, aber bei Hamſtern und
Maulwürfen verhungerte er.‟
Unſer Thiergarten beſitzt einen Wanderfalken, welcher im Golf von Mejiko auf ein hamburger
Schiff flog, dort gefangen und uns überbracht wurde.
Jn Afien und Afrika leben mehrere Verwandte unſeres Wanderfalken im allgemeinen unter
deuſelben Umſtänden und in derſelben Weiſe wie er. Unter dieſen hat mich beſonders der kleinſte und
ſchönſte angezogen, der rothhälſige Falk nämlich (Falco ruficolliſ). Da er in Jndien einen ihm
täuſchend ähnlichen Verwandten, den Turumdi (Falco Chiquera) hat, mag er hier als Vertreter der
ſüdlichen Wanderfalken ſeine Stelle finden.
Der rothhälſige Falk iſt vielleicht der ſchönſte aller Edelfalken überhaupt. Kopf und Nacken
ſind roſtroth, hier und da durch die dunkleren Schäfte der Federn fein geſtrichelt, der Rücken, Oberflügel,
die Flügeldeckfedern und kleinen Schwingen dagegen auf dunkelaſchgrauem, im Leben hellblau über-
flogenem Grunde mit breiten, ſtark hervortretenden ſchwarzen Querbinden gezeichnet. Der Flügelbug
iſt hellroſtgelb. Der Schwanz hat dieſelbe Grundfärbung und iſt acht- bis zehnmal dunkler gebändert;
die ſehr breite Endbinde iſt weiß geſäumt. Die Kehle iſt weiß; Vorderhals und Bruſt ſind hellroſt-
röthlich, namentlich an den Seiten, die Unterbruſt, der Bauch und die Schenkel auf lichtröthlichgelbem
Grunde dicht mit dunkelaſchgrauen Bändern gezeichnet. Ein ſchmaler Streifen über dem Auge iſt,
wie der deutlich hervortretende Bart, ſchwarz. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel am Grunde
grünlichgelb, an der Spitze hornblau, der Fuß hellorangengelb. Die Länge beträgt beim Männchen
11. beim Weibchen 13 Zoll, die Breite beim Männchen 22 und beim Weibchen 26½ Zoll; der
Flügel mißt beim Männchen 7, beim Weibchen 8⅙ Zoll, der Schwanz beim Männchen 4¼, beim
Weibchen 5½ Zoll.
Nach meinen Erfahrungen findet ſich dieſer reizende Falk erſt ſüdlich des 16. Grads nördlicher
Breite und hier ausſchließlich auf den Dulébpalmen, welche mit prächtigen Kronen hoch über den
übrigen Wald ſich erheben und ihm auf ihren breiten Fächerblättern eine wohlgeeignete Stelle zur
Anlage ſeines Horſtes gewähren. Wir durften mit aller Sicherheit darauf rechnen, da, wo wir eine
dieſer Palmen ſahen, auch unſern Edelfalken anzutreffen. Nur ein einziges Mal ſahen wir ihn in
einem Dompalmenwalde bei Roſeeres; freilich gab es da weit und breit keine Dulébpalmen.
Heuglin hat unſern Falken in Mittelafrika auf denſelben Bäumen gefunden, und wahrſcheinlich ſiedelt
er ſich an der Weſtküſte, wo er ebenfalls vorkommt, eben auch nur auf breithlättrigen Palmen an.
Eine einzige dieſer Palmen iſt genügend, ein Pärchen zu feſſeln. Von hier fliegt der Falk wohl
auch auf einen der Affenbrodbäume und nimmt hier auf der höchſten Spitze ſeinen Sitz, um von dieſer
Warte aus ſein Gebiet zu überblicken. Fliegt dann ein Schwarm Webervögel vorüber, ſo ſieht
man ihn wie einen Pfeil vom Bogen von oben ſich hernieder ſtürzen und ſelten vergeblich; denn ſeine
Gewandtheit iſt außerordentlich groß und übertrifft nach meinem Dafürhalten die aller übrigen Falken,
welche ich beobachtet habe. Unter ſeinem Horſte habe ich einen getödteten Zwergſegler (Cypsiurus
ambrosiacus) gefunden und ſpäter geſehen, wie ein Paar dieſer prachtvollen Falken einen dieſer
ſchnellſten aller Flieger längere Zeit verfolgte und glücklich fing. Kleinere Vögel, vor Allem aber die
Finkenarten und zwar wiederum eben die Webervögel, ſcheinen die ausſchließliche Nahrung unſeres
Falken zu bilden. An größeren Thieren vergreift er ſich nicht; dafür ſpricht wenigſtens ein eigen-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/450>, abgerufen am 25.11.2024.
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