scheiden sich nur durch ihre geringere Größe sicher von denen des Thurmfalken. Der Röthelfalk ist so besorgt um seine Brut, daß er sich, wenn er brütet, mit der Hand ergreifen läßt.
Lebensweise und Betragen der beiden Falken ähneln sich ebenso sehr als ihre Gestalt und Fär- bung. Man sieht es ihnen an, daß sie nicht so befähigte Mitglieder ihrer Familie sind, wie die echten Edelfalken. Jhr Flug ist zwar noch leicht und auch ziemlich schnell, steht jedoch dem der letztgenannten bei weitem nach und zeichnet sich namentlich durch das Rütteln sehr aus. Gewöhnlich streichen die Röthelfalken in mäßiger Höhe über den Boden dahin, halten, wenn sie eine Beute erspähen, plötzlich an, bewegen die Flügel längere Zeit zitternd auf und ab und stürzen sich dann mit ziemlicher Eile herab, um die erspähte Beute aufzunehmen. Doch steigen sie zu ihrem Vergnügen, an schönen Sommerabenden namentlich, zuweilen hoch empor und führen dabei die schönsten Schwenkungen aus. Jm Sitzen tragen sie sich lässiger als die edleren Falken und erscheinen deshalb größer, als sie sind; doch tragen auch sie ausnahmsweise sich schlank. Auf dem Boden sind sie geschickter; ihre längeren Läufe erlauben ihnen sogar einen ziemlich leichten Gang. An Sinnesschärfe stehen sie den übrigen Edelfalken durchaus nicht nach; in ihrem Wesen aber unterscheiden sie sich. Sie sind munterer, fröhlicher als diese und dabei keck und necklustig. Größeren Raubvögeln werden sie durch eifriges Verfolgen oft recht lästig, und den Uhu ärgern sie nach Herzenslust. Selbst gegen den Menschen legen sie zuweilen einen bewunderungswürdigen Muth an den Tag. Sie sind frühzeitig munter und gehen erst spät zur Ruhe; man sieht sie oft noch in der Dämmerung des Abends umherschweben. Jhr Ge- schrei ist ein helles fröhliches "Kli kli kli", welches verschieden betont wird, je nachdem es Augst oder Freude ausdrücken soll. Jm Zorn kichern sie. Je nach den Umständen ändern sie ihr Betragen dem Menschen gegenüber. Bei uns sind sie ziemlich scheu, wenn sie sich verfolgt wissen, sogar äußerst vor- sichtig; im Süden leben sie mit dem Menschen auf dem besten Fuße, und zumal der eigentliche Röthel- falk scheut sich nicht vor jenem, dessen Wohnung ja auch zu der seinigen werden muß. Jn der Gefangen- schaft werden sie bald sehr zahm, und wenn sie gute Behandlung erfahren, danken sie ihrem Gebieter solche durch wahre Anhänglichkeit. Sie lassen sich leicht zum Ein- und Ausfliegen gewöhnen, achten auf den Ruf, begrüßen ihren Brodherrn mit freudigem Geschrei und legen ihre Zuneigung auch noch in anderer Weise an den Tag.
Wirklich anziehend wird das Winterleben der Röthelfalken. Auch sie sammeln sich auf der Reise zu Gesellschaften, und diese halten zusammen, so lange der Aufenthalt in der Fremde währt. Durch Jerdon und andere indische Vogelkundige erfahren wir, daß beide Arten gewöhnliche Wintergäste Südasiens sind; ich meinestheils habe sie, zu großen Flügen vereinigt, während unserer Wintermonate im Jnnern Afrika's angetroffen. Unbekümmert um ihre Artverwandten, welche in Egypten leben und dort jahraus jahrein wohnen bleiben, wandern sie bis tief in die Gleichenländer hinein und erwählen sich hier in den Steppen oder Urwaldungen eine geeignete Stelle zu ihrem Aufenthalt. Bedingung zu längerem Bleiben ist reichliche Nahrung; deshalb findet man sie regelmäßig da, wo die Wanderheuschrecke massenhaft auftritt. Wer nicht selbst die Schwärme dieser Kerbthiere gesehen, macht sich keinen Begriff davon. Es gibt Waldstrecken, in denen man nächst den Stämmen und Aesten der Bäume nichts Anderes, als Heuschrecken sieht. Aufgescheucht verdunkelt die gefräßige Gesellschaft die Luft. Sehr bald finden sich bei den Heuschrecken aber auch die Verfolger ein und unter Allen zuerst unsere Röthelfalken. Hunderte von ihnen sitzen regungslos auf den höchsten Spitzen der Mimosen oder schweben, rütteln und gleiten in wechselvollem, nicht ermüdenden Fluge über der schwarz- grauen Schar umher. So lange die Heuschrecken an den Zweigen hängen, verwehren die langen Stacheln und Dornen der Bäume den flinken Räubern, herabzustürzen unter die Kerbthierwolke; sobald die Heuschrecken aber sich erheben, eilen die Falken herbei, jagen durch die dichtesten Scharen hin- durch und ergreifen mit gewandter Klaue eins der schädlichen Thiere. Es wehrt sich und beißt mit den scharfen Freßzangen in die beschildeten Läufe seines Feindes; doch dieser ist stärker. Ein Biß mit dem kräftigen Schnabel zermalmt den Kopf der Heuschrecke, und der Sieger beginnt nun sofort, sie zu ver- zehren. Ohne Zeit zu verlieren, reißt er ihr die Flügel aus, zerbricht die dürren Springfüße und
Röthelfalk.
ſcheiden ſich nur durch ihre geringere Größe ſicher von denen des Thurmfalken. Der Röthelfalk iſt ſo beſorgt um ſeine Brut, daß er ſich, wenn er brütet, mit der Hand ergreifen läßt.
Lebensweiſe und Betragen der beiden Falken ähneln ſich ebenſo ſehr als ihre Geſtalt und Fär- bung. Man ſieht es ihnen an, daß ſie nicht ſo befähigte Mitglieder ihrer Familie ſind, wie die echten Edelfalken. Jhr Flug iſt zwar noch leicht und auch ziemlich ſchnell, ſteht jedoch dem der letztgenannten bei weitem nach und zeichnet ſich namentlich durch das Rütteln ſehr aus. Gewöhnlich ſtreichen die Röthelfalken in mäßiger Höhe über den Boden dahin, halten, wenn ſie eine Beute erſpähen, plötzlich an, bewegen die Flügel längere Zeit zitternd auf und ab und ſtürzen ſich dann mit ziemlicher Eile herab, um die erſpähte Beute aufzunehmen. Doch ſteigen ſie zu ihrem Vergnügen, an ſchönen Sommerabenden namentlich, zuweilen hoch empor und führen dabei die ſchönſten Schwenkungen aus. Jm Sitzen tragen ſie ſich läſſiger als die edleren Falken und erſcheinen deshalb größer, als ſie ſind; doch tragen auch ſie ausnahmsweiſe ſich ſchlank. Auf dem Boden ſind ſie geſchickter; ihre längeren Läufe erlauben ihnen ſogar einen ziemlich leichten Gang. An Sinnesſchärfe ſtehen ſie den übrigen Edelfalken durchaus nicht nach; in ihrem Weſen aber unterſcheiden ſie ſich. Sie ſind munterer, fröhlicher als dieſe und dabei keck und neckluſtig. Größeren Raubvögeln werden ſie durch eifriges Verfolgen oft recht läſtig, und den Uhu ärgern ſie nach Herzensluſt. Selbſt gegen den Menſchen legen ſie zuweilen einen bewunderungswürdigen Muth an den Tag. Sie ſind frühzeitig munter und gehen erſt ſpät zur Ruhe; man ſieht ſie oft noch in der Dämmerung des Abends umherſchweben. Jhr Ge- ſchrei iſt ein helles fröhliches „Kli kli kli‟, welches verſchieden betont wird, je nachdem es Augſt oder Freude ausdrücken ſoll. Jm Zorn kichern ſie. Je nach den Umſtänden ändern ſie ihr Betragen dem Menſchen gegenüber. Bei uns ſind ſie ziemlich ſcheu, wenn ſie ſich verfolgt wiſſen, ſogar äußerſt vor- ſichtig; im Süden leben ſie mit dem Menſchen auf dem beſten Fuße, und zumal der eigentliche Röthel- falk ſcheut ſich nicht vor jenem, deſſen Wohnung ja auch zu der ſeinigen werden muß. Jn der Gefangen- ſchaft werden ſie bald ſehr zahm, und wenn ſie gute Behandlung erfahren, danken ſie ihrem Gebieter ſolche durch wahre Anhänglichkeit. Sie laſſen ſich leicht zum Ein- und Ausfliegen gewöhnen, achten auf den Ruf, begrüßen ihren Brodherrn mit freudigem Geſchrei und legen ihre Zuneigung auch noch in anderer Weiſe an den Tag.
Wirklich anziehend wird das Winterleben der Röthelfalken. Auch ſie ſammeln ſich auf der Reiſe zu Geſellſchaften, und dieſe halten zuſammen, ſo lange der Aufenthalt in der Fremde währt. Durch Jerdon und andere indiſche Vogelkundige erfahren wir, daß beide Arten gewöhnliche Wintergäſte Südaſiens ſind; ich meinestheils habe ſie, zu großen Flügen vereinigt, während unſerer Wintermonate im Jnnern Afrika’s angetroffen. Unbekümmert um ihre Artverwandten, welche in Egypten leben und dort jahraus jahrein wohnen bleiben, wandern ſie bis tief in die Gleichenländer hinein und erwählen ſich hier in den Steppen oder Urwaldungen eine geeignete Stelle zu ihrem Aufenthalt. Bedingung zu längerem Bleiben iſt reichliche Nahrung; deshalb findet man ſie regelmäßig da, wo die Wanderheuſchrecke maſſenhaft auftritt. Wer nicht ſelbſt die Schwärme dieſer Kerbthiere geſehen, macht ſich keinen Begriff davon. Es gibt Waldſtrecken, in denen man nächſt den Stämmen und Aeſten der Bäume nichts Anderes, als Heuſchrecken ſieht. Aufgeſcheucht verdunkelt die gefräßige Geſellſchaft die Luft. Sehr bald finden ſich bei den Heuſchrecken aber auch die Verfolger ein und unter Allen zuerſt unſere Röthelfalken. Hunderte von ihnen ſitzen regungslos auf den höchſten Spitzen der Mimoſen oder ſchweben, rütteln und gleiten in wechſelvollem, nicht ermüdenden Fluge über der ſchwarz- grauen Schar umher. So lange die Heuſchrecken an den Zweigen hängen, verwehren die langen Stacheln und Dornen der Bäume den flinken Räubern, herabzuſtürzen unter die Kerbthierwolke; ſobald die Heuſchrecken aber ſich erheben, eilen die Falken herbei, jagen durch die dichteſten Scharen hin- durch und ergreifen mit gewandter Klaue eins der ſchädlichen Thiere. Es wehrt ſich und beißt mit den ſcharfen Freßzangen in die beſchildeten Läufe ſeines Feindes; doch dieſer iſt ſtärker. Ein Biß mit dem kräftigen Schnabel zermalmt den Kopf der Heuſchrecke, und der Sieger beginnt nun ſofort, ſie zu ver- zehren. Ohne Zeit zu verlieren, reißt er ihr die Flügel aus, zerbricht die dürren Springfüße und
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[427/0457]
Röthelfalk.
ſcheiden ſich nur durch ihre geringere Größe ſicher von denen des Thurmfalken. Der Röthelfalk iſt
ſo beſorgt um ſeine Brut, daß er ſich, wenn er brütet, mit der Hand ergreifen läßt.
Lebensweiſe und Betragen der beiden Falken ähneln ſich ebenſo ſehr als ihre Geſtalt und Fär-
bung. Man ſieht es ihnen an, daß ſie nicht ſo befähigte Mitglieder ihrer Familie ſind, wie die echten
Edelfalken. Jhr Flug iſt zwar noch leicht und auch ziemlich ſchnell, ſteht jedoch dem der letztgenannten
bei weitem nach und zeichnet ſich namentlich durch das Rütteln ſehr aus. Gewöhnlich ſtreichen die
Röthelfalken in mäßiger Höhe über den Boden dahin, halten, wenn ſie eine Beute erſpähen, plötzlich
an, bewegen die Flügel längere Zeit zitternd auf und ab und ſtürzen ſich dann mit ziemlicher
Eile herab, um die erſpähte Beute aufzunehmen. Doch ſteigen ſie zu ihrem Vergnügen, an ſchönen
Sommerabenden namentlich, zuweilen hoch empor und führen dabei die ſchönſten Schwenkungen
aus. Jm Sitzen tragen ſie ſich läſſiger als die edleren Falken und erſcheinen deshalb größer, als
ſie ſind; doch tragen auch ſie ausnahmsweiſe ſich ſchlank. Auf dem Boden ſind ſie geſchickter; ihre
längeren Läufe erlauben ihnen ſogar einen ziemlich leichten Gang. An Sinnesſchärfe ſtehen ſie den
übrigen Edelfalken durchaus nicht nach; in ihrem Weſen aber unterſcheiden ſie ſich. Sie ſind munterer,
fröhlicher als dieſe und dabei keck und neckluſtig. Größeren Raubvögeln werden ſie durch eifriges
Verfolgen oft recht läſtig, und den Uhu ärgern ſie nach Herzensluſt. Selbſt gegen den Menſchen legen
ſie zuweilen einen bewunderungswürdigen Muth an den Tag. Sie ſind frühzeitig munter und gehen
erſt ſpät zur Ruhe; man ſieht ſie oft noch in der Dämmerung des Abends umherſchweben. Jhr Ge-
ſchrei iſt ein helles fröhliches „Kli kli kli‟, welches verſchieden betont wird, je nachdem es Augſt oder
Freude ausdrücken ſoll. Jm Zorn kichern ſie. Je nach den Umſtänden ändern ſie ihr Betragen dem
Menſchen gegenüber. Bei uns ſind ſie ziemlich ſcheu, wenn ſie ſich verfolgt wiſſen, ſogar äußerſt vor-
ſichtig; im Süden leben ſie mit dem Menſchen auf dem beſten Fuße, und zumal der eigentliche Röthel-
falk ſcheut ſich nicht vor jenem, deſſen Wohnung ja auch zu der ſeinigen werden muß. Jn der Gefangen-
ſchaft werden ſie bald ſehr zahm, und wenn ſie gute Behandlung erfahren, danken ſie ihrem Gebieter
ſolche durch wahre Anhänglichkeit. Sie laſſen ſich leicht zum Ein- und Ausfliegen gewöhnen, achten
auf den Ruf, begrüßen ihren Brodherrn mit freudigem Geſchrei und legen ihre Zuneigung auch noch
in anderer Weiſe an den Tag.
Wirklich anziehend wird das Winterleben der Röthelfalken. Auch ſie ſammeln ſich auf der Reiſe
zu Geſellſchaften, und dieſe halten zuſammen, ſo lange der Aufenthalt in der Fremde währt. Durch
Jerdon und andere indiſche Vogelkundige erfahren wir, daß beide Arten gewöhnliche Wintergäſte
Südaſiens ſind; ich meinestheils habe ſie, zu großen Flügen vereinigt, während unſerer Wintermonate
im Jnnern Afrika’s angetroffen. Unbekümmert um ihre Artverwandten, welche in Egypten leben
und dort jahraus jahrein wohnen bleiben, wandern ſie bis tief in die Gleichenländer hinein und
erwählen ſich hier in den Steppen oder Urwaldungen eine geeignete Stelle zu ihrem Aufenthalt.
Bedingung zu längerem Bleiben iſt reichliche Nahrung; deshalb findet man ſie regelmäßig da, wo die
Wanderheuſchrecke maſſenhaft auftritt. Wer nicht ſelbſt die Schwärme dieſer Kerbthiere geſehen, macht
ſich keinen Begriff davon. Es gibt Waldſtrecken, in denen man nächſt den Stämmen und Aeſten
der Bäume nichts Anderes, als Heuſchrecken ſieht. Aufgeſcheucht verdunkelt die gefräßige Geſellſchaft
die Luft. Sehr bald finden ſich bei den Heuſchrecken aber auch die Verfolger ein und unter Allen
zuerſt unſere Röthelfalken. Hunderte von ihnen ſitzen regungslos auf den höchſten Spitzen der
Mimoſen oder ſchweben, rütteln und gleiten in wechſelvollem, nicht ermüdenden Fluge über der ſchwarz-
grauen Schar umher. So lange die Heuſchrecken an den Zweigen hängen, verwehren die langen
Stacheln und Dornen der Bäume den flinken Räubern, herabzuſtürzen unter die Kerbthierwolke;
ſobald die Heuſchrecken aber ſich erheben, eilen die Falken herbei, jagen durch die dichteſten Scharen hin-
durch und ergreifen mit gewandter Klaue eins der ſchädlichen Thiere. Es wehrt ſich und beißt mit den
ſcharfen Freßzangen in die beſchildeten Läufe ſeines Feindes; doch dieſer iſt ſtärker. Ein Biß mit dem
kräftigen Schnabel zermalmt den Kopf der Heuſchrecke, und der Sieger beginnt nun ſofort, ſie zu ver-
zehren. Ohne Zeit zu verlieren, reißt er ihr die Flügel aus, zerbricht die dürren Springfüße und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/457>, abgerufen am 22.11.2024.
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