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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Habichte.
er zum Ausruhen erkoren. Die gewandtesten unter dem kleinen Geflügel verfolgen den Wüthrich
mit großem Geschrei und machen hierdurch andere Vögel aufmerksam und vorsichtig. Zumal die
Rauchschwalben verleiden ihm oft die Jagd, und er weiß recht wohl, wie viel Schaden sie ihm
zufügen; denn wenn sie ihm einmal nahe gekommen sind, schwingt er sich in die Höhe, schwebt noch
einigemal im Kreise herum und fliegt dann dem Walde zu, sicherlich mit argem Groll im Herzen, daß
ihm die Lästigen zu schnell sind. Bei seinen Angriffen stößt er nicht selten fehl; dafür nimmt
er aber auch zwei Vögel auf einmal weg, wenn das Glück ihm hold ist. Die gefangene Beute trägt
er einem verborgenen Orte zu, rupft ihr die großen Federn aus und verzehrt sie hierauf sehr gemächlich.
Knochen, Federn und Haare gibt er in Gewöllen wieder von sich. Junge Nestvögel, namentlich solche,
welche am Boden ausgebrütet werden, gehören zu seinem Lieblingsfutter; er verschont aber auch
die Eier nicht. "Am 29. Mai", erzählt Hintz, "kam mein Hirte und sagte, daß er gestern ein Reb-
huhnnest
mit zweiundzwanzig Eiern gefunden; heute seien jedoch nur zwanzig darin gewesen, und er
habe einen kleinen Sperber gesehen, welcher nicht weit vom Neste aufgeflogen wäre. Jch ging sogleich zur
Stelle und fand noch neunzehn Eier im Neste. Nun stellte ich mich verdeckt an und stand kaum eine
Viertelstunde, als ein Sperber ankam, sich beim Neste niedersetzte und gleich wieder davonflog. Es
fehlte wieder ein Ei im Neste. Nach Verlauf einer Stunde kam er wieder und flog abermals mit
einem Ei davon. Ungeachtet aller Aufmerksamkeit aber konnte ich nicht beobachten, auf welche Weise
er die Eier fortschaffte, ob mit den Fängen oder mit dem Schnabel."

Die Stimme des Sperbers vernimmt man selten, gewöhnlich nur beim Horste. Sie ist ein
schnell hintereinander ausgestoßenes "Ki ki ki" oder ein langsameres "Käk käk". Ersteres scheint
der Warnungston zu sein.

Der Horst steht in Dickichten, selten hoch über dem Boden, aber möglichst gut verborgen, wenn
thunlich auf Nadelbäumen, nahe am Stamme. Dürre Fichten-, Tannen- und Birkenreifer, welche
nach obenhin feiner werden und eine geringe Vertiefung freilassen, bilden ihn. Gedachte Vertiefung,
die Nestmulde, ist mit einzelnen Flaumenfedern des Weibchens belegt. Ende Mai's findet man drei
bis fünf mäßig große, ziemlich glatte, dickschalige Eier von verschiedener Gestalt, Größe und Farbe,
welche gewöhnlich auf kalkweißem, mehr oder minder graulichen oder grünlichen Grunde mit rothbraunen,
lehmrothen und graublauen deutlich oder verwaschenen, großen und kleinen Flecken und Punkten besetzt
sind, zuweilen sehr dicht, manchmal sehr vereinzelt. Das Weibchen brütet allein, sitzt sehr fest und
bekundet eine außerordentliche Liebe zu den Eiern, verläßt sie, selbst wenn sie wiederholt gestört wurde,
nicht und sucht Angriffe mit allen Kräften abzuwehren. Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung
in Fülle zu; doch nur das Weibchen ist im Stande, diese in entsprechender Weise zu zerlegen. Man
hat beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getödtet worden, bei vollbesetzter Tafel ver-
hungerten, weil der Vater zu ungeschickt war, ihnen die Speise mundrecht zu machen. Auch nach dem
Ausfliegen werden die Jungen noch lange von den Eltern gefüttert, geführt und unterrichtet.

Die größeren Edelfalken und der Habicht fressen den Sperber ohne Umstände, wenn sie seiner
habhaft werden können; die kleineren Vögel bethätigen ihren Haß wenigstens durch Verfolgung. Der
Mensch tritt dem überaus schädlichen Räuber überall feindlich entgegen, wo er ihn und sein verderb-
liches Treiben kennen gelernt hat. Der Sperber verdient keine Schonung, sondern die unablässigste
und rücksichtsloseste Verfolgung. Man thut nicht zuviel, wenn man auräth, gegen ihn jedes Mittel
anzuwenden. So denken jedoch nicht alle Leute. Bei vielen Völkern Asiens ist der Sperber heutigen
Tages noch ein hochgeachteter Baizvogel und hat sich als solcher viele Freunde erworben. "Jm
südlichen Ural", sagt Eversmann, "wird er unter allen Falken am meisten zur Jagd gebraucht, wenn
auch hauptsächlich nur zu solcher auf Wachteln. Man füttert die Jungen im Sommer auf, richtet sie
ab, benutzt sie im Herbst zur Jagd und läßt sie dann wieder fliegen; denn es lohnt nicht, sie den
Winter hindurch zu füttern, weil man im Frühjahr so viele Junge bekommen kann, wie man nöthig
hat. Nur die größeren Weibchen werden zur Jagd aufgefüttert, die kleineren Männchen wirft man
weg, weil sie nicht taugen." Ganz ähnlich ist es in Jndien, wie wir durch Jerdon erfahren. Auch

Die Fänger. Raubvögel. Habichte.
er zum Ausruhen erkoren. Die gewandteſten unter dem kleinen Geflügel verfolgen den Wüthrich
mit großem Geſchrei und machen hierdurch andere Vögel aufmerkſam und vorſichtig. Zumal die
Rauchſchwalben verleiden ihm oft die Jagd, und er weiß recht wohl, wie viel Schaden ſie ihm
zufügen; denn wenn ſie ihm einmal nahe gekommen ſind, ſchwingt er ſich in die Höhe, ſchwebt noch
einigemal im Kreiſe herum und fliegt dann dem Walde zu, ſicherlich mit argem Groll im Herzen, daß
ihm die Läſtigen zu ſchnell ſind. Bei ſeinen Angriffen ſtößt er nicht ſelten fehl; dafür nimmt
er aber auch zwei Vögel auf einmal weg, wenn das Glück ihm hold iſt. Die gefangene Beute trägt
er einem verborgenen Orte zu, rupft ihr die großen Federn aus und verzehrt ſie hierauf ſehr gemächlich.
Knochen, Federn und Haare gibt er in Gewöllen wieder von ſich. Junge Neſtvögel, namentlich ſolche,
welche am Boden ausgebrütet werden, gehören zu ſeinem Lieblingsfutter; er verſchont aber auch
die Eier nicht. „Am 29. Mai‟, erzählt Hintz, „kam mein Hirte und ſagte, daß er geſtern ein Reb-
huhnneſt
mit zweiundzwanzig Eiern gefunden; heute ſeien jedoch nur zwanzig darin geweſen, und er
habe einen kleinen Sperber geſehen, welcher nicht weit vom Neſte aufgeflogen wäre. Jch ging ſogleich zur
Stelle und fand noch neunzehn Eier im Neſte. Nun ſtellte ich mich verdeckt an und ſtand kaum eine
Viertelſtunde, als ein Sperber ankam, ſich beim Neſte niederſetzte und gleich wieder davonflog. Es
fehlte wieder ein Ei im Neſte. Nach Verlauf einer Stunde kam er wieder und flog abermals mit
einem Ei davon. Ungeachtet aller Aufmerkſamkeit aber konnte ich nicht beobachten, auf welche Weiſe
er die Eier fortſchaffte, ob mit den Fängen oder mit dem Schnabel.‟

Die Stimme des Sperbers vernimmt man ſelten, gewöhnlich nur beim Horſte. Sie iſt ein
ſchnell hintereinander ausgeſtoßenes „Ki ki ki‟ oder ein langſameres „Käk käk‟. Erſteres ſcheint
der Warnungston zu ſein.

Der Horſt ſteht in Dickichten, ſelten hoch über dem Boden, aber möglichſt gut verborgen, wenn
thunlich auf Nadelbäumen, nahe am Stamme. Dürre Fichten-, Tannen- und Birkenreifer, welche
nach obenhin feiner werden und eine geringe Vertiefung freilaſſen, bilden ihn. Gedachte Vertiefung,
die Neſtmulde, iſt mit einzelnen Flaumenfedern des Weibchens belegt. Ende Mai’s findet man drei
bis fünf mäßig große, ziemlich glatte, dickſchalige Eier von verſchiedener Geſtalt, Größe und Farbe,
welche gewöhnlich auf kalkweißem, mehr oder minder graulichen oder grünlichen Grunde mit rothbraunen,
lehmrothen und graublauen deutlich oder verwaſchenen, großen und kleinen Flecken und Punkten beſetzt
ſind, zuweilen ſehr dicht, manchmal ſehr vereinzelt. Das Weibchen brütet allein, ſitzt ſehr feſt und
bekundet eine außerordentliche Liebe zu den Eiern, verläßt ſie, ſelbſt wenn ſie wiederholt geſtört wurde,
nicht und ſucht Angriffe mit allen Kräften abzuwehren. Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung
in Fülle zu; doch nur das Weibchen iſt im Stande, dieſe in entſprechender Weiſe zu zerlegen. Man
hat beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getödtet worden, bei vollbeſetzter Tafel ver-
hungerten, weil der Vater zu ungeſchickt war, ihnen die Speiſe mundrecht zu machen. Auch nach dem
Ausfliegen werden die Jungen noch lange von den Eltern gefüttert, geführt und unterrichtet.

Die größeren Edelfalken und der Habicht freſſen den Sperber ohne Umſtände, wenn ſie ſeiner
habhaft werden können; die kleineren Vögel bethätigen ihren Haß wenigſtens durch Verfolgung. Der
Menſch tritt dem überaus ſchädlichen Räuber überall feindlich entgegen, wo er ihn und ſein verderb-
liches Treiben kennen gelernt hat. Der Sperber verdient keine Schonung, ſondern die unabläſſigſte
und rückſichtsloſeſte Verfolgung. Man thut nicht zuviel, wenn man auräth, gegen ihn jedes Mittel
anzuwenden. So denken jedoch nicht alle Leute. Bei vielen Völkern Aſiens iſt der Sperber heutigen
Tages noch ein hochgeachteter Baizvogel und hat ſich als ſolcher viele Freunde erworben. „Jm
ſüdlichen Ural‟, ſagt Eversmann, „wird er unter allen Falken am meiſten zur Jagd gebraucht, wenn
auch hauptſächlich nur zu ſolcher auf Wachteln. Man füttert die Jungen im Sommer auf, richtet ſie
ab, benutzt ſie im Herbſt zur Jagd und läßt ſie dann wieder fliegen; denn es lohnt nicht, ſie den
Winter hindurch zu füttern, weil man im Frühjahr ſo viele Junge bekommen kann, wie man nöthig
hat. Nur die größeren Weibchen werden zur Jagd aufgefüttert, die kleineren Männchen wirft man
weg, weil ſie nicht taugen.‟ Ganz ähnlich iſt es in Jndien, wie wir durch Jerdon erfahren. Auch

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[436/0466] Die Fänger. Raubvögel. Habichte. er zum Ausruhen erkoren. Die gewandteſten unter dem kleinen Geflügel verfolgen den Wüthrich mit großem Geſchrei und machen hierdurch andere Vögel aufmerkſam und vorſichtig. Zumal die Rauchſchwalben verleiden ihm oft die Jagd, und er weiß recht wohl, wie viel Schaden ſie ihm zufügen; denn wenn ſie ihm einmal nahe gekommen ſind, ſchwingt er ſich in die Höhe, ſchwebt noch einigemal im Kreiſe herum und fliegt dann dem Walde zu, ſicherlich mit argem Groll im Herzen, daß ihm die Läſtigen zu ſchnell ſind. Bei ſeinen Angriffen ſtößt er nicht ſelten fehl; dafür nimmt er aber auch zwei Vögel auf einmal weg, wenn das Glück ihm hold iſt. Die gefangene Beute trägt er einem verborgenen Orte zu, rupft ihr die großen Federn aus und verzehrt ſie hierauf ſehr gemächlich. Knochen, Federn und Haare gibt er in Gewöllen wieder von ſich. Junge Neſtvögel, namentlich ſolche, welche am Boden ausgebrütet werden, gehören zu ſeinem Lieblingsfutter; er verſchont aber auch die Eier nicht. „Am 29. Mai‟, erzählt Hintz, „kam mein Hirte und ſagte, daß er geſtern ein Reb- huhnneſt mit zweiundzwanzig Eiern gefunden; heute ſeien jedoch nur zwanzig darin geweſen, und er habe einen kleinen Sperber geſehen, welcher nicht weit vom Neſte aufgeflogen wäre. Jch ging ſogleich zur Stelle und fand noch neunzehn Eier im Neſte. Nun ſtellte ich mich verdeckt an und ſtand kaum eine Viertelſtunde, als ein Sperber ankam, ſich beim Neſte niederſetzte und gleich wieder davonflog. Es fehlte wieder ein Ei im Neſte. Nach Verlauf einer Stunde kam er wieder und flog abermals mit einem Ei davon. Ungeachtet aller Aufmerkſamkeit aber konnte ich nicht beobachten, auf welche Weiſe er die Eier fortſchaffte, ob mit den Fängen oder mit dem Schnabel.‟ Die Stimme des Sperbers vernimmt man ſelten, gewöhnlich nur beim Horſte. Sie iſt ein ſchnell hintereinander ausgeſtoßenes „Ki ki ki‟ oder ein langſameres „Käk käk‟. Erſteres ſcheint der Warnungston zu ſein. Der Horſt ſteht in Dickichten, ſelten hoch über dem Boden, aber möglichſt gut verborgen, wenn thunlich auf Nadelbäumen, nahe am Stamme. Dürre Fichten-, Tannen- und Birkenreifer, welche nach obenhin feiner werden und eine geringe Vertiefung freilaſſen, bilden ihn. Gedachte Vertiefung, die Neſtmulde, iſt mit einzelnen Flaumenfedern des Weibchens belegt. Ende Mai’s findet man drei bis fünf mäßig große, ziemlich glatte, dickſchalige Eier von verſchiedener Geſtalt, Größe und Farbe, welche gewöhnlich auf kalkweißem, mehr oder minder graulichen oder grünlichen Grunde mit rothbraunen, lehmrothen und graublauen deutlich oder verwaſchenen, großen und kleinen Flecken und Punkten beſetzt ſind, zuweilen ſehr dicht, manchmal ſehr vereinzelt. Das Weibchen brütet allein, ſitzt ſehr feſt und bekundet eine außerordentliche Liebe zu den Eiern, verläßt ſie, ſelbſt wenn ſie wiederholt geſtört wurde, nicht und ſucht Angriffe mit allen Kräften abzuwehren. Beide Eltern tragen den Jungen Nahrung in Fülle zu; doch nur das Weibchen iſt im Stande, dieſe in entſprechender Weiſe zu zerlegen. Man hat beobachtet, daß junge Sperber, deren Mutter getödtet worden, bei vollbeſetzter Tafel ver- hungerten, weil der Vater zu ungeſchickt war, ihnen die Speiſe mundrecht zu machen. Auch nach dem Ausfliegen werden die Jungen noch lange von den Eltern gefüttert, geführt und unterrichtet. Die größeren Edelfalken und der Habicht freſſen den Sperber ohne Umſtände, wenn ſie ſeiner habhaft werden können; die kleineren Vögel bethätigen ihren Haß wenigſtens durch Verfolgung. Der Menſch tritt dem überaus ſchädlichen Räuber überall feindlich entgegen, wo er ihn und ſein verderb- liches Treiben kennen gelernt hat. Der Sperber verdient keine Schonung, ſondern die unabläſſigſte und rückſichtsloſeſte Verfolgung. Man thut nicht zuviel, wenn man auräth, gegen ihn jedes Mittel anzuwenden. So denken jedoch nicht alle Leute. Bei vielen Völkern Aſiens iſt der Sperber heutigen Tages noch ein hochgeachteter Baizvogel und hat ſich als ſolcher viele Freunde erworben. „Jm ſüdlichen Ural‟, ſagt Eversmann, „wird er unter allen Falken am meiſten zur Jagd gebraucht, wenn auch hauptſächlich nur zu ſolcher auf Wachteln. Man füttert die Jungen im Sommer auf, richtet ſie ab, benutzt ſie im Herbſt zur Jagd und läßt ſie dann wieder fliegen; denn es lohnt nicht, ſie den Winter hindurch zu füttern, weil man im Frühjahr ſo viele Junge bekommen kann, wie man nöthig hat. Nur die größeren Weibchen werden zur Jagd aufgefüttert, die kleineren Männchen wirft man weg, weil ſie nicht taugen.‟ Ganz ähnlich iſt es in Jndien, wie wir durch Jerdon erfahren. Auch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/466>, abgerufen am 22.11.2024.