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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Habichte.
Malen mit dem Schnabel auf denselben; und wenn der Hase dann verwundet und ermattet ist, greift
er mit den Fängen zu, und tödtet ihn allmählich mit dem Schnabel und mit den Nägeln. Dieser
Kampf dauert gewöhnlich lange, und ich weiß ein Beispiel, daß sich der Hase einige Zeit mit dem
Habicht herumwälzte, ohne daß ihn dieser losgelassen hätte, ob er gleich oft unten zu liegen kam.
Ein glaubwürdiger Freund von mir schoß auf dem Anstande einen Hasen und einen Habicht auf
einen Schuß, während dieser auf jenen stieß."

Wenn der Habicht es haben kann, begnügt er sich übrigens durchaus nicht mit einer Beute,
sondern mordet zunächst soviel Vögel, als er zu fangen vermag und frißt sie dann in Ruhe auf. So
erzählt Audubon, daß er einmal mehrere Habichte als Begleiter eines großen Fluges von Wander-
tauben
gesehen habe, von denen einer durch einen Schwarm von Schwarzvögeln (Quiscalus
versicolor
) abgezogen wurde. "Letztere flogen soeben über den Ohio. Der Habicht näherte sich
ihnen mit Pfeilesschnelle. Die Schwarzvögel drängten sich so dicht an einander, daß ihre Schar einer
dunkeln, die Luft durcheilenden Kugel ähnlich sah. Als er den Haufen erreichte, ergriff er sofort einen
von ihnen, dann einen zweiten und hierauf einen dritten, vierten, fünften, erwürgte jeden einzeln so
schnell als möglich und ließ ihn hierauf aufs Wasser fallen. So hatte er eine reichliche Beute gemacht,
ehe die unglücklichen Vögel die rettende Waldung erreichen konnten. Sobald Dies geschehen war, gab
er seine Jagd auf und schwebte in zierlichen Wendungen über dem Wasser dahin, um die Früchte seiner
Betriebsamkeit aufzusammeln und dem Lande zuzutragen."

Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Ungeselligkeit des Habichts in seiner unglaublichen Raub-
gier ihren Grund hat. An Gefangenen haben wir Familienmord im weitesten Umfange beobachtet.
Mein Bruder erzählt hierauf bezügliche Beispiele in seinen neuerdings erschienenen "Bildern
und Skizzen aus dem Thiergarten zu Hamburg." "Jm vorigen Frühjahr ließ ich für den hamburger
Thiergarten ein altes Habichtsweibchen mit seinen zwei Jungen am Horste fangen und bezüglich aus-
heben. Jch brachte die Mutter mit ihren Kindern am Vormittage in einen großen Käfig; Nach-
mittags wollte ich der Alten Futter geben, bemerkte aber, daß sie sich bereits gesättigt hatte und zwar
mit dem Fleisch und Blut ihrer eigenen Kinder. Jch fand das eine Junge halb aufgefressen und das
zweite erwürgt! Wenige Tage später bekam ich ein Habichtspaar mit ebenfalls zwei Jungen. Jch
steckte sie einzeln in besondere Behältnisse, fütterte sie reichlich und schickte sie nach ihrem Bestim-
mungsorte ab. Hier wurden sie mit einem schon darin befindlichen einjährigen Vogel derselben
Klasse vereinigt. Dieser griff sehr bald die beiden Jungen an und verschlang sie, machte sich schließlich
an die Alten, überwältigte und verzehrte auch diese, wurde aber selbst wieder von einem später dazu
gesteckten Habichte verspeist. Ein mir befreundeter Förster hat mir versichert, daß er einst vierzehn
Habichte in einem großen Behältnisse lebend gehalten habe, welche trotz reichlichen Futters einander
nach fürchterlichen Kämpfen bis auf zwei aufgefressen hätten." Jch meinestheils kann diese Angaben
noch insofern vervollständigen, als ich ihnen hinzufüge, daß in der Gefangenschaft der stärkere Habicht
den schwächeren auffrißt, sei letzterer sein Gatte, sein Kind oder eins seiner Eltern. Daß er sich
gegen andere Ordnungsverwandte nicht freundlicher beträgt, braucht kaum erst hervorgehoben zu
werden. Der Habicht frißt jedes Thier, welches er fressen kann: er tödtet es wenigstens.

Ein unbeschreiblicher Haß begegnet ihm deshalb, sobald er sich sehen läßt. Namentlich die Krähen,
welche er im Sitzen wohl zuweilen wegnehmen mag, sind unermüdlich in seiner Verfolgung und stoßen
mit wahrer Todesverachtung nach ihm. "Ein Habicht", fährt mein Vater fort, "welcher von drei
Krähen verfolgt wurde, griff zuweilen nach ihnen; sie wußten aber so geschickt auszuweichen, daß es
ihm nie gelang, eine zu verwunden. Nachdem sie so eine Weile mit dem Habicht herumgeflogen
waren, sah dieser in einer Entfernung von dreihundert Schritten Tauben auf einem Dache; sogleich
eilte er hinzu, und stürzte sich in schräger Richtung über hundert und sechzig Ellen weit herab; aber
er kam ohne Taube zurück. Die Krähen schienen über sein Stoßen ganz erstaunt. So lange er
schwebte, konnten sie ihm sehr leicht folgen; als er aber zu stoßen anfing, war keine im Stande, ihn
zu begleiten. Erst als er wieder emporkam, begannen ihre Angriffe von neuem. Sie jagten nun

Die Fänger. Raubvögel. Habichte.
Malen mit dem Schnabel auf denſelben; und wenn der Haſe dann verwundet und ermattet iſt, greift
er mit den Fängen zu, und tödtet ihn allmählich mit dem Schnabel und mit den Nägeln. Dieſer
Kampf dauert gewöhnlich lange, und ich weiß ein Beiſpiel, daß ſich der Haſe einige Zeit mit dem
Habicht herumwälzte, ohne daß ihn dieſer losgelaſſen hätte, ob er gleich oft unten zu liegen kam.
Ein glaubwürdiger Freund von mir ſchoß auf dem Anſtande einen Haſen und einen Habicht auf
einen Schuß, während dieſer auf jenen ſtieß.‟

Wenn der Habicht es haben kann, begnügt er ſich übrigens durchaus nicht mit einer Beute,
ſondern mordet zunächſt ſoviel Vögel, als er zu fangen vermag und frißt ſie dann in Ruhe auf. So
erzählt Audubon, daß er einmal mehrere Habichte als Begleiter eines großen Fluges von Wander-
tauben
geſehen habe, von denen einer durch einen Schwarm von Schwarzvögeln (Quiscalus
versicolor
) abgezogen wurde. „Letztere flogen ſoeben über den Ohio. Der Habicht näherte ſich
ihnen mit Pfeilesſchnelle. Die Schwarzvögel drängten ſich ſo dicht an einander, daß ihre Schar einer
dunkeln, die Luft durcheilenden Kugel ähnlich ſah. Als er den Haufen erreichte, ergriff er ſofort einen
von ihnen, dann einen zweiten und hierauf einen dritten, vierten, fünften, erwürgte jeden einzeln ſo
ſchnell als möglich und ließ ihn hierauf aufs Waſſer fallen. So hatte er eine reichliche Beute gemacht,
ehe die unglücklichen Vögel die rettende Waldung erreichen konnten. Sobald Dies geſchehen war, gab
er ſeine Jagd auf und ſchwebte in zierlichen Wendungen über dem Waſſer dahin, um die Früchte ſeiner
Betriebſamkeit aufzuſammeln und dem Lande zuzutragen.‟

Es iſt durchaus wahrſcheinlich, daß die Ungeſelligkeit des Habichts in ſeiner unglaublichen Raub-
gier ihren Grund hat. An Gefangenen haben wir Familienmord im weiteſten Umfange beobachtet.
Mein Bruder erzählt hierauf bezügliche Beiſpiele in ſeinen neuerdings erſchienenen „Bildern
und Skizzen aus dem Thiergarten zu Hamburg.‟ „Jm vorigen Frühjahr ließ ich für den hamburger
Thiergarten ein altes Habichtsweibchen mit ſeinen zwei Jungen am Horſte fangen und bezüglich aus-
heben. Jch brachte die Mutter mit ihren Kindern am Vormittage in einen großen Käfig; Nach-
mittags wollte ich der Alten Futter geben, bemerkte aber, daß ſie ſich bereits geſättigt hatte und zwar
mit dem Fleiſch und Blut ihrer eigenen Kinder. Jch fand das eine Junge halb aufgefreſſen und das
zweite erwürgt! Wenige Tage ſpäter bekam ich ein Habichtspaar mit ebenfalls zwei Jungen. Jch
ſteckte ſie einzeln in beſondere Behältniſſe, fütterte ſie reichlich und ſchickte ſie nach ihrem Beſtim-
mungsorte ab. Hier wurden ſie mit einem ſchon darin befindlichen einjährigen Vogel derſelben
Klaſſe vereinigt. Dieſer griff ſehr bald die beiden Jungen an und verſchlang ſie, machte ſich ſchließlich
an die Alten, überwältigte und verzehrte auch dieſe, wurde aber ſelbſt wieder von einem ſpäter dazu
geſteckten Habichte verſpeiſt. Ein mir befreundeter Förſter hat mir verſichert, daß er einſt vierzehn
Habichte in einem großen Behältniſſe lebend gehalten habe, welche trotz reichlichen Futters einander
nach fürchterlichen Kämpfen bis auf zwei aufgefreſſen hätten.‟ Jch meinestheils kann dieſe Angaben
noch inſofern vervollſtändigen, als ich ihnen hinzufüge, daß in der Gefangenſchaft der ſtärkere Habicht
den ſchwächeren auffrißt, ſei letzterer ſein Gatte, ſein Kind oder eins ſeiner Eltern. Daß er ſich
gegen andere Ordnungsverwandte nicht freundlicher beträgt, braucht kaum erſt hervorgehoben zu
werden. Der Habicht frißt jedes Thier, welches er freſſen kann: er tödtet es wenigſtens.

Ein unbeſchreiblicher Haß begegnet ihm deshalb, ſobald er ſich ſehen läßt. Namentlich die Krähen,
welche er im Sitzen wohl zuweilen wegnehmen mag, ſind unermüdlich in ſeiner Verfolgung und ſtoßen
mit wahrer Todesverachtung nach ihm. „Ein Habicht‟, fährt mein Vater fort, „welcher von drei
Krähen verfolgt wurde, griff zuweilen nach ihnen; ſie wußten aber ſo geſchickt auszuweichen, daß es
ihm nie gelang, eine zu verwunden. Nachdem ſie ſo eine Weile mit dem Habicht herumgeflogen
waren, ſah dieſer in einer Entfernung von dreihundert Schritten Tauben auf einem Dache; ſogleich
eilte er hinzu, und ſtürzte ſich in ſchräger Richtung über hundert und ſechzig Ellen weit herab; aber
er kam ohne Taube zurück. Die Krähen ſchienen über ſein Stoßen ganz erſtaunt. So lange er
ſchwebte, konnten ſie ihm ſehr leicht folgen; als er aber zu ſtoßen anfing, war keine im Stande, ihn
zu begleiten. Erſt als er wieder emporkam, begannen ihre Angriffe von neuem. Sie jagten nun

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[440/0470] Die Fänger. Raubvögel. Habichte. Malen mit dem Schnabel auf denſelben; und wenn der Haſe dann verwundet und ermattet iſt, greift er mit den Fängen zu, und tödtet ihn allmählich mit dem Schnabel und mit den Nägeln. Dieſer Kampf dauert gewöhnlich lange, und ich weiß ein Beiſpiel, daß ſich der Haſe einige Zeit mit dem Habicht herumwälzte, ohne daß ihn dieſer losgelaſſen hätte, ob er gleich oft unten zu liegen kam. Ein glaubwürdiger Freund von mir ſchoß auf dem Anſtande einen Haſen und einen Habicht auf einen Schuß, während dieſer auf jenen ſtieß.‟ Wenn der Habicht es haben kann, begnügt er ſich übrigens durchaus nicht mit einer Beute, ſondern mordet zunächſt ſoviel Vögel, als er zu fangen vermag und frißt ſie dann in Ruhe auf. So erzählt Audubon, daß er einmal mehrere Habichte als Begleiter eines großen Fluges von Wander- tauben geſehen habe, von denen einer durch einen Schwarm von Schwarzvögeln (Quiscalus versicolor) abgezogen wurde. „Letztere flogen ſoeben über den Ohio. Der Habicht näherte ſich ihnen mit Pfeilesſchnelle. Die Schwarzvögel drängten ſich ſo dicht an einander, daß ihre Schar einer dunkeln, die Luft durcheilenden Kugel ähnlich ſah. Als er den Haufen erreichte, ergriff er ſofort einen von ihnen, dann einen zweiten und hierauf einen dritten, vierten, fünften, erwürgte jeden einzeln ſo ſchnell als möglich und ließ ihn hierauf aufs Waſſer fallen. So hatte er eine reichliche Beute gemacht, ehe die unglücklichen Vögel die rettende Waldung erreichen konnten. Sobald Dies geſchehen war, gab er ſeine Jagd auf und ſchwebte in zierlichen Wendungen über dem Waſſer dahin, um die Früchte ſeiner Betriebſamkeit aufzuſammeln und dem Lande zuzutragen.‟ Es iſt durchaus wahrſcheinlich, daß die Ungeſelligkeit des Habichts in ſeiner unglaublichen Raub- gier ihren Grund hat. An Gefangenen haben wir Familienmord im weiteſten Umfange beobachtet. Mein Bruder erzählt hierauf bezügliche Beiſpiele in ſeinen neuerdings erſchienenen „Bildern und Skizzen aus dem Thiergarten zu Hamburg.‟ „Jm vorigen Frühjahr ließ ich für den hamburger Thiergarten ein altes Habichtsweibchen mit ſeinen zwei Jungen am Horſte fangen und bezüglich aus- heben. Jch brachte die Mutter mit ihren Kindern am Vormittage in einen großen Käfig; Nach- mittags wollte ich der Alten Futter geben, bemerkte aber, daß ſie ſich bereits geſättigt hatte und zwar mit dem Fleiſch und Blut ihrer eigenen Kinder. Jch fand das eine Junge halb aufgefreſſen und das zweite erwürgt! Wenige Tage ſpäter bekam ich ein Habichtspaar mit ebenfalls zwei Jungen. Jch ſteckte ſie einzeln in beſondere Behältniſſe, fütterte ſie reichlich und ſchickte ſie nach ihrem Beſtim- mungsorte ab. Hier wurden ſie mit einem ſchon darin befindlichen einjährigen Vogel derſelben Klaſſe vereinigt. Dieſer griff ſehr bald die beiden Jungen an und verſchlang ſie, machte ſich ſchließlich an die Alten, überwältigte und verzehrte auch dieſe, wurde aber ſelbſt wieder von einem ſpäter dazu geſteckten Habichte verſpeiſt. Ein mir befreundeter Förſter hat mir verſichert, daß er einſt vierzehn Habichte in einem großen Behältniſſe lebend gehalten habe, welche trotz reichlichen Futters einander nach fürchterlichen Kämpfen bis auf zwei aufgefreſſen hätten.‟ Jch meinestheils kann dieſe Angaben noch inſofern vervollſtändigen, als ich ihnen hinzufüge, daß in der Gefangenſchaft der ſtärkere Habicht den ſchwächeren auffrißt, ſei letzterer ſein Gatte, ſein Kind oder eins ſeiner Eltern. Daß er ſich gegen andere Ordnungsverwandte nicht freundlicher beträgt, braucht kaum erſt hervorgehoben zu werden. Der Habicht frißt jedes Thier, welches er freſſen kann: er tödtet es wenigſtens. Ein unbeſchreiblicher Haß begegnet ihm deshalb, ſobald er ſich ſehen läßt. Namentlich die Krähen, welche er im Sitzen wohl zuweilen wegnehmen mag, ſind unermüdlich in ſeiner Verfolgung und ſtoßen mit wahrer Todesverachtung nach ihm. „Ein Habicht‟, fährt mein Vater fort, „welcher von drei Krähen verfolgt wurde, griff zuweilen nach ihnen; ſie wußten aber ſo geſchickt auszuweichen, daß es ihm nie gelang, eine zu verwunden. Nachdem ſie ſo eine Weile mit dem Habicht herumgeflogen waren, ſah dieſer in einer Entfernung von dreihundert Schritten Tauben auf einem Dache; ſogleich eilte er hinzu, und ſtürzte ſich in ſchräger Richtung über hundert und ſechzig Ellen weit herab; aber er kam ohne Taube zurück. Die Krähen ſchienen über ſein Stoßen ganz erſtaunt. So lange er ſchwebte, konnten ſie ihm ſehr leicht folgen; als er aber zu ſtoßen anfing, war keine im Stande, ihn zu begleiten. Erſt als er wieder emporkam, begannen ihre Angriffe von neuem. Sie jagten nun

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/470>, abgerufen am 22.11.2024.