gewöhnlich vom Grunde an gebogen, langhakig, aber nur ausnahmsweise leicht gezahnt; die Krallen pflegen rundlich und spitzig zu sein. Das Gefieder zeichnet sich durch große Weiche aus; es ist reich und umgibt besonders dicht den Kopf, bildet hier sogar ausnahmsweise einen Schleier, wie ihn sonst nur die Eulen zeigen. Dieser Schleier besteht aus langen Federn, welche die große Ohröffnung umgeben und gewissermaßen die Muschel des Ohres ersetzen, da sie aus einander gebreitet und zum Auffangen des Schalles benutzt werden können. Hinsichtlich der Färbung des Gefieders läßt sich höchstens sagen, daß lichte und lebhafte Farbentöne vorherrschend sind.
Alle Weihen sind vortreffliche Flieger; ihr Flug aber unterscheidet sich von dem anderer Raub- vögel sehr wesentlich. Er ist selten rasch und niemals stürmend, wie bei den Edelfalken, auch kaum durch jähe Wendungen ausgezeichnet, gewöhnlich vielmehr ein ruhiges, gleichmäßiges Schweben ohne Flügelschlag, welches bei einigen Arten zu einem Schaukeln wird. Die Flügelspitzen werden dabei über den Körper erhoben, und das Bild des fliegenden Vogels erhält dadurch etwas sehr Eigenthüm- liches. Auf dem Boden bewegen sich einige Weihen mit vielem Geschick, andere hingegen sind hier vollständig fremd geworden. Unter den Sinnen steht ausnahmslos das Auge obenan; diejenigen, welche den Schleier tragen, zeichnen sich auch durch ihr vortreffliches Gehör aus. Feine Empfindung scheint allen gemeinsam zu sein; über Geschmack und Geruch vermögen wir mit Sicherheit nicht zu urtheilen. Die geistigen Fähigkeiten sind geringer, als bei den bisher genannten Falken. Die Weihen sind durchgehends nicht besonders klug; sie sind listig und neugierig, scheu, aber nicht vorsichtig, raub- gierig, aber nicht muthig, sondern eher feig, jedoch dreist, frech und zudringlich. Sie lassen gern andere Raubvögel für sich arbeiten, indem sie ihnen die erhobene Beute abjagen: sie sind mehr Diebe als Räuber. Nur die Bettler unter ihnen bekümmern sich um die Außenwelt, namentlich um andere Raubvögel, welche sie als ihre Arbeiter betrachten, die große Mehrzahl lebt für sich allein und meidet den Umgang mit anderen Geschöpfen. Viele halten sich höchstens paarweise zusammen, andere bilden große Gesell- schaften unter sich und zeigen viel Anhänglichkeit und Liebe zu einander. Unstet und ruhelos sind sie alle. Jhre Thätigkeit beginnt mit dem frühesten Morgen, währt den ganzen Tag hindurch, höchstens mit Ausnahme der Mittagsstunden, und endet erst mit Einbruch der vollständigen Dämmerung. Man sieht einzelne langsamen Fluges über Steppen, Feldern, Wiesen, Sümpfen und Gewässern dahin- streichen, scharf nach unten spähen, plötzlich Etwas aufnehmen und ihren Weg weiter fortsetzen oder gewahrt andere in hoher Luft dahinziehend und wunderbare Flugkünste offenbarend, bis auch ihrem Auge die Tiefe Nutzbares bietet. Dann lassen sie sich langsam hernieder und nehmen das Gefundene mit raschem Griff weg; auf längere Verfolgung lassen sie sich nicht ein. Durchaus eigenthümlich ist die Jagdweise einzelner Weihen; sie erinnert viel mehr an die Kerbthierjagd der Schwalben, als an die Jagd der Raubvögel, und wirklich nähren sich die betreffenden Arten auch nur von Kerfen. Die Beute der Gesammtheit besteht in kleinen Säugethieren, unbehilflichen Vögeln, in Lurchen, Fischen und endlich in Kerbthieren; Aas rühren nur wenige Arten an. Einige schaden mehr, als sie nützen; die Mehrzahl aber macht sich, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, verdient.
Der Horst wird verschieden angelegt. Er steht auf Felsen, in Mauernischen alter Gebäude oder auf Kirchthürmen, auf Bäumen, im Gebüsch und endlich auf dem flachen Boden. Die Eierzahl schwankt zwischen eins und fünf. Beide Geschlechter scheinen zu brüten, beide lieben ihre Brut außer- ordentlich und theilen sich redlich in die Mühe der Aufzucht der Jungen.
Alle Weihen werden in der Gefangenschaft bald zahm und einige befreunden sich auch mit ihrem Pfleger; die große Mehrzahl aber ist langweilig und gleichgiltig im Käfig, und einige können hier gar nicht gehalten werden. Zur Abrichtung benutzt man bei uns zu Lande keine einzige Art; die Baschkiren aber wissen auch Mitglieder dieser Familie zur Baize zu verwenden.
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Allgemeines.
gewöhnlich vom Grunde an gebogen, langhakig, aber nur ausnahmsweiſe leicht gezahnt; die Krallen pflegen rundlich und ſpitzig zu ſein. Das Gefieder zeichnet ſich durch große Weiche aus; es iſt reich und umgibt beſonders dicht den Kopf, bildet hier ſogar ausnahmsweiſe einen Schleier, wie ihn ſonſt nur die Eulen zeigen. Dieſer Schleier beſteht aus langen Federn, welche die große Ohröffnung umgeben und gewiſſermaßen die Muſchel des Ohres erſetzen, da ſie aus einander gebreitet und zum Auffangen des Schalles benutzt werden können. Hinſichtlich der Färbung des Gefieders läßt ſich höchſtens ſagen, daß lichte und lebhafte Farbentöne vorherrſchend ſind.
Alle Weihen ſind vortreffliche Flieger; ihr Flug aber unterſcheidet ſich von dem anderer Raub- vögel ſehr weſentlich. Er iſt ſelten raſch und niemals ſtürmend, wie bei den Edelfalken, auch kaum durch jähe Wendungen ausgezeichnet, gewöhnlich vielmehr ein ruhiges, gleichmäßiges Schweben ohne Flügelſchlag, welches bei einigen Arten zu einem Schaukeln wird. Die Flügelſpitzen werden dabei über den Körper erhoben, und das Bild des fliegenden Vogels erhält dadurch etwas ſehr Eigenthüm- liches. Auf dem Boden bewegen ſich einige Weihen mit vielem Geſchick, andere hingegen ſind hier vollſtändig fremd geworden. Unter den Sinnen ſteht ausnahmslos das Auge obenan; diejenigen, welche den Schleier tragen, zeichnen ſich auch durch ihr vortreffliches Gehör aus. Feine Empfindung ſcheint allen gemeinſam zu ſein; über Geſchmack und Geruch vermögen wir mit Sicherheit nicht zu urtheilen. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind geringer, als bei den bisher genannten Falken. Die Weihen ſind durchgehends nicht beſonders klug; ſie ſind liſtig und neugierig, ſcheu, aber nicht vorſichtig, raub- gierig, aber nicht muthig, ſondern eher feig, jedoch dreiſt, frech und zudringlich. Sie laſſen gern andere Raubvögel für ſich arbeiten, indem ſie ihnen die erhobene Beute abjagen: ſie ſind mehr Diebe als Räuber. Nur die Bettler unter ihnen bekümmern ſich um die Außenwelt, namentlich um andere Raubvögel, welche ſie als ihre Arbeiter betrachten, die große Mehrzahl lebt für ſich allein und meidet den Umgang mit anderen Geſchöpfen. Viele halten ſich höchſtens paarweiſe zuſammen, andere bilden große Geſell- ſchaften unter ſich und zeigen viel Anhänglichkeit und Liebe zu einander. Unſtet und ruhelos ſind ſie alle. Jhre Thätigkeit beginnt mit dem früheſten Morgen, währt den ganzen Tag hindurch, höchſtens mit Ausnahme der Mittagsſtunden, und endet erſt mit Einbruch der vollſtändigen Dämmerung. Man ſieht einzelne langſamen Fluges über Steppen, Feldern, Wieſen, Sümpfen und Gewäſſern dahin- ſtreichen, ſcharf nach unten ſpähen, plötzlich Etwas aufnehmen und ihren Weg weiter fortſetzen oder gewahrt andere in hoher Luft dahinziehend und wunderbare Flugkünſte offenbarend, bis auch ihrem Auge die Tiefe Nutzbares bietet. Dann laſſen ſie ſich langſam hernieder und nehmen das Gefundene mit raſchem Griff weg; auf längere Verfolgung laſſen ſie ſich nicht ein. Durchaus eigenthümlich iſt die Jagdweiſe einzelner Weihen; ſie erinnert viel mehr an die Kerbthierjagd der Schwalben, als an die Jagd der Raubvögel, und wirklich nähren ſich die betreffenden Arten auch nur von Kerfen. Die Beute der Geſammtheit beſteht in kleinen Säugethieren, unbehilflichen Vögeln, in Lurchen, Fiſchen und endlich in Kerbthieren; Aas rühren nur wenige Arten an. Einige ſchaden mehr, als ſie nützen; die Mehrzahl aber macht ſich, vom menſchlichen Standpunkt aus betrachtet, verdient.
Der Horſt wird verſchieden angelegt. Er ſteht auf Felſen, in Mauerniſchen alter Gebäude oder auf Kirchthürmen, auf Bäumen, im Gebüſch und endlich auf dem flachen Boden. Die Eierzahl ſchwankt zwiſchen eins und fünf. Beide Geſchlechter ſcheinen zu brüten, beide lieben ihre Brut außer- ordentlich und theilen ſich redlich in die Mühe der Aufzucht der Jungen.
Alle Weihen werden in der Gefangenſchaft bald zahm und einige befreunden ſich auch mit ihrem Pfleger; die große Mehrzahl aber iſt langweilig und gleichgiltig im Käfig, und einige können hier gar nicht gehalten werden. Zur Abrichtung benutzt man bei uns zu Lande keine einzige Art; die Baſchkiren aber wiſſen auch Mitglieder dieſer Familie zur Baize zu verwenden.
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Allgemeines.
gewöhnlich vom Grunde an gebogen, langhakig, aber nur ausnahmsweiſe leicht gezahnt; die Krallen
pflegen rundlich und ſpitzig zu ſein. Das Gefieder zeichnet ſich durch große Weiche aus; es iſt reich
und umgibt beſonders dicht den Kopf, bildet hier ſogar ausnahmsweiſe einen Schleier, wie ihn ſonſt
nur die Eulen zeigen. Dieſer Schleier beſteht aus langen Federn, welche die große Ohröffnung
umgeben und gewiſſermaßen die Muſchel des Ohres erſetzen, da ſie aus einander gebreitet und zum
Auffangen des Schalles benutzt werden können. Hinſichtlich der Färbung des Gefieders läßt ſich
höchſtens ſagen, daß lichte und lebhafte Farbentöne vorherrſchend ſind.
Alle Weihen ſind vortreffliche Flieger; ihr Flug aber unterſcheidet ſich von dem anderer Raub-
vögel ſehr weſentlich. Er iſt ſelten raſch und niemals ſtürmend, wie bei den Edelfalken, auch kaum
durch jähe Wendungen ausgezeichnet, gewöhnlich vielmehr ein ruhiges, gleichmäßiges Schweben ohne
Flügelſchlag, welches bei einigen Arten zu einem Schaukeln wird. Die Flügelſpitzen werden dabei
über den Körper erhoben, und das Bild des fliegenden Vogels erhält dadurch etwas ſehr Eigenthüm-
liches. Auf dem Boden bewegen ſich einige Weihen mit vielem Geſchick, andere hingegen ſind hier
vollſtändig fremd geworden. Unter den Sinnen ſteht ausnahmslos das Auge obenan; diejenigen,
welche den Schleier tragen, zeichnen ſich auch durch ihr vortreffliches Gehör aus. Feine Empfindung
ſcheint allen gemeinſam zu ſein; über Geſchmack und Geruch vermögen wir mit Sicherheit nicht zu
urtheilen. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind geringer, als bei den bisher genannten Falken. Die Weihen
ſind durchgehends nicht beſonders klug; ſie ſind liſtig und neugierig, ſcheu, aber nicht vorſichtig, raub-
gierig, aber nicht muthig, ſondern eher feig, jedoch dreiſt, frech und zudringlich. Sie laſſen gern andere
Raubvögel für ſich arbeiten, indem ſie ihnen die erhobene Beute abjagen: ſie ſind mehr Diebe als Räuber.
Nur die Bettler unter ihnen bekümmern ſich um die Außenwelt, namentlich um andere Raubvögel,
welche ſie als ihre Arbeiter betrachten, die große Mehrzahl lebt für ſich allein und meidet den Umgang
mit anderen Geſchöpfen. Viele halten ſich höchſtens paarweiſe zuſammen, andere bilden große Geſell-
ſchaften unter ſich und zeigen viel Anhänglichkeit und Liebe zu einander. Unſtet und ruhelos ſind ſie
alle. Jhre Thätigkeit beginnt mit dem früheſten Morgen, währt den ganzen Tag hindurch, höchſtens
mit Ausnahme der Mittagsſtunden, und endet erſt mit Einbruch der vollſtändigen Dämmerung. Man
ſieht einzelne langſamen Fluges über Steppen, Feldern, Wieſen, Sümpfen und Gewäſſern dahin-
ſtreichen, ſcharf nach unten ſpähen, plötzlich Etwas aufnehmen und ihren Weg weiter fortſetzen oder
gewahrt andere in hoher Luft dahinziehend und wunderbare Flugkünſte offenbarend, bis auch ihrem
Auge die Tiefe Nutzbares bietet. Dann laſſen ſie ſich langſam hernieder und nehmen das Gefundene mit
raſchem Griff weg; auf längere Verfolgung laſſen ſie ſich nicht ein. Durchaus eigenthümlich iſt die
Jagdweiſe einzelner Weihen; ſie erinnert viel mehr an die Kerbthierjagd der Schwalben, als an die
Jagd der Raubvögel, und wirklich nähren ſich die betreffenden Arten auch nur von Kerfen. Die Beute
der Geſammtheit beſteht in kleinen Säugethieren, unbehilflichen Vögeln, in Lurchen, Fiſchen und
endlich in Kerbthieren; Aas rühren nur wenige Arten an. Einige ſchaden mehr, als ſie nützen; die
Mehrzahl aber macht ſich, vom menſchlichen Standpunkt aus betrachtet, verdient.
Der Horſt wird verſchieden angelegt. Er ſteht auf Felſen, in Mauerniſchen alter Gebäude oder
auf Kirchthürmen, auf Bäumen, im Gebüſch und endlich auf dem flachen Boden. Die Eierzahl
ſchwankt zwiſchen eins und fünf. Beide Geſchlechter ſcheinen zu brüten, beide lieben ihre Brut außer-
ordentlich und theilen ſich redlich in die Mühe der Aufzucht der Jungen.
Alle Weihen werden in der Gefangenſchaft bald zahm und einige befreunden ſich auch mit ihrem
Pfleger; die große Mehrzahl aber iſt langweilig und gleichgiltig im Käfig, und einige können hier gar
nicht gehalten werden. Zur Abrichtung benutzt man bei uns zu Lande keine einzige Art; die
Baſchkiren aber wiſſen auch Mitglieder dieſer Familie zur Baize zu verwenden.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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