Rußland und Mittelasien bis nach Japan hin lebt der Gabelweih oder schwarze Milan (Hydroictinia atra), ein Vogel von 21 bis 23 Zoll Länge und 48 bis 50 Zoll Breite, dessen Fittig 16 und dessen Schwanz 10 bis 11 Zoll mißt. Der schwache Schnabel mit deutlichem Zahn und ziemlich langen Haken, der Flügel, in welchem die vierte Schwinge die längste, die erste aber kürzer, als die siebente ist, der schwach gegabelte schwarze Schwanz und das schmalfedrige Gefieder sind die Kennzeichen der Sippe, welche unser Vogel vertritt. Er selbst ist auf Kopf, Kehle und Hals schmuzig- weiß, dunkelgraubraun in die Länge gestrichelt, auf der Brust röthlichbraun mit dunklerer Längs- zeichnung, auf dem Bauche und an den Hosen rostbraun mit schwarzen Schaftstrichen, auf dem Rücken, den Schultern und den Flügeldeckfedern dunkelbraun mit schmalen lichten Säumen an den Federn, auf den Außenflügeln rostfarbig, jede Feder hier bräunlichweiß gesäumt und am Schafte schwarz gefleckt. Die Schwingen sind an den Spitzen braunschwarz, auf der Jnnenfahne weißlich, der Schwanz ist braun, neun- bis zwölfmal durch schmale schwarze und braune Querbinden gezeichnet. Der Schnabel ist schwarz, die Wachshaut gelb, das Auge braungrau, der Fuß orangegelb. Bei jüngeren Vögeln ist das Braun einfarbiger, die Wachshaut und die Füße sind heller gelb als bei den Alten. Der Schnabel ist schwarz und das Auge dunkelbraun.
Jn Mitteldeutschland gehört der Milan nicht gerade zu den häufigen Vögeln; in Osteuropa und namentlich in Rußland ist er gemein; in Afrika und Südwestasien wird er durch den nahe verwandten Schmarotzermilan, welchen man beständig mit ihm verwechselt, vertreten. Bei uns zu Lande ist er Zugvogel; er erscheint im März und verläßt das Land im Oktober wieder; doch dehnt er seine Reise nicht eben weit aus, höchstens bis Egypten. Er liebt Wälder, welche Flüsse und stehendes Gewässer in der Nähe haben; denn die letzteren sind sein eigentliches Jagdgebiet. Die Wälder selbst dienen ihm außer der Brutzeit nur zum Schlafplatz.
Der Milan ist ein leiblich wohlbegabter und kluger, aber kein edler Raubvogel. Sein Flug ist leicht, auf lange Zeit schwebend, ziemlich gewandt, anhaltend, und durchaus nicht ermüdend, mit der köstlichen Flugbewegung der Edelfalken jedoch nicht zu vergleichen; sein Gang auf dem Boden ist ziemlich gut, d. h. besser als bei vielen andern Raubvögeln, seine Haltung auf den Bäumen eine hoch aufgerichtete. Seine Sinne sind scharf und namentlich das Gesicht ganz ausgezeichnet. Der Verstand ist, wie bemerkt, keineswegs gering, der Charakter aber erbärmlich. Der Milan und seine nächsten Verwandten sind die frechsten, zudringlichsten Bettler, welche es gibt. Zu feig und zu faul, sich einer mühevollen Jagd hinzugeben, beläftigen sie die edeln Näuber in der widerwärtigsten Weise, greifen sie unablässig an und nöthigen sie, ihnen eine bereits erhobene Beute zuzuwerfen. Hierdurch haupt- sächlich werden sie schädlich; denn ihre eigene Jagd fällt nicht besonders in das Gewicht. Der Milan bedroht alle kleinen vierfüßigen Thiere, namentlich Mäuse, Ratten und Hamster und wird hierdurch nützlich, er nimmt aber auch junge Hasen und Maulwürfe weg und ist ein ziemlich geschickter Fischer. Zuweilen während der Laichzeit stellt er den Fischen, wie es scheint, seinem Lieblingswild, eifrig nach, weil er aber nicht tauchen kann, ist der Schaden, welchen er der Fischerei zufügt, kaum bedeutend. Dagegen macht seine Zudringlichkeit ihn im Gehöft bald verhaßt. Junge Küchlein und anderes Federvieh werden ewig von ihm bedroht, und wenn auch seine Feigheit so groß ist, daß eine muthige Gluckhenne ihn zurückschrecken kann, erobert er sich doch, Dank seiner Klugheit, immerhin gar manches Hühnchen, Gänschen oder Entchen. Jn Ermangelung besseren Wilds stellt er den Fröschen eifrig nach, und auf dem Aase ist er eine regelmäßige Erscheinung.
Ende Aprils oder Anfangs Mai schreitet der Milan zur Fortpflanzung. Beide Gatten des Paares vergnügen sich durch spielendes Fliegen und erheben sich dabei in Schraubenlinien ohne Flügelschlag oft zu unermeßlichen Höhen. Das Männchen thut Dies auch während das Weibchen sitzt, zur Freude der Gattin. Der Horst, welcher auf hohen Waldbäumen angelegt wird, ist ein kunstloser Bau von dürren Zweigen, auf welche eine Lage von weichen Stoffen folgt. Stroh, zarte, dürre Pflanzenhalme, Mos und dergl., als innerste Lage, oft auch Lumpen und Papierschnitzel kleiden die Nestmulde aus. Drei bis vier, auf gelblichem oder graulichweißen Grunde braun marmorirte oder
Buſſardweih. Syama. Gabelweih.
Rußland und Mittelaſien bis nach Japan hin lebt der Gabelweih oder ſchwarze Milan (Hydroictinia atra), ein Vogel von 21 bis 23 Zoll Länge und 48 bis 50 Zoll Breite, deſſen Fittig 16 und deſſen Schwanz 10 bis 11 Zoll mißt. Der ſchwache Schnabel mit deutlichem Zahn und ziemlich langen Haken, der Flügel, in welchem die vierte Schwinge die längſte, die erſte aber kürzer, als die ſiebente iſt, der ſchwach gegabelte ſchwarze Schwanz und das ſchmalfedrige Gefieder ſind die Kennzeichen der Sippe, welche unſer Vogel vertritt. Er ſelbſt iſt auf Kopf, Kehle und Hals ſchmuzig- weiß, dunkelgraubraun in die Länge geſtrichelt, auf der Bruſt röthlichbraun mit dunklerer Längs- zeichnung, auf dem Bauche und an den Hoſen roſtbraun mit ſchwarzen Schaftſtrichen, auf dem Rücken, den Schultern und den Flügeldeckfedern dunkelbraun mit ſchmalen lichten Säumen an den Federn, auf den Außenflügeln roſtfarbig, jede Feder hier bräunlichweiß geſäumt und am Schafte ſchwarz gefleckt. Die Schwingen ſind an den Spitzen braunſchwarz, auf der Jnnenfahne weißlich, der Schwanz iſt braun, neun- bis zwölfmal durch ſchmale ſchwarze und braune Querbinden gezeichnet. Der Schnabel iſt ſchwarz, die Wachshaut gelb, das Auge braungrau, der Fuß orangegelb. Bei jüngeren Vögeln iſt das Braun einfarbiger, die Wachshaut und die Füße ſind heller gelb als bei den Alten. Der Schnabel iſt ſchwarz und das Auge dunkelbraun.
Jn Mitteldeutſchland gehört der Milan nicht gerade zu den häufigen Vögeln; in Oſteuropa und namentlich in Rußland iſt er gemein; in Afrika und Südweſtaſien wird er durch den nahe verwandten Schmarotzermilan, welchen man beſtändig mit ihm verwechſelt, vertreten. Bei uns zu Lande iſt er Zugvogel; er erſcheint im März und verläßt das Land im Oktober wieder; doch dehnt er ſeine Reiſe nicht eben weit aus, höchſtens bis Egypten. Er liebt Wälder, welche Flüſſe und ſtehendes Gewäſſer in der Nähe haben; denn die letzteren ſind ſein eigentliches Jagdgebiet. Die Wälder ſelbſt dienen ihm außer der Brutzeit nur zum Schlafplatz.
Der Milan iſt ein leiblich wohlbegabter und kluger, aber kein edler Raubvogel. Sein Flug iſt leicht, auf lange Zeit ſchwebend, ziemlich gewandt, anhaltend, und durchaus nicht ermüdend, mit der köſtlichen Flugbewegung der Edelfalken jedoch nicht zu vergleichen; ſein Gang auf dem Boden iſt ziemlich gut, d. h. beſſer als bei vielen andern Raubvögeln, ſeine Haltung auf den Bäumen eine hoch aufgerichtete. Seine Sinne ſind ſcharf und namentlich das Geſicht ganz ausgezeichnet. Der Verſtand iſt, wie bemerkt, keineswegs gering, der Charakter aber erbärmlich. Der Milan und ſeine nächſten Verwandten ſind die frechſten, zudringlichſten Bettler, welche es gibt. Zu feig und zu faul, ſich einer mühevollen Jagd hinzugeben, beläftigen ſie die edeln Näuber in der widerwärtigſten Weiſe, greifen ſie unabläſſig an und nöthigen ſie, ihnen eine bereits erhobene Beute zuzuwerfen. Hierdurch haupt- ſächlich werden ſie ſchädlich; denn ihre eigene Jagd fällt nicht beſonders in das Gewicht. Der Milan bedroht alle kleinen vierfüßigen Thiere, namentlich Mäuſe, Ratten und Hamſter und wird hierdurch nützlich, er nimmt aber auch junge Haſen und Maulwürfe weg und iſt ein ziemlich geſchickter Fiſcher. Zuweilen während der Laichzeit ſtellt er den Fiſchen, wie es ſcheint, ſeinem Lieblingswild, eifrig nach, weil er aber nicht tauchen kann, iſt der Schaden, welchen er der Fiſcherei zufügt, kaum bedeutend. Dagegen macht ſeine Zudringlichkeit ihn im Gehöft bald verhaßt. Junge Küchlein und anderes Federvieh werden ewig von ihm bedroht, und wenn auch ſeine Feigheit ſo groß iſt, daß eine muthige Gluckhenne ihn zurückſchrecken kann, erobert er ſich doch, Dank ſeiner Klugheit, immerhin gar manches Hühnchen, Gänschen oder Entchen. Jn Ermangelung beſſeren Wilds ſtellt er den Fröſchen eifrig nach, und auf dem Aaſe iſt er eine regelmäßige Erſcheinung.
Ende Aprils oder Anfangs Mai ſchreitet der Milan zur Fortpflanzung. Beide Gatten des Paares vergnügen ſich durch ſpielendes Fliegen und erheben ſich dabei in Schraubenlinien ohne Flügelſchlag oft zu unermeßlichen Höhen. Das Männchen thut Dies auch während das Weibchen ſitzt, zur Freude der Gattin. Der Horſt, welcher auf hohen Waldbäumen angelegt wird, iſt ein kunſtloſer Bau von dürren Zweigen, auf welche eine Lage von weichen Stoffen folgt. Stroh, zarte, dürre Pflanzenhalme, Mos und dergl., als innerſte Lage, oft auch Lumpen und Papierſchnitzel kleiden die Neſtmulde aus. Drei bis vier, auf gelblichem oder graulichweißen Grunde braun marmorirte oder
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[491/0523]
Buſſardweih. Syama. Gabelweih.
Rußland und Mittelaſien bis nach Japan hin lebt der Gabelweih oder ſchwarze Milan
(Hydroictinia atra), ein Vogel von 21 bis 23 Zoll Länge und 48 bis 50 Zoll Breite, deſſen Fittig
16 und deſſen Schwanz 10 bis 11 Zoll mißt. Der ſchwache Schnabel mit deutlichem Zahn und
ziemlich langen Haken, der Flügel, in welchem die vierte Schwinge die längſte, die erſte aber kürzer,
als die ſiebente iſt, der ſchwach gegabelte ſchwarze Schwanz und das ſchmalfedrige Gefieder ſind die
Kennzeichen der Sippe, welche unſer Vogel vertritt. Er ſelbſt iſt auf Kopf, Kehle und Hals ſchmuzig-
weiß, dunkelgraubraun in die Länge geſtrichelt, auf der Bruſt röthlichbraun mit dunklerer Längs-
zeichnung, auf dem Bauche und an den Hoſen roſtbraun mit ſchwarzen Schaftſtrichen, auf dem Rücken,
den Schultern und den Flügeldeckfedern dunkelbraun mit ſchmalen lichten Säumen an den Federn,
auf den Außenflügeln roſtfarbig, jede Feder hier bräunlichweiß geſäumt und am Schafte ſchwarz
gefleckt. Die Schwingen ſind an den Spitzen braunſchwarz, auf der Jnnenfahne weißlich, der
Schwanz iſt braun, neun- bis zwölfmal durch ſchmale ſchwarze und braune Querbinden gezeichnet.
Der Schnabel iſt ſchwarz, die Wachshaut gelb, das Auge braungrau, der Fuß orangegelb. Bei
jüngeren Vögeln iſt das Braun einfarbiger, die Wachshaut und die Füße ſind heller gelb als bei den
Alten. Der Schnabel iſt ſchwarz und das Auge dunkelbraun.
Jn Mitteldeutſchland gehört der Milan nicht gerade zu den häufigen Vögeln; in Oſteuropa und
namentlich in Rußland iſt er gemein; in Afrika und Südweſtaſien wird er durch den nahe verwandten
Schmarotzermilan, welchen man beſtändig mit ihm verwechſelt, vertreten. Bei uns zu Lande iſt
er Zugvogel; er erſcheint im März und verläßt das Land im Oktober wieder; doch dehnt er ſeine
Reiſe nicht eben weit aus, höchſtens bis Egypten. Er liebt Wälder, welche Flüſſe und ſtehendes
Gewäſſer in der Nähe haben; denn die letzteren ſind ſein eigentliches Jagdgebiet. Die Wälder ſelbſt
dienen ihm außer der Brutzeit nur zum Schlafplatz.
Der Milan iſt ein leiblich wohlbegabter und kluger, aber kein edler Raubvogel. Sein Flug iſt
leicht, auf lange Zeit ſchwebend, ziemlich gewandt, anhaltend, und durchaus nicht ermüdend, mit der
köſtlichen Flugbewegung der Edelfalken jedoch nicht zu vergleichen; ſein Gang auf dem Boden iſt
ziemlich gut, d. h. beſſer als bei vielen andern Raubvögeln, ſeine Haltung auf den Bäumen eine hoch
aufgerichtete. Seine Sinne ſind ſcharf und namentlich das Geſicht ganz ausgezeichnet. Der Verſtand
iſt, wie bemerkt, keineswegs gering, der Charakter aber erbärmlich. Der Milan und ſeine nächſten
Verwandten ſind die frechſten, zudringlichſten Bettler, welche es gibt. Zu feig und zu faul, ſich einer
mühevollen Jagd hinzugeben, beläftigen ſie die edeln Näuber in der widerwärtigſten Weiſe, greifen
ſie unabläſſig an und nöthigen ſie, ihnen eine bereits erhobene Beute zuzuwerfen. Hierdurch haupt-
ſächlich werden ſie ſchädlich; denn ihre eigene Jagd fällt nicht beſonders in das Gewicht. Der Milan
bedroht alle kleinen vierfüßigen Thiere, namentlich Mäuſe, Ratten und Hamſter und wird hierdurch
nützlich, er nimmt aber auch junge Haſen und Maulwürfe weg und iſt ein ziemlich geſchickter Fiſcher.
Zuweilen während der Laichzeit ſtellt er den Fiſchen, wie es ſcheint, ſeinem Lieblingswild, eifrig nach, weil
er aber nicht tauchen kann, iſt der Schaden, welchen er der Fiſcherei zufügt, kaum bedeutend.
Dagegen macht ſeine Zudringlichkeit ihn im Gehöft bald verhaßt. Junge Küchlein und anderes
Federvieh werden ewig von ihm bedroht, und wenn auch ſeine Feigheit ſo groß iſt, daß eine muthige
Gluckhenne ihn zurückſchrecken kann, erobert er ſich doch, Dank ſeiner Klugheit, immerhin gar manches
Hühnchen, Gänschen oder Entchen. Jn Ermangelung beſſeren Wilds ſtellt er den Fröſchen eifrig
nach, und auf dem Aaſe iſt er eine regelmäßige Erſcheinung.
Ende Aprils oder Anfangs Mai ſchreitet der Milan zur Fortpflanzung. Beide Gatten des
Paares vergnügen ſich durch ſpielendes Fliegen und erheben ſich dabei in Schraubenlinien ohne
Flügelſchlag oft zu unermeßlichen Höhen. Das Männchen thut Dies auch während das Weibchen
ſitzt, zur Freude der Gattin. Der Horſt, welcher auf hohen Waldbäumen angelegt wird, iſt ein
kunſtloſer Bau von dürren Zweigen, auf welche eine Lage von weichen Stoffen folgt. Stroh, zarte,
dürre Pflanzenhalme, Mos und dergl., als innerſte Lage, oft auch Lumpen und Papierſchnitzel kleiden
die Neſtmulde aus. Drei bis vier, auf gelblichem oder graulichweißen Grunde braun marmorirte oder
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/523>, abgerufen am 22.11.2024.
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