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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Bartgeier.
schöne Goldfarbe zu erwerben. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die lichteren Geier-
adler von den dunkleren sich auch noch durch andere Merkmale unterscheiden, auf welche einzugehen
hier nicht der Ort ist.

Die Geieradler sind, wie bereits bemerkt, weit über die alte Welt verbreitet. Jn Europa
bewohnen sie die schweizer und die sogenannten siebenbürgischen Alpen, die Pyrenäen, den Balkan
und alle Gebirge der drei südlichen Halbinfeln, sowie die asiatischen Grenzgebirge Kaukasus und Altai.
Jn Asien scheinen sie auf allen höheren Gebirgen vorzukommen, vielleicht mit alleiniger Ausnahme
der nordöstlichsten. Auf dem Himalaya finden sie sich nach Jerdon von Nepal bis Kaschmir und
Salt und Suliman. Jn Afrika sind sie beobachtet worden vom Nordwesten an bis zum Südosten
des Erdtheils. Auf dem Atlas scheinen sie nicht selten, in Abissinien sogar häufig zu sein. Das
Nilgebirge bevölkern sie nur spärlich, und nur ausnahmsweise lassen sie sich in dem Nilthale selbst
sehen. Adams, welcher den Geieradler von seinen Jagden im Himalaya her so gut kennt, daß er
ihn gewiß nicht mit einem andern Vogel verwechselt, erzählt, daß er einen dieser Vögel von der Spitze
der Pyramide aufgejagt habe. Hartmann beobachtete einen andern bei den Stromschnellen bei
Wadi-Halfa. Jch meinestheils habe ihn in Egypten oder Nubien niemals gesehen, dagegen nicht
selten in dem benachbarten steinigen Arabien angetroffen.

Man darf wohl behaupten, daß die Naturgeschichte des Geieradlers erst in den letzten Jahren
erforscht wurde. Jch selbst bin in Folge meiner vielfachen Beobachtungen des spanischen Lämmer-
geiers einer der Ersten gewesen, welche sich bemüht haben, die Lebensgeschichte des Vogels wahrheits-
getreu zu schildern. Gegenwärtig liegen eine Menge anderer Beobachtungen vor: wir haben Berichte
erhalten von Jerdon, Adams, Hodgson, Jrby, Heuglin, Simmpson, Gurney, Krüper,
von meinem Bruder und Andern, welche sämmtlich so vollständig übereinstimmen, daß man trotz aller
sogenannten Bürgschaften, die von dem schweizer Geieradler erzählten Unthaten nicht mehr glauben
kann. Jch werde deshalb auf die vielen Raub- und Mordgeschichten, welche man von letzteren
erzählt hat, keine Rücksicht nehmen, indem ich es jedem meiner Leser überlasse, sich darüber von
Steinmüller, Schinz, Tschudi u. A. belehren zu lassen. Jch will aber bemerken, daß ich weit
entfernt bin, an der Wahrheit der von jenen Forschern erzählten Thatsachen zu zweifeln: der eigentliche
Uebelthäter jedoch ist meiner festen Ansicht nach nicht der Bartgeier, sondern der Steinadler. Für
diese Ansicht spricht auch die Angabe von Schinz, daß in den Alpen Bartgeier und Steinadler nicht
selten verwechselt und beide Goldgeier und Goldadler genannt werden. Auch Schinz meint,
daß die Kinder, um welche es sich hauptsächlich handelt, eher vom Steinadler als vom Bartgeier weg-
getragen sein dürften. Das Volk liebt es, jeden großen Raubvogel, welcher sich, so zu sagen, eines
Verbrechens an dem Eigenthum des Menschen schuldig gemacht hat, als Lämmergeier zu bezeichnen: --
dürfen sich unsere Thierschausteller ja doch gestatten, sogar den plumpen Gänsegeier ihren Schaulustigen
unter dem Namen Lämmergeier vorzustellen! Ein so verrufener Name, wie ihn der Lämmergeier
trägt, entschuldigt Vieles: die Furcht sieht doppelt und die Einbildungskraft ist geschäftig, wenn es
gilt, ein Schauergemälde auszumalen. Wir werden sehen, daß der Geieradler unter Raubvögeln
seiner Größe zu den harmlosesten gehört, welche man kennt.

Jn unsern Alpen scheint sich der Geieradler nur in dem höchsten Gürtel des Gebirges aufzu-
halten; Dasselbe gilt bedingungsweise auch für seine Vertreter im Himalaya und auf den abissinischen
Gebirgen. Jn andern Gebirgen ist Dies nicht der Fall. Der Vogel liebt zwar die Höhe, meidet aber
durchaus die Tiefe nicht. Jn Spanien ist der Bartgeier in allen Hochgebirgen eine keineswegs unge-
wöhnliche Erscheinung; er findet sich aber auch im niedern Gebirge d. h. bereits in einer bezüglichen
Höhe von 800 bis 1000 Fuß über dem Meere und zwar nicht blos ausnahmsweise, sondern als
Stand- und Horstvogel. Die Beschassenheit der Gebirge Spaniens begünstigt ein derartiges Vor-
kommen ungemein. Die Wildheit der Berge bietet schon bei geringer Höhe hinlänglich sichere Aufent-
haltsorte und Nistplätze für große Raubvögel in genügender Auswahl. Dasselbe gilt für Griechen-
land, das Gleiche für Südostafrika. Der Vogel lebt paarweise oder einzeln, höchst selten in kleinen

Brehm, Thierleben. III. 35

Bartgeier.
ſchöne Goldfarbe zu erwerben. Zudem darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die lichteren Geier-
adler von den dunkleren ſich auch noch durch andere Merkmale unterſcheiden, auf welche einzugehen
hier nicht der Ort iſt.

Die Geieradler ſind, wie bereits bemerkt, weit über die alte Welt verbreitet. Jn Europa
bewohnen ſie die ſchweizer und die ſogenannten ſiebenbürgiſchen Alpen, die Pyrenäen, den Balkan
und alle Gebirge der drei ſüdlichen Halbinfeln, ſowie die aſiatiſchen Grenzgebirge Kaukaſus und Altai.
Jn Aſien ſcheinen ſie auf allen höheren Gebirgen vorzukommen, vielleicht mit alleiniger Ausnahme
der nordöſtlichſten. Auf dem Himalaya finden ſie ſich nach Jerdon von Nepal bis Kaſchmir und
Salt und Suliman. Jn Afrika ſind ſie beobachtet worden vom Nordweſten an bis zum Südoſten
des Erdtheils. Auf dem Atlas ſcheinen ſie nicht ſelten, in Abiſſinien ſogar häufig zu ſein. Das
Nilgebirge bevölkern ſie nur ſpärlich, und nur ausnahmsweiſe laſſen ſie ſich in dem Nilthale ſelbſt
ſehen. Adams, welcher den Geieradler von ſeinen Jagden im Himalaya her ſo gut kennt, daß er
ihn gewiß nicht mit einem andern Vogel verwechſelt, erzählt, daß er einen dieſer Vögel von der Spitze
der Pyramide aufgejagt habe. Hartmann beobachtete einen andern bei den Stromſchnellen bei
Wadi-Halfa. Jch meinestheils habe ihn in Egypten oder Nubien niemals geſehen, dagegen nicht
ſelten in dem benachbarten ſteinigen Arabien angetroffen.

Man darf wohl behaupten, daß die Naturgeſchichte des Geieradlers erſt in den letzten Jahren
erforſcht wurde. Jch ſelbſt bin in Folge meiner vielfachen Beobachtungen des ſpaniſchen Lämmer-
geiers einer der Erſten geweſen, welche ſich bemüht haben, die Lebensgeſchichte des Vogels wahrheits-
getreu zu ſchildern. Gegenwärtig liegen eine Menge anderer Beobachtungen vor: wir haben Berichte
erhalten von Jerdon, Adams, Hodgſon, Jrby, Heuglin, Simmpſon, Gurney, Krüper,
von meinem Bruder und Andern, welche ſämmtlich ſo vollſtändig übereinſtimmen, daß man trotz aller
ſogenannten Bürgſchaften, die von dem ſchweizer Geieradler erzählten Unthaten nicht mehr glauben
kann. Jch werde deshalb auf die vielen Raub- und Mordgeſchichten, welche man von letzteren
erzählt hat, keine Rückſicht nehmen, indem ich es jedem meiner Leſer überlaſſe, ſich darüber von
Steinmüller, Schinz, Tſchudi u. A. belehren zu laſſen. Jch will aber bemerken, daß ich weit
entfernt bin, an der Wahrheit der von jenen Forſchern erzählten Thatſachen zu zweifeln: der eigentliche
Uebelthäter jedoch iſt meiner feſten Anſicht nach nicht der Bartgeier, ſondern der Steinadler. Für
dieſe Anſicht ſpricht auch die Angabe von Schinz, daß in den Alpen Bartgeier und Steinadler nicht
ſelten verwechſelt und beide Goldgeier und Goldadler genannt werden. Auch Schinz meint,
daß die Kinder, um welche es ſich hauptſächlich handelt, eher vom Steinadler als vom Bartgeier weg-
getragen ſein dürften. Das Volk liebt es, jeden großen Raubvogel, welcher ſich, ſo zu ſagen, eines
Verbrechens an dem Eigenthum des Menſchen ſchuldig gemacht hat, als Lämmergeier zu bezeichnen: —
dürfen ſich unſere Thierſchauſteller ja doch geſtatten, ſogar den plumpen Gänſegeier ihren Schauluſtigen
unter dem Namen Lämmergeier vorzuſtellen! Ein ſo verrufener Name, wie ihn der Lämmergeier
trägt, entſchuldigt Vieles: die Furcht ſieht doppelt und die Einbildungskraft iſt geſchäftig, wenn es
gilt, ein Schauergemälde auszumalen. Wir werden ſehen, daß der Geieradler unter Raubvögeln
ſeiner Größe zu den harmloſeſten gehört, welche man kennt.

Jn unſern Alpen ſcheint ſich der Geieradler nur in dem höchſten Gürtel des Gebirges aufzu-
halten; Daſſelbe gilt bedingungsweiſe auch für ſeine Vertreter im Himalaya und auf den abiſſiniſchen
Gebirgen. Jn andern Gebirgen iſt Dies nicht der Fall. Der Vogel liebt zwar die Höhe, meidet aber
durchaus die Tiefe nicht. Jn Spanien iſt der Bartgeier in allen Hochgebirgen eine keineswegs unge-
wöhnliche Erſcheinung; er findet ſich aber auch im niedern Gebirge d. h. bereits in einer bezüglichen
Höhe von 800 bis 1000 Fuß über dem Meere und zwar nicht blos ausnahmsweiſe, ſondern als
Stand- und Horſtvogel. Die Beſchaſſenheit der Gebirge Spaniens begünſtigt ein derartiges Vor-
kommen ungemein. Die Wildheit der Berge bietet ſchon bei geringer Höhe hinlänglich ſichere Aufent-
haltsorte und Niſtplätze für große Raubvögel in genügender Auswahl. Daſſelbe gilt für Griechen-
land, das Gleiche für Südoſtafrika. Der Vogel lebt paarweiſe oder einzeln, höchſt ſelten in kleinen

Brehm, Thierleben. III. 35
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[545/0577] Bartgeier. ſchöne Goldfarbe zu erwerben. Zudem darf nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die lichteren Geier- adler von den dunkleren ſich auch noch durch andere Merkmale unterſcheiden, auf welche einzugehen hier nicht der Ort iſt. Die Geieradler ſind, wie bereits bemerkt, weit über die alte Welt verbreitet. Jn Europa bewohnen ſie die ſchweizer und die ſogenannten ſiebenbürgiſchen Alpen, die Pyrenäen, den Balkan und alle Gebirge der drei ſüdlichen Halbinfeln, ſowie die aſiatiſchen Grenzgebirge Kaukaſus und Altai. Jn Aſien ſcheinen ſie auf allen höheren Gebirgen vorzukommen, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der nordöſtlichſten. Auf dem Himalaya finden ſie ſich nach Jerdon von Nepal bis Kaſchmir und Salt und Suliman. Jn Afrika ſind ſie beobachtet worden vom Nordweſten an bis zum Südoſten des Erdtheils. Auf dem Atlas ſcheinen ſie nicht ſelten, in Abiſſinien ſogar häufig zu ſein. Das Nilgebirge bevölkern ſie nur ſpärlich, und nur ausnahmsweiſe laſſen ſie ſich in dem Nilthale ſelbſt ſehen. Adams, welcher den Geieradler von ſeinen Jagden im Himalaya her ſo gut kennt, daß er ihn gewiß nicht mit einem andern Vogel verwechſelt, erzählt, daß er einen dieſer Vögel von der Spitze der Pyramide aufgejagt habe. Hartmann beobachtete einen andern bei den Stromſchnellen bei Wadi-Halfa. Jch meinestheils habe ihn in Egypten oder Nubien niemals geſehen, dagegen nicht ſelten in dem benachbarten ſteinigen Arabien angetroffen. Man darf wohl behaupten, daß die Naturgeſchichte des Geieradlers erſt in den letzten Jahren erforſcht wurde. Jch ſelbſt bin in Folge meiner vielfachen Beobachtungen des ſpaniſchen Lämmer- geiers einer der Erſten geweſen, welche ſich bemüht haben, die Lebensgeſchichte des Vogels wahrheits- getreu zu ſchildern. Gegenwärtig liegen eine Menge anderer Beobachtungen vor: wir haben Berichte erhalten von Jerdon, Adams, Hodgſon, Jrby, Heuglin, Simmpſon, Gurney, Krüper, von meinem Bruder und Andern, welche ſämmtlich ſo vollſtändig übereinſtimmen, daß man trotz aller ſogenannten Bürgſchaften, die von dem ſchweizer Geieradler erzählten Unthaten nicht mehr glauben kann. Jch werde deshalb auf die vielen Raub- und Mordgeſchichten, welche man von letzteren erzählt hat, keine Rückſicht nehmen, indem ich es jedem meiner Leſer überlaſſe, ſich darüber von Steinmüller, Schinz, Tſchudi u. A. belehren zu laſſen. Jch will aber bemerken, daß ich weit entfernt bin, an der Wahrheit der von jenen Forſchern erzählten Thatſachen zu zweifeln: der eigentliche Uebelthäter jedoch iſt meiner feſten Anſicht nach nicht der Bartgeier, ſondern der Steinadler. Für dieſe Anſicht ſpricht auch die Angabe von Schinz, daß in den Alpen Bartgeier und Steinadler nicht ſelten verwechſelt und beide Goldgeier und Goldadler genannt werden. Auch Schinz meint, daß die Kinder, um welche es ſich hauptſächlich handelt, eher vom Steinadler als vom Bartgeier weg- getragen ſein dürften. Das Volk liebt es, jeden großen Raubvogel, welcher ſich, ſo zu ſagen, eines Verbrechens an dem Eigenthum des Menſchen ſchuldig gemacht hat, als Lämmergeier zu bezeichnen: — dürfen ſich unſere Thierſchauſteller ja doch geſtatten, ſogar den plumpen Gänſegeier ihren Schauluſtigen unter dem Namen Lämmergeier vorzuſtellen! Ein ſo verrufener Name, wie ihn der Lämmergeier trägt, entſchuldigt Vieles: die Furcht ſieht doppelt und die Einbildungskraft iſt geſchäftig, wenn es gilt, ein Schauergemälde auszumalen. Wir werden ſehen, daß der Geieradler unter Raubvögeln ſeiner Größe zu den harmloſeſten gehört, welche man kennt. Jn unſern Alpen ſcheint ſich der Geieradler nur in dem höchſten Gürtel des Gebirges aufzu- halten; Daſſelbe gilt bedingungsweiſe auch für ſeine Vertreter im Himalaya und auf den abiſſiniſchen Gebirgen. Jn andern Gebirgen iſt Dies nicht der Fall. Der Vogel liebt zwar die Höhe, meidet aber durchaus die Tiefe nicht. Jn Spanien iſt der Bartgeier in allen Hochgebirgen eine keineswegs unge- wöhnliche Erſcheinung; er findet ſich aber auch im niedern Gebirge d. h. bereits in einer bezüglichen Höhe von 800 bis 1000 Fuß über dem Meere und zwar nicht blos ausnahmsweiſe, ſondern als Stand- und Horſtvogel. Die Beſchaſſenheit der Gebirge Spaniens begünſtigt ein derartiges Vor- kommen ungemein. Die Wildheit der Berge bietet ſchon bei geringer Höhe hinlänglich ſichere Aufent- haltsorte und Niſtplätze für große Raubvögel in genügender Auswahl. Daſſelbe gilt für Griechen- land, das Gleiche für Südoſtafrika. Der Vogel lebt paarweiſe oder einzeln, höchſt ſelten in kleinen Brehm, Thierleben. III. 35

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/577>, abgerufen am 22.11.2024.