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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Nasenkakadu. Nestor.
in großen Flügen, welche Nachts und in den Mittagsstunden auf den hohen Waldbäumen verweilen,
sonst aber sich viel auf dem Boden umhertreiben. Hier laufen sie hüpfend, jedoch ziemlich langsam
umher. Der Flug dagegen ist reißend schnell, viel leichter und besser, als der anderer Kakadus. Die
Nahrung besteht allerdings auch mit in Körnern und Sämereien, vorzugsweise aber doch in Knollen
und Zwiebeln verschiedener Pflanzen, namentlich auch der Orchideen, zu deren Ausgrabung der Vogel
seinen langen und so sonderbar gestalteten Schnabel vortrefflich zu benutzen versteht. Das Brut-
geschäft bietet nichts Absonderliches dar. Die beiden weißen Eier, welche denen des gehäubten Ka-
kadus ähnlich sind, werden meist auf einem Lager faulen Holzes im Boden einer Baumhöhle der
großen Gummibäume gelegt.

Der Nasenkakadu scheint die Gefangenschaft ohne Beschwerde jahrelang ertragen zu können. Jn
Europa ist er namentlich in der letzten Zeit häufiger eingeführt worden, als früher; demungeachtet
gehört er noch nirgends zu den häufigen Vögeln in den Sammlungen. Schon Gould bemerkt, daß
der gefangene Nasenkakadu düsterer, mürrischer und reizbarer sei, als andere Verwandte; ich muß mich
dieser Ansicht vollständig anschließen. Wir besitzen seit ungefähr Jahresfrist einen dieser Vögel, welcher
sich noch immer nicht an den Wärter hat gewöhnen wollen und diesen mit seinem Schnabel bedroht,
sobald er sich nähert. Streicheln oder überhaupt Berührungen duldet er nicht; überhaupt erregt alles
Ungewohnte sofort seinen Zorn. Er sträubt dann die kleine, hufeisenförmig gestaltete Federholle auf
der Stirn, sodaß der prächtige rothe Federgrund hier ganz vors Auge tritt, nickt wiederholt und heftig
mit dem Kopfe, bewegt kauend den Schnabel und kreischt endlich wüthend auf. Jn seinem Kreischen
klingt ebenfalls das Wort Kakadu wieder; dasselbe wird aber ganz anders betont, als bei seinen Ver-
wandten. Diese sprechen es bekanntlich sehr sanft und zusammenhängend; der Nasenkakadu dagegen
stößt die beiden ersten Silben kreischend hervor, sodaß sie eher wie "kai" als "ka" klingen und hängt
ihnen dann erst ein wohllautendes "du" an.

Auffallend ist die Leichtigkeit, mit welcher der Vogel seinen Schnabel nach allen Richtungen hin
bewegen kann. Keine andere mir bekannte Papageienart besitzt in den beiden Kiefern eine ähnliche
Gelenkigkeit und Biegsamkeit. Der Schnabel des Nasenkakadus ist die vollendetste natürliche Greif-
zange, welche es gibt.

Zur Rechtfertigung des Nasenkakadu muß ich Vorstehendem hinzufügen, daß auch er sehr zahm
werden kann und selbst sprechen lernt. Ein Freund von mir kannte einen unserer Vögel, welcher nicht
nur viel Worte und Sätze zu sprechen wußte, sondern sie auch verständig gebrauchte, und im Thier-
garten zu Antwerpen lebt ein zweiter, welcher zum allgemeinen Liebling der Besucher geworden ist,
weil er sich förmlich mit Diesen unterhält. Seine Bekannten grüßt er regelmäßig, sobald er sie von
fern erblickt, und ihnen gegenüber zeigt er sich auch nicht im geringsten mürrisch oder übellaunisch.



Mehr noch als der Nasenkakadu zeigt sich der Nestor (Nestor produetus) als Vertreter der Erd-
papageien unter den Kakadus. Er bildet mit drei andern Arten eine sehr ausgezeichnete Sippe der
Papageivögel, deren Hauptkennzeichen in dem merkwürdig verlängerten, sichelförmig gebogenen,
weit über den Unterkiefer hervorragenden Oberschnabel liegt. Der Schwanz ist mittellang, die Spitze
der Steuerfedern theilweise fahnenlos; die zusammengelegten Flügel reichen ungefähr bis zur Hälfte
des Schwanzes herab. Die Fußwurzeln sind beträchtlich höher, das Gefieder ist härter und schuppiger,
als bei anderen Kakadus. Bei unserer Art ist es sehr bunt. Die Oberseite ist braun, Kopf und Hals-
rücken sind grau überlaufen, jede Feder dieser Theile ist dunkler gesäumt, der Rumpf, der Bauch und
die Unterschwanzdeckfedern sind tiefroth, die Brust, die Gurgelgegend und die Wangen gelb, letztere
mit röthlichem Schimmer. Die Schwanzfedern sind an der Wurzel orangegelb und braun gebändert;
die Jnnenfahne der Schwingen ist an der Wurzel und unten düsterrostfarben und braun. Ein nackter
Ring, welcher das Auge umgibt, die Beine und die Wachshaut sind olivenbraun; der Schnabel ist

Naſenkakadu. Neſtor.
in großen Flügen, welche Nachts und in den Mittagsſtunden auf den hohen Waldbäumen verweilen,
ſonſt aber ſich viel auf dem Boden umhertreiben. Hier laufen ſie hüpfend, jedoch ziemlich langſam
umher. Der Flug dagegen iſt reißend ſchnell, viel leichter und beſſer, als der anderer Kakadus. Die
Nahrung beſteht allerdings auch mit in Körnern und Sämereien, vorzugsweiſe aber doch in Knollen
und Zwiebeln verſchiedener Pflanzen, namentlich auch der Orchideen, zu deren Ausgrabung der Vogel
ſeinen langen und ſo ſonderbar geſtalteten Schnabel vortrefflich zu benutzen verſteht. Das Brut-
geſchäft bietet nichts Abſonderliches dar. Die beiden weißen Eier, welche denen des gehäubten Ka-
kadus ähnlich ſind, werden meiſt auf einem Lager faulen Holzes im Boden einer Baumhöhle der
großen Gummibäume gelegt.

Der Naſenkakadu ſcheint die Gefangenſchaft ohne Beſchwerde jahrelang ertragen zu können. Jn
Europa iſt er namentlich in der letzten Zeit häufiger eingeführt worden, als früher; demungeachtet
gehört er noch nirgends zu den häufigen Vögeln in den Sammlungen. Schon Gould bemerkt, daß
der gefangene Naſenkakadu düſterer, mürriſcher und reizbarer ſei, als andere Verwandte; ich muß mich
dieſer Anſicht vollſtändig anſchließen. Wir beſitzen ſeit ungefähr Jahresfriſt einen dieſer Vögel, welcher
ſich noch immer nicht an den Wärter hat gewöhnen wollen und dieſen mit ſeinem Schnabel bedroht,
ſobald er ſich nähert. Streicheln oder überhaupt Berührungen duldet er nicht; überhaupt erregt alles
Ungewohnte ſofort ſeinen Zorn. Er ſträubt dann die kleine, hufeiſenförmig geſtaltete Federholle auf
der Stirn, ſodaß der prächtige rothe Federgrund hier ganz vors Auge tritt, nickt wiederholt und heftig
mit dem Kopfe, bewegt kauend den Schnabel und kreiſcht endlich wüthend auf. Jn ſeinem Kreiſchen
klingt ebenfalls das Wort Kakadu wieder; daſſelbe wird aber ganz anders betont, als bei ſeinen Ver-
wandten. Dieſe ſprechen es bekanntlich ſehr ſanft und zuſammenhängend; der Naſenkakadu dagegen
ſtößt die beiden erſten Silben kreiſchend hervor, ſodaß ſie eher wie „kai‟ als „ka‟ klingen und hängt
ihnen dann erſt ein wohllautendes „du‟ an.

Auffallend iſt die Leichtigkeit, mit welcher der Vogel ſeinen Schnabel nach allen Richtungen hin
bewegen kann. Keine andere mir bekannte Papageienart beſitzt in den beiden Kiefern eine ähnliche
Gelenkigkeit und Biegſamkeit. Der Schnabel des Naſenkakadus iſt die vollendetſte natürliche Greif-
zange, welche es gibt.

Zur Rechtfertigung des Naſenkakadu muß ich Vorſtehendem hinzufügen, daß auch er ſehr zahm
werden kann und ſelbſt ſprechen lernt. Ein Freund von mir kannte einen unſerer Vögel, welcher nicht
nur viel Worte und Sätze zu ſprechen wußte, ſondern ſie auch verſtändig gebrauchte, und im Thier-
garten zu Antwerpen lebt ein zweiter, welcher zum allgemeinen Liebling der Beſucher geworden iſt,
weil er ſich förmlich mit Dieſen unterhält. Seine Bekannten grüßt er regelmäßig, ſobald er ſie von
fern erblickt, und ihnen gegenüber zeigt er ſich auch nicht im geringſten mürriſch oder übellauniſch.



Mehr noch als der Naſenkakadu zeigt ſich der Neſtor (Nestor produetus) als Vertreter der Erd-
papageien unter den Kakadus. Er bildet mit drei andern Arten eine ſehr ausgezeichnete Sippe der
Papageivögel, deren Hauptkennzeichen in dem merkwürdig verlängerten, ſichelförmig gebogenen,
weit über den Unterkiefer hervorragenden Oberſchnabel liegt. Der Schwanz iſt mittellang, die Spitze
der Steuerfedern theilweiſe fahnenlos; die zuſammengelegten Flügel reichen ungefähr bis zur Hälfte
des Schwanzes herab. Die Fußwurzeln ſind beträchtlich höher, das Gefieder iſt härter und ſchuppiger,
als bei anderen Kakadus. Bei unſerer Art iſt es ſehr bunt. Die Oberſeite iſt braun, Kopf und Hals-
rücken ſind grau überlaufen, jede Feder dieſer Theile iſt dunkler geſäumt, der Rumpf, der Bauch und
die Unterſchwanzdeckfedern ſind tiefroth, die Bruſt, die Gurgelgegend und die Wangen gelb, letztere
mit röthlichem Schimmer. Die Schwanzfedern ſind an der Wurzel orangegelb und braun gebändert;
die Jnnenfahne der Schwingen iſt an der Wurzel und unten düſterroſtfarben und braun. Ein nackter
Ring, welcher das Auge umgibt, die Beine und die Wachshaut ſind olivenbraun; der Schnabel iſt

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[45/0059] Naſenkakadu. Neſtor. in großen Flügen, welche Nachts und in den Mittagsſtunden auf den hohen Waldbäumen verweilen, ſonſt aber ſich viel auf dem Boden umhertreiben. Hier laufen ſie hüpfend, jedoch ziemlich langſam umher. Der Flug dagegen iſt reißend ſchnell, viel leichter und beſſer, als der anderer Kakadus. Die Nahrung beſteht allerdings auch mit in Körnern und Sämereien, vorzugsweiſe aber doch in Knollen und Zwiebeln verſchiedener Pflanzen, namentlich auch der Orchideen, zu deren Ausgrabung der Vogel ſeinen langen und ſo ſonderbar geſtalteten Schnabel vortrefflich zu benutzen verſteht. Das Brut- geſchäft bietet nichts Abſonderliches dar. Die beiden weißen Eier, welche denen des gehäubten Ka- kadus ähnlich ſind, werden meiſt auf einem Lager faulen Holzes im Boden einer Baumhöhle der großen Gummibäume gelegt. Der Naſenkakadu ſcheint die Gefangenſchaft ohne Beſchwerde jahrelang ertragen zu können. Jn Europa iſt er namentlich in der letzten Zeit häufiger eingeführt worden, als früher; demungeachtet gehört er noch nirgends zu den häufigen Vögeln in den Sammlungen. Schon Gould bemerkt, daß der gefangene Naſenkakadu düſterer, mürriſcher und reizbarer ſei, als andere Verwandte; ich muß mich dieſer Anſicht vollſtändig anſchließen. Wir beſitzen ſeit ungefähr Jahresfriſt einen dieſer Vögel, welcher ſich noch immer nicht an den Wärter hat gewöhnen wollen und dieſen mit ſeinem Schnabel bedroht, ſobald er ſich nähert. Streicheln oder überhaupt Berührungen duldet er nicht; überhaupt erregt alles Ungewohnte ſofort ſeinen Zorn. Er ſträubt dann die kleine, hufeiſenförmig geſtaltete Federholle auf der Stirn, ſodaß der prächtige rothe Federgrund hier ganz vors Auge tritt, nickt wiederholt und heftig mit dem Kopfe, bewegt kauend den Schnabel und kreiſcht endlich wüthend auf. Jn ſeinem Kreiſchen klingt ebenfalls das Wort Kakadu wieder; daſſelbe wird aber ganz anders betont, als bei ſeinen Ver- wandten. Dieſe ſprechen es bekanntlich ſehr ſanft und zuſammenhängend; der Naſenkakadu dagegen ſtößt die beiden erſten Silben kreiſchend hervor, ſodaß ſie eher wie „kai‟ als „ka‟ klingen und hängt ihnen dann erſt ein wohllautendes „du‟ an. Auffallend iſt die Leichtigkeit, mit welcher der Vogel ſeinen Schnabel nach allen Richtungen hin bewegen kann. Keine andere mir bekannte Papageienart beſitzt in den beiden Kiefern eine ähnliche Gelenkigkeit und Biegſamkeit. Der Schnabel des Naſenkakadus iſt die vollendetſte natürliche Greif- zange, welche es gibt. Zur Rechtfertigung des Naſenkakadu muß ich Vorſtehendem hinzufügen, daß auch er ſehr zahm werden kann und ſelbſt ſprechen lernt. Ein Freund von mir kannte einen unſerer Vögel, welcher nicht nur viel Worte und Sätze zu ſprechen wußte, ſondern ſie auch verſtändig gebrauchte, und im Thier- garten zu Antwerpen lebt ein zweiter, welcher zum allgemeinen Liebling der Beſucher geworden iſt, weil er ſich förmlich mit Dieſen unterhält. Seine Bekannten grüßt er regelmäßig, ſobald er ſie von fern erblickt, und ihnen gegenüber zeigt er ſich auch nicht im geringſten mürriſch oder übellauniſch. Mehr noch als der Naſenkakadu zeigt ſich der Neſtor (Nestor produetus) als Vertreter der Erd- papageien unter den Kakadus. Er bildet mit drei andern Arten eine ſehr ausgezeichnete Sippe der Papageivögel, deren Hauptkennzeichen in dem merkwürdig verlängerten, ſichelförmig gebogenen, weit über den Unterkiefer hervorragenden Oberſchnabel liegt. Der Schwanz iſt mittellang, die Spitze der Steuerfedern theilweiſe fahnenlos; die zuſammengelegten Flügel reichen ungefähr bis zur Hälfte des Schwanzes herab. Die Fußwurzeln ſind beträchtlich höher, das Gefieder iſt härter und ſchuppiger, als bei anderen Kakadus. Bei unſerer Art iſt es ſehr bunt. Die Oberſeite iſt braun, Kopf und Hals- rücken ſind grau überlaufen, jede Feder dieſer Theile iſt dunkler geſäumt, der Rumpf, der Bauch und die Unterſchwanzdeckfedern ſind tiefroth, die Bruſt, die Gurgelgegend und die Wangen gelb, letztere mit röthlichem Schimmer. Die Schwanzfedern ſind an der Wurzel orangegelb und braun gebändert; die Jnnenfahne der Schwingen iſt an der Wurzel und unten düſterroſtfarben und braun. Ein nackter Ring, welcher das Auge umgibt, die Beine und die Wachshaut ſind olivenbraun; der Schnabel iſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/59>, abgerufen am 23.11.2024.