Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite
Steinkauz. Kaninchen- und Prairieeule.

Alle baumlosen Ebenen und Steppen Süd- und Nordamerikas werden von kleinen Eulen
bewohnt, welche durch ihre sonderbare Lebensweise jedem Reisenden auffallen und deshalb auch uns
wohlbekannt geworden sind.

Die Höhleneulen (Pholeoptynx) sind nahe Verwandte der Steinkäuze. Sie sind kaum
größer als diese und besonders durch ihre sehr hohen, kurzzehigen Beine von ihnen unterschieden.
Der Kopf ist mäßig groß und rund, das Auge groß; der Schnabel etwas gestreckt, auf der Firste sanft
gewölbt, mit mittelgroßem Haken und stumpfspitzigem Unterkiefer, welcher jederseits vor der Spitze
seicht ausgeschnitten ist; der Flügel ist stark und lang, aber rundlich; die vierte Schwungfeder ver-
längert sich über die übrigen; der Schwanz ist kurz, gerade abgestutzt, der Lauf hoch und schlank, nur
sehr sparsam und blos vorn befiedert, während die Seite und die Sohle glatthäutig erscheinen; die
Zehen sind rauh beschuppt und mit einzelnen Federborsten besetzt; die Klauen sind wenig gekrümmt.
Das Gefieder liegt ziemlich dicht an; es ist kleinfederig, aber weich und seidig. Der Schleier ist klein
und schwach; die Zügelfedern sind steif und borstig, der Augenkranz ist nur nach hinten und unten
entwickelt.

Jn Südamerika lebt der Curuje der Brasilianer oder die Kanincheneule (Pholeoptynx
cunicularia
), im Norden Amerikas die Prairieeule (Pholeoptynx hypogaea). Erstere ist auf der
Oberseite röthlich graubraun, mit runden und länglichrunden weißen Tüpfeln gefleckt; das Kinn und
die Augenbrauen sind weiß; der Unterhals ist röthlichgelb, graubraun gefleckt, die Brust graubraun,
gelblich gefleckt, der Unterbauch gelblichweiß, ungefleckt. Das Auge ist gelb, der Schnabel blaßgrün-
lichgrau, die Beine sind ebenfalls blaßgrünlichgrau, an der Sohle der Zehen aber gelblich. Nach den
Messungen des Prinzen von Wied beträgt die Länge 8 Zoll 8 Linien, die Breite 22 Zoll 4 Linien,
die Fittiglänge 6 Zoll, die Schwanzlänge fast 3 Zoll.

Die nordamerikanische Vertreterin zeigt so große Uebereinstimmung mit der eben beschriebenen
Art, daß nur eine sehr ausführliche Beschreibung Beider die geringen Unterschiede deutlich machen
kann. Hinsichtlich der Lebensweise und des Betragens ähneln sich beide Arten so, daß man die
Angaben der verschiedenen Schriftsteller ebenso gut auf die eine, wie auf die andere beziehen darf.

Die Höhleneulen sind Charaktervögel Amerikas. Sie bewohnen die Pampas und Llanos im
Süden und die Prairien im Norden, also die Steppen. Wo sie vorkommen, sind sie häufig. Der
Reisende, welcher die baumlosen Ebenen betritt, sieht die merkwürdigen Vögel paarweise auf dem
Boden sitzen, gewöhnlich auf den Hügeln, welche von der ausgegrabenen Erde der Säugethierbaue
gebildet werden. Diese Baue sind das eigentliche Haus der Eule, und häufig genug bewohnen sie es
mit dem rechtmäßigen Jnhaber oder auch wohl mit seinen furchtbarsten Feinden, den Giftschlangen.
Jn der Nähe von Buenos-Ayres haust die Höhleneule nach Darwin ausschließlich in den Bauen
der Viscacha, in Brasilien nistet sie sich in den Bauen der Ameisenfresser und Gürtelthiere
ein, in Nordamerika findet sie sich in den sogenannten Dörfern des Prairienhundes. Es
ist oft und unter Andern auch von Darwin behauptet worden, daß unsere Eule sich unter
Umständen selbst Höhlen grabe; die Angabe scheint mir aber der Bestätigung noch zu bedürfen.
Soviel ist gewiß, daß die von grabenden Säugethieren noch bewohnten Baue sich vor denen, in welchen
die Eule haust, durch Sauberkeit und Ordnung auszeichnen, während die Eule oft, ja fast regelmäßig
in den verfallenen Gebäuden dieser Art gefunden wird. Aber es kommt auch vor, daß man Prairie-
hunde und Eulen und Klapperschlangen durch ein und dieselbe Oeffnung aus- und eingehen sieht, und
soviel steht fest, daß das Verhältniß zwischen Säugethieren und Eulen ein durchaus friedliches ist.

Aus den Schilderungen der Reisenden geht hervor, daß das Betragen der Höhleneulen mit dem
Gebahren unseres Steinkauzes sehr übereinstimmt; nur sind die Höhleneulen wirklich Tagvögel, welche
auch im vollsten Glanze der Mittagssonne sich munter umhertreiben. "Wunderlich", sagt Pöppig,
"ist ihr Anblick im Glanze der Mittagssonne; denn kaum scheint es, daß die großen, halbkugeligen
Augen für die Ertragung so starken Lichtstrahls erschaffen wären. Unverwandt sieht sie den herbei-
schleichenden Jäger an und bleibt ruhig am Boden sitzen; denn nie erblickt man sie auf einem Baume,

Steinkauz. Kaninchen- und Prairieeule.

Alle baumloſen Ebenen und Steppen Süd- und Nordamerikas werden von kleinen Eulen
bewohnt, welche durch ihre ſonderbare Lebensweiſe jedem Reiſenden auffallen und deshalb auch uns
wohlbekannt geworden ſind.

Die Höhleneulen (Pholeoptynx) ſind nahe Verwandte der Steinkäuze. Sie ſind kaum
größer als dieſe und beſonders durch ihre ſehr hohen, kurzzehigen Beine von ihnen unterſchieden.
Der Kopf iſt mäßig groß und rund, das Auge groß; der Schnabel etwas geſtreckt, auf der Firſte ſanft
gewölbt, mit mittelgroßem Haken und ſtumpfſpitzigem Unterkiefer, welcher jederſeits vor der Spitze
ſeicht ausgeſchnitten iſt; der Flügel iſt ſtark und lang, aber rundlich; die vierte Schwungfeder ver-
längert ſich über die übrigen; der Schwanz iſt kurz, gerade abgeſtutzt, der Lauf hoch und ſchlank, nur
ſehr ſparſam und blos vorn befiedert, während die Seite und die Sohle glatthäutig erſcheinen; die
Zehen ſind rauh beſchuppt und mit einzelnen Federborſten beſetzt; die Klauen ſind wenig gekrümmt.
Das Gefieder liegt ziemlich dicht an; es iſt kleinfederig, aber weich und ſeidig. Der Schleier iſt klein
und ſchwach; die Zügelfedern ſind ſteif und borſtig, der Augenkranz iſt nur nach hinten und unten
entwickelt.

Jn Südamerika lebt der Curuje der Braſilianer oder die Kanincheneule (Pholeoptynx
cunicularia
), im Norden Amerikas die Prairieeule (Pholeoptynx hypogaea). Erſtere iſt auf der
Oberſeite röthlich graubraun, mit runden und länglichrunden weißen Tüpfeln gefleckt; das Kinn und
die Augenbrauen ſind weiß; der Unterhals iſt röthlichgelb, graubraun gefleckt, die Bruſt graubraun,
gelblich gefleckt, der Unterbauch gelblichweiß, ungefleckt. Das Auge iſt gelb, der Schnabel blaßgrün-
lichgrau, die Beine ſind ebenfalls blaßgrünlichgrau, an der Sohle der Zehen aber gelblich. Nach den
Meſſungen des Prinzen von Wied beträgt die Länge 8 Zoll 8 Linien, die Breite 22 Zoll 4 Linien,
die Fittiglänge 6 Zoll, die Schwanzlänge faſt 3 Zoll.

Die nordamerikaniſche Vertreterin zeigt ſo große Uebereinſtimmung mit der eben beſchriebenen
Art, daß nur eine ſehr ausführliche Beſchreibung Beider die geringen Unterſchiede deutlich machen
kann. Hinſichtlich der Lebensweiſe und des Betragens ähneln ſich beide Arten ſo, daß man die
Angaben der verſchiedenen Schriftſteller ebenſo gut auf die eine, wie auf die andere beziehen darf.

Die Höhleneulen ſind Charaktervögel Amerikas. Sie bewohnen die Pampas und Llanos im
Süden und die Prairien im Norden, alſo die Steppen. Wo ſie vorkommen, ſind ſie häufig. Der
Reiſende, welcher die baumloſen Ebenen betritt, ſieht die merkwürdigen Vögel paarweiſe auf dem
Boden ſitzen, gewöhnlich auf den Hügeln, welche von der ausgegrabenen Erde der Säugethierbaue
gebildet werden. Dieſe Baue ſind das eigentliche Haus der Eule, und häufig genug bewohnen ſie es
mit dem rechtmäßigen Jnhaber oder auch wohl mit ſeinen furchtbarſten Feinden, den Giftſchlangen.
Jn der Nähe von Buenos-Ayres hauſt die Höhleneule nach Darwin ausſchließlich in den Bauen
der Viscacha, in Braſilien niſtet ſie ſich in den Bauen der Ameiſenfreſſer und Gürtelthiere
ein, in Nordamerika findet ſie ſich in den ſogenannten Dörfern des Prairienhundes. Es
iſt oft und unter Andern auch von Darwin behauptet worden, daß unſere Eule ſich unter
Umſtänden ſelbſt Höhlen grabe; die Angabe ſcheint mir aber der Beſtätigung noch zu bedürfen.
Soviel iſt gewiß, daß die von grabenden Säugethieren noch bewohnten Baue ſich vor denen, in welchen
die Eule hauſt, durch Sauberkeit und Ordnung auszeichnen, während die Eule oft, ja faſt regelmäßig
in den verfallenen Gebäuden dieſer Art gefunden wird. Aber es kommt auch vor, daß man Prairie-
hunde und Eulen und Klapperſchlangen durch ein und dieſelbe Oeffnung aus- und eingehen ſieht, und
ſoviel ſteht feſt, daß das Verhältniß zwiſchen Säugethieren und Eulen ein durchaus friedliches iſt.

Aus den Schilderungen der Reiſenden geht hervor, daß das Betragen der Höhleneulen mit dem
Gebahren unſeres Steinkauzes ſehr übereinſtimmt; nur ſind die Höhleneulen wirklich Tagvögel, welche
auch im vollſten Glanze der Mittagsſonne ſich munter umhertreiben. „Wunderlich‟, ſagt Pöppig,
„iſt ihr Anblick im Glanze der Mittagsſonne; denn kaum ſcheint es, daß die großen, halbkugeligen
Augen für die Ertragung ſo ſtarken Lichtſtrahls erſchaffen wären. Unverwandt ſieht ſie den herbei-
ſchleichenden Jäger an und bleibt ruhig am Boden ſitzen; denn nie erblickt man ſie auf einem Baume,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0635" n="601"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Steinkauz. Kaninchen- und Prairieeule.</hi> </fw><lb/>
          <p>Alle baumlo&#x017F;en Ebenen und Steppen Süd- und Nordamerikas werden von kleinen Eulen<lb/>
bewohnt, welche durch ihre &#x017F;onderbare Lebenswei&#x017F;e jedem Rei&#x017F;enden auffallen und deshalb auch uns<lb/>
wohlbekannt geworden &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Höhleneulen</hi> (<hi rendition="#aq">Pholeoptynx</hi>) &#x017F;ind nahe Verwandte der Steinkäuze. Sie &#x017F;ind kaum<lb/>
größer als die&#x017F;e und be&#x017F;onders durch ihre &#x017F;ehr hohen, kurzzehigen Beine von ihnen unter&#x017F;chieden.<lb/>
Der Kopf i&#x017F;t mäßig groß und rund, das Auge groß; der Schnabel etwas ge&#x017F;treckt, auf der Fir&#x017F;te &#x017F;anft<lb/>
gewölbt, mit mittelgroßem Haken und &#x017F;tumpf&#x017F;pitzigem Unterkiefer, welcher jeder&#x017F;eits vor der Spitze<lb/>
&#x017F;eicht ausge&#x017F;chnitten i&#x017F;t; der Flügel i&#x017F;t &#x017F;tark und lang, aber rundlich; die vierte Schwungfeder ver-<lb/>
längert &#x017F;ich über die übrigen; der Schwanz i&#x017F;t kurz, gerade abge&#x017F;tutzt, der Lauf hoch und &#x017F;chlank, nur<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;par&#x017F;am und blos vorn befiedert, während die Seite und die Sohle glatthäutig er&#x017F;cheinen; die<lb/>
Zehen &#x017F;ind rauh be&#x017F;chuppt und mit einzelnen Federbor&#x017F;ten be&#x017F;etzt; die Klauen &#x017F;ind wenig gekrümmt.<lb/>
Das Gefieder liegt ziemlich dicht an; es i&#x017F;t kleinfederig, aber weich und &#x017F;eidig. Der Schleier i&#x017F;t klein<lb/>
und &#x017F;chwach; die Zügelfedern &#x017F;ind &#x017F;teif und bor&#x017F;tig, der Augenkranz i&#x017F;t nur nach hinten und unten<lb/>
entwickelt.</p><lb/>
          <p>Jn Südamerika lebt der <hi rendition="#g">Curuje</hi> der Bra&#x017F;ilianer oder die <hi rendition="#g">Kanincheneule</hi> (<hi rendition="#aq">Pholeoptynx<lb/>
cunicularia</hi>), im Norden Amerikas die <hi rendition="#g">Prairieeule</hi> (<hi rendition="#aq">Pholeoptynx hypogaea</hi>). Er&#x017F;tere i&#x017F;t auf der<lb/>
Ober&#x017F;eite röthlich graubraun, mit runden und länglichrunden weißen Tüpfeln gefleckt; das Kinn und<lb/>
die Augenbrauen &#x017F;ind weiß; der Unterhals i&#x017F;t röthlichgelb, graubraun gefleckt, die Bru&#x017F;t graubraun,<lb/>
gelblich gefleckt, der Unterbauch gelblichweiß, ungefleckt. Das Auge i&#x017F;t gelb, der Schnabel blaßgrün-<lb/>
lichgrau, die Beine &#x017F;ind ebenfalls blaßgrünlichgrau, an der Sohle der Zehen aber gelblich. Nach den<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;ungen des <hi rendition="#g">Prinzen von Wied</hi> beträgt die Länge 8 Zoll 8 Linien, die Breite 22 Zoll 4 Linien,<lb/>
die Fittiglänge 6 Zoll, die Schwanzlänge fa&#x017F;t 3 Zoll.</p><lb/>
          <p>Die nordamerikani&#x017F;che Vertreterin zeigt &#x017F;o große Ueberein&#x017F;timmung mit der eben be&#x017F;chriebenen<lb/>
Art, daß nur eine &#x017F;ehr ausführliche Be&#x017F;chreibung Beider die geringen Unter&#x017F;chiede deutlich machen<lb/>
kann. Hin&#x017F;ichtlich der Lebenswei&#x017F;e und des Betragens ähneln &#x017F;ich beide Arten &#x017F;o, daß man die<lb/>
Angaben der ver&#x017F;chiedenen Schrift&#x017F;teller eben&#x017F;o gut auf die eine, wie auf die andere beziehen darf.</p><lb/>
          <p>Die Höhleneulen &#x017F;ind Charaktervögel Amerikas. Sie bewohnen die Pampas und Llanos im<lb/>
Süden und die Prairien im Norden, al&#x017F;o die Steppen. Wo &#x017F;ie vorkommen, &#x017F;ind &#x017F;ie häufig. Der<lb/>
Rei&#x017F;ende, welcher die baumlo&#x017F;en Ebenen betritt, &#x017F;ieht die merkwürdigen Vögel paarwei&#x017F;e auf dem<lb/>
Boden &#x017F;itzen, gewöhnlich auf den Hügeln, welche von der ausgegrabenen Erde der Säugethierbaue<lb/>
gebildet werden. Die&#x017F;e Baue &#x017F;ind das eigentliche Haus der Eule, und häufig genug bewohnen &#x017F;ie es<lb/>
mit dem rechtmäßigen Jnhaber oder auch wohl mit &#x017F;einen furchtbar&#x017F;ten Feinden, den Gift&#x017F;chlangen.<lb/>
Jn der Nähe von Buenos-Ayres hau&#x017F;t die Höhleneule nach <hi rendition="#g">Darwin</hi> aus&#x017F;chließlich in den Bauen<lb/>
der <hi rendition="#g">Viscacha,</hi> in Bra&#x017F;ilien ni&#x017F;tet &#x017F;ie &#x017F;ich in den Bauen der <hi rendition="#g">Amei&#x017F;enfre&#x017F;&#x017F;er</hi> und <hi rendition="#g">Gürtelthiere</hi><lb/>
ein, in Nordamerika findet &#x017F;ie &#x017F;ich in den &#x017F;ogenannten Dörfern des <hi rendition="#g">Prairienhundes.</hi> Es<lb/>
i&#x017F;t oft und unter Andern auch von <hi rendition="#g">Darwin</hi> behauptet worden, daß un&#x017F;ere Eule &#x017F;ich unter<lb/>
Um&#x017F;tänden &#x017F;elb&#x017F;t Höhlen grabe; die Angabe &#x017F;cheint mir aber der Be&#x017F;tätigung noch zu bedürfen.<lb/>
Soviel i&#x017F;t gewiß, daß die von grabenden Säugethieren noch bewohnten Baue &#x017F;ich vor denen, in welchen<lb/>
die Eule hau&#x017F;t, durch Sauberkeit und Ordnung auszeichnen, während die Eule oft, ja fa&#x017F;t regelmäßig<lb/>
in den verfallenen Gebäuden die&#x017F;er Art gefunden wird. Aber es kommt auch vor, daß man Prairie-<lb/>
hunde und Eulen und Klapper&#x017F;chlangen durch ein und die&#x017F;elbe Oeffnung aus- und eingehen &#x017F;ieht, und<lb/>
&#x017F;oviel &#x017F;teht fe&#x017F;t, daß das Verhältniß zwi&#x017F;chen Säugethieren und Eulen ein durchaus friedliches i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Aus den Schilderungen der Rei&#x017F;enden geht hervor, daß das Betragen der Höhleneulen mit dem<lb/>
Gebahren un&#x017F;eres Steinkauzes &#x017F;ehr überein&#x017F;timmt; nur &#x017F;ind die Höhleneulen wirklich Tagvögel, welche<lb/>
auch im voll&#x017F;ten Glanze der Mittags&#x017F;onne &#x017F;ich munter umhertreiben. &#x201E;Wunderlich&#x201F;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Pöppig,</hi><lb/>
&#x201E;i&#x017F;t ihr Anblick im Glanze der Mittags&#x017F;onne; denn kaum &#x017F;cheint es, daß die großen, halbkugeligen<lb/>
Augen für die Ertragung &#x017F;o &#x017F;tarken Licht&#x017F;trahls er&#x017F;chaffen wären. Unverwandt &#x017F;ieht &#x017F;ie den herbei-<lb/>
&#x017F;chleichenden Jäger an und bleibt ruhig am Boden &#x017F;itzen; denn nie erblickt man &#x017F;ie auf einem Baume,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[601/0635] Steinkauz. Kaninchen- und Prairieeule. Alle baumloſen Ebenen und Steppen Süd- und Nordamerikas werden von kleinen Eulen bewohnt, welche durch ihre ſonderbare Lebensweiſe jedem Reiſenden auffallen und deshalb auch uns wohlbekannt geworden ſind. Die Höhleneulen (Pholeoptynx) ſind nahe Verwandte der Steinkäuze. Sie ſind kaum größer als dieſe und beſonders durch ihre ſehr hohen, kurzzehigen Beine von ihnen unterſchieden. Der Kopf iſt mäßig groß und rund, das Auge groß; der Schnabel etwas geſtreckt, auf der Firſte ſanft gewölbt, mit mittelgroßem Haken und ſtumpfſpitzigem Unterkiefer, welcher jederſeits vor der Spitze ſeicht ausgeſchnitten iſt; der Flügel iſt ſtark und lang, aber rundlich; die vierte Schwungfeder ver- längert ſich über die übrigen; der Schwanz iſt kurz, gerade abgeſtutzt, der Lauf hoch und ſchlank, nur ſehr ſparſam und blos vorn befiedert, während die Seite und die Sohle glatthäutig erſcheinen; die Zehen ſind rauh beſchuppt und mit einzelnen Federborſten beſetzt; die Klauen ſind wenig gekrümmt. Das Gefieder liegt ziemlich dicht an; es iſt kleinfederig, aber weich und ſeidig. Der Schleier iſt klein und ſchwach; die Zügelfedern ſind ſteif und borſtig, der Augenkranz iſt nur nach hinten und unten entwickelt. Jn Südamerika lebt der Curuje der Braſilianer oder die Kanincheneule (Pholeoptynx cunicularia), im Norden Amerikas die Prairieeule (Pholeoptynx hypogaea). Erſtere iſt auf der Oberſeite röthlich graubraun, mit runden und länglichrunden weißen Tüpfeln gefleckt; das Kinn und die Augenbrauen ſind weiß; der Unterhals iſt röthlichgelb, graubraun gefleckt, die Bruſt graubraun, gelblich gefleckt, der Unterbauch gelblichweiß, ungefleckt. Das Auge iſt gelb, der Schnabel blaßgrün- lichgrau, die Beine ſind ebenfalls blaßgrünlichgrau, an der Sohle der Zehen aber gelblich. Nach den Meſſungen des Prinzen von Wied beträgt die Länge 8 Zoll 8 Linien, die Breite 22 Zoll 4 Linien, die Fittiglänge 6 Zoll, die Schwanzlänge faſt 3 Zoll. Die nordamerikaniſche Vertreterin zeigt ſo große Uebereinſtimmung mit der eben beſchriebenen Art, daß nur eine ſehr ausführliche Beſchreibung Beider die geringen Unterſchiede deutlich machen kann. Hinſichtlich der Lebensweiſe und des Betragens ähneln ſich beide Arten ſo, daß man die Angaben der verſchiedenen Schriftſteller ebenſo gut auf die eine, wie auf die andere beziehen darf. Die Höhleneulen ſind Charaktervögel Amerikas. Sie bewohnen die Pampas und Llanos im Süden und die Prairien im Norden, alſo die Steppen. Wo ſie vorkommen, ſind ſie häufig. Der Reiſende, welcher die baumloſen Ebenen betritt, ſieht die merkwürdigen Vögel paarweiſe auf dem Boden ſitzen, gewöhnlich auf den Hügeln, welche von der ausgegrabenen Erde der Säugethierbaue gebildet werden. Dieſe Baue ſind das eigentliche Haus der Eule, und häufig genug bewohnen ſie es mit dem rechtmäßigen Jnhaber oder auch wohl mit ſeinen furchtbarſten Feinden, den Giftſchlangen. Jn der Nähe von Buenos-Ayres hauſt die Höhleneule nach Darwin ausſchließlich in den Bauen der Viscacha, in Braſilien niſtet ſie ſich in den Bauen der Ameiſenfreſſer und Gürtelthiere ein, in Nordamerika findet ſie ſich in den ſogenannten Dörfern des Prairienhundes. Es iſt oft und unter Andern auch von Darwin behauptet worden, daß unſere Eule ſich unter Umſtänden ſelbſt Höhlen grabe; die Angabe ſcheint mir aber der Beſtätigung noch zu bedürfen. Soviel iſt gewiß, daß die von grabenden Säugethieren noch bewohnten Baue ſich vor denen, in welchen die Eule hauſt, durch Sauberkeit und Ordnung auszeichnen, während die Eule oft, ja faſt regelmäßig in den verfallenen Gebäuden dieſer Art gefunden wird. Aber es kommt auch vor, daß man Prairie- hunde und Eulen und Klapperſchlangen durch ein und dieſelbe Oeffnung aus- und eingehen ſieht, und ſoviel ſteht feſt, daß das Verhältniß zwiſchen Säugethieren und Eulen ein durchaus friedliches iſt. Aus den Schilderungen der Reiſenden geht hervor, daß das Betragen der Höhleneulen mit dem Gebahren unſeres Steinkauzes ſehr übereinſtimmt; nur ſind die Höhleneulen wirklich Tagvögel, welche auch im vollſten Glanze der Mittagsſonne ſich munter umhertreiben. „Wunderlich‟, ſagt Pöppig, „iſt ihr Anblick im Glanze der Mittagsſonne; denn kaum ſcheint es, daß die großen, halbkugeligen Augen für die Ertragung ſo ſtarken Lichtſtrahls erſchaffen wären. Unverwandt ſieht ſie den herbei- ſchleichenden Jäger an und bleibt ruhig am Boden ſitzen; denn nie erblickt man ſie auf einem Baume,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/635
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/635>, abgerufen am 22.11.2024.