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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.
ist luftführend, kein Theil des Knochengerüstes weiter. Ein Kropf fehlt; die Magenwände sind
schwachmuskelig. Die hornige, breite, flache Zunge ist scharfrandig, vorn gespalten, am hinteren
Rande fein gezähnelt.

Die Schwalben verbreiten sich über alle Erdtheile und über alle Höhen- und Breitengürtel,
obschon sie jenseits des Polarkreises nur vereinzelt und kaum als Brutvögel leben. Viele von
ihnen nehmen im Hause des Menschen Herberge, andere siedeln sich an Felsen- oder in steilen Erd-
wänden an, einige erwählen sich Bäume zur Anlage ihres Nestes. Sämmtliche Arten, welche in
Ländern brüten, wo ein wirklicher Winter auftritt, sind Zugvögel, diejenigen aber, welche in wärmeren
Gegenden hausen, streichen höchstens innerhalb gewisser Grenzen hin und her. Wiederholt ist
behauptet und selbst von tüchtigen Naturforschern für möglich erachtet worden, daß einzelne
Schwalben den Winter in kalten Gegenden, und zwar, im Schlamm eingebettet als Winterschläfer
verbringen: solchen Angaben fehlt jedoch jede Glaubwürdigkeit; sie können höchstens auf Täuschung
beruhen. Unsere deutschen Schwalben ziehen in zur Zeit noch undurchforschte Länder Mittelafrikas:
ich habe sie während meines fünfjährigen Aufenthaltes in diesem Erdtheile mit größter Regelmäßigkeit
nach Süden und wieder nach Norden zurück wandern sehen. Daß bei plötzlich eintretender Kälte im
Frühjahre oder im Herbst einzelne Schwalben in Löchern Zuflucht suchen, hier in gewissem Grade
erstarren und, Dank ihrer Lebenszähigkeit, wieder aufleben mögen, wenn sie in die Wärme gebracht
werden, will ich nicht gänzlich in Abrede stellen; von einem Winterschlafe aber ist bestimmt nicht zu
reden, aller "glaubwürdigen Zeugen" von Aristoteles her bis auf gewisse Beobachter unserer Tage
ungeachtet.

Man nennt mit Recht die Schwalben edle Thiere. Sie sind leiblich und geistig wohl befähigt.
Hinsichtlich ihrer Bewegungen gilt das eben Gesagte im vollen Umfange. Der Flug ist die eigentliche
Bewegung der Schwalbe; ihr Gang auf dem Boden ist höchst ungeschickt, jedoch immerhin weit besser noch
als das unbeschreiblich täppische Kriechen anderer Mitglieder der Ordnung. Um auszuruhen, bäumen
die Schwalben gern; sie wählen sich dazu schwache, wenig belaubte Aeste und Zweige, welche ihnen
ein unbehindertes Zu- und Abfliegen gestatten. Die Stimme darf, in Betracht der Ausbildung,
welche innerhalb der Ordnung überhaupt möglich ist, vorzüglich genannt werden. Alle eigentlichen
Schwalben zählen zu den Singvögeln; sie besitzen Singmuskeln und wissen sie wohl zu gebrauchen.
Der Gesang ist ein liebenswürdiges Geschwätz, welches Jedermann erfreut und zumal den Land-
bewohner so anmuthet, daß er sich das Lied der in seinem Hause nistenden Art in seine Sprache über-
setzt hat. Und nicht blos der Bauer, sondern auch der Dichter hat sich vom Schwalbenliede begeistern
lassen; wir danken diesem eines der lieblichsten Gedichte, welches unser Schriftthum aufzuweisen hat.
Wie Landmann und Dichter fühlen, so denken und empfinden alle übrigen Menschen, welche das Lied
der Schwalbe und sie selbst kennen lernten. Denn nicht der Klang aus dem Schwalbenmunde allein,
auch das Wesen und Betragen des Vogels hat ihm die Zuneigung des Menschen erworben. Die
Schwalben sind nicht blos heiter, gesellig, verträglich, sondern auch klug und verständig, nicht blos
dreist, sondern auch muthig. Sie beobachten ihre Umgebung genau, lernen ihre Freunde und ihre
Feinde kennen und vertrauen nur Dem, welcher Vertrauen verdient. Schlechte Eigenschaften nach
menschlichen Begriffen bekunden sie nie; ihr Treiben und Beginnen gefällt uns vielmehr: es heimelt
uns an.

Alle Schwalben sind Kerbthierjäger. Sie verfolgen und fangen hauptsächlich Zwei-, Ader- und
Netzflügler, also vorzugsweise Fliegen und Schnaken, aber auch kleine Käfer und dergleichen. Jhre
Jagd geschieht nur im Fluge; sitzende Thiere abzulesen, sind sie nicht im Stande. Die gefangene
Beute verschlingen sie, ohne sie zu zerkleinern. Fliegend trinken sie, fliegend baden sie sich auch, indem
sie, hart über der Oberfläche des Wassers dahinschwebend, plötzlich sich herabsenken und entweder ihren
Schnabel oder einen Theil des Leibes einsenken und dann die eingenetzten Federn durch zuckende
Bewegungen wieder trocken schütteln.

Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.
iſt luftführend, kein Theil des Knochengerüſtes weiter. Ein Kropf fehlt; die Magenwände ſind
ſchwachmuskelig. Die hornige, breite, flache Zunge iſt ſcharfrandig, vorn geſpalten, am hinteren
Rande fein gezähnelt.

Die Schwalben verbreiten ſich über alle Erdtheile und über alle Höhen- und Breitengürtel,
obſchon ſie jenſeits des Polarkreiſes nur vereinzelt und kaum als Brutvögel leben. Viele von
ihnen nehmen im Hauſe des Menſchen Herberge, andere ſiedeln ſich an Felſen- oder in ſteilen Erd-
wänden an, einige erwählen ſich Bäume zur Anlage ihres Neſtes. Sämmtliche Arten, welche in
Ländern brüten, wo ein wirklicher Winter auftritt, ſind Zugvögel, diejenigen aber, welche in wärmeren
Gegenden hauſen, ſtreichen höchſtens innerhalb gewiſſer Grenzen hin und her. Wiederholt iſt
behauptet und ſelbſt von tüchtigen Naturforſchern für möglich erachtet worden, daß einzelne
Schwalben den Winter in kalten Gegenden, und zwar, im Schlamm eingebettet als Winterſchläfer
verbringen: ſolchen Angaben fehlt jedoch jede Glaubwürdigkeit; ſie können höchſtens auf Täuſchung
beruhen. Unſere deutſchen Schwalben ziehen in zur Zeit noch undurchforſchte Länder Mittelafrikas:
ich habe ſie während meines fünfjährigen Aufenthaltes in dieſem Erdtheile mit größter Regelmäßigkeit
nach Süden und wieder nach Norden zurück wandern ſehen. Daß bei plötzlich eintretender Kälte im
Frühjahre oder im Herbſt einzelne Schwalben in Löchern Zuflucht ſuchen, hier in gewiſſem Grade
erſtarren und, Dank ihrer Lebenszähigkeit, wieder aufleben mögen, wenn ſie in die Wärme gebracht
werden, will ich nicht gänzlich in Abrede ſtellen; von einem Winterſchlafe aber iſt beſtimmt nicht zu
reden, aller „glaubwürdigen Zeugen‟ von Ariſtoteles her bis auf gewiſſe Beobachter unſerer Tage
ungeachtet.

Man nennt mit Recht die Schwalben edle Thiere. Sie ſind leiblich und geiſtig wohl befähigt.
Hinſichtlich ihrer Bewegungen gilt das eben Geſagte im vollen Umfange. Der Flug iſt die eigentliche
Bewegung der Schwalbe; ihr Gang auf dem Boden iſt höchſt ungeſchickt, jedoch immerhin weit beſſer noch
als das unbeſchreiblich täppiſche Kriechen anderer Mitglieder der Ordnung. Um auszuruhen, bäumen
die Schwalben gern; ſie wählen ſich dazu ſchwache, wenig belaubte Aeſte und Zweige, welche ihnen
ein unbehindertes Zu- und Abfliegen geſtatten. Die Stimme darf, in Betracht der Ausbildung,
welche innerhalb der Ordnung überhaupt möglich iſt, vorzüglich genannt werden. Alle eigentlichen
Schwalben zählen zu den Singvögeln; ſie beſitzen Singmuskeln und wiſſen ſie wohl zu gebrauchen.
Der Geſang iſt ein liebenswürdiges Geſchwätz, welches Jedermann erfreut und zumal den Land-
bewohner ſo anmuthet, daß er ſich das Lied der in ſeinem Hauſe niſtenden Art in ſeine Sprache über-
ſetzt hat. Und nicht blos der Bauer, ſondern auch der Dichter hat ſich vom Schwalbenliede begeiſtern
laſſen; wir danken dieſem eines der lieblichſten Gedichte, welches unſer Schriftthum aufzuweiſen hat.
Wie Landmann und Dichter fühlen, ſo denken und empfinden alle übrigen Menſchen, welche das Lied
der Schwalbe und ſie ſelbſt kennen lernten. Denn nicht der Klang aus dem Schwalbenmunde allein,
auch das Weſen und Betragen des Vogels hat ihm die Zuneigung des Menſchen erworben. Die
Schwalben ſind nicht blos heiter, geſellig, verträglich, ſondern auch klug und verſtändig, nicht blos
dreiſt, ſondern auch muthig. Sie beobachten ihre Umgebung genau, lernen ihre Freunde und ihre
Feinde kennen und vertrauen nur Dem, welcher Vertrauen verdient. Schlechte Eigenſchaften nach
menſchlichen Begriffen bekunden ſie nie; ihr Treiben und Beginnen gefällt uns vielmehr: es heimelt
uns an.

Alle Schwalben ſind Kerbthierjäger. Sie verfolgen und fangen hauptſächlich Zwei-, Ader- und
Netzflügler, alſo vorzugsweiſe Fliegen und Schnaken, aber auch kleine Käfer und dergleichen. Jhre
Jagd geſchieht nur im Fluge; ſitzende Thiere abzuleſen, ſind ſie nicht im Stande. Die gefangene
Beute verſchlingen ſie, ohne ſie zu zerkleinern. Fliegend trinken ſie, fliegend baden ſie ſich auch, indem
ſie, hart über der Oberfläche des Waſſers dahinſchwebend, plötzlich ſich herabſenken und entweder ihren
Schnabel oder einen Theil des Leibes einſenken und dann die eingenetzten Federn durch zuckende
Bewegungen wieder trocken ſchütteln.

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[628/0664] Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben. iſt luftführend, kein Theil des Knochengerüſtes weiter. Ein Kropf fehlt; die Magenwände ſind ſchwachmuskelig. Die hornige, breite, flache Zunge iſt ſcharfrandig, vorn geſpalten, am hinteren Rande fein gezähnelt. Die Schwalben verbreiten ſich über alle Erdtheile und über alle Höhen- und Breitengürtel, obſchon ſie jenſeits des Polarkreiſes nur vereinzelt und kaum als Brutvögel leben. Viele von ihnen nehmen im Hauſe des Menſchen Herberge, andere ſiedeln ſich an Felſen- oder in ſteilen Erd- wänden an, einige erwählen ſich Bäume zur Anlage ihres Neſtes. Sämmtliche Arten, welche in Ländern brüten, wo ein wirklicher Winter auftritt, ſind Zugvögel, diejenigen aber, welche in wärmeren Gegenden hauſen, ſtreichen höchſtens innerhalb gewiſſer Grenzen hin und her. Wiederholt iſt behauptet und ſelbſt von tüchtigen Naturforſchern für möglich erachtet worden, daß einzelne Schwalben den Winter in kalten Gegenden, und zwar, im Schlamm eingebettet als Winterſchläfer verbringen: ſolchen Angaben fehlt jedoch jede Glaubwürdigkeit; ſie können höchſtens auf Täuſchung beruhen. Unſere deutſchen Schwalben ziehen in zur Zeit noch undurchforſchte Länder Mittelafrikas: ich habe ſie während meines fünfjährigen Aufenthaltes in dieſem Erdtheile mit größter Regelmäßigkeit nach Süden und wieder nach Norden zurück wandern ſehen. Daß bei plötzlich eintretender Kälte im Frühjahre oder im Herbſt einzelne Schwalben in Löchern Zuflucht ſuchen, hier in gewiſſem Grade erſtarren und, Dank ihrer Lebenszähigkeit, wieder aufleben mögen, wenn ſie in die Wärme gebracht werden, will ich nicht gänzlich in Abrede ſtellen; von einem Winterſchlafe aber iſt beſtimmt nicht zu reden, aller „glaubwürdigen Zeugen‟ von Ariſtoteles her bis auf gewiſſe Beobachter unſerer Tage ungeachtet. Man nennt mit Recht die Schwalben edle Thiere. Sie ſind leiblich und geiſtig wohl befähigt. Hinſichtlich ihrer Bewegungen gilt das eben Geſagte im vollen Umfange. Der Flug iſt die eigentliche Bewegung der Schwalbe; ihr Gang auf dem Boden iſt höchſt ungeſchickt, jedoch immerhin weit beſſer noch als das unbeſchreiblich täppiſche Kriechen anderer Mitglieder der Ordnung. Um auszuruhen, bäumen die Schwalben gern; ſie wählen ſich dazu ſchwache, wenig belaubte Aeſte und Zweige, welche ihnen ein unbehindertes Zu- und Abfliegen geſtatten. Die Stimme darf, in Betracht der Ausbildung, welche innerhalb der Ordnung überhaupt möglich iſt, vorzüglich genannt werden. Alle eigentlichen Schwalben zählen zu den Singvögeln; ſie beſitzen Singmuskeln und wiſſen ſie wohl zu gebrauchen. Der Geſang iſt ein liebenswürdiges Geſchwätz, welches Jedermann erfreut und zumal den Land- bewohner ſo anmuthet, daß er ſich das Lied der in ſeinem Hauſe niſtenden Art in ſeine Sprache über- ſetzt hat. Und nicht blos der Bauer, ſondern auch der Dichter hat ſich vom Schwalbenliede begeiſtern laſſen; wir danken dieſem eines der lieblichſten Gedichte, welches unſer Schriftthum aufzuweiſen hat. Wie Landmann und Dichter fühlen, ſo denken und empfinden alle übrigen Menſchen, welche das Lied der Schwalbe und ſie ſelbſt kennen lernten. Denn nicht der Klang aus dem Schwalbenmunde allein, auch das Weſen und Betragen des Vogels hat ihm die Zuneigung des Menſchen erworben. Die Schwalben ſind nicht blos heiter, geſellig, verträglich, ſondern auch klug und verſtändig, nicht blos dreiſt, ſondern auch muthig. Sie beobachten ihre Umgebung genau, lernen ihre Freunde und ihre Feinde kennen und vertrauen nur Dem, welcher Vertrauen verdient. Schlechte Eigenſchaften nach menſchlichen Begriffen bekunden ſie nie; ihr Treiben und Beginnen gefällt uns vielmehr: es heimelt uns an. Alle Schwalben ſind Kerbthierjäger. Sie verfolgen und fangen hauptſächlich Zwei-, Ader- und Netzflügler, alſo vorzugsweiſe Fliegen und Schnaken, aber auch kleine Käfer und dergleichen. Jhre Jagd geſchieht nur im Fluge; ſitzende Thiere abzuleſen, ſind ſie nicht im Stande. Die gefangene Beute verſchlingen ſie, ohne ſie zu zerkleinern. Fliegend trinken ſie, fliegend baden ſie ſich auch, indem ſie, hart über der Oberfläche des Waſſers dahinſchwebend, plötzlich ſich herabſenken und entweder ihren Schnabel oder einen Theil des Leibes einſenken und dann die eingenetzten Federn durch zuckende Bewegungen wieder trocken ſchütteln.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/664>, abgerufen am 22.11.2024.