Speichel überzogen und vorsichtig angeklebt wird. Feine Halme und Haare, welche zwischen die Nestwände eingelegt werden, dienen ihnen zu anderweitigem Verbande, das eigentliche Bindemittel aber ist der Speichel. Bei schöner Witterung vollendet ein Schwalbenpaar das Aufmauern der Nest- wandungen innerhalb acht Tagen. Hierauf wird der innere Raum mit zarten Hälmchen, Haaren, Federn und ähnlichen weichen Stoffen ausgekleidet, und die Kinderwiege ist vollendet.
Ein an geschützten Orten stehendes Schwalbennest dient lange, lange Jahre, vielleicht nicht seinen Erbauern allein, sondern auch nachfolgenden Geschlechtern. Etwaige Schäden werden vor Beginn der Brut geschickt ausgebessert; die innere Ausfüllung wird regelmäßig erneuert, im Uebrigen jedoch Nichts an dem Baue verändert, so lange er besteht.
Jm Mai legt das Weibchen die vier bis sechs zartschaligen, auf reinweißem Grunde mit asch- grauen und rothbraunen Punkten gezeichneten Eier ins Nest, bebrütet sie, ohne, Hilfe seines Männ- chens, und hat die Freude, nach zwölf Tagen Junge zu erzielen. Nicht so ist es, wenn das Wetter während der Brutzeit ungünstig ist. Bei gutem Wetter bringt das Männchen der brütenden Gattin oft Futter zu; bei schlechter, zumal naßkalter Witterung muß diese die Eier stundenlang verlassen, um sich die ihr nöthige Nahrung zu erbeuten. Dann kann es geschehen, daß die Eilein erst nach siebenzehn Tagen gezeitigt sind. Die anfangs sehr häßlichen, breitmäuligen Jungen werden von beiden Eltern fleißig geäzt, wachsen unter günstigen Umständen rasch heran, schauen bald über den Rand des Nestes heraus und können, wenn Alles gut geht, bereits in der dritten Woche ihres Lebens außerhalb des Eies den Eltern ins Freie folgen. Sie werden nun noch einige Zeit lang draußen gefüttert, anfangs allabendlich ins Nest zurückgeführt, später im Freien hübsch zur Ruhe gebracht und endlich selbständig gemacht, d. h. ihrem Schicksale überlassen. Sodann schreiten die Alten zur zweiten Brut, meist in den ersten Tagen des August. Die Eierzahl des zweiten Geleges ist stets geringer als die der ersten Brut.
Jn manchen Jahren verspätet sich diese zweite Brut so sehr, daß Alte und Junge gefährdet sind; in nördlichen Ländern müssen die letzteren zuweilen wirklich verlassen werden. Unter günstigeren Umständen sind auch die letzten Jungen längst flügg geworden, wenn der eintretende Herbst zur Winterreise mahnt. Dann sammeln sie sich im Geleit ihrer Eltern mit andern Familien derselben Art, mit Bachstelzen und Staaren im Röhricht der Teiche und Seen, hier Ruhe haltend, bis die eine Nacht herankommt, welche die lieben Gäste uns entführt. Eines Abends, bald nach Sonnen- untergang, erhebt sich das zahllose Schwalbenheer, welches man in den Nachmittagsstunden vorher vielleicht auf dem hohen Kirchendache versammelt sah, auf ein von mehreren Alten gegebenes Zeichen, verschwindet wenig Minuten später dem Auge und zieht nun rastlos dahin, den heißen Gleicher- ländern zu.
Ungeachtet ihrer Gewandtheit und trotz ihrer Anhänglichkeit an den Menschen droht der Schwalbe mancherlei Gefahr. Bei uns zu Lande ist der Baumfalk der gefährlichste von allen natürlichen Feinden, denn er jagt mit Erfolg nach Edelschwalben, und nicht blos nach täppischen Jungen, sondern auch nach den fluggewandten Alten; in Südasien und Mittelafrika übernehmen andere seines Geschlechts seine Rolle. Die jungen Schwalben sind durch alle Raubthiere, welche im Junern des Hauses ihr Wesen treiben, und mehr noch durch Ratten und Mäuse gefährdet. Zu diesen Feinden gesellt sich hier und da der Mensch. So allgemein geachtet die Schwalbe auch ist, die rohe Mordlust gewisser Vegelfänger setzt sich über Alles hinweg. Jn der Umgegend von Halle, und in der Nähe Wiens werden alljährlich Hunderttausende von Schwalben durch Bubenjäger vertilgt, ganz so, wie in Jtalien oder Spanien, obgleich ein Sprichwort der Spanier sagt, daß Derjenige, welcher eine Schwalbe umbringe, seine Mutter tödte.
Jm Käfig sieht man die Edelschwalbe selten. Es ist nicht unmöglich, sie Jahre lang als Gefangene zu halten; sie verlangt aber die größte Sorgfall hinsichtlich ihrer Pflege und belohnt diese eigentlich doch nur in geringem Maße. Jch erinnere mich, zwei Weißlinge unserer Rauchschwalbe im Zimmer eines Arztes gesehen zu haben und weiß von anderen Vögeln dieser Art, welche bei Nachtigall-
Rauchſchwalbe.
Speichel überzogen und vorſichtig angeklebt wird. Feine Halme und Haare, welche zwiſchen die Neſtwände eingelegt werden, dienen ihnen zu anderweitigem Verbande, das eigentliche Bindemittel aber iſt der Speichel. Bei ſchöner Witterung vollendet ein Schwalbenpaar das Aufmauern der Neſt- wandungen innerhalb acht Tagen. Hierauf wird der innere Raum mit zarten Hälmchen, Haaren, Federn und ähnlichen weichen Stoffen ausgekleidet, und die Kinderwiege iſt vollendet.
Ein an geſchützten Orten ſtehendes Schwalbenneſt dient lange, lange Jahre, vielleicht nicht ſeinen Erbauern allein, ſondern auch nachfolgenden Geſchlechtern. Etwaige Schäden werden vor Beginn der Brut geſchickt ausgebeſſert; die innere Ausfüllung wird regelmäßig erneuert, im Uebrigen jedoch Nichts an dem Baue verändert, ſo lange er beſteht.
Jm Mai legt das Weibchen die vier bis ſechs zartſchaligen, auf reinweißem Grunde mit aſch- grauen und rothbraunen Punkten gezeichneten Eier ins Neſt, bebrütet ſie, ohne, Hilfe ſeines Männ- chens, und hat die Freude, nach zwölf Tagen Junge zu erzielen. Nicht ſo iſt es, wenn das Wetter während der Brutzeit ungünſtig iſt. Bei gutem Wetter bringt das Männchen der brütenden Gattin oft Futter zu; bei ſchlechter, zumal naßkalter Witterung muß dieſe die Eier ſtundenlang verlaſſen, um ſich die ihr nöthige Nahrung zu erbeuten. Dann kann es geſchehen, daß die Eilein erſt nach ſiebenzehn Tagen gezeitigt ſind. Die anfangs ſehr häßlichen, breitmäuligen Jungen werden von beiden Eltern fleißig geäzt, wachſen unter günſtigen Umſtänden raſch heran, ſchauen bald über den Rand des Neſtes heraus und können, wenn Alles gut geht, bereits in der dritten Woche ihres Lebens außerhalb des Eies den Eltern ins Freie folgen. Sie werden nun noch einige Zeit lang draußen gefüttert, anfangs allabendlich ins Neſt zurückgeführt, ſpäter im Freien hübſch zur Ruhe gebracht und endlich ſelbſtändig gemacht, d. h. ihrem Schickſale überlaſſen. Sodann ſchreiten die Alten zur zweiten Brut, meiſt in den erſten Tagen des Auguſt. Die Eierzahl des zweiten Geleges iſt ſtets geringer als die der erſten Brut.
Jn manchen Jahren verſpätet ſich dieſe zweite Brut ſo ſehr, daß Alte und Junge gefährdet ſind; in nördlichen Ländern müſſen die letzteren zuweilen wirklich verlaſſen werden. Unter günſtigeren Umſtänden ſind auch die letzten Jungen längſt flügg geworden, wenn der eintretende Herbſt zur Winterreiſe mahnt. Dann ſammeln ſie ſich im Geleit ihrer Eltern mit andern Familien derſelben Art, mit Bachſtelzen und Staaren im Röhricht der Teiche und Seen, hier Ruhe haltend, bis die eine Nacht herankommt, welche die lieben Gäſte uns entführt. Eines Abends, bald nach Sonnen- untergang, erhebt ſich das zahlloſe Schwalbenheer, welches man in den Nachmittagsſtunden vorher vielleicht auf dem hohen Kirchendache verſammelt ſah, auf ein von mehreren Alten gegebenes Zeichen, verſchwindet wenig Minuten ſpäter dem Auge und zieht nun raſtlos dahin, den heißen Gleicher- ländern zu.
Ungeachtet ihrer Gewandtheit und trotz ihrer Anhänglichkeit an den Menſchen droht der Schwalbe mancherlei Gefahr. Bei uns zu Lande iſt der Baumfalk der gefährlichſte von allen natürlichen Feinden, denn er jagt mit Erfolg nach Edelſchwalben, und nicht blos nach täppiſchen Jungen, ſondern auch nach den fluggewandten Alten; in Südaſien und Mittelafrika übernehmen andere ſeines Geſchlechts ſeine Rolle. Die jungen Schwalben ſind durch alle Raubthiere, welche im Junern des Hauſes ihr Weſen treiben, und mehr noch durch Ratten und Mäuſe gefährdet. Zu dieſen Feinden geſellt ſich hier und da der Menſch. So allgemein geachtet die Schwalbe auch iſt, die rohe Mordluſt gewiſſer Vegelfänger ſetzt ſich über Alles hinweg. Jn der Umgegend von Halle, und in der Nähe Wiens werden alljährlich Hunderttauſende von Schwalben durch Bubenjäger vertilgt, ganz ſo, wie in Jtalien oder Spanien, obgleich ein Sprichwort der Spanier ſagt, daß Derjenige, welcher eine Schwalbe umbringe, ſeine Mutter tödte.
Jm Käfig ſieht man die Edelſchwalbe ſelten. Es iſt nicht unmöglich, ſie Jahre lang als Gefangene zu halten; ſie verlangt aber die größte Sorgfall hinſichtlich ihrer Pflege und belohnt dieſe eigentlich doch nur in geringem Maße. Jch erinnere mich, zwei Weißlinge unſerer Rauchſchwalbe im Zimmer eines Arztes geſehen zu haben und weiß von anderen Vögeln dieſer Art, welche bei Nachtigall-
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[633/0669]
Rauchſchwalbe.
Speichel überzogen und vorſichtig angeklebt wird. Feine Halme und Haare, welche zwiſchen die
Neſtwände eingelegt werden, dienen ihnen zu anderweitigem Verbande, das eigentliche Bindemittel
aber iſt der Speichel. Bei ſchöner Witterung vollendet ein Schwalbenpaar das Aufmauern der Neſt-
wandungen innerhalb acht Tagen. Hierauf wird der innere Raum mit zarten Hälmchen, Haaren,
Federn und ähnlichen weichen Stoffen ausgekleidet, und die Kinderwiege iſt vollendet.
Ein an geſchützten Orten ſtehendes Schwalbenneſt dient lange, lange Jahre, vielleicht nicht ſeinen
Erbauern allein, ſondern auch nachfolgenden Geſchlechtern. Etwaige Schäden werden vor Beginn der
Brut geſchickt ausgebeſſert; die innere Ausfüllung wird regelmäßig erneuert, im Uebrigen jedoch
Nichts an dem Baue verändert, ſo lange er beſteht.
Jm Mai legt das Weibchen die vier bis ſechs zartſchaligen, auf reinweißem Grunde mit aſch-
grauen und rothbraunen Punkten gezeichneten Eier ins Neſt, bebrütet ſie, ohne, Hilfe ſeines Männ-
chens, und hat die Freude, nach zwölf Tagen Junge zu erzielen. Nicht ſo iſt es, wenn das Wetter
während der Brutzeit ungünſtig iſt. Bei gutem Wetter bringt das Männchen der brütenden Gattin
oft Futter zu; bei ſchlechter, zumal naßkalter Witterung muß dieſe die Eier ſtundenlang verlaſſen, um
ſich die ihr nöthige Nahrung zu erbeuten. Dann kann es geſchehen, daß die Eilein erſt nach ſiebenzehn
Tagen gezeitigt ſind. Die anfangs ſehr häßlichen, breitmäuligen Jungen werden von beiden Eltern
fleißig geäzt, wachſen unter günſtigen Umſtänden raſch heran, ſchauen bald über den Rand des Neſtes
heraus und können, wenn Alles gut geht, bereits in der dritten Woche ihres Lebens außerhalb des
Eies den Eltern ins Freie folgen. Sie werden nun noch einige Zeit lang draußen gefüttert, anfangs
allabendlich ins Neſt zurückgeführt, ſpäter im Freien hübſch zur Ruhe gebracht und endlich ſelbſtändig
gemacht, d. h. ihrem Schickſale überlaſſen. Sodann ſchreiten die Alten zur zweiten Brut, meiſt in
den erſten Tagen des Auguſt. Die Eierzahl des zweiten Geleges iſt ſtets geringer als die der
erſten Brut.
Jn manchen Jahren verſpätet ſich dieſe zweite Brut ſo ſehr, daß Alte und Junge gefährdet ſind;
in nördlichen Ländern müſſen die letzteren zuweilen wirklich verlaſſen werden. Unter günſtigeren
Umſtänden ſind auch die letzten Jungen längſt flügg geworden, wenn der eintretende Herbſt zur
Winterreiſe mahnt. Dann ſammeln ſie ſich im Geleit ihrer Eltern mit andern Familien derſelben
Art, mit Bachſtelzen und Staaren im Röhricht der Teiche und Seen, hier Ruhe haltend, bis die
eine Nacht herankommt, welche die lieben Gäſte uns entführt. Eines Abends, bald nach Sonnen-
untergang, erhebt ſich das zahlloſe Schwalbenheer, welches man in den Nachmittagsſtunden vorher
vielleicht auf dem hohen Kirchendache verſammelt ſah, auf ein von mehreren Alten gegebenes Zeichen,
verſchwindet wenig Minuten ſpäter dem Auge und zieht nun raſtlos dahin, den heißen Gleicher-
ländern zu.
Ungeachtet ihrer Gewandtheit und trotz ihrer Anhänglichkeit an den Menſchen droht der Schwalbe
mancherlei Gefahr. Bei uns zu Lande iſt der Baumfalk der gefährlichſte von allen natürlichen
Feinden, denn er jagt mit Erfolg nach Edelſchwalben, und nicht blos nach täppiſchen Jungen, ſondern
auch nach den fluggewandten Alten; in Südaſien und Mittelafrika übernehmen andere ſeines Geſchlechts
ſeine Rolle. Die jungen Schwalben ſind durch alle Raubthiere, welche im Junern des Hauſes ihr
Weſen treiben, und mehr noch durch Ratten und Mäuſe gefährdet. Zu dieſen Feinden geſellt ſich
hier und da der Menſch. So allgemein geachtet die Schwalbe auch iſt, die rohe Mordluſt gewiſſer
Vegelfänger ſetzt ſich über Alles hinweg. Jn der Umgegend von Halle, und in der Nähe Wiens
werden alljährlich Hunderttauſende von Schwalben durch Bubenjäger vertilgt, ganz ſo, wie in Jtalien
oder Spanien, obgleich ein Sprichwort der Spanier ſagt, daß Derjenige, welcher eine Schwalbe
umbringe, ſeine Mutter tödte.
Jm Käfig ſieht man die Edelſchwalbe ſelten. Es iſt nicht unmöglich, ſie Jahre lang als
Gefangene zu halten; ſie verlangt aber die größte Sorgfall hinſichtlich ihrer Pflege und belohnt dieſe
eigentlich doch nur in geringem Maße. Jch erinnere mich, zwei Weißlinge unſerer Rauchſchwalbe im
Zimmer eines Arztes geſehen zu haben und weiß von anderen Vögeln dieſer Art, welche bei Nachtigall-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/669>, abgerufen am 22.11.2024.
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