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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Senegal-, Faden- und Mehlschwalbe.
Wesens, der Stimme etc. Jhr Nest habe ich nicht gefunden; nach Jerdon's Angabe steht es in
alten Gebäuden oder in verfallenem Gemäuer, in Felsennischen und an ähnlichen Orten, gewöhnlich
einzeln und ist klein, oben offen. Das Gelege soll aus zwei oder drei Eiern bestehen, welche auf
weißem Grunde spärlich mit rothen Flecken gezeichnet sind.

Jn Nordostafrika schenkt man der Fadenschwalbe keine Beachtung; die Jndier dagegen kennen
sie wohl und haben ihr deshalb auch einen besonderen Namen beigelegt. Sie vergleichen ihre langen
Fadenfedern mit den Reisern oder Halmen, welche man zu Leimruthen benutzt, und nennen sie deshalb
geradezu "Leischra", wie jene Rüthchen selbst.



Ein seicht gegabelter Schwanz und verhältnißmäßig starke Füße, deren äußere und mittlere Zehen
bis zum ersten Gelenke mit einander verbunden und wie die Läufe gefiedert sind, gelten als die wesent-
lichen Kennzeichen einer zweiten Schwalbensippe, welcher die bei uns überall häufig vorkommende Mehl-,
Haus-, Feuster-, Giebel-
oder Dachschwalbe (Chelidon urbica) angehört. Jhre Länge beträgt
51/2 Zoll, ihre Breite 103/4 Zoll; der Fittig mißt 4 Zoll, der Schwanz 21/2 Zoll. Das Gefieder ist
sehr einfarbig, auf der ganzen Oberseite, mit Ausnahme des Bürzels, blauschwarz, auf der Unter-
seite und auf dem Bürzel weiß. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß, soweit er
nicht befiedert ist, fleischfarben. Die Geschlechter unterscheiden sich nicht durch die Färbung; bei den
Jungen ist das Schwarz der Oberseite matter und das Weiß an der Kehle unreiner, als bei den
Alten.

Die Mehlschwalbe theilt mit der Rauchschwalbe so ziemlich dasselbe Vaterland; sie geht aber
weiter nach Norden hinauf, als letztere. Jn Deutschland scheint sie die Städte zu bevorzugen: sie ist
es, deren Nistansiedelungen man hier an großen und alten Gebänden sieht. Außer Europa bewohnt
sie in gleicher Häufigkeit den größten Theil Sibiriens. Von ihrer Heimat aus wandert sie einerseits
bis in das Jnnere Afrikas, andererseits bis nach Südasien, um hier den Winter zu verbringen. Sie
trifft meist einige Tage später ein, als die Rauchschwalbe, verweilt dafür aber länger in Europa und
namentlich in Südeuropa: wir sahen sie noch am 2. November die Alhambra umfliegen. Doch
bemerkt man sie auf ihrer afrikanischen Reise regelmäßig in Gesellschaft ihrer Verwandten. Jm
Frühjahr kommt sie einzeln an; vor dem Herbstzuge versammelt sie sich zu großen Gesellschaften, welche
zuweilen zu unschätzbaren Schwärmen anwachsen, sich auf den Dächern hoher Gebäude versammeln
und dann, gewöhnlich gleich nach Sonnenuntergang, zur Reise aufbrechen. Gelegentlich dieser
Wanderung ruhen sie sich wohl auch im Walde auf Bäumen aus.

Jn ihrem Wesen zeigt die Mehlschwalbe viel Aehnlichkeit mit der Rauchschwalbe; bei genauerer
Beobachtung aber unterscheidet man sie doch sehr leicht von dieser. "Sie scheint", wie Naumann
sagt, "ernster, bedächtiger und einfältiger zu sein als jene, ist weniger zutraulich, doch auch nicht scheu,
fliegt weniger geschwind, jedoch schnell genug, aber mehr und öfter schwebend, meistens höher, als
jene. Jhr Flug ist sanft, nicht so außerordentlich schnell und abwechselnd, doch aber auch mit sehr
verschiedenartigen Wendungen und Schwenkungen, bald hoch, bald tief." Bei Regenwetter schwingt
sich die Mehlschwalbe oft zu außerordentlichen Höhen empor und jagt wie die Seglerarten in jenen
Luftschichten nach Nahrung. Sie ist geselliger als ihre Verwandten, hält sich jedoch nur mit andern
ihrer Art zusammen. Mit der Rauchschwalbe lebt sie in Frieden, und bei allgemeiner Noth oder auf
der Wanderung vereinigt sie sich mit dieser zu einem Fluge. Unter gewöhnlichen Umständen aber lebt
jede Art abgesondert für sich, ohne gegen die andere eine besondere Zuneigung zu zeigen. Jnner-
halb des Verbandes wird der Frieden übrigens oft gestört. Zumal bei den Nestern gibt es viel Zank
und Streit, und nicht blos mit andern nestbedürftigen Mehlschwalben, sondern auch mit dem Sper-
ling, welcher gerade das Nest dieser Schwalbe sehr häufig in Besitz nimmt.

Senegal-, Faden- und Mehlſchwalbe.
Weſens, der Stimme ꝛc. Jhr Neſt habe ich nicht gefunden; nach Jerdon’s Angabe ſteht es in
alten Gebäuden oder in verfallenem Gemäuer, in Felſenniſchen und an ähnlichen Orten, gewöhnlich
einzeln und iſt klein, oben offen. Das Gelege ſoll aus zwei oder drei Eiern beſtehen, welche auf
weißem Grunde ſpärlich mit rothen Flecken gezeichnet ſind.

Jn Nordoſtafrika ſchenkt man der Fadenſchwalbe keine Beachtung; die Jndier dagegen kennen
ſie wohl und haben ihr deshalb auch einen beſonderen Namen beigelegt. Sie vergleichen ihre langen
Fadenfedern mit den Reiſern oder Halmen, welche man zu Leimruthen benutzt, und nennen ſie deshalb
geradezu „Leiſchra‟, wie jene Rüthchen ſelbſt.



Ein ſeicht gegabelter Schwanz und verhältnißmäßig ſtarke Füße, deren äußere und mittlere Zehen
bis zum erſten Gelenke mit einander verbunden und wie die Läufe gefiedert ſind, gelten als die weſent-
lichen Kennzeichen einer zweiten Schwalbenſippe, welcher die bei uns überall häufig vorkommende Mehl-,
Haus-, Feuſter-, Giebel-
oder Dachſchwalbe (Chelidon urbica) angehört. Jhre Länge beträgt
5½ Zoll, ihre Breite 10¾ Zoll; der Fittig mißt 4 Zoll, der Schwanz 2½ Zoll. Das Gefieder iſt
ſehr einfarbig, auf der ganzen Oberſeite, mit Ausnahme des Bürzels, blauſchwarz, auf der Unter-
ſeite und auf dem Bürzel weiß. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß, ſoweit er
nicht befiedert iſt, fleiſchfarben. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich nicht durch die Färbung; bei den
Jungen iſt das Schwarz der Oberſeite matter und das Weiß an der Kehle unreiner, als bei den
Alten.

Die Mehlſchwalbe theilt mit der Rauchſchwalbe ſo ziemlich daſſelbe Vaterland; ſie geht aber
weiter nach Norden hinauf, als letztere. Jn Deutſchland ſcheint ſie die Städte zu bevorzugen: ſie iſt
es, deren Niſtanſiedelungen man hier an großen und alten Gebänden ſieht. Außer Europa bewohnt
ſie in gleicher Häufigkeit den größten Theil Sibiriens. Von ihrer Heimat aus wandert ſie einerſeits
bis in das Jnnere Afrikas, andererſeits bis nach Südaſien, um hier den Winter zu verbringen. Sie
trifft meiſt einige Tage ſpäter ein, als die Rauchſchwalbe, verweilt dafür aber länger in Europa und
namentlich in Südeuropa: wir ſahen ſie noch am 2. November die Alhambra umfliegen. Doch
bemerkt man ſie auf ihrer afrikaniſchen Reiſe regelmäßig in Geſellſchaft ihrer Verwandten. Jm
Frühjahr kommt ſie einzeln an; vor dem Herbſtzuge verſammelt ſie ſich zu großen Geſellſchaften, welche
zuweilen zu unſchätzbaren Schwärmen anwachſen, ſich auf den Dächern hoher Gebäude verſammeln
und dann, gewöhnlich gleich nach Sonnenuntergang, zur Reiſe aufbrechen. Gelegentlich dieſer
Wanderung ruhen ſie ſich wohl auch im Walde auf Bäumen aus.

Jn ihrem Weſen zeigt die Mehlſchwalbe viel Aehnlichkeit mit der Rauchſchwalbe; bei genauerer
Beobachtung aber unterſcheidet man ſie doch ſehr leicht von dieſer. „Sie ſcheint‟, wie Naumann
ſagt, „ernſter, bedächtiger und einfältiger zu ſein als jene, iſt weniger zutraulich, doch auch nicht ſcheu,
fliegt weniger geſchwind, jedoch ſchnell genug, aber mehr und öfter ſchwebend, meiſtens höher, als
jene. Jhr Flug iſt ſanft, nicht ſo außerordentlich ſchnell und abwechſelnd, doch aber auch mit ſehr
verſchiedenartigen Wendungen und Schwenkungen, bald hoch, bald tief.‟ Bei Regenwetter ſchwingt
ſich die Mehlſchwalbe oft zu außerordentlichen Höhen empor und jagt wie die Seglerarten in jenen
Luftſchichten nach Nahrung. Sie iſt geſelliger als ihre Verwandten, hält ſich jedoch nur mit andern
ihrer Art zuſammen. Mit der Rauchſchwalbe lebt ſie in Frieden, und bei allgemeiner Noth oder auf
der Wanderung vereinigt ſie ſich mit dieſer zu einem Fluge. Unter gewöhnlichen Umſtänden aber lebt
jede Art abgeſondert für ſich, ohne gegen die andere eine beſondere Zuneigung zu zeigen. Jnner-
halb des Verbandes wird der Frieden übrigens oft geſtört. Zumal bei den Neſtern gibt es viel Zank
und Streit, und nicht blos mit andern neſtbedürftigen Mehlſchwalben, ſondern auch mit dem Sper-
ling, welcher gerade das Neſt dieſer Schwalbe ſehr häufig in Beſitz nimmt.

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[635/0671] Senegal-, Faden- und Mehlſchwalbe. Weſens, der Stimme ꝛc. Jhr Neſt habe ich nicht gefunden; nach Jerdon’s Angabe ſteht es in alten Gebäuden oder in verfallenem Gemäuer, in Felſenniſchen und an ähnlichen Orten, gewöhnlich einzeln und iſt klein, oben offen. Das Gelege ſoll aus zwei oder drei Eiern beſtehen, welche auf weißem Grunde ſpärlich mit rothen Flecken gezeichnet ſind. Jn Nordoſtafrika ſchenkt man der Fadenſchwalbe keine Beachtung; die Jndier dagegen kennen ſie wohl und haben ihr deshalb auch einen beſonderen Namen beigelegt. Sie vergleichen ihre langen Fadenfedern mit den Reiſern oder Halmen, welche man zu Leimruthen benutzt, und nennen ſie deshalb geradezu „Leiſchra‟, wie jene Rüthchen ſelbſt. Ein ſeicht gegabelter Schwanz und verhältnißmäßig ſtarke Füße, deren äußere und mittlere Zehen bis zum erſten Gelenke mit einander verbunden und wie die Läufe gefiedert ſind, gelten als die weſent- lichen Kennzeichen einer zweiten Schwalbenſippe, welcher die bei uns überall häufig vorkommende Mehl-, Haus-, Feuſter-, Giebel- oder Dachſchwalbe (Chelidon urbica) angehört. Jhre Länge beträgt 5½ Zoll, ihre Breite 10¾ Zoll; der Fittig mißt 4 Zoll, der Schwanz 2½ Zoll. Das Gefieder iſt ſehr einfarbig, auf der ganzen Oberſeite, mit Ausnahme des Bürzels, blauſchwarz, auf der Unter- ſeite und auf dem Bürzel weiß. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß, ſoweit er nicht befiedert iſt, fleiſchfarben. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich nicht durch die Färbung; bei den Jungen iſt das Schwarz der Oberſeite matter und das Weiß an der Kehle unreiner, als bei den Alten. Die Mehlſchwalbe theilt mit der Rauchſchwalbe ſo ziemlich daſſelbe Vaterland; ſie geht aber weiter nach Norden hinauf, als letztere. Jn Deutſchland ſcheint ſie die Städte zu bevorzugen: ſie iſt es, deren Niſtanſiedelungen man hier an großen und alten Gebänden ſieht. Außer Europa bewohnt ſie in gleicher Häufigkeit den größten Theil Sibiriens. Von ihrer Heimat aus wandert ſie einerſeits bis in das Jnnere Afrikas, andererſeits bis nach Südaſien, um hier den Winter zu verbringen. Sie trifft meiſt einige Tage ſpäter ein, als die Rauchſchwalbe, verweilt dafür aber länger in Europa und namentlich in Südeuropa: wir ſahen ſie noch am 2. November die Alhambra umfliegen. Doch bemerkt man ſie auf ihrer afrikaniſchen Reiſe regelmäßig in Geſellſchaft ihrer Verwandten. Jm Frühjahr kommt ſie einzeln an; vor dem Herbſtzuge verſammelt ſie ſich zu großen Geſellſchaften, welche zuweilen zu unſchätzbaren Schwärmen anwachſen, ſich auf den Dächern hoher Gebäude verſammeln und dann, gewöhnlich gleich nach Sonnenuntergang, zur Reiſe aufbrechen. Gelegentlich dieſer Wanderung ruhen ſie ſich wohl auch im Walde auf Bäumen aus. Jn ihrem Weſen zeigt die Mehlſchwalbe viel Aehnlichkeit mit der Rauchſchwalbe; bei genauerer Beobachtung aber unterſcheidet man ſie doch ſehr leicht von dieſer. „Sie ſcheint‟, wie Naumann ſagt, „ernſter, bedächtiger und einfältiger zu ſein als jene, iſt weniger zutraulich, doch auch nicht ſcheu, fliegt weniger geſchwind, jedoch ſchnell genug, aber mehr und öfter ſchwebend, meiſtens höher, als jene. Jhr Flug iſt ſanft, nicht ſo außerordentlich ſchnell und abwechſelnd, doch aber auch mit ſehr verſchiedenartigen Wendungen und Schwenkungen, bald hoch, bald tief.‟ Bei Regenwetter ſchwingt ſich die Mehlſchwalbe oft zu außerordentlichen Höhen empor und jagt wie die Seglerarten in jenen Luftſchichten nach Nahrung. Sie iſt geſelliger als ihre Verwandten, hält ſich jedoch nur mit andern ihrer Art zuſammen. Mit der Rauchſchwalbe lebt ſie in Frieden, und bei allgemeiner Noth oder auf der Wanderung vereinigt ſie ſich mit dieſer zu einem Fluge. Unter gewöhnlichen Umſtänden aber lebt jede Art abgeſondert für ſich, ohne gegen die andere eine beſondere Zuneigung zu zeigen. Jnner- halb des Verbandes wird der Frieden übrigens oft geſtört. Zumal bei den Neſtern gibt es viel Zank und Streit, und nicht blos mit andern neſtbedürftigen Mehlſchwalben, ſondern auch mit dem Sper- ling, welcher gerade das Neſt dieſer Schwalbe ſehr häufig in Beſitz nimmt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/671>, abgerufen am 22.11.2024.