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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Raub-, südländischer und schwarzstirniger Würger.

Der südländische Würger ist nach unsern Erfahrungen der einzig ständig vorkommende Raub-
würger Spaniens. Jn Griechenland soll er nur Sommergast sein, in den letzten Tagen Aprils erscheinen
und bereits Ende August wieder wegziehen; in Spanien haben wir ihn auch im Winter erlegt. Jn
seinem Betragen unterscheidet er sich nicht von seinem nordischen Verwandten. Das Nest baut er
gern in die Baumwipfel, am liebsten in die höchsten Spitzen der Oelbäume. Es ist nach Linder-
mayer's
Angabe aus frischen Pflanzenstengeln zusammengeflochten und inwendig mit Schafwolle
und Ziegenhaaren ausgefüttert. Die fünf bis sechs Eier sind auf schmuzigweißem oder weißröthlichen
Grunde zahlreich mit kleineren oder größeren Flecken von grauer, brauner und röthlicher Farbe
besprenkelt. Jn Spanien werden sie als Leckerbissen betrachtet und die Nester des Vogels deshalb
selbst mit Lebensgefahr bestiegen.

Alle ebenen Gegenden unseres Vaterlandes, wo der Laubwald vorherrschend ist, beherbergen
häufig einen Verwandten des Raubwürgers, welcher ihm hinsichtlich seiner Färbung sehr nahe steht,
den grauen oder schwarzstirnigen Würger (Lanius minor), welcher auch wohl italienischer
Würger oder Schäferdickkopf genannt wird. Er gehört zu den schönsten Arten der Familie. Das
Gefieder ist auf der Oberseite hellaschgrau, auf der Unterseite weiß, an der Brust wie mit Rosenroth
überhaucht; die Stirn und der Zügel sind schwarz; der Flügel ist bis auf einen einfach weißen
Flecken, welcher sich über die Wurzelhälfte der neun ersten Handschwingen verbreitet, schwarz; die vier
mittelsten Steuerfedern haben dieselbe Färbung, die darauf folgenden sind fast zur Hälfte weiß, die
übrigen zeigen nur noch neben dem dunkeln Schaft einen schwarzen Fleck auf der inneren Fahne, die
äußersten sind reinweiß. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß graulich. Das
Weibchen ähnelt dem Männchen in jeder Hinsicht, so daß es kaum unterschieden werden kann. Die
Jungen sind an der Stirn schmuzigweiß, auf der Unterseite gelblichweiß, grau in die Quere gestreift.
Dem geübten Auge unterscheidet sich der schwarzstirnige Würger durch geringere Größe und verhält-
nißmäßig längere Flügel leicht von dem so ähnlichen Raubwürger. Die Länge beträgt 71/2 bis 8,
die Breite 131/2 bis 14 Zoll.

Unter den im Frühling zurückkehrenden Sommervögeln ist der schwarzstirnige Würger einer der
letzten. Er erscheint erst Anfangs Mai, und ebenso tritt er mit am frühesten, gewöhnlich schon im
Spätsommer, Ende Augusts, seine Reise wieder an. Bereits im September begegnet man ihm
häufig in den Waldungen der oberen Nilländer und ebenso wahrscheinlich in ganz Mittelafrika; denn
hier erst verbringt er den Winter. Hinsichtlich seines Sommeraufenthaltes ist er auffallend wählerisch.
So häufig er in gewissen Gegenden ist, so selten zeigt er sich in andern. Jn Anhalt, Brandenburg,
Franken, Baiern, in Südfrankreich, Jtalien, der Türkei, im südlichen Rußland ist er gemein; die
übrigen Länder Europas berührt er entweder gar nicht oder nur auf dem Zuge; den Norden meidet
er gänzlich.

Alle Beobachter stimmen darin überein, daß der schwarzstirnige Würger zu den anmuthigsten
und harmlosesten Arten seiner Familie gehört. Naumann versichert, daß er ihn niemals als Vogel-
räuber, sondern immer nur als Kerbthierjäger kennen gelernt habe. Schmetterlinge, Käfer, Heu-
schrecken, deren Larven und Puppen bilden seine Beute. Jhr gegenüber zeigt er freilich dieselbe
Mordlust, wie andere Würger auch. Lauernd sitzt er auf der Spitze eines Busches, auf einzelnen
Stangen, Steinen und andern erhabenen Gegenständen; rüttelnd erhält er sich in der Luft, wenn ihm
derartige Warten fehlen, stürzt sich, sobald er eine Beute gewahrt, plötzlich zum Boden herab, ergreift
das Kerbthier, tödtet es und fliegt mit ihm auf die nächste Baumspitze zurück, um es daselbst zu ver-
zehren. Dies geschieht gewöhnlich ohne alle Vorbereitung; denn seltener als seine Verwandten spießt
er die gefangenen Thiere vor dem Zerstückeln auf Dornen und Astspitzen.

"Durch Farbe und Gestalt", sagt Naumann, "ist der schwarzstirnige Würger gleich schön, im
Sitzen wie im Fluge, und da er immer herumflattert und seine Stimme hören läßt, so macht er sich
auch sehr bemerklich und trägt zu den lebendigen Reizen einer Gegend nicht wenig bei. Sein Flug ist

Raub-, ſüdländiſcher und ſchwarzſtirniger Würger.

Der ſüdländiſche Würger iſt nach unſern Erfahrungen der einzig ſtändig vorkommende Raub-
würger Spaniens. Jn Griechenland ſoll er nur Sommergaſt ſein, in den letzten Tagen Aprils erſcheinen
und bereits Ende Auguſt wieder wegziehen; in Spanien haben wir ihn auch im Winter erlegt. Jn
ſeinem Betragen unterſcheidet er ſich nicht von ſeinem nordiſchen Verwandten. Das Neſt baut er
gern in die Baumwipfel, am liebſten in die höchſten Spitzen der Oelbäume. Es iſt nach Linder-
mayer’s
Angabe aus friſchen Pflanzenſtengeln zuſammengeflochten und inwendig mit Schafwolle
und Ziegenhaaren ausgefüttert. Die fünf bis ſechs Eier ſind auf ſchmuzigweißem oder weißröthlichen
Grunde zahlreich mit kleineren oder größeren Flecken von grauer, brauner und röthlicher Farbe
beſprenkelt. Jn Spanien werden ſie als Leckerbiſſen betrachtet und die Neſter des Vogels deshalb
ſelbſt mit Lebensgefahr beſtiegen.

Alle ebenen Gegenden unſeres Vaterlandes, wo der Laubwald vorherrſchend iſt, beherbergen
häufig einen Verwandten des Raubwürgers, welcher ihm hinſichtlich ſeiner Färbung ſehr nahe ſteht,
den grauen oder ſchwarzſtirnigen Würger (Lanius minor), welcher auch wohl italieniſcher
Würger oder Schäferdickkopf genannt wird. Er gehört zu den ſchönſten Arten der Familie. Das
Gefieder iſt auf der Oberſeite hellaſchgrau, auf der Unterſeite weiß, an der Bruſt wie mit Roſenroth
überhaucht; die Stirn und der Zügel ſind ſchwarz; der Flügel iſt bis auf einen einfach weißen
Flecken, welcher ſich über die Wurzelhälfte der neun erſten Handſchwingen verbreitet, ſchwarz; die vier
mittelſten Steuerfedern haben dieſelbe Färbung, die darauf folgenden ſind faſt zur Hälfte weiß, die
übrigen zeigen nur noch neben dem dunkeln Schaft einen ſchwarzen Fleck auf der inneren Fahne, die
äußerſten ſind reinweiß. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß graulich. Das
Weibchen ähnelt dem Männchen in jeder Hinſicht, ſo daß es kaum unterſchieden werden kann. Die
Jungen ſind an der Stirn ſchmuzigweiß, auf der Unterſeite gelblichweiß, grau in die Quere geſtreift.
Dem geübten Auge unterſcheidet ſich der ſchwarzſtirnige Würger durch geringere Größe und verhält-
nißmäßig längere Flügel leicht von dem ſo ähnlichen Raubwürger. Die Länge beträgt 7½ bis 8,
die Breite 13½ bis 14 Zoll.

Unter den im Frühling zurückkehrenden Sommervögeln iſt der ſchwarzſtirnige Würger einer der
letzten. Er erſcheint erſt Anfangs Mai, und ebenſo tritt er mit am früheſten, gewöhnlich ſchon im
Spätſommer, Ende Auguſts, ſeine Reiſe wieder an. Bereits im September begegnet man ihm
häufig in den Waldungen der oberen Nilländer und ebenſo wahrſcheinlich in ganz Mittelafrika; denn
hier erſt verbringt er den Winter. Hinſichtlich ſeines Sommeraufenthaltes iſt er auffallend wähleriſch.
So häufig er in gewiſſen Gegenden iſt, ſo ſelten zeigt er ſich in andern. Jn Anhalt, Brandenburg,
Franken, Baiern, in Südfrankreich, Jtalien, der Türkei, im ſüdlichen Rußland iſt er gemein; die
übrigen Länder Europas berührt er entweder gar nicht oder nur auf dem Zuge; den Norden meidet
er gänzlich.

Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß der ſchwarzſtirnige Würger zu den anmuthigſten
und harmloſeſten Arten ſeiner Familie gehört. Naumann verſichert, daß er ihn niemals als Vogel-
räuber, ſondern immer nur als Kerbthierjäger kennen gelernt habe. Schmetterlinge, Käfer, Heu-
ſchrecken, deren Larven und Puppen bilden ſeine Beute. Jhr gegenüber zeigt er freilich dieſelbe
Mordluſt, wie andere Würger auch. Lauernd ſitzt er auf der Spitze eines Buſches, auf einzelnen
Stangen, Steinen und andern erhabenen Gegenſtänden; rüttelnd erhält er ſich in der Luft, wenn ihm
derartige Warten fehlen, ſtürzt ſich, ſobald er eine Beute gewahrt, plötzlich zum Boden herab, ergreift
das Kerbthier, tödtet es und fliegt mit ihm auf die nächſte Baumſpitze zurück, um es daſelbſt zu ver-
zehren. Dies geſchieht gewöhnlich ohne alle Vorbereitung; denn ſeltener als ſeine Verwandten ſpießt
er die gefangenen Thiere vor dem Zerſtückeln auf Dornen und Aſtſpitzen.

„Durch Farbe und Geſtalt‟, ſagt Naumann, „iſt der ſchwarzſtirnige Würger gleich ſchön, im
Sitzen wie im Fluge, und da er immer herumflattert und ſeine Stimme hören läßt, ſo macht er ſich
auch ſehr bemerklich und trägt zu den lebendigen Reizen einer Gegend nicht wenig bei. Sein Flug iſt

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[697/0737] Raub-, ſüdländiſcher und ſchwarzſtirniger Würger. Der ſüdländiſche Würger iſt nach unſern Erfahrungen der einzig ſtändig vorkommende Raub- würger Spaniens. Jn Griechenland ſoll er nur Sommergaſt ſein, in den letzten Tagen Aprils erſcheinen und bereits Ende Auguſt wieder wegziehen; in Spanien haben wir ihn auch im Winter erlegt. Jn ſeinem Betragen unterſcheidet er ſich nicht von ſeinem nordiſchen Verwandten. Das Neſt baut er gern in die Baumwipfel, am liebſten in die höchſten Spitzen der Oelbäume. Es iſt nach Linder- mayer’s Angabe aus friſchen Pflanzenſtengeln zuſammengeflochten und inwendig mit Schafwolle und Ziegenhaaren ausgefüttert. Die fünf bis ſechs Eier ſind auf ſchmuzigweißem oder weißröthlichen Grunde zahlreich mit kleineren oder größeren Flecken von grauer, brauner und röthlicher Farbe beſprenkelt. Jn Spanien werden ſie als Leckerbiſſen betrachtet und die Neſter des Vogels deshalb ſelbſt mit Lebensgefahr beſtiegen. Alle ebenen Gegenden unſeres Vaterlandes, wo der Laubwald vorherrſchend iſt, beherbergen häufig einen Verwandten des Raubwürgers, welcher ihm hinſichtlich ſeiner Färbung ſehr nahe ſteht, den grauen oder ſchwarzſtirnigen Würger (Lanius minor), welcher auch wohl italieniſcher Würger oder Schäferdickkopf genannt wird. Er gehört zu den ſchönſten Arten der Familie. Das Gefieder iſt auf der Oberſeite hellaſchgrau, auf der Unterſeite weiß, an der Bruſt wie mit Roſenroth überhaucht; die Stirn und der Zügel ſind ſchwarz; der Flügel iſt bis auf einen einfach weißen Flecken, welcher ſich über die Wurzelhälfte der neun erſten Handſchwingen verbreitet, ſchwarz; die vier mittelſten Steuerfedern haben dieſelbe Färbung, die darauf folgenden ſind faſt zur Hälfte weiß, die übrigen zeigen nur noch neben dem dunkeln Schaft einen ſchwarzen Fleck auf der inneren Fahne, die äußerſten ſind reinweiß. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß graulich. Das Weibchen ähnelt dem Männchen in jeder Hinſicht, ſo daß es kaum unterſchieden werden kann. Die Jungen ſind an der Stirn ſchmuzigweiß, auf der Unterſeite gelblichweiß, grau in die Quere geſtreift. Dem geübten Auge unterſcheidet ſich der ſchwarzſtirnige Würger durch geringere Größe und verhält- nißmäßig längere Flügel leicht von dem ſo ähnlichen Raubwürger. Die Länge beträgt 7½ bis 8, die Breite 13½ bis 14 Zoll. Unter den im Frühling zurückkehrenden Sommervögeln iſt der ſchwarzſtirnige Würger einer der letzten. Er erſcheint erſt Anfangs Mai, und ebenſo tritt er mit am früheſten, gewöhnlich ſchon im Spätſommer, Ende Auguſts, ſeine Reiſe wieder an. Bereits im September begegnet man ihm häufig in den Waldungen der oberen Nilländer und ebenſo wahrſcheinlich in ganz Mittelafrika; denn hier erſt verbringt er den Winter. Hinſichtlich ſeines Sommeraufenthaltes iſt er auffallend wähleriſch. So häufig er in gewiſſen Gegenden iſt, ſo ſelten zeigt er ſich in andern. Jn Anhalt, Brandenburg, Franken, Baiern, in Südfrankreich, Jtalien, der Türkei, im ſüdlichen Rußland iſt er gemein; die übrigen Länder Europas berührt er entweder gar nicht oder nur auf dem Zuge; den Norden meidet er gänzlich. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß der ſchwarzſtirnige Würger zu den anmuthigſten und harmloſeſten Arten ſeiner Familie gehört. Naumann verſichert, daß er ihn niemals als Vogel- räuber, ſondern immer nur als Kerbthierjäger kennen gelernt habe. Schmetterlinge, Käfer, Heu- ſchrecken, deren Larven und Puppen bilden ſeine Beute. Jhr gegenüber zeigt er freilich dieſelbe Mordluſt, wie andere Würger auch. Lauernd ſitzt er auf der Spitze eines Buſches, auf einzelnen Stangen, Steinen und andern erhabenen Gegenſtänden; rüttelnd erhält er ſich in der Luft, wenn ihm derartige Warten fehlen, ſtürzt ſich, ſobald er eine Beute gewahrt, plötzlich zum Boden herab, ergreift das Kerbthier, tödtet es und fliegt mit ihm auf die nächſte Baumſpitze zurück, um es daſelbſt zu ver- zehren. Dies geſchieht gewöhnlich ohne alle Vorbereitung; denn ſeltener als ſeine Verwandten ſpießt er die gefangenen Thiere vor dem Zerſtückeln auf Dornen und Aſtſpitzen. „Durch Farbe und Geſtalt‟, ſagt Naumann, „iſt der ſchwarzſtirnige Würger gleich ſchön, im Sitzen wie im Fluge, und da er immer herumflattert und ſeine Stimme hören läßt, ſo macht er ſich auch ſehr bemerklich und trägt zu den lebendigen Reizen einer Gegend nicht wenig bei. Sein Flug iſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/737>, abgerufen am 22.11.2024.