Bedeutung und Begrenzung dieser Familie die verschiedensten Ansichten herrschen und eine Uebereinstim- mung der Ansichten auch wohl erst dann stattfinden wird, wenn wir die einzelnen Arten besser kennen gelernt haben werden, als Dies gegenwärtig der Fall ist. Während die Einen sie als nahe Verwandte unserer Würger betrachten, gönnen ihnen Andere nicht einmal in derselben Ordnung ihren Platz -- hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Singmuskeln vor der Theilungsstelle der Luftröhre in ihre beiden Hauptäste liegen. Hier im unteren Ende der Luftröhre selbst sind die Wände dünnhäutig geworden und zwei zarte, durch elastische Bänder befestigte vordere und hintere Halbringe vorhanden, welche von besonderen Muskeln bewegt werden und das Stimmwerkzeug abgeben. Wir wissen gegen- wärtig noch nicht, ob dieser Bau der Luftröhre wirklich als Ordnungskennzeichen betrachtet, oder ob er nur als eine minder bedeutsame Abänderung des sonst gewöhnlichen Stimmorgans der Singvögel angesehen werden darf, und deshalb mag es entschuldigt sein, wenn wir hier die äußere Uebereinstim- mung maßgebend sein lassen.
Die Rabenwürger sind durchschnittlich mittelgroße Singvögel von kräftigem Leibesbau. Jhre Flügel sind mittellang oder selbst kurz und stark abgerundet, die dritte, die vierte oder fünfte Schwinge pflegt die längste zu sein. Der Schwanz ändert vielfach ab. Die Füße sind gewöhnlich lang und dünn, regelmäßig länger als die Mittelzehe, welche mit der äußeren Zehe bis zum ersten Gelenk verwachsen zu sein pflegt, während die innere frei ist. Der Schnabel ist immer gestreckter, als bei den Würgern, auf der Firste mehr oder weniger geradlinig, nur an der scharf hakenförmigen Spitze gebogen, mit mehr oder weniger deutlichem Zahn vor der Spitze, scharf schneidend an den Rändern, gegen die Spitzen hin seitlich zusammengedrückt. Das Gefieder ist reichhaltig, bei einzelnen Arten weich, bei vielen auffallend wegen der langen, fast wolligen Rückenfedern. Die Schnabelwurzel ist gewöhnlich von Borsten umgeben.
Ein allgemein giltiges Lebensbild der Familie läßt sich noch nicht geben, da uns nur die Lebens- weise weniger Arten einigermaßen genügend bekannt ist.
Durch Gould's Forschungen sind wir mit einer Gruppe dieser Vögel, welche wir Krähen- würger (Cracticus) nennen wollen, bekannt geworden. Sie verdienen insofern an erster Stelle Erwähnung, weil sie noch allgemein zu den Würgern gerechnet werden. Jn ihrer äußern Gestalt haben sie mit den uns bekannten Pfeifkrähen so viel Aehnlichkeit, daß Gould sie mit diesen in ein und derselben Gruppe vereinigt, und wahrscheinlich läßt sich Erhebliches dagegen nicht einwenden. Unsere Vögel sind Würger in Krähengestalt, und namentlich der lang gestreckte, stumpfhakige Schnabel, dessen Oberkiefer nur eine seichte Ausbuchtung zeigt, hat mit dem Schnabel der Pfeifkrähen die größte Aehnlichkeit.
Einer der häufigsten Vertreter dieser Gruppe ist die Würgatzel (Cracticus destructor). Das Gefieder ist auf der Oberseite dunkelgraubraun, auf den Flügeln schwärzlichbraun, auf Oberkopf und Halsrücken schwarz, auf dem Bürzel weiß, auf der Unterseite graulichweiß; ein Fleck zwischen dem Schnabelgrunde und dem Auge ist weiß; die Schwingen sind schwärzlichbraun, die Armschwingen längs der Außenfahne weiß, die Steuerfedern schwarz, mit Ausnahme der beiden mittleren an der Jnnen- fahne weiß gespitzt. Das Auge ist dunkelröthlichbraun, der Schnabel bleigrau am Grunde, schwarz gegen die Spitze hin, der Fuß schwärzlichbleifarbig. Das Weibchen ist dunkler gezeichnet, das Junge fahl und braun gefleckt. Die Länge beträgt 131/2 Zoll.
Nach Gould's Bericht gehört die Würgatzel zu den verbreitetsten Vögeln Australiens. Sie ist ein beständiger Bewohner aller Buschhölzer von der Küste an bis zu den Bergen und weiß sich Jeder- mann bemerklich zu machen. Gewöhnlich sitzt sie nach Würgerart bewegungslos auf einem abgestor- benen oder besonders hervorragenden Zweige, ihrer Warte, von welcher sie die Gegend ringsum über- schaut. Gewahrt das scharfe Auge ein großes Kerbthier oder ein kleines Wirbelthier, so stürzt sie sich senkrecht herab, ergreift die Beute, würgt sie ab und kehrt zu dem früheren Sitz zurück, um sie hier zu verzehren. Sie ist ungemein raubgierig und dabei sehr muthig, scheut sich vor dem Menschen nur, wenn
Helmwürger. Würgatzel.
Bedeutung und Begrenzung dieſer Familie die verſchiedenſten Anſichten herrſchen und eine Uebereinſtim- mung der Anſichten auch wohl erſt dann ſtattfinden wird, wenn wir die einzelnen Arten beſſer kennen gelernt haben werden, als Dies gegenwärtig der Fall iſt. Während die Einen ſie als nahe Verwandte unſerer Würger betrachten, gönnen ihnen Andere nicht einmal in derſelben Ordnung ihren Platz — hauptſächlich aus dem Grunde, weil die Singmuskeln vor der Theilungsſtelle der Luftröhre in ihre beiden Hauptäſte liegen. Hier im unteren Ende der Luftröhre ſelbſt ſind die Wände dünnhäutig geworden und zwei zarte, durch elaſtiſche Bänder befeſtigte vordere und hintere Halbringe vorhanden, welche von beſonderen Muskeln bewegt werden und das Stimmwerkzeug abgeben. Wir wiſſen gegen- wärtig noch nicht, ob dieſer Bau der Luftröhre wirklich als Ordnungskennzeichen betrachtet, oder ob er nur als eine minder bedeutſame Abänderung des ſonſt gewöhnlichen Stimmorgans der Singvögel angeſehen werden darf, und deshalb mag es entſchuldigt ſein, wenn wir hier die äußere Uebereinſtim- mung maßgebend ſein laſſen.
Die Rabenwürger ſind durchſchnittlich mittelgroße Singvögel von kräftigem Leibesbau. Jhre Flügel ſind mittellang oder ſelbſt kurz und ſtark abgerundet, die dritte, die vierte oder fünfte Schwinge pflegt die längſte zu ſein. Der Schwanz ändert vielfach ab. Die Füße ſind gewöhnlich lang und dünn, regelmäßig länger als die Mittelzehe, welche mit der äußeren Zehe bis zum erſten Gelenk verwachſen zu ſein pflegt, während die innere frei iſt. Der Schnabel iſt immer geſtreckter, als bei den Würgern, auf der Firſte mehr oder weniger geradlinig, nur an der ſcharf hakenförmigen Spitze gebogen, mit mehr oder weniger deutlichem Zahn vor der Spitze, ſcharf ſchneidend an den Rändern, gegen die Spitzen hin ſeitlich zuſammengedrückt. Das Gefieder iſt reichhaltig, bei einzelnen Arten weich, bei vielen auffallend wegen der langen, faſt wolligen Rückenfedern. Die Schnabelwurzel iſt gewöhnlich von Borſten umgeben.
Ein allgemein giltiges Lebensbild der Familie läßt ſich noch nicht geben, da uns nur die Lebens- weiſe weniger Arten einigermaßen genügend bekannt iſt.
Durch Gould’s Forſchungen ſind wir mit einer Gruppe dieſer Vögel, welche wir Krähen- würger (Cracticus) nennen wollen, bekannt geworden. Sie verdienen inſofern an erſter Stelle Erwähnung, weil ſie noch allgemein zu den Würgern gerechnet werden. Jn ihrer äußern Geſtalt haben ſie mit den uns bekannten Pfeifkrähen ſo viel Aehnlichkeit, daß Gould ſie mit dieſen in ein und derſelben Gruppe vereinigt, und wahrſcheinlich läßt ſich Erhebliches dagegen nicht einwenden. Unſere Vögel ſind Würger in Krähengeſtalt, und namentlich der lang geſtreckte, ſtumpfhakige Schnabel, deſſen Oberkiefer nur eine ſeichte Ausbuchtung zeigt, hat mit dem Schnabel der Pfeifkrähen die größte Aehnlichkeit.
Einer der häufigſten Vertreter dieſer Gruppe iſt die Würgatzel (Cracticus destructor). Das Gefieder iſt auf der Oberſeite dunkelgraubraun, auf den Flügeln ſchwärzlichbraun, auf Oberkopf und Halsrücken ſchwarz, auf dem Bürzel weiß, auf der Unterſeite graulichweiß; ein Fleck zwiſchen dem Schnabelgrunde und dem Auge iſt weiß; die Schwingen ſind ſchwärzlichbraun, die Armſchwingen längs der Außenfahne weiß, die Steuerfedern ſchwarz, mit Ausnahme der beiden mittleren an der Jnnen- fahne weiß geſpitzt. Das Auge iſt dunkelröthlichbraun, der Schnabel bleigrau am Grunde, ſchwarz gegen die Spitze hin, der Fuß ſchwärzlichbleifarbig. Das Weibchen iſt dunkler gezeichnet, das Junge fahl und braun gefleckt. Die Länge beträgt 13½ Zoll.
Nach Gould’s Bericht gehört die Würgatzel zu den verbreitetſten Vögeln Auſtraliens. Sie iſt ein beſtändiger Bewohner aller Buſchhölzer von der Küſte an bis zu den Bergen und weiß ſich Jeder- mann bemerklich zu machen. Gewöhnlich ſitzt ſie nach Würgerart bewegungslos auf einem abgeſtor- benen oder beſonders hervorragenden Zweige, ihrer Warte, von welcher ſie die Gegend ringsum über- ſchaut. Gewahrt das ſcharfe Auge ein großes Kerbthier oder ein kleines Wirbelthier, ſo ſtürzt ſie ſich ſenkrecht herab, ergreift die Beute, würgt ſie ab und kehrt zu dem früheren Sitz zurück, um ſie hier zu verzehren. Sie iſt ungemein raubgierig und dabei ſehr muthig, ſcheut ſich vor dem Menſchen nur, wenn
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[709/0751]
Helmwürger. Würgatzel.
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gelernt haben werden, als Dies gegenwärtig der Fall iſt. Während die Einen ſie als nahe Verwandte
unſerer Würger betrachten, gönnen ihnen Andere nicht einmal in derſelben Ordnung ihren Platz —
hauptſächlich aus dem Grunde, weil die Singmuskeln vor der Theilungsſtelle der Luftröhre in ihre
beiden Hauptäſte liegen. Hier im unteren Ende der Luftröhre ſelbſt ſind die Wände dünnhäutig
geworden und zwei zarte, durch elaſtiſche Bänder befeſtigte vordere und hintere Halbringe vorhanden,
welche von beſonderen Muskeln bewegt werden und das Stimmwerkzeug abgeben. Wir wiſſen gegen-
wärtig noch nicht, ob dieſer Bau der Luftröhre wirklich als Ordnungskennzeichen betrachtet, oder ob er
nur als eine minder bedeutſame Abänderung des ſonſt gewöhnlichen Stimmorgans der Singvögel
angeſehen werden darf, und deshalb mag es entſchuldigt ſein, wenn wir hier die äußere Uebereinſtim-
mung maßgebend ſein laſſen.
Die Rabenwürger ſind durchſchnittlich mittelgroße Singvögel von kräftigem Leibesbau. Jhre
Flügel ſind mittellang oder ſelbſt kurz und ſtark abgerundet, die dritte, die vierte oder fünfte Schwinge
pflegt die längſte zu ſein. Der Schwanz ändert vielfach ab. Die Füße ſind gewöhnlich lang und dünn,
regelmäßig länger als die Mittelzehe, welche mit der äußeren Zehe bis zum erſten Gelenk verwachſen
zu ſein pflegt, während die innere frei iſt. Der Schnabel iſt immer geſtreckter, als bei den Würgern,
auf der Firſte mehr oder weniger geradlinig, nur an der ſcharf hakenförmigen Spitze gebogen, mit
mehr oder weniger deutlichem Zahn vor der Spitze, ſcharf ſchneidend an den Rändern, gegen die Spitzen
hin ſeitlich zuſammengedrückt. Das Gefieder iſt reichhaltig, bei einzelnen Arten weich, bei vielen
auffallend wegen der langen, faſt wolligen Rückenfedern. Die Schnabelwurzel iſt gewöhnlich von
Borſten umgeben.
Ein allgemein giltiges Lebensbild der Familie läßt ſich noch nicht geben, da uns nur die Lebens-
weiſe weniger Arten einigermaßen genügend bekannt iſt.
Durch Gould’s Forſchungen ſind wir mit einer Gruppe dieſer Vögel, welche wir Krähen-
würger (Cracticus) nennen wollen, bekannt geworden. Sie verdienen inſofern an erſter Stelle
Erwähnung, weil ſie noch allgemein zu den Würgern gerechnet werden. Jn ihrer äußern Geſtalt
haben ſie mit den uns bekannten Pfeifkrähen ſo viel Aehnlichkeit, daß Gould ſie mit dieſen in ein
und derſelben Gruppe vereinigt, und wahrſcheinlich läßt ſich Erhebliches dagegen nicht einwenden.
Unſere Vögel ſind Würger in Krähengeſtalt, und namentlich der lang geſtreckte, ſtumpfhakige Schnabel,
deſſen Oberkiefer nur eine ſeichte Ausbuchtung zeigt, hat mit dem Schnabel der Pfeifkrähen die
größte Aehnlichkeit.
Einer der häufigſten Vertreter dieſer Gruppe iſt die Würgatzel (Cracticus destructor). Das
Gefieder iſt auf der Oberſeite dunkelgraubraun, auf den Flügeln ſchwärzlichbraun, auf Oberkopf und
Halsrücken ſchwarz, auf dem Bürzel weiß, auf der Unterſeite graulichweiß; ein Fleck zwiſchen dem
Schnabelgrunde und dem Auge iſt weiß; die Schwingen ſind ſchwärzlichbraun, die Armſchwingen längs
der Außenfahne weiß, die Steuerfedern ſchwarz, mit Ausnahme der beiden mittleren an der Jnnen-
fahne weiß geſpitzt. Das Auge iſt dunkelröthlichbraun, der Schnabel bleigrau am Grunde, ſchwarz
gegen die Spitze hin, der Fuß ſchwärzlichbleifarbig. Das Weibchen iſt dunkler gezeichnet, das Junge
fahl und braun gefleckt. Die Länge beträgt 13½ Zoll.
Nach Gould’s Bericht gehört die Würgatzel zu den verbreitetſten Vögeln Auſtraliens. Sie iſt
ein beſtändiger Bewohner aller Buſchhölzer von der Küſte an bis zu den Bergen und weiß ſich Jeder-
mann bemerklich zu machen. Gewöhnlich ſitzt ſie nach Würgerart bewegungslos auf einem abgeſtor-
benen oder beſonders hervorragenden Zweige, ihrer Warte, von welcher ſie die Gegend ringsum über-
ſchaut. Gewahrt das ſcharfe Auge ein großes Kerbthier oder ein kleines Wirbelthier, ſo ſtürzt ſie ſich
ſenkrecht herab, ergreift die Beute, würgt ſie ab und kehrt zu dem früheren Sitz zurück, um ſie hier zu
verzehren. Sie iſt ungemein raubgierig und dabei ſehr muthig, ſcheut ſich vor dem Menſchen nur, wenn
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/751>, abgerufen am 22.11.2024.
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