Der Bienenkönig der Jndier (Edolius paradiscus) wird 14 Zoll lang, wobei jedoch die Außenfedern, welche das Schwanzende um Fußlänge überragen, nicht mit gemessen sind; der Fittig ist 63/4, der Schwanz bis zur Mitte der Gabel 61/2, längs der Außenfedern gemessen aber 181/2 bis 19 Zoll lang. Das reiche Gefieder ist gleichmäßig schwarz, stahlblau glänzend. Die Federn des Vorder- kopfes sind haubenartig verlängert und wie die des Nackens und der Brust an ihrer Spitze leicht aus- geschnitten.
Die Würgerschnäpper gehören zu den auffallendsten Vögeln ihrer Heimatsländer und sind des- halb auch den Eingebornen wohl bekannt. Von der Seeküste an bis zu 8000 Fuß unbedingter Höhe findet man sie an geeigneten Orten überall, die einen in offenen Gegenden, die andern inmitten der Waldungen. Manche Arten sind sehr häufig, andere seltener. Jn Jndien mag man, wie Jerdon sagt, hingehen, wohin man will, überall wird man einem dieser Vögel begegnen. Man sieht sie auf dürren Zweigspitzen eines hohen Baumes, auf der Firste eines Hauses, auf den Telegrafenstangen, auf nie- deren Büschen, Hecken, Mauern und Ameisenhaufen sitzen und Umschau halten. Gar nicht selten findet man einzelne auch als treue Begleiter der Herdenthiere, auf deren Rücken sie sich dann ebenso ungescheut niederlassen, wie auf ihren gewöhnlichen Warten. Die meisten sind den ganzen Tag über in Thätigkeit; einige aber gehören zu den Dämmerungsvögeln: sie jagen wie unsere Mauersegler noch lange nach Sonnenuntergang und in den frühesten Morgenstunden wieder. Wenn der Vollmond am Himmel steht, scheinen sie während der ganzen Nacht, wenn auch nicht in Thätigkeit, so doch wach und munter zu sein; man hört dann ihre lebhafte und nicht zu verkennende Unterhaltung zu allen Stunden. Nach Vaillant's Bericht versammeln sich einzelne Arten gegen Sonnenuntergang auf gewissen Lieblingsbäumen und betreiben hier gemeinschaftlich ihre Jagd. Auch von den indischen wird gesagt, daß sie in Gesellschaften leben. Bei einzelnen Arten scheint Dies jedoch nicht der Fall zu sein; wenigstens erinnere ich mich nicht, den Würgerschnäpper Nordostafrikas (Dicrourus lugubris) je in größerer Anzahl vereinigt gesehen zu haben. Doch ist es mir recht wohl glaublich, daß unsere Vögel unter Umständen gesellig sein können; es wird Dies namentlich dann der Fall sein, wenn irgend welche Ereignisse ihnen eine reichliche Jagd eröffnen. Während der Brutzeit hingegen scheint jedes Paar für sich zu leben und das einmal gewählte Gebiet gegen andere seiner Art mit großer Hartnäckigkeit zu vertheidigen.
Der vorhin erwähnte Würgerschnäpper, welchen ich beobachtete, hat auf mich einen ungünstigen Eindruck gemacht. Jch habe geglaubt, in ihm einen der langweiligsten Gesellen unter den mittelafri- kanischen Vögeln zu erkennen. Die, welche ich beobachtete, saßen gewöhnlich still und faul auf einer Astspitze und schauten nach Nahrung aus. Vorüber fliegende Kerbthiere bewogen sie, sich zu erheben; sie eilten der ins Auge gefaßten Beute mit leichtem, obgleich etwas schlaffen Fluge nach, ver- folgten sie mit scheinbarem Ungeschick und kehrten, wenn sie wirklich glücklich waren, wieder auf den- selben Ast zurück oder ließen sich an einer ähnlichen Stelle auf einem andern Baume nieder, auf diese Weise ein gewisses Gebiet durchstreifend. Dem Schützen schauten sie so recht dumm gutmüthig in das Rohr, ohne an Flucht vor ihm zu denken. Eine Stimme habe ich, so viel ich mich erinnere, niemals vernommen. Durchaus widersprechend lauten die Angaben anderer Beobachter, und da dieselben übereinstimmend sind, muß ich es entweder mit einer sehr wenig befähigten Art zu thun gehabt oder im Beobachten nicht gerade vom Glück begünstigt gewesen sein. Vaillant, Jerdon, Gilbert, Blyth und andere Forscher bezeichnen die Drongos als hochbegabte Thiere, welche nicht blos leiblich, sondern auch geistig sich sehr auszeichnen. Der Flug ist ein Mittelding zwischen dem eines Fliegen- fängers und einer Schwalbe; er ist nicht gerade schnell, geschieht in Wellenlinien und besteht aus wenigen Flügelschlägen, auf welche ein längeres Gleiten folgt. Wenn aber der Drongo irgendwie erregt ist, weiß er sich so schnell zu bewegen, daß er fast jeden Feind überholt, und von dem Schlep- penden, welches man bei den ruhig fliegenden wahrnimmt, bemerkt man dann gar Nichts mehr. Jeden- falls bewegt sich der Würgerschnäpper fliegend am geschicktesten: auf den Boden herab kommt er nur
Königskrähe. Singdrongo. Bienenkönig.
Der Bienenkönig der Jndier (Edolius paradiscus) wird 14 Zoll lang, wobei jedoch die Außenfedern, welche das Schwanzende um Fußlänge überragen, nicht mit gemeſſen ſind; der Fittig iſt 6¾, der Schwanz bis zur Mitte der Gabel 6½, längs der Außenfedern gemeſſen aber 18½ bis 19 Zoll lang. Das reiche Gefieder iſt gleichmäßig ſchwarz, ſtahlblau glänzend. Die Federn des Vorder- kopfes ſind haubenartig verlängert und wie die des Nackens und der Bruſt an ihrer Spitze leicht aus- geſchnitten.
Die Würgerſchnäpper gehören zu den auffallendſten Vögeln ihrer Heimatsländer und ſind des- halb auch den Eingebornen wohl bekannt. Von der Seeküſte an bis zu 8000 Fuß unbedingter Höhe findet man ſie an geeigneten Orten überall, die einen in offenen Gegenden, die andern inmitten der Waldungen. Manche Arten ſind ſehr häufig, andere ſeltener. Jn Jndien mag man, wie Jerdon ſagt, hingehen, wohin man will, überall wird man einem dieſer Vögel begegnen. Man ſieht ſie auf dürren Zweigſpitzen eines hohen Baumes, auf der Firſte eines Hauſes, auf den Telegrafenſtangen, auf nie- deren Büſchen, Hecken, Mauern und Ameiſenhaufen ſitzen und Umſchau halten. Gar nicht ſelten findet man einzelne auch als treue Begleiter der Herdenthiere, auf deren Rücken ſie ſich dann ebenſo ungeſcheut niederlaſſen, wie auf ihren gewöhnlichen Warten. Die meiſten ſind den ganzen Tag über in Thätigkeit; einige aber gehören zu den Dämmerungsvögeln: ſie jagen wie unſere Mauerſegler noch lange nach Sonnenuntergang und in den früheſten Morgenſtunden wieder. Wenn der Vollmond am Himmel ſteht, ſcheinen ſie während der ganzen Nacht, wenn auch nicht in Thätigkeit, ſo doch wach und munter zu ſein; man hört dann ihre lebhafte und nicht zu verkennende Unterhaltung zu allen Stunden. Nach Vaillant’s Bericht verſammeln ſich einzelne Arten gegen Sonnenuntergang auf gewiſſen Lieblingsbäumen und betreiben hier gemeinſchaftlich ihre Jagd. Auch von den indiſchen wird geſagt, daß ſie in Geſellſchaften leben. Bei einzelnen Arten ſcheint Dies jedoch nicht der Fall zu ſein; wenigſtens erinnere ich mich nicht, den Würgerſchnäpper Nordoſtafrikas (Dicrourus lugubris) je in größerer Anzahl vereinigt geſehen zu haben. Doch iſt es mir recht wohl glaublich, daß unſere Vögel unter Umſtänden geſellig ſein können; es wird Dies namentlich dann der Fall ſein, wenn irgend welche Ereigniſſe ihnen eine reichliche Jagd eröffnen. Während der Brutzeit hingegen ſcheint jedes Paar für ſich zu leben und das einmal gewählte Gebiet gegen andere ſeiner Art mit großer Hartnäckigkeit zu vertheidigen.
Der vorhin erwähnte Würgerſchnäpper, welchen ich beobachtete, hat auf mich einen ungünſtigen Eindruck gemacht. Jch habe geglaubt, in ihm einen der langweiligſten Geſellen unter den mittelafri- kaniſchen Vögeln zu erkennen. Die, welche ich beobachtete, ſaßen gewöhnlich ſtill und faul auf einer Aſtſpitze und ſchauten nach Nahrung aus. Vorüber fliegende Kerbthiere bewogen ſie, ſich zu erheben; ſie eilten der ins Auge gefaßten Beute mit leichtem, obgleich etwas ſchlaffen Fluge nach, ver- folgten ſie mit ſcheinbarem Ungeſchick und kehrten, wenn ſie wirklich glücklich waren, wieder auf den- ſelben Aſt zurück oder ließen ſich an einer ähnlichen Stelle auf einem andern Baume nieder, auf dieſe Weiſe ein gewiſſes Gebiet durchſtreifend. Dem Schützen ſchauten ſie ſo recht dumm gutmüthig in das Rohr, ohne an Flucht vor ihm zu denken. Eine Stimme habe ich, ſo viel ich mich erinnere, niemals vernommen. Durchaus widerſprechend lauten die Angaben anderer Beobachter, und da dieſelben übereinſtimmend ſind, muß ich es entweder mit einer ſehr wenig befähigten Art zu thun gehabt oder im Beobachten nicht gerade vom Glück begünſtigt geweſen ſein. Vaillant, Jerdon, Gilbert, Blyth und andere Forſcher bezeichnen die Drongos als hochbegabte Thiere, welche nicht blos leiblich, ſondern auch geiſtig ſich ſehr auszeichnen. Der Flug iſt ein Mittelding zwiſchen dem eines Fliegen- fängers und einer Schwalbe; er iſt nicht gerade ſchnell, geſchieht in Wellenlinien und beſteht aus wenigen Flügelſchlägen, auf welche ein längeres Gleiten folgt. Wenn aber der Drongo irgendwie erregt iſt, weiß er ſich ſo ſchnell zu bewegen, daß er faſt jeden Feind überholt, und von dem Schlep- penden, welches man bei den ruhig fliegenden wahrnimmt, bemerkt man dann gar Nichts mehr. Jeden- falls bewegt ſich der Würgerſchnäpper fliegend am geſchickteſten: auf den Boden herab kommt er nur
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Königskrähe. Singdrongo. Bienenkönig.
Der Bienenkönig der Jndier (Edolius paradiscus) wird 14 Zoll lang, wobei jedoch die
Außenfedern, welche das Schwanzende um Fußlänge überragen, nicht mit gemeſſen ſind; der Fittig iſt
6¾, der Schwanz bis zur Mitte der Gabel 6½, längs der Außenfedern gemeſſen aber 18½ bis 19 Zoll
lang. Das reiche Gefieder iſt gleichmäßig ſchwarz, ſtahlblau glänzend. Die Federn des Vorder-
kopfes ſind haubenartig verlängert und wie die des Nackens und der Bruſt an ihrer Spitze leicht aus-
geſchnitten.
Die Würgerſchnäpper gehören zu den auffallendſten Vögeln ihrer Heimatsländer und ſind des-
halb auch den Eingebornen wohl bekannt. Von der Seeküſte an bis zu 8000 Fuß unbedingter Höhe
findet man ſie an geeigneten Orten überall, die einen in offenen Gegenden, die andern inmitten der
Waldungen. Manche Arten ſind ſehr häufig, andere ſeltener. Jn Jndien mag man, wie Jerdon ſagt,
hingehen, wohin man will, überall wird man einem dieſer Vögel begegnen. Man ſieht ſie auf dürren
Zweigſpitzen eines hohen Baumes, auf der Firſte eines Hauſes, auf den Telegrafenſtangen, auf nie-
deren Büſchen, Hecken, Mauern und Ameiſenhaufen ſitzen und Umſchau halten. Gar nicht ſelten
findet man einzelne auch als treue Begleiter der Herdenthiere, auf deren Rücken ſie ſich dann ebenſo
ungeſcheut niederlaſſen, wie auf ihren gewöhnlichen Warten. Die meiſten ſind den ganzen Tag über
in Thätigkeit; einige aber gehören zu den Dämmerungsvögeln: ſie jagen wie unſere Mauerſegler noch
lange nach Sonnenuntergang und in den früheſten Morgenſtunden wieder. Wenn der Vollmond am
Himmel ſteht, ſcheinen ſie während der ganzen Nacht, wenn auch nicht in Thätigkeit, ſo doch wach und
munter zu ſein; man hört dann ihre lebhafte und nicht zu verkennende Unterhaltung zu allen Stunden.
Nach Vaillant’s Bericht verſammeln ſich einzelne Arten gegen Sonnenuntergang auf gewiſſen
Lieblingsbäumen und betreiben hier gemeinſchaftlich ihre Jagd. Auch von den indiſchen wird geſagt,
daß ſie in Geſellſchaften leben. Bei einzelnen Arten ſcheint Dies jedoch nicht der Fall zu ſein;
wenigſtens erinnere ich mich nicht, den Würgerſchnäpper Nordoſtafrikas (Dicrourus lugubris) je in
größerer Anzahl vereinigt geſehen zu haben. Doch iſt es mir recht wohl glaublich, daß unſere Vögel
unter Umſtänden geſellig ſein können; es wird Dies namentlich dann der Fall ſein, wenn irgend welche
Ereigniſſe ihnen eine reichliche Jagd eröffnen. Während der Brutzeit hingegen ſcheint jedes Paar für
ſich zu leben und das einmal gewählte Gebiet gegen andere ſeiner Art mit großer Hartnäckigkeit zu
vertheidigen.
Der vorhin erwähnte Würgerſchnäpper, welchen ich beobachtete, hat auf mich einen ungünſtigen
Eindruck gemacht. Jch habe geglaubt, in ihm einen der langweiligſten Geſellen unter den mittelafri-
kaniſchen Vögeln zu erkennen. Die, welche ich beobachtete, ſaßen gewöhnlich ſtill und faul auf
einer Aſtſpitze und ſchauten nach Nahrung aus. Vorüber fliegende Kerbthiere bewogen ſie, ſich zu
erheben; ſie eilten der ins Auge gefaßten Beute mit leichtem, obgleich etwas ſchlaffen Fluge nach, ver-
folgten ſie mit ſcheinbarem Ungeſchick und kehrten, wenn ſie wirklich glücklich waren, wieder auf den-
ſelben Aſt zurück oder ließen ſich an einer ähnlichen Stelle auf einem andern Baume nieder, auf dieſe
Weiſe ein gewiſſes Gebiet durchſtreifend. Dem Schützen ſchauten ſie ſo recht dumm gutmüthig in das
Rohr, ohne an Flucht vor ihm zu denken. Eine Stimme habe ich, ſo viel ich mich erinnere, niemals
vernommen. Durchaus widerſprechend lauten die Angaben anderer Beobachter, und da dieſelben
übereinſtimmend ſind, muß ich es entweder mit einer ſehr wenig befähigten Art zu thun gehabt oder
im Beobachten nicht gerade vom Glück begünſtigt geweſen ſein. Vaillant, Jerdon, Gilbert,
Blyth und andere Forſcher bezeichnen die Drongos als hochbegabte Thiere, welche nicht blos leiblich,
ſondern auch geiſtig ſich ſehr auszeichnen. Der Flug iſt ein Mittelding zwiſchen dem eines Fliegen-
fängers und einer Schwalbe; er iſt nicht gerade ſchnell, geſchieht in Wellenlinien und beſteht aus
wenigen Flügelſchlägen, auf welche ein längeres Gleiten folgt. Wenn aber der Drongo irgendwie
erregt iſt, weiß er ſich ſo ſchnell zu bewegen, daß er faſt jeden Feind überholt, und von dem Schlep-
penden, welches man bei den ruhig fliegenden wahrnimmt, bemerkt man dann gar Nichts mehr. Jeden-
falls bewegt ſich der Würgerſchnäpper fliegend am geſchickteſten: auf den Boden herab kommt er nur
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/755>, abgerufen am 22.11.2024.
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