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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Trauersteinschmätzer.
das Gebirge in seiner ganzen wilden Schönheit. Losgerissene, vom Wasser herabgeworfene Blöcke
bedecken seinen Fuß und vor allem die Ausgänge der Thäler. Zwischen ihnen sieht man saftig grüne
Oleandergebüsche und niederes Gestrüpp; an den Berggehängen wuchern Rosmarin und unzählige
Disteln: sie bilden hier den Wald. Möglich, daß man zufällig einige Geier, vielleicht auch einen
Adler über dem Gebirge dahinschweben sieht; außer ihnen aber bemerkt man höchstens noch einige
Schwalben und Steinsperlinge: das Uebrige erscheint todt. Da lenkt plötzlich ein frischer Gesang die
Augen nach einer bestimmten Stelle: das Männchen eines Trauersteinschmätzers singt sein heiteres Lied.
Das Gebirge ist lebendig geworden, und der Thierfreund wird es auch. Eilig klimmt er zwischen den
Blöcken hinan oder über sie hinweg, gefährliche Sprünge wagt er mit Lust: ihm nach, ist das Losungs-
wort. Aber der Vogel ist behender als der Mensch. Diesem rieselt längst der Schweiß hernieder;
der im Gebirge groß gewordene verlacht den Verfolger, welcher in böser Absicht naht. Doch bringt
jede derartige Jagd ihren Lohn mit sich: sie lehrt das Leben eines der anziehendsten Geschöpfe
uns kennen.

Der Trauersteinschmätzer ist über den größten Theil Spaniens verbreitet und kommt außerdem
in Süditalien, in Griechenland und in Nordwestafrika vor. Jn Nordostafrika wird er durch nahe
Verwandte vertreten. Jn Asien soll er ebenfalls heimisch sein, sogar in Sibirien sich finden; die von
Radde gegebene Beschreibung stimmt aber so wenig mit meinen Beobachtungen überein, daß ich wohl
annehmen darf, der von ihm erwähnte Trauersteinschmätzer müsse einer andern Art angehören. Ueberall,
wo der von mir beobachtete Vogel auftritt, bewohnt er das Gebirge, vom Fuß desselben an bis zu
5000 Fuß über dem Meer hinauf. Möglich, daß er im Hochsommer noch zu größeren Höhen empor-
steigt und nur im Winter in die Tiefen herabkommt, in denen ich ihn in den eigentlichen Hochgebirgen
Südspaniens antraf. Seine Lieblingsplätze sind die wildesten, zerrissensten Felsen. Je dunkler das
Gestein ist, umso häufiger begegnet man ihm, obwohl er auch auf lichter gefärbten Kalkfelsen
nicht fehlt.

Er ist ein sehr kluger, lebendiger und scheuer Vogel, welcher selbst das ödeste Gebirge zu beleben
vermag. Das Männchen geberdet sich oft höchst ergötzlich. Es tanzt förmlich auf einer Steinplatte
umher oder trippelt tanzartig an einer Felswand in die Höhe, breitet dabei Schwanz und Flügel, als
hätte er das dem Birkhahn abgelernt, neigt den Kopf, dreht und wendet sich, steigt in die Höhe, singt
dabei und senkt sich zuletzt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz langsam tief herab, um seinem,
all Diesem ruhig zuschauenden Weibchen die letzte Strophe des Gesanges in nächster Nähe noch hören
zu lassen. Finden sich einzelne Bäume oder Kaktusfeigengebüsch im Gebirge, dann ruht er auch gern
auf diesen von seinem Singen und Tanzen ein wenig aus; sonst wählt er die hervorragendsten Felsplatten
oder Felsblöcke zu seinen Ruheplätzen, falls ich ihnen diesen Namen geben darf, da der behende
Gesell eben keine Ruhe zu haben scheint. Ganz ohne Scheu kommt er von seinen Höhen auf
die Mauern der Gebirgsstädte herab oder steigt zu den auf den höchsten Bergesspitzen liegenden Ein-
siedeleien hinauf. Er weiß, daß er dort sicher ist.

Wirklich liebenswürdig benimmt er sich bei seinem Neste. Er beginnt ziemlich spät mit dem
Baue desselben, erst um die Mitte oder gegen Ende Aprils, vielleicht auch Anfangs Mai. An
passenden Nistplätzen fehlt es ihm nicht; denn überall findet er in den hohlen, steilen Felsenwänden
eine Höhlung, welche noch von keinem Steinsperlinge in Besitz genommen wurde, und die er also
benutzen kann. Das Nest ist für eine zahlreiche Nachkommenschaft eingerichtet; es ist groß und
besteht aus dicht zusammengeflochtenen Grashalmen und Würzelchen, welche inwendig sorgfältig mit
Ziegenhaaren ausgefüttert sind. Vier bis fünf Eier von hellbläulichgrüner Grundfarbe und violetter
und röthlichbrauner Fleckenzeichnung sind die gewöhnliche Anzahl des Geleges; aber auch sechs bis
sieben Eier in einem Neste sollen nach Versicherung der Spanier nicht ungewöhnlich sein.

Ein solches Nest fand ich im Anfang des Juli 1857 in der Sierra de los Anches bei Murcia.
Es stand in einer ziemlich geräumigen Höhle, welche durch das theilweise Zerbröckeln und Herabfallen
des Gesteines gebildet worden war, auf einem breiten, von einem andern überdachten Steine, wie auf

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Trauerſteinſchmätzer.
das Gebirge in ſeiner ganzen wilden Schönheit. Losgeriſſene, vom Waſſer herabgeworfene Blöcke
bedecken ſeinen Fuß und vor allem die Ausgänge der Thäler. Zwiſchen ihnen ſieht man ſaftig grüne
Oleandergebüſche und niederes Geſtrüpp; an den Berggehängen wuchern Rosmarin und unzählige
Diſteln: ſie bilden hier den Wald. Möglich, daß man zufällig einige Geier, vielleicht auch einen
Adler über dem Gebirge dahinſchweben ſieht; außer ihnen aber bemerkt man höchſtens noch einige
Schwalben und Steinſperlinge: das Uebrige erſcheint todt. Da lenkt plötzlich ein friſcher Geſang die
Augen nach einer beſtimmten Stelle: das Männchen eines Trauerſteinſchmätzers ſingt ſein heiteres Lied.
Das Gebirge iſt lebendig geworden, und der Thierfreund wird es auch. Eilig klimmt er zwiſchen den
Blöcken hinan oder über ſie hinweg, gefährliche Sprünge wagt er mit Luſt: ihm nach, iſt das Loſungs-
wort. Aber der Vogel iſt behender als der Menſch. Dieſem rieſelt längſt der Schweiß hernieder;
der im Gebirge groß gewordene verlacht den Verfolger, welcher in böſer Abſicht naht. Doch bringt
jede derartige Jagd ihren Lohn mit ſich: ſie lehrt das Leben eines der anziehendſten Geſchöpfe
uns kennen.

Der Trauerſteinſchmätzer iſt über den größten Theil Spaniens verbreitet und kommt außerdem
in Süditalien, in Griechenland und in Nordweſtafrika vor. Jn Nordoſtafrika wird er durch nahe
Verwandte vertreten. Jn Aſien ſoll er ebenfalls heimiſch ſein, ſogar in Sibirien ſich finden; die von
Radde gegebene Beſchreibung ſtimmt aber ſo wenig mit meinen Beobachtungen überein, daß ich wohl
annehmen darf, der von ihm erwähnte Trauerſteinſchmätzer müſſe einer andern Art angehören. Ueberall,
wo der von mir beobachtete Vogel auftritt, bewohnt er das Gebirge, vom Fuß deſſelben an bis zu
5000 Fuß über dem Meer hinauf. Möglich, daß er im Hochſommer noch zu größeren Höhen empor-
ſteigt und nur im Winter in die Tiefen herabkommt, in denen ich ihn in den eigentlichen Hochgebirgen
Südſpaniens antraf. Seine Lieblingsplätze ſind die wildeſten, zerriſſenſten Felſen. Je dunkler das
Geſtein iſt, umſo häufiger begegnet man ihm, obwohl er auch auf lichter gefärbten Kalkfelſen
nicht fehlt.

Er iſt ein ſehr kluger, lebendiger und ſcheuer Vogel, welcher ſelbſt das ödeſte Gebirge zu beleben
vermag. Das Männchen geberdet ſich oft höchſt ergötzlich. Es tanzt förmlich auf einer Steinplatte
umher oder trippelt tanzartig an einer Felswand in die Höhe, breitet dabei Schwanz und Flügel, als
hätte er das dem Birkhahn abgelernt, neigt den Kopf, dreht und wendet ſich, ſteigt in die Höhe, ſingt
dabei und ſenkt ſich zuletzt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz langſam tief herab, um ſeinem,
all Dieſem ruhig zuſchauenden Weibchen die letzte Strophe des Geſanges in nächſter Nähe noch hören
zu laſſen. Finden ſich einzelne Bäume oder Kaktusfeigengebüſch im Gebirge, dann ruht er auch gern
auf dieſen von ſeinem Singen und Tanzen ein wenig aus; ſonſt wählt er die hervorragendſten Felsplatten
oder Felsblöcke zu ſeinen Ruheplätzen, falls ich ihnen dieſen Namen geben darf, da der behende
Geſell eben keine Ruhe zu haben ſcheint. Ganz ohne Scheu kommt er von ſeinen Höhen auf
die Mauern der Gebirgsſtädte herab oder ſteigt zu den auf den höchſten Bergesſpitzen liegenden Ein-
ſiedeleien hinauf. Er weiß, daß er dort ſicher iſt.

Wirklich liebenswürdig benimmt er ſich bei ſeinem Neſte. Er beginnt ziemlich ſpät mit dem
Baue deſſelben, erſt um die Mitte oder gegen Ende Aprils, vielleicht auch Anfangs Mai. An
paſſenden Niſtplätzen fehlt es ihm nicht; denn überall findet er in den hohlen, ſteilen Felſenwänden
eine Höhlung, welche noch von keinem Steinſperlinge in Beſitz genommen wurde, und die er alſo
benutzen kann. Das Neſt iſt für eine zahlreiche Nachkommenſchaft eingerichtet; es iſt groß und
beſteht aus dicht zuſammengeflochtenen Grashalmen und Würzelchen, welche inwendig ſorgfältig mit
Ziegenhaaren ausgefüttert ſind. Vier bis fünf Eier von hellbläulichgrüner Grundfarbe und violetter
und röthlichbrauner Fleckenzeichnung ſind die gewöhnliche Anzahl des Geleges; aber auch ſechs bis
ſieben Eier in einem Neſte ſollen nach Verſicherung der Spanier nicht ungewöhnlich ſein.

Ein ſolches Neſt fand ich im Anfang des Juli 1857 in der Sierra de los Anches bei Murcia.
Es ſtand in einer ziemlich geräumigen Höhle, welche durch das theilweiſe Zerbröckeln und Herabfallen
des Geſteines gebildet worden war, auf einem breiten, von einem andern überdachten Steine, wie auf

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[787/0831] Trauerſteinſchmätzer. das Gebirge in ſeiner ganzen wilden Schönheit. Losgeriſſene, vom Waſſer herabgeworfene Blöcke bedecken ſeinen Fuß und vor allem die Ausgänge der Thäler. Zwiſchen ihnen ſieht man ſaftig grüne Oleandergebüſche und niederes Geſtrüpp; an den Berggehängen wuchern Rosmarin und unzählige Diſteln: ſie bilden hier den Wald. Möglich, daß man zufällig einige Geier, vielleicht auch einen Adler über dem Gebirge dahinſchweben ſieht; außer ihnen aber bemerkt man höchſtens noch einige Schwalben und Steinſperlinge: das Uebrige erſcheint todt. Da lenkt plötzlich ein friſcher Geſang die Augen nach einer beſtimmten Stelle: das Männchen eines Trauerſteinſchmätzers ſingt ſein heiteres Lied. Das Gebirge iſt lebendig geworden, und der Thierfreund wird es auch. Eilig klimmt er zwiſchen den Blöcken hinan oder über ſie hinweg, gefährliche Sprünge wagt er mit Luſt: ihm nach, iſt das Loſungs- wort. Aber der Vogel iſt behender als der Menſch. Dieſem rieſelt längſt der Schweiß hernieder; der im Gebirge groß gewordene verlacht den Verfolger, welcher in böſer Abſicht naht. Doch bringt jede derartige Jagd ihren Lohn mit ſich: ſie lehrt das Leben eines der anziehendſten Geſchöpfe uns kennen. Der Trauerſteinſchmätzer iſt über den größten Theil Spaniens verbreitet und kommt außerdem in Süditalien, in Griechenland und in Nordweſtafrika vor. Jn Nordoſtafrika wird er durch nahe Verwandte vertreten. Jn Aſien ſoll er ebenfalls heimiſch ſein, ſogar in Sibirien ſich finden; die von Radde gegebene Beſchreibung ſtimmt aber ſo wenig mit meinen Beobachtungen überein, daß ich wohl annehmen darf, der von ihm erwähnte Trauerſteinſchmätzer müſſe einer andern Art angehören. Ueberall, wo der von mir beobachtete Vogel auftritt, bewohnt er das Gebirge, vom Fuß deſſelben an bis zu 5000 Fuß über dem Meer hinauf. Möglich, daß er im Hochſommer noch zu größeren Höhen empor- ſteigt und nur im Winter in die Tiefen herabkommt, in denen ich ihn in den eigentlichen Hochgebirgen Südſpaniens antraf. Seine Lieblingsplätze ſind die wildeſten, zerriſſenſten Felſen. Je dunkler das Geſtein iſt, umſo häufiger begegnet man ihm, obwohl er auch auf lichter gefärbten Kalkfelſen nicht fehlt. Er iſt ein ſehr kluger, lebendiger und ſcheuer Vogel, welcher ſelbſt das ödeſte Gebirge zu beleben vermag. Das Männchen geberdet ſich oft höchſt ergötzlich. Es tanzt förmlich auf einer Steinplatte umher oder trippelt tanzartig an einer Felswand in die Höhe, breitet dabei Schwanz und Flügel, als hätte er das dem Birkhahn abgelernt, neigt den Kopf, dreht und wendet ſich, ſteigt in die Höhe, ſingt dabei und ſenkt ſich zuletzt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz langſam tief herab, um ſeinem, all Dieſem ruhig zuſchauenden Weibchen die letzte Strophe des Geſanges in nächſter Nähe noch hören zu laſſen. Finden ſich einzelne Bäume oder Kaktusfeigengebüſch im Gebirge, dann ruht er auch gern auf dieſen von ſeinem Singen und Tanzen ein wenig aus; ſonſt wählt er die hervorragendſten Felsplatten oder Felsblöcke zu ſeinen Ruheplätzen, falls ich ihnen dieſen Namen geben darf, da der behende Geſell eben keine Ruhe zu haben ſcheint. Ganz ohne Scheu kommt er von ſeinen Höhen auf die Mauern der Gebirgsſtädte herab oder ſteigt zu den auf den höchſten Bergesſpitzen liegenden Ein- ſiedeleien hinauf. Er weiß, daß er dort ſicher iſt. Wirklich liebenswürdig benimmt er ſich bei ſeinem Neſte. Er beginnt ziemlich ſpät mit dem Baue deſſelben, erſt um die Mitte oder gegen Ende Aprils, vielleicht auch Anfangs Mai. An paſſenden Niſtplätzen fehlt es ihm nicht; denn überall findet er in den hohlen, ſteilen Felſenwänden eine Höhlung, welche noch von keinem Steinſperlinge in Beſitz genommen wurde, und die er alſo benutzen kann. Das Neſt iſt für eine zahlreiche Nachkommenſchaft eingerichtet; es iſt groß und beſteht aus dicht zuſammengeflochtenen Grashalmen und Würzelchen, welche inwendig ſorgfältig mit Ziegenhaaren ausgefüttert ſind. Vier bis fünf Eier von hellbläulichgrüner Grundfarbe und violetter und röthlichbrauner Fleckenzeichnung ſind die gewöhnliche Anzahl des Geleges; aber auch ſechs bis ſieben Eier in einem Neſte ſollen nach Verſicherung der Spanier nicht ungewöhnlich ſein. Ein ſolches Neſt fand ich im Anfang des Juli 1857 in der Sierra de los Anches bei Murcia. Es ſtand in einer ziemlich geräumigen Höhle, welche durch das theilweiſe Zerbröckeln und Herabfallen des Geſteines gebildet worden war, auf einem breiten, von einem andern überdachten Steine, wie auf 50*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/831>, abgerufen am 22.11.2024.