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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Lebensweise der Drosseln.
Kirchengesang. Jede einzelne Strophe ist klar abgerundet, jeder Ton in sich abgeschlossen; der
Drosselschlag ist mehr als jeder andere für den Wald geeignet, für das Zimmer ist er viel zu stark, im
freien weiten Walde dagegen gerade recht. Nicht genug zu schätzen ist es, daß alle Drosseln schon
sehr früh im Jahre mit ihren köstlichen Liedern beginnen und dieselben bis zum Hochsommer hören
lassen und zwar mit einem Eifer hören lassen, wie wenig andere Singvögel. Die Amsel, welche bei
uns verweilt, beginnt bereits im Februar, wenn Schnee und Eis noch die Herrschaft im Walde haben,
mit ihrem Liede; die zu derselben Zeit in der Fremde weilende Singdrossel gedenkt ihrer Heimat und
scheint sie singend begrüßen zu wollen. Dasselbe wird von der nordamerikanischen Wanderdrossel gesagt,
und es gilt wahrscheinlich in weiterem oder engerem Umfange für alle Arten, welche eine regelmäßige
Wanderung antreten. Wie bei den meisten guten Sängern, eifern sich die Männchen gegenseitig an.
Wenn eine Drossel auf der Spitze eines Baumes erscheint und ihren Gesang beginnt, beeilt sich jede
andere, welche sie hört, ihr singend zu antworten. Es scheint, als ob die Drossel sich bewußt wäre,
wie vorzüglich ihr Gesang ist, als ob sie eine gewisse Eitelkeit besäße; denn so versteckt sie sich für
gewöhnlich zu halten pflegt, so frei zeigt sie sich, wenn sie ihr Lied beginnt. Sie wählt dann immer
eine hohe Baumspitze zu ihrem Sitze und schmettert von da oben herab ihre herrlichen Klänge durch
den Wald.

Die Nahrung der Drosseln besteht in Kerbthieren, Schnecken und Würmern mancherlei Art,
im Herbst und Winter in Beeren. Sie suchen ihre Beute größtentheils vom Boden auf und ver-
weilen deshalb hier täglich mehrere Stunden. Vom Walde aus fliegen sie auf Wiesen und Felder,
an die Ufer der Flüsse und Bäche und nach andern Nahrung versprechenden Plätzen. Hier lesen sie
auf oder wühlen mit dem Schnabel im abgefallenen Laube herum, um sich neue Vorräthe zu
erschließen. Fliegende Kerfe achten sie wenig oder nicht. Beeren scheinen den meisten Arten außer-
ordentlich zu behagen, und die einen lieben diese, die andern jene Arten. So trägt die Misteldrossel
nicht umsonst ihren Namen; denn sie ist förmlich erpicht auf die Mistelbeere, sucht sie überall auf und
streitet sich wegen ihr mit andern ihrer Art auf das heftigste. Schon die Alten behaupteten, daß die
Mistel nur durch diese Drossel fortgepflanzt werde, und diese Angabe scheint in der That begründet
zu sein. Die Ringdrossel sucht sofort nach der Brutzeit mit ihrer Familie die Haidebüsche auf und
frißt dann soviel Heidelbeeren, daß ihr Fleisch, wie Schauer erfuhr, davon blau, ihre Knochen roth
und ihre Federn befleckt werden. Daß die Wachholderdrossel ihren Namen nicht umsonst trägt, braucht
kaum erwähnt zu werden: sie durchsucht im Winter die Wachholderbüsche auf das eifrigste und frißt
soviel von der ihr besonders zusagenden Beere, daß ihr Fleisch in Folge davon einen besondern Wohl-
geschmack erhält. Außerdem fressen die Drosseln Johannisbeeren, rothe und schwarze Hollunder-
beeren, Preisel-, Faulbaum-, Kreuzdorn-, Schlingbaum-, Ebereschbeeren, Kirschen, Weinbeeren etc.
Aehnliches gilt für die hochnordischen und amerikanischen Arten: sie alle sind leidenschaftliche Beeren-
fresser. Sie können dieser Nahrung gar nicht widerstehen, und darauf gerade gründet der Mensch
seine Anstalten, die geschätzten Vögel zu berücken.

Bald nach ihrer Ankunft in der Heimat schreiten die Drosseln zur Fortpflanzung, die im Norden
wohnenden allerdings selten vor dem Anfange des Juni. Mehrere Arten, namentlich die Wach-
holder- und Ringdrossel behalten auch am Brutplatze ihre Geselligkeit bei, andere sondern sich während
der Fortpflanzungszeit von Jhresgleichen ab und bewachen eifersüchtig das erworbene Gebiet. Der
Standort der Nester ist verschieden, je nach Art und Aufenthalt unserer Vögel; die Nester selbst sind
sich im wesentlichen ähnlich. Die Misteldrossel baut schon im März, gewöhnlich auf einem Nadel-
baume und meist in einer Höhe von dreißig bis vierzig Fuß über dem Boden. Der Bau besteht aus
zarten, dürren Reisern, Stengeln, Flechten, Baum- und Erdmos, mit noch anhängender Erde, aus
zarten Wurzeln oder feinen Zweigen und dergleichen; das Jnnere ist mit trockenen Grasblättern, Hälmchen
und Rispen glatt und nett ausgelegt. Das Gelege enthält vier bis fünf verhältnißmäßig kleine, glatt-
schalige Eier, welche auf blaßmeergrünem Grunde mit gröberen oder feineren violettgrauen Punkten
gezeichnet sind. Jn nicht ganz ungünstigen Jahren brütet das Paar zweimal im Laufe des Sommers.

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Lebensweiſe der Droſſeln.
Kirchengeſang. Jede einzelne Strophe iſt klar abgerundet, jeder Ton in ſich abgeſchloſſen; der
Droſſelſchlag iſt mehr als jeder andere für den Wald geeignet, für das Zimmer iſt er viel zu ſtark, im
freien weiten Walde dagegen gerade recht. Nicht genug zu ſchätzen iſt es, daß alle Droſſeln ſchon
ſehr früh im Jahre mit ihren köſtlichen Liedern beginnen und dieſelben bis zum Hochſommer hören
laſſen und zwar mit einem Eifer hören laſſen, wie wenig andere Singvögel. Die Amſel, welche bei
uns verweilt, beginnt bereits im Februar, wenn Schnee und Eis noch die Herrſchaft im Walde haben,
mit ihrem Liede; die zu derſelben Zeit in der Fremde weilende Singdroſſel gedenkt ihrer Heimat und
ſcheint ſie ſingend begrüßen zu wollen. Daſſelbe wird von der nordamerikaniſchen Wanderdroſſel geſagt,
und es gilt wahrſcheinlich in weiterem oder engerem Umfange für alle Arten, welche eine regelmäßige
Wanderung antreten. Wie bei den meiſten guten Sängern, eifern ſich die Männchen gegenſeitig an.
Wenn eine Droſſel auf der Spitze eines Baumes erſcheint und ihren Geſang beginnt, beeilt ſich jede
andere, welche ſie hört, ihr ſingend zu antworten. Es ſcheint, als ob die Droſſel ſich bewußt wäre,
wie vorzüglich ihr Geſang iſt, als ob ſie eine gewiſſe Eitelkeit beſäße; denn ſo verſteckt ſie ſich für
gewöhnlich zu halten pflegt, ſo frei zeigt ſie ſich, wenn ſie ihr Lied beginnt. Sie wählt dann immer
eine hohe Baumſpitze zu ihrem Sitze und ſchmettert von da oben herab ihre herrlichen Klänge durch
den Wald.

Die Nahrung der Droſſeln beſteht in Kerbthieren, Schnecken und Würmern mancherlei Art,
im Herbſt und Winter in Beeren. Sie ſuchen ihre Beute größtentheils vom Boden auf und ver-
weilen deshalb hier täglich mehrere Stunden. Vom Walde aus fliegen ſie auf Wieſen und Felder,
an die Ufer der Flüſſe und Bäche und nach andern Nahrung verſprechenden Plätzen. Hier leſen ſie
auf oder wühlen mit dem Schnabel im abgefallenen Laube herum, um ſich neue Vorräthe zu
erſchließen. Fliegende Kerfe achten ſie wenig oder nicht. Beeren ſcheinen den meiſten Arten außer-
ordentlich zu behagen, und die einen lieben dieſe, die andern jene Arten. So trägt die Miſteldroſſel
nicht umſonſt ihren Namen; denn ſie iſt förmlich erpicht auf die Miſtelbeere, ſucht ſie überall auf und
ſtreitet ſich wegen ihr mit andern ihrer Art auf das heftigſte. Schon die Alten behaupteten, daß die
Miſtel nur durch dieſe Droſſel fortgepflanzt werde, und dieſe Angabe ſcheint in der That begründet
zu ſein. Die Ringdroſſel ſucht ſofort nach der Brutzeit mit ihrer Familie die Haidebüſche auf und
frißt dann ſoviel Heidelbeeren, daß ihr Fleiſch, wie Schauer erfuhr, davon blau, ihre Knochen roth
und ihre Federn befleckt werden. Daß die Wachholderdroſſel ihren Namen nicht umſonſt trägt, braucht
kaum erwähnt zu werden: ſie durchſucht im Winter die Wachholderbüſche auf das eifrigſte und frißt
ſoviel von der ihr beſonders zuſagenden Beere, daß ihr Fleiſch in Folge davon einen beſondern Wohl-
geſchmack erhält. Außerdem freſſen die Droſſeln Johannisbeeren, rothe und ſchwarze Hollunder-
beeren, Preiſel-, Faulbaum-, Kreuzdorn-, Schlingbaum-, Ebereſchbeeren, Kirſchen, Weinbeeren ꝛc.
Aehnliches gilt für die hochnordiſchen und amerikaniſchen Arten: ſie alle ſind leidenſchaftliche Beeren-
freſſer. Sie können dieſer Nahrung gar nicht widerſtehen, und darauf gerade gründet der Menſch
ſeine Anſtalten, die geſchätzten Vögel zu berücken.

Bald nach ihrer Ankunft in der Heimat ſchreiten die Droſſeln zur Fortpflanzung, die im Norden
wohnenden allerdings ſelten vor dem Anfange des Juni. Mehrere Arten, namentlich die Wach-
holder- und Ringdroſſel behalten auch am Brutplatze ihre Geſelligkeit bei, andere ſondern ſich während
der Fortpflanzungszeit von Jhresgleichen ab und bewachen eiferſüchtig das erworbene Gebiet. Der
Standort der Neſter iſt verſchieden, je nach Art und Aufenthalt unſerer Vögel; die Neſter ſelbſt ſind
ſich im weſentlichen ähnlich. Die Miſteldroſſel baut ſchon im März, gewöhnlich auf einem Nadel-
baume und meiſt in einer Höhe von dreißig bis vierzig Fuß über dem Boden. Der Bau beſteht aus
zarten, dürren Reiſern, Stengeln, Flechten, Baum- und Erdmos, mit noch anhängender Erde, aus
zarten Wurzeln oder feinen Zweigen und dergleichen; das Jnnere iſt mit trockenen Grasblättern, Hälmchen
und Riſpen glatt und nett ausgelegt. Das Gelege enthält vier bis fünf verhältnißmäßig kleine, glatt-
ſchalige Eier, welche auf blaßmeergrünem Grunde mit gröberen oder feineren violettgrauen Punkten
gezeichnet ſind. Jn nicht ganz ungünſtigen Jahren brütet das Paar zweimal im Laufe des Sommers.

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[803/0849] Lebensweiſe der Droſſeln. Kirchengeſang. Jede einzelne Strophe iſt klar abgerundet, jeder Ton in ſich abgeſchloſſen; der Droſſelſchlag iſt mehr als jeder andere für den Wald geeignet, für das Zimmer iſt er viel zu ſtark, im freien weiten Walde dagegen gerade recht. Nicht genug zu ſchätzen iſt es, daß alle Droſſeln ſchon ſehr früh im Jahre mit ihren köſtlichen Liedern beginnen und dieſelben bis zum Hochſommer hören laſſen und zwar mit einem Eifer hören laſſen, wie wenig andere Singvögel. Die Amſel, welche bei uns verweilt, beginnt bereits im Februar, wenn Schnee und Eis noch die Herrſchaft im Walde haben, mit ihrem Liede; die zu derſelben Zeit in der Fremde weilende Singdroſſel gedenkt ihrer Heimat und ſcheint ſie ſingend begrüßen zu wollen. Daſſelbe wird von der nordamerikaniſchen Wanderdroſſel geſagt, und es gilt wahrſcheinlich in weiterem oder engerem Umfange für alle Arten, welche eine regelmäßige Wanderung antreten. Wie bei den meiſten guten Sängern, eifern ſich die Männchen gegenſeitig an. Wenn eine Droſſel auf der Spitze eines Baumes erſcheint und ihren Geſang beginnt, beeilt ſich jede andere, welche ſie hört, ihr ſingend zu antworten. Es ſcheint, als ob die Droſſel ſich bewußt wäre, wie vorzüglich ihr Geſang iſt, als ob ſie eine gewiſſe Eitelkeit beſäße; denn ſo verſteckt ſie ſich für gewöhnlich zu halten pflegt, ſo frei zeigt ſie ſich, wenn ſie ihr Lied beginnt. Sie wählt dann immer eine hohe Baumſpitze zu ihrem Sitze und ſchmettert von da oben herab ihre herrlichen Klänge durch den Wald. Die Nahrung der Droſſeln beſteht in Kerbthieren, Schnecken und Würmern mancherlei Art, im Herbſt und Winter in Beeren. Sie ſuchen ihre Beute größtentheils vom Boden auf und ver- weilen deshalb hier täglich mehrere Stunden. Vom Walde aus fliegen ſie auf Wieſen und Felder, an die Ufer der Flüſſe und Bäche und nach andern Nahrung verſprechenden Plätzen. Hier leſen ſie auf oder wühlen mit dem Schnabel im abgefallenen Laube herum, um ſich neue Vorräthe zu erſchließen. Fliegende Kerfe achten ſie wenig oder nicht. Beeren ſcheinen den meiſten Arten außer- ordentlich zu behagen, und die einen lieben dieſe, die andern jene Arten. So trägt die Miſteldroſſel nicht umſonſt ihren Namen; denn ſie iſt förmlich erpicht auf die Miſtelbeere, ſucht ſie überall auf und ſtreitet ſich wegen ihr mit andern ihrer Art auf das heftigſte. Schon die Alten behaupteten, daß die Miſtel nur durch dieſe Droſſel fortgepflanzt werde, und dieſe Angabe ſcheint in der That begründet zu ſein. Die Ringdroſſel ſucht ſofort nach der Brutzeit mit ihrer Familie die Haidebüſche auf und frißt dann ſoviel Heidelbeeren, daß ihr Fleiſch, wie Schauer erfuhr, davon blau, ihre Knochen roth und ihre Federn befleckt werden. Daß die Wachholderdroſſel ihren Namen nicht umſonſt trägt, braucht kaum erwähnt zu werden: ſie durchſucht im Winter die Wachholderbüſche auf das eifrigſte und frißt ſoviel von der ihr beſonders zuſagenden Beere, daß ihr Fleiſch in Folge davon einen beſondern Wohl- geſchmack erhält. Außerdem freſſen die Droſſeln Johannisbeeren, rothe und ſchwarze Hollunder- beeren, Preiſel-, Faulbaum-, Kreuzdorn-, Schlingbaum-, Ebereſchbeeren, Kirſchen, Weinbeeren ꝛc. Aehnliches gilt für die hochnordiſchen und amerikaniſchen Arten: ſie alle ſind leidenſchaftliche Beeren- freſſer. Sie können dieſer Nahrung gar nicht widerſtehen, und darauf gerade gründet der Menſch ſeine Anſtalten, die geſchätzten Vögel zu berücken. Bald nach ihrer Ankunft in der Heimat ſchreiten die Droſſeln zur Fortpflanzung, die im Norden wohnenden allerdings ſelten vor dem Anfange des Juni. Mehrere Arten, namentlich die Wach- holder- und Ringdroſſel behalten auch am Brutplatze ihre Geſelligkeit bei, andere ſondern ſich während der Fortpflanzungszeit von Jhresgleichen ab und bewachen eiferſüchtig das erworbene Gebiet. Der Standort der Neſter iſt verſchieden, je nach Art und Aufenthalt unſerer Vögel; die Neſter ſelbſt ſind ſich im weſentlichen ähnlich. Die Miſteldroſſel baut ſchon im März, gewöhnlich auf einem Nadel- baume und meiſt in einer Höhe von dreißig bis vierzig Fuß über dem Boden. Der Bau beſteht aus zarten, dürren Reiſern, Stengeln, Flechten, Baum- und Erdmos, mit noch anhängender Erde, aus zarten Wurzeln oder feinen Zweigen und dergleichen; das Jnnere iſt mit trockenen Grasblättern, Hälmchen und Riſpen glatt und nett ausgelegt. Das Gelege enthält vier bis fünf verhältnißmäßig kleine, glatt- ſchalige Eier, welche auf blaßmeergrünem Grunde mit gröberen oder feineren violettgrauen Punkten gezeichnet ſind. Jn nicht ganz ungünſtigen Jahren brütet das Paar zweimal im Laufe des Sommers. 51*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/849>, abgerufen am 22.11.2024.