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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Wasserdrosseln.
in Acht. Aber derselbe Vogel, welcher in der Sierra Nevada oder unter den Gletschern der schweizer
Alpen ebenso scheu ist, wie an Lapplands Gebirgswässern, gewöhnt sich an das Treiben des Menschen
und wird sogar ungemein zutraulich, sobald er die feste Ueberzeugung gewonnen hat, daß ihm keine
Gefahr droht. Jn der Nähe der Mühlen ist er ein sehr regelmäßiger Gast, welcher in dem Müller
und seinen Knappen nur gute Freunde sieht. Er kann sich aber auch inmitten der Dorfschaften sehr
sicher fühlen. So beobachtete Homeyer ein Wasserschwätzerpärchen mitten in der Stadt Baden-
Baden, unmittelbar vor den belebtesten Gasthäusern, welches ohne Bedenken vor den Augen der
Badegäste seine Taucherkünste trieb, weil es erfahrungsmäßig wußte, daß es Dies hier unbesorgt
thun durfte.

Nach Art so vieler anderer Fischer liebt der Wasserschwätzer die Gesellschaft Seinesgleichen durch-
aus nicht. Blos während der Brutzeit sieht man die Paare im innigen Verbande, und nur, so lange
die Jungen der elterlichen Führung bedürftig sind, die Familien zusammen; in allen übrigen Ab-
schnitten des Jahres lebt jeder Wasserschwätzer mehr oder weniger für sich, obgleich die Gatten eines
Paares wiederholt sich besuchen. Wagt sich ein Nachbar in das von einem Pärchen besetzte Gebiet, so
gibt es eine heftige Jagd, und der rechtmäßige Eigenthümer vertreibt den aufdringlichen Gast uner-
bittlich. Sogar die eigenen Kinder werden, sobald sie selbständig geworden sind, rücksichtslos in die
weite Welt hinausgestoßen, und man begreift nicht, wie es ihnen möglich wird, sich eine eigene Heimat
zu erwerben. Um fremdartige Vögel bekümmert sich der Wasserschwätzer nicht, er betrachtet sie aber,
wie es scheint, weniger mit Freundschaft als vielmehr mit Gleichgiltigkeit. Die Bachstelzen und der
Eisvogel sind sehr häufig von ihm geduldete Bewohner eines und desselben Gebiets.

Die Stimme, welche man gewöhnlich und regelmäßig dann, wenn er aufgejagt wird, von
ihm vernimmt, ist ein wie "Zerr" oder "Zerb" klingender Laut; der Gesang des Männchens
ist ein leises, aber höchst anmuthendes Geschwätz. Er besteht aus leise vorgetragenen, schnurrenden
und lauter vernehmlichen, schnalzenden Lauten. Die ersteren erinnern vielfach an einzelne Theile des
Blaukehlchengesanges, die andern an das Schnalzen des Steinschmätzers. Besonders eifrig singt der
Vogel an heiteren Frühlingstagen und zumal in den Morgenstunden; aber der ewig heitere und
fröhliche Gesell läßt sich auch von der größten Kälte nicht beirren: er singt, so lange der Himmel blau
ist. "Es ist", sagt Schinz, "eine ganz eigene Erscheinung, im Januar bei der strengsten Kälte, oft
mitten auf dem Eise, auf einem Pfahle oder Stein sitzend, den Gesang dieses Vogels zu hören,
während die ganze Natur erstarrt scheint", und es ist, füge ich hinzu, ein wahrhaft erhebendes Schau-
spiel für den Kundigen, welcher den muntern Sänger aufgefunden, wenn er gewahrt, daß dieser, nach-
dem er sein Lied beendet, sich heiteren Muths in die eisigen Fluthen stürzt, in ihnen sich badet und in
ihnen umherläuft oder schwimmt, als gäbe es für ihn keinen Winter und keine Kälte.

Die Nahrung besteht fast ausschließlich aus Kerbthieren und deren Larven. Mein Vater fand
in dem Magen der von ihm untersuchten Wasserschwätzer Mücken, Wassermotten, Hafte und ver-
schiedene Käferchen, nebenbei auch Pflanzentheilchen, welche wahrscheinlich blos zufällig mit verschluckt
werden, und Kieskörner, wie solche so viele Vögel fressen, um ihre Verdauung zu befördern. Gloger
versichert, daß der Wasserschwätzer im Winter auch kleine Muscheln und junge Fischchen verzehre und davon
einen thranigen Geruch erhalte; andere Beobachter haben weder Fische noch Fischlaich in seinem Magen
gefunden; daß ihm jedoch Fischnahrung zusagt, unterliegt keinem Zweifel. Die liebe Schuljugend
einer meinem heimatlichen Dorfe benachbarten Ortschaft fütterte junge Wasserschwätzer im Neste zu
ihrem besondern Vergnügen mit kleinen, mühselig gefangenen Fischchen und hatte die Freude zu erfahren,
daß die Jungen bei dieser Nahrung sehr wohl gediehen. Ein uns befreundeter Müller, dessen Mühle
der Mittelpunkt des Gebietes eines Wasserschwätzerpaares ist, beobachtete, daß unsere Vögel bei
strenger Kälte das geronnene Fett, mit welchem die Zapfen der Mühlräder geschmiert werden, sehr
gern fressen und angesichts des Müllers keck mit dem Schnabel abpicken. Den größten Theil seiner
Nahrung läßt sich der Wasserschwätzer von den ihm so befreundeten Wellen des Baches zuführen: er fängt
die herabschwimmenden Nahrungsstoffe einfach auf; eigentlichen Wasserthieren hingegen jagt er eifrig nach.

Die Fänger. Singvögel. Waſſerdroſſeln.
in Acht. Aber derſelbe Vogel, welcher in der Sierra Nevada oder unter den Gletſchern der ſchweizer
Alpen ebenſo ſcheu iſt, wie an Lapplands Gebirgswäſſern, gewöhnt ſich an das Treiben des Menſchen
und wird ſogar ungemein zutraulich, ſobald er die feſte Ueberzeugung gewonnen hat, daß ihm keine
Gefahr droht. Jn der Nähe der Mühlen iſt er ein ſehr regelmäßiger Gaſt, welcher in dem Müller
und ſeinen Knappen nur gute Freunde ſieht. Er kann ſich aber auch inmitten der Dorfſchaften ſehr
ſicher fühlen. So beobachtete Homeyer ein Waſſerſchwätzerpärchen mitten in der Stadt Baden-
Baden, unmittelbar vor den belebteſten Gaſthäuſern, welches ohne Bedenken vor den Augen der
Badegäſte ſeine Taucherkünſte trieb, weil es erfahrungsmäßig wußte, daß es Dies hier unbeſorgt
thun durfte.

Nach Art ſo vieler anderer Fiſcher liebt der Waſſerſchwätzer die Geſellſchaft Seinesgleichen durch-
aus nicht. Blos während der Brutzeit ſieht man die Paare im innigen Verbande, und nur, ſo lange
die Jungen der elterlichen Führung bedürftig ſind, die Familien zuſammen; in allen übrigen Ab-
ſchnitten des Jahres lebt jeder Waſſerſchwätzer mehr oder weniger für ſich, obgleich die Gatten eines
Paares wiederholt ſich beſuchen. Wagt ſich ein Nachbar in das von einem Pärchen beſetzte Gebiet, ſo
gibt es eine heftige Jagd, und der rechtmäßige Eigenthümer vertreibt den aufdringlichen Gaſt uner-
bittlich. Sogar die eigenen Kinder werden, ſobald ſie ſelbſtändig geworden ſind, rückſichtslos in die
weite Welt hinausgeſtoßen, und man begreift nicht, wie es ihnen möglich wird, ſich eine eigene Heimat
zu erwerben. Um fremdartige Vögel bekümmert ſich der Waſſerſchwätzer nicht, er betrachtet ſie aber,
wie es ſcheint, weniger mit Freundſchaft als vielmehr mit Gleichgiltigkeit. Die Bachſtelzen und der
Eisvogel ſind ſehr häufig von ihm geduldete Bewohner eines und deſſelben Gebiets.

Die Stimme, welche man gewöhnlich und regelmäßig dann, wenn er aufgejagt wird, von
ihm vernimmt, iſt ein wie „Zerr‟ oder „Zerb‟ klingender Laut; der Geſang des Männchens
iſt ein leiſes, aber höchſt anmuthendes Geſchwätz. Er beſteht aus leiſe vorgetragenen, ſchnurrenden
und lauter vernehmlichen, ſchnalzenden Lauten. Die erſteren erinnern vielfach an einzelne Theile des
Blaukehlchengeſanges, die andern an das Schnalzen des Steinſchmätzers. Beſonders eifrig ſingt der
Vogel an heiteren Frühlingstagen und zumal in den Morgenſtunden; aber der ewig heitere und
fröhliche Geſell läßt ſich auch von der größten Kälte nicht beirren: er ſingt, ſo lange der Himmel blau
iſt. „Es iſt‟, ſagt Schinz, „eine ganz eigene Erſcheinung, im Januar bei der ſtrengſten Kälte, oft
mitten auf dem Eiſe, auf einem Pfahle oder Stein ſitzend, den Geſang dieſes Vogels zu hören,
während die ganze Natur erſtarrt ſcheint‟, und es iſt, füge ich hinzu, ein wahrhaft erhebendes Schau-
ſpiel für den Kundigen, welcher den muntern Sänger aufgefunden, wenn er gewahrt, daß dieſer, nach-
dem er ſein Lied beendet, ſich heiteren Muths in die eiſigen Fluthen ſtürzt, in ihnen ſich badet und in
ihnen umherläuft oder ſchwimmt, als gäbe es für ihn keinen Winter und keine Kälte.

Die Nahrung beſteht faſt ausſchließlich aus Kerbthieren und deren Larven. Mein Vater fand
in dem Magen der von ihm unterſuchten Waſſerſchwätzer Mücken, Waſſermotten, Hafte und ver-
ſchiedene Käferchen, nebenbei auch Pflanzentheilchen, welche wahrſcheinlich blos zufällig mit verſchluckt
werden, und Kieskörner, wie ſolche ſo viele Vögel freſſen, um ihre Verdauung zu befördern. Gloger
verſichert, daß der Waſſerſchwätzer im Winter auch kleine Muſcheln und junge Fiſchchen verzehre und davon
einen thranigen Geruch erhalte; andere Beobachter haben weder Fiſche noch Fiſchlaich in ſeinem Magen
gefunden; daß ihm jedoch Fiſchnahrung zuſagt, unterliegt keinem Zweifel. Die liebe Schuljugend
einer meinem heimatlichen Dorfe benachbarten Ortſchaft fütterte junge Waſſerſchwätzer im Neſte zu
ihrem beſondern Vergnügen mit kleinen, mühſelig gefangenen Fiſchchen und hatte die Freude zu erfahren,
daß die Jungen bei dieſer Nahrung ſehr wohl gediehen. Ein uns befreundeter Müller, deſſen Mühle
der Mittelpunkt des Gebietes eines Waſſerſchwätzerpaares iſt, beobachtete, daß unſere Vögel bei
ſtrenger Kälte das geronnene Fett, mit welchem die Zapfen der Mühlräder geſchmiert werden, ſehr
gern freſſen und angeſichts des Müllers keck mit dem Schnabel abpicken. Den größten Theil ſeiner
Nahrung läßt ſich der Waſſerſchwätzer von den ihm ſo befreundeten Wellen des Baches zuführen: er fängt
die herabſchwimmenden Nahrungsſtoffe einfach auf; eigentlichen Waſſerthieren hingegen jagt er eifrig nach.

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[820/0866] Die Fänger. Singvögel. Waſſerdroſſeln. in Acht. Aber derſelbe Vogel, welcher in der Sierra Nevada oder unter den Gletſchern der ſchweizer Alpen ebenſo ſcheu iſt, wie an Lapplands Gebirgswäſſern, gewöhnt ſich an das Treiben des Menſchen und wird ſogar ungemein zutraulich, ſobald er die feſte Ueberzeugung gewonnen hat, daß ihm keine Gefahr droht. Jn der Nähe der Mühlen iſt er ein ſehr regelmäßiger Gaſt, welcher in dem Müller und ſeinen Knappen nur gute Freunde ſieht. Er kann ſich aber auch inmitten der Dorfſchaften ſehr ſicher fühlen. So beobachtete Homeyer ein Waſſerſchwätzerpärchen mitten in der Stadt Baden- Baden, unmittelbar vor den belebteſten Gaſthäuſern, welches ohne Bedenken vor den Augen der Badegäſte ſeine Taucherkünſte trieb, weil es erfahrungsmäßig wußte, daß es Dies hier unbeſorgt thun durfte. Nach Art ſo vieler anderer Fiſcher liebt der Waſſerſchwätzer die Geſellſchaft Seinesgleichen durch- aus nicht. Blos während der Brutzeit ſieht man die Paare im innigen Verbande, und nur, ſo lange die Jungen der elterlichen Führung bedürftig ſind, die Familien zuſammen; in allen übrigen Ab- ſchnitten des Jahres lebt jeder Waſſerſchwätzer mehr oder weniger für ſich, obgleich die Gatten eines Paares wiederholt ſich beſuchen. Wagt ſich ein Nachbar in das von einem Pärchen beſetzte Gebiet, ſo gibt es eine heftige Jagd, und der rechtmäßige Eigenthümer vertreibt den aufdringlichen Gaſt uner- bittlich. Sogar die eigenen Kinder werden, ſobald ſie ſelbſtändig geworden ſind, rückſichtslos in die weite Welt hinausgeſtoßen, und man begreift nicht, wie es ihnen möglich wird, ſich eine eigene Heimat zu erwerben. Um fremdartige Vögel bekümmert ſich der Waſſerſchwätzer nicht, er betrachtet ſie aber, wie es ſcheint, weniger mit Freundſchaft als vielmehr mit Gleichgiltigkeit. Die Bachſtelzen und der Eisvogel ſind ſehr häufig von ihm geduldete Bewohner eines und deſſelben Gebiets. Die Stimme, welche man gewöhnlich und regelmäßig dann, wenn er aufgejagt wird, von ihm vernimmt, iſt ein wie „Zerr‟ oder „Zerb‟ klingender Laut; der Geſang des Männchens iſt ein leiſes, aber höchſt anmuthendes Geſchwätz. Er beſteht aus leiſe vorgetragenen, ſchnurrenden und lauter vernehmlichen, ſchnalzenden Lauten. Die erſteren erinnern vielfach an einzelne Theile des Blaukehlchengeſanges, die andern an das Schnalzen des Steinſchmätzers. Beſonders eifrig ſingt der Vogel an heiteren Frühlingstagen und zumal in den Morgenſtunden; aber der ewig heitere und fröhliche Geſell läßt ſich auch von der größten Kälte nicht beirren: er ſingt, ſo lange der Himmel blau iſt. „Es iſt‟, ſagt Schinz, „eine ganz eigene Erſcheinung, im Januar bei der ſtrengſten Kälte, oft mitten auf dem Eiſe, auf einem Pfahle oder Stein ſitzend, den Geſang dieſes Vogels zu hören, während die ganze Natur erſtarrt ſcheint‟, und es iſt, füge ich hinzu, ein wahrhaft erhebendes Schau- ſpiel für den Kundigen, welcher den muntern Sänger aufgefunden, wenn er gewahrt, daß dieſer, nach- dem er ſein Lied beendet, ſich heiteren Muths in die eiſigen Fluthen ſtürzt, in ihnen ſich badet und in ihnen umherläuft oder ſchwimmt, als gäbe es für ihn keinen Winter und keine Kälte. Die Nahrung beſteht faſt ausſchließlich aus Kerbthieren und deren Larven. Mein Vater fand in dem Magen der von ihm unterſuchten Waſſerſchwätzer Mücken, Waſſermotten, Hafte und ver- ſchiedene Käferchen, nebenbei auch Pflanzentheilchen, welche wahrſcheinlich blos zufällig mit verſchluckt werden, und Kieskörner, wie ſolche ſo viele Vögel freſſen, um ihre Verdauung zu befördern. Gloger verſichert, daß der Waſſerſchwätzer im Winter auch kleine Muſcheln und junge Fiſchchen verzehre und davon einen thranigen Geruch erhalte; andere Beobachter haben weder Fiſche noch Fiſchlaich in ſeinem Magen gefunden; daß ihm jedoch Fiſchnahrung zuſagt, unterliegt keinem Zweifel. Die liebe Schuljugend einer meinem heimatlichen Dorfe benachbarten Ortſchaft fütterte junge Waſſerſchwätzer im Neſte zu ihrem beſondern Vergnügen mit kleinen, mühſelig gefangenen Fiſchchen und hatte die Freude zu erfahren, daß die Jungen bei dieſer Nahrung ſehr wohl gediehen. Ein uns befreundeter Müller, deſſen Mühle der Mittelpunkt des Gebietes eines Waſſerſchwätzerpaares iſt, beobachtete, daß unſere Vögel bei ſtrenger Kälte das geronnene Fett, mit welchem die Zapfen der Mühlräder geſchmiert werden, ſehr gern freſſen und angeſichts des Müllers keck mit dem Schnabel abpicken. Den größten Theil ſeiner Nahrung läßt ſich der Waſſerſchwätzer von den ihm ſo befreundeten Wellen des Baches zuführen: er fängt die herabſchwimmenden Nahrungsſtoffe einfach auf; eigentlichen Waſſerthieren hingegen jagt er eifrig nach.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/866>, abgerufen am 22.11.2024.