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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Knacker. Die Papageien. Sittiche.

"Mein Vater", erzählt Neubert, ein sehr kenntnißreicher Vogelzüchter, "besaß ein Paar Buntsittiche,
welche stets außerordentlich munter waren und sich äußerst zärtlich gegen einander benahmen. Der
eine war um ein wenig größer, als der andere, aber in der Färbung viel schöner; denn was bei dem
kleineren gelb und orange war, das war bei dem größeren orange und feuerroth, und so durchgängig
in den verschiedenen Farben, welche diese Art schmücken. Diesen Umständen zufolge wurden unsere
Vögel von Allen für Männchen und Weibchen gehalten, und solcher Glaube wurde noch dadurch be-
stärkt, daß sie auf einmal ein Benehmen und Gebahren gegen einander zeigten, wie es nur bei der
Paarung der Vögel gewöhnlich ist. Nach einiger Zeit machte sich der kleinere, welchen wir kurzweg
das Weibchen nennen wollen, viel auf dem Boden des Käfigs zu schaffen. Er zeigte sich traurig und
fraß sehr wenig, wurde aber von dem größeren, welchen wir das Männchen nennen wollen, häufig aus
dem Kropfe geäzt. Eines Morgens lag ein schönes weißes Ei in dem Käfig, welches das Weibchen
sehr sorgsam bewachte. Mein Vater befestigte schnell ein Weidenkörbchen in dem Käfig, füllte dasselbe
mit Neststoffen und legte das Ei darauf. Das Weibchen aber trug dieses wieder auf den Boden des
Käfigs, und deshalb wurden die Neststoffe dorthin gebracht, von den Vögeln jedoch noch immer nicht
benutzt. Hierauf stellten wir eine gewöhnliche Holzschachtel in den Käfig, in welchem seitwärts ein
Schlupfloch eingeschnitten war, füllten sie mit den Neststoffen und legten das Ei dahinein. Beide
Vögel schafften wiederum die Neststoffe aus der Schachtel, bereiteten sich dagegen durch Zernagen der
innern Wand derselben sehr feine Späne und benutzten diese als Unterlage für das Ei. Von jetzt
an kam das Weibchen selten aus der Schachtel hervor, umso öfter aber ging das Männchen zu ihm
hinein, um es zu äzen. Eines Morgens lag ein zweites Ei in der Schachtel, welches aber sichtbar
größer war, als das erste. Von da an blieb auch das Männchen im Neste und brütete gemeinschaft-
lich mit dem Weibchen auf den Eiern. Es folgten nun nach und nach mehrere Eier, von denen einige
größer waren, als die andern. Der Bruteifer steigerte sich von Tag zu Tag, und die Vögel kamen so
in Hitze, daß ihnen die Federn am Unterleibe ausgingen. Jm Verlauf der Zeit erschienen beide
kaum oder wenigstens höchst selten außerhalb, um zu fressen. Auf einmal bemerkte man, daß das
Weibchen todt war. Das Männchen setzte die Brut allein fort, starb aber nach einigen Tagen auch.
Die Eier wurden untersucht und zeigten sich unbefruchtet. Erst beim Ausstopfen der Vögel wurde
der Grund des Fehlschlagens gefunden: es ergab sich nämlich, daß beide Vögel Weibchen waren
und auch beide Eier gelegt hatten."

Englische und belgische Liebhaber haben neuerdings wiederholt Buntsittiche gezüchtet, und so
dürfen wir hoffen, den schönen Vogel bald häufiger bei uns zu sehen.



Die Hoffnungen, welche der Buntsittich bei allen Thierfreunden erweckt, hat der Wellensittich
(Melopsitt acus undulatus) bereits wiederholt erfüllt; denn er wird schon gegenwärtig in ziemlich be-
deutender Anzahl in den europäischen Thiergärten oder in den Zimmern der Liebhaber gezüchtet.
Schwerlich eignet sich auch ein Papagei in demselben Maße, wie er, zum Stubenvogel, und alle Be-
mühungen, welche man auf seine Pflege und Fortpflanzung verwendet, sind deshalb nicht nur erklär-
lich, sondern der vollsten und lebhaftesten Theilnahme und Nacheiferung werth. Andere Papageien
bestechen durch die Pracht ihrer Farben, der Wellensittich durch seine Anmuth und Liebenswürdigkeit,
ich möchte sagen, durch seinen Lie breiz. Schönheit besitzt auch er im hohen Grade; aber seine Liebens-
würdigkeit ist größer, als die Pracht seines Gefieders. Schon jetzt bildet dieser Vogel einen nicht
unwichtigen Gegenstand des Handels, schon gegenwärtig wird er alljährlich zu Taufenden eingeführt,
und der Bedarf steigert sich von Tag zu Tage, weil die Nachfrage immer größer wird. Es steht zu
hoffen, daß er mehr und mehr so manche andere Stubenvögel verdrängen und in eben demselben Grade
ein allgemeiner Liebling werden wird, als er jetzt bei Denen beliebt ist, welche ihn kennen. Jch meines-

Knacker. Die Papageien. Sittiche.

„Mein Vater‟, erzählt Neubert, ein ſehr kenntnißreicher Vogelzüchter, „beſaß ein Paar Buntſittiche,
welche ſtets außerordentlich munter waren und ſich äußerſt zärtlich gegen einander benahmen. Der
eine war um ein wenig größer, als der andere, aber in der Färbung viel ſchöner; denn was bei dem
kleineren gelb und orange war, das war bei dem größeren orange und feuerroth, und ſo durchgängig
in den verſchiedenen Farben, welche dieſe Art ſchmücken. Dieſen Umſtänden zufolge wurden unſere
Vögel von Allen für Männchen und Weibchen gehalten, und ſolcher Glaube wurde noch dadurch be-
ſtärkt, daß ſie auf einmal ein Benehmen und Gebahren gegen einander zeigten, wie es nur bei der
Paarung der Vögel gewöhnlich iſt. Nach einiger Zeit machte ſich der kleinere, welchen wir kurzweg
das Weibchen nennen wollen, viel auf dem Boden des Käfigs zu ſchaffen. Er zeigte ſich traurig und
fraß ſehr wenig, wurde aber von dem größeren, welchen wir das Männchen nennen wollen, häufig aus
dem Kropfe geäzt. Eines Morgens lag ein ſchönes weißes Ei in dem Käfig, welches das Weibchen
ſehr ſorgſam bewachte. Mein Vater befeſtigte ſchnell ein Weidenkörbchen in dem Käfig, füllte daſſelbe
mit Neſtſtoffen und legte das Ei darauf. Das Weibchen aber trug dieſes wieder auf den Boden des
Käfigs, und deshalb wurden die Neſtſtoffe dorthin gebracht, von den Vögeln jedoch noch immer nicht
benutzt. Hierauf ſtellten wir eine gewöhnliche Holzſchachtel in den Käfig, in welchem ſeitwärts ein
Schlupfloch eingeſchnitten war, füllten ſie mit den Neſtſtoffen und legten das Ei dahinein. Beide
Vögel ſchafften wiederum die Neſtſtoffe aus der Schachtel, bereiteten ſich dagegen durch Zernagen der
innern Wand derſelben ſehr feine Späne und benutzten dieſe als Unterlage für das Ei. Von jetzt
an kam das Weibchen ſelten aus der Schachtel hervor, umſo öfter aber ging das Männchen zu ihm
hinein, um es zu äzen. Eines Morgens lag ein zweites Ei in der Schachtel, welches aber ſichtbar
größer war, als das erſte. Von da an blieb auch das Männchen im Neſte und brütete gemeinſchaft-
lich mit dem Weibchen auf den Eiern. Es folgten nun nach und nach mehrere Eier, von denen einige
größer waren, als die andern. Der Bruteifer ſteigerte ſich von Tag zu Tag, und die Vögel kamen ſo
in Hitze, daß ihnen die Federn am Unterleibe ausgingen. Jm Verlauf der Zeit erſchienen beide
kaum oder wenigſtens höchſt ſelten außerhalb, um zu freſſen. Auf einmal bemerkte man, daß das
Weibchen todt war. Das Männchen ſetzte die Brut allein fort, ſtarb aber nach einigen Tagen auch.
Die Eier wurden unterſucht und zeigten ſich unbefruchtet. Erſt beim Ausſtopfen der Vögel wurde
der Grund des Fehlſchlagens gefunden: es ergab ſich nämlich, daß beide Vögel Weibchen waren
und auch beide Eier gelegt hatten.‟

Engliſche und belgiſche Liebhaber haben neuerdings wiederholt Buntſittiche gezüchtet, und ſo
dürfen wir hoffen, den ſchönen Vogel bald häufiger bei uns zu ſehen.



Die Hoffnungen, welche der Buntſittich bei allen Thierfreunden erweckt, hat der Wellenſittich
(Melopsitt acus undulatus) bereits wiederholt erfüllt; denn er wird ſchon gegenwärtig in ziemlich be-
deutender Anzahl in den europäiſchen Thiergärten oder in den Zimmern der Liebhaber gezüchtet.
Schwerlich eignet ſich auch ein Papagei in demſelben Maße, wie er, zum Stubenvogel, und alle Be-
mühungen, welche man auf ſeine Pflege und Fortpflanzung verwendet, ſind deshalb nicht nur erklär-
lich, ſondern der vollſten und lebhafteſten Theilnahme und Nacheiferung werth. Andere Papageien
beſtechen durch die Pracht ihrer Farben, der Wellenſittich durch ſeine Anmuth und Liebenswürdigkeit,
ich möchte ſagen, durch ſeinen Lie breiz. Schönheit beſitzt auch er im hohen Grade; aber ſeine Liebens-
würdigkeit iſt größer, als die Pracht ſeines Gefieders. Schon jetzt bildet dieſer Vogel einen nicht
unwichtigen Gegenſtand des Handels, ſchon gegenwärtig wird er alljährlich zu Taufenden eingeführt,
und der Bedarf ſteigert ſich von Tag zu Tage, weil die Nachfrage immer größer wird. Es ſteht zu
hoffen, daß er mehr und mehr ſo manche andere Stubenvögel verdrängen und in eben demſelben Grade
ein allgemeiner Liebling werden wird, als er jetzt bei Denen beliebt iſt, welche ihn kennen. Jch meines-

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[74/0090] Knacker. Die Papageien. Sittiche. „Mein Vater‟, erzählt Neubert, ein ſehr kenntnißreicher Vogelzüchter, „beſaß ein Paar Buntſittiche, welche ſtets außerordentlich munter waren und ſich äußerſt zärtlich gegen einander benahmen. Der eine war um ein wenig größer, als der andere, aber in der Färbung viel ſchöner; denn was bei dem kleineren gelb und orange war, das war bei dem größeren orange und feuerroth, und ſo durchgängig in den verſchiedenen Farben, welche dieſe Art ſchmücken. Dieſen Umſtänden zufolge wurden unſere Vögel von Allen für Männchen und Weibchen gehalten, und ſolcher Glaube wurde noch dadurch be- ſtärkt, daß ſie auf einmal ein Benehmen und Gebahren gegen einander zeigten, wie es nur bei der Paarung der Vögel gewöhnlich iſt. Nach einiger Zeit machte ſich der kleinere, welchen wir kurzweg das Weibchen nennen wollen, viel auf dem Boden des Käfigs zu ſchaffen. Er zeigte ſich traurig und fraß ſehr wenig, wurde aber von dem größeren, welchen wir das Männchen nennen wollen, häufig aus dem Kropfe geäzt. Eines Morgens lag ein ſchönes weißes Ei in dem Käfig, welches das Weibchen ſehr ſorgſam bewachte. Mein Vater befeſtigte ſchnell ein Weidenkörbchen in dem Käfig, füllte daſſelbe mit Neſtſtoffen und legte das Ei darauf. Das Weibchen aber trug dieſes wieder auf den Boden des Käfigs, und deshalb wurden die Neſtſtoffe dorthin gebracht, von den Vögeln jedoch noch immer nicht benutzt. Hierauf ſtellten wir eine gewöhnliche Holzſchachtel in den Käfig, in welchem ſeitwärts ein Schlupfloch eingeſchnitten war, füllten ſie mit den Neſtſtoffen und legten das Ei dahinein. Beide Vögel ſchafften wiederum die Neſtſtoffe aus der Schachtel, bereiteten ſich dagegen durch Zernagen der innern Wand derſelben ſehr feine Späne und benutzten dieſe als Unterlage für das Ei. Von jetzt an kam das Weibchen ſelten aus der Schachtel hervor, umſo öfter aber ging das Männchen zu ihm hinein, um es zu äzen. Eines Morgens lag ein zweites Ei in der Schachtel, welches aber ſichtbar größer war, als das erſte. Von da an blieb auch das Männchen im Neſte und brütete gemeinſchaft- lich mit dem Weibchen auf den Eiern. Es folgten nun nach und nach mehrere Eier, von denen einige größer waren, als die andern. Der Bruteifer ſteigerte ſich von Tag zu Tag, und die Vögel kamen ſo in Hitze, daß ihnen die Federn am Unterleibe ausgingen. Jm Verlauf der Zeit erſchienen beide kaum oder wenigſtens höchſt ſelten außerhalb, um zu freſſen. Auf einmal bemerkte man, daß das Weibchen todt war. Das Männchen ſetzte die Brut allein fort, ſtarb aber nach einigen Tagen auch. Die Eier wurden unterſucht und zeigten ſich unbefruchtet. Erſt beim Ausſtopfen der Vögel wurde der Grund des Fehlſchlagens gefunden: es ergab ſich nämlich, daß beide Vögel Weibchen waren und auch beide Eier gelegt hatten.‟ Engliſche und belgiſche Liebhaber haben neuerdings wiederholt Buntſittiche gezüchtet, und ſo dürfen wir hoffen, den ſchönen Vogel bald häufiger bei uns zu ſehen. Die Hoffnungen, welche der Buntſittich bei allen Thierfreunden erweckt, hat der Wellenſittich (Melopsitt acus undulatus) bereits wiederholt erfüllt; denn er wird ſchon gegenwärtig in ziemlich be- deutender Anzahl in den europäiſchen Thiergärten oder in den Zimmern der Liebhaber gezüchtet. Schwerlich eignet ſich auch ein Papagei in demſelben Maße, wie er, zum Stubenvogel, und alle Be- mühungen, welche man auf ſeine Pflege und Fortpflanzung verwendet, ſind deshalb nicht nur erklär- lich, ſondern der vollſten und lebhafteſten Theilnahme und Nacheiferung werth. Andere Papageien beſtechen durch die Pracht ihrer Farben, der Wellenſittich durch ſeine Anmuth und Liebenswürdigkeit, ich möchte ſagen, durch ſeinen Lie breiz. Schönheit beſitzt auch er im hohen Grade; aber ſeine Liebens- würdigkeit iſt größer, als die Pracht ſeines Gefieders. Schon jetzt bildet dieſer Vogel einen nicht unwichtigen Gegenſtand des Handels, ſchon gegenwärtig wird er alljährlich zu Taufenden eingeführt, und der Bedarf ſteigert ſich von Tag zu Tage, weil die Nachfrage immer größer wird. Es ſteht zu hoffen, daß er mehr und mehr ſo manche andere Stubenvögel verdrängen und in eben demſelben Grade ein allgemeiner Liebling werden wird, als er jetzt bei Denen beliebt iſt, welche ihn kennen. Jch meines-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/90>, abgerufen am 23.11.2024.