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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Zaunkönig.
Fleckung kennzeichnet und von meinem Vater zu Ehren Naumann's benannt worden ist (Trog-
lodytes Naumanni
). Daß der Zaunkönig auch in Nordwestafrika und in Kleinasien vorkommt, unterliegt
keinem Zweifel; im übrigen Asien hingegen scheint er zu fehlen; in Jndien wird er durch nah verwandte
Arten vertreten. Jn Deutschland gibt es keine Gegend, keinen Gau, in welchem er nicht beobachtet
worden wäre, und an geeigneten Orten ist er überall häufig. Er bewohnt die verschiedensten Oertlich-
keiten, am liebsten aber doch Thäler, deren Wände mit Gebüsch bedeckt sind und in deren Grunde ein
Wässerchen fließt. Nach Art seiner Familie kommt er bis in die Dörfer und selbst in die Gärten der
Städte herein und siedelt sich in unmittelbarer Nähe der Wohnungen an, falls es hier dichte Gebüsche,
Hecken oder wenigstens größere Haufen dürren Reisholzes gibt.

Wer gewohnt ist, auf die Vögel seiner Heimat zu achten, kann den Zaunkönig weder übersehen,
noch überhören; denn dieser macht sich überall und immer bemerklich. Auf höheren Bäumen sieht man

[Abbildung] Der Zaunkönig (Troglodytes parvulus).
ihn selten, regelmäßig vielmehr nah am Boden das Gestrüpp durchkriechend, alle Winkel, Höhlungen
durchspähend, meist über den Boden dahinhüpfend oder von einem Busche zum andern fliegend, von
Zeit zu Zeit aber auf einem höheren Punkte erscheinen und scheinbar mit Selbstbefriedigung sich zeigen.
"An Munterkeit und froher Laune", sagt Naumann, "an Geschicklichkeit und Schnelle im Durch-
schlüpfen des Gestrüpps und an einer gewissen Keckheit im Benehmen übertrifft der Zaunschlüpfer die
meisten deutschen Vögel. Seine Keckheit ist jedoch ganz eigener Art; sie verschwindet bei dem
geringsten Anschein von Gefahr und verwandelt sich plötzlich in grenzenlose Furcht, kehrt aber bald
wieder. Seine fröhliche Stimmung verläßt ihn selten. Jmmer hüpft er so keck einher, als wenn er
an Allem Ueberfluß hätte, selbst mitten im Winter, wenn es nicht allzusehr stürmt oder wenn die
Sonne wenigstens dann und wann durch die Wolken bricht. Wenn selbst die treuesten aller Stand-
vögel, unsere Sperlinge, unzufrieden mit zu strenger Kälte, ihr Gefieder sträuben und ihr trauriges
Aussehen Mißmuth und großes Unbehagen verräth, so ist der Zaunschlüpfer doch noch fröhlich und

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Zaunkönig.
Fleckung kennzeichnet und von meinem Vater zu Ehren Naumann’s benannt worden iſt (Trog-
lodytes Naumanni
). Daß der Zaunkönig auch in Nordweſtafrika und in Kleinaſien vorkommt, unterliegt
keinem Zweifel; im übrigen Aſien hingegen ſcheint er zu fehlen; in Jndien wird er durch nah verwandte
Arten vertreten. Jn Deutſchland gibt es keine Gegend, keinen Gau, in welchem er nicht beobachtet
worden wäre, und an geeigneten Orten iſt er überall häufig. Er bewohnt die verſchiedenſten Oertlich-
keiten, am liebſten aber doch Thäler, deren Wände mit Gebüſch bedeckt ſind und in deren Grunde ein
Wäſſerchen fließt. Nach Art ſeiner Familie kommt er bis in die Dörfer und ſelbſt in die Gärten der
Städte herein und ſiedelt ſich in unmittelbarer Nähe der Wohnungen an, falls es hier dichte Gebüſche,
Hecken oder wenigſtens größere Haufen dürren Reisholzes gibt.

Wer gewohnt iſt, auf die Vögel ſeiner Heimat zu achten, kann den Zaunkönig weder überſehen,
noch überhören; denn dieſer macht ſich überall und immer bemerklich. Auf höheren Bäumen ſieht man

[Abbildung] Der Zaunkönig (Troglodytes parvulus).
ihn ſelten, regelmäßig vielmehr nah am Boden das Geſtrüpp durchkriechend, alle Winkel, Höhlungen
durchſpähend, meiſt über den Boden dahinhüpfend oder von einem Buſche zum andern fliegend, von
Zeit zu Zeit aber auf einem höheren Punkte erſcheinen und ſcheinbar mit Selbſtbefriedigung ſich zeigen.
„An Munterkeit und froher Laune‟, ſagt Naumann, „an Geſchicklichkeit und Schnelle im Durch-
ſchlüpfen des Geſtrüpps und an einer gewiſſen Keckheit im Benehmen übertrifft der Zaunſchlüpfer die
meiſten deutſchen Vögel. Seine Keckheit iſt jedoch ganz eigener Art; ſie verſchwindet bei dem
geringſten Anſchein von Gefahr und verwandelt ſich plötzlich in grenzenloſe Furcht, kehrt aber bald
wieder. Seine fröhliche Stimmung verläßt ihn ſelten. Jmmer hüpft er ſo keck einher, als wenn er
an Allem Ueberfluß hätte, ſelbſt mitten im Winter, wenn es nicht allzuſehr ſtürmt oder wenn die
Sonne wenigſtens dann und wann durch die Wolken bricht. Wenn ſelbſt die treueſten aller Stand-
vögel, unſere Sperlinge, unzufrieden mit zu ſtrenger Kälte, ihr Gefieder ſträuben und ihr trauriges
Ausſehen Mißmuth und großes Unbehagen verräth, ſo iſt der Zaunſchlüpfer doch noch fröhlich und

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[883/0931] Zaunkönig. Fleckung kennzeichnet und von meinem Vater zu Ehren Naumann’s benannt worden iſt (Trog- lodytes Naumanni). Daß der Zaunkönig auch in Nordweſtafrika und in Kleinaſien vorkommt, unterliegt keinem Zweifel; im übrigen Aſien hingegen ſcheint er zu fehlen; in Jndien wird er durch nah verwandte Arten vertreten. Jn Deutſchland gibt es keine Gegend, keinen Gau, in welchem er nicht beobachtet worden wäre, und an geeigneten Orten iſt er überall häufig. Er bewohnt die verſchiedenſten Oertlich- keiten, am liebſten aber doch Thäler, deren Wände mit Gebüſch bedeckt ſind und in deren Grunde ein Wäſſerchen fließt. Nach Art ſeiner Familie kommt er bis in die Dörfer und ſelbſt in die Gärten der Städte herein und ſiedelt ſich in unmittelbarer Nähe der Wohnungen an, falls es hier dichte Gebüſche, Hecken oder wenigſtens größere Haufen dürren Reisholzes gibt. Wer gewohnt iſt, auf die Vögel ſeiner Heimat zu achten, kann den Zaunkönig weder überſehen, noch überhören; denn dieſer macht ſich überall und immer bemerklich. Auf höheren Bäumen ſieht man [Abbildung Der Zaunkönig (Troglodytes parvulus).] ihn ſelten, regelmäßig vielmehr nah am Boden das Geſtrüpp durchkriechend, alle Winkel, Höhlungen durchſpähend, meiſt über den Boden dahinhüpfend oder von einem Buſche zum andern fliegend, von Zeit zu Zeit aber auf einem höheren Punkte erſcheinen und ſcheinbar mit Selbſtbefriedigung ſich zeigen. „An Munterkeit und froher Laune‟, ſagt Naumann, „an Geſchicklichkeit und Schnelle im Durch- ſchlüpfen des Geſtrüpps und an einer gewiſſen Keckheit im Benehmen übertrifft der Zaunſchlüpfer die meiſten deutſchen Vögel. Seine Keckheit iſt jedoch ganz eigener Art; ſie verſchwindet bei dem geringſten Anſchein von Gefahr und verwandelt ſich plötzlich in grenzenloſe Furcht, kehrt aber bald wieder. Seine fröhliche Stimmung verläßt ihn ſelten. Jmmer hüpft er ſo keck einher, als wenn er an Allem Ueberfluß hätte, ſelbſt mitten im Winter, wenn es nicht allzuſehr ſtürmt oder wenn die Sonne wenigſtens dann und wann durch die Wolken bricht. Wenn ſelbſt die treueſten aller Stand- vögel, unſere Sperlinge, unzufrieden mit zu ſtrenger Kälte, ihr Gefieder ſträuben und ihr trauriges Ausſehen Mißmuth und großes Unbehagen verräth, ſo iſt der Zaunſchlüpfer doch noch fröhlich und 56*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 883. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/931>, abgerufen am 22.11.2024.