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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Bachstelze. Dobin.
viel zu langsam, als daß er eine Bachstelze im Fluge fängt. Wenn ein Schwarm dieser Vögel einen
Raubvogel in die Luft geschlagen hat, dann ertönt ein lautes Freudengeschrei, und mit diesem zer-
streuen sie sich wieder. Auch gegen den Uhu sind sie feindselig; sie fliegen auf der Krähenhütte um
ihn herum und schreien stark; doch zerstreuen sie sich bald, weil der Uhu nicht auffliegt."

Kerbthiere aller Art, deren Larven und Puppen sind die Beute, welcher die Bachstelze nachjagt.
Sie sucht ihre Nahrung an den Ufern der Gewässer, vom Schlamm, von Steinen, von Miststätten,
von Hausdächern und anderen Plätzen ab, stürzt sich blitzschnell auf die erspäheten Thiere und ergreift
sie mit unfehlbarer Sicherheit. Dem Ackermann folgt sie beim Flügen nach und liest hinter ihm die
zu Tage gebrachten Kerfe auf; bei den Viehherden stellt sie sich regelmäßig ein und bei Schafhürden
verweilt sie oft tagelang. Auch fliegenden Kerbthieren jagt sie nach: "wenn sie an den Bächen oder
sonstwo auf der Erde herumläuft, richtet sie ihre Augen nach allen Seiten. Kommt ein Kerbthier
vorbeigestrichen, dann fliegt sie sogleich in die Höhe, vertolgt es und schnappt es fast immer weg."

Wenn im Frühjahr der Schnee schmilzt, stellt sich die Stelze zuerst einzeln ein; diesen Vor-
läufern aber folgt das eigentliche Wanderheer in größeren Abtheilungen, ihrer vierzig bis funfzig
zusammen, bis endlich alle wieder eingetroffen sind. Nun erwählt sich jedes Paar sein Gebiet, nie-
mals ohne Kampf und Streit mit andern derselben Art. Paare, welche sich schon früher vermählt
hatten, scheinen sich wiederum zu vereinigen; aber auch sie haben manchen Kampf zu bestehen: denn
jedes unbeweibte Männchen sucht dem andern die Gattin abspenstig zu machen. Dann gibt es ernste
Raufereien. Die beiden Nebenbuhler fliegen mit starkem Geschrei, ähnlich jenem Kampfesruf,
den sie bei Verfolgung eines Raubvogels ausstoßen, hinter einander her, fassen zeitweilig festen
Fuß auf dem Boden, stellen sich kampfgerüstet einander gegenüber und fahren nun wie erboste
Hähne ingrimmig auf einander los. Einer der Zweikämpter muß weichen, früher oder später; jeden-
falls endet der Kampf nicht eher, als bis er sich entiernt hat. Jetzt ändert der Sieger sein Benehmen.
Er sucht seine Freude über den Besitz "des neu erkämpften Weibes" an den Tag zu legen. Jn
ungemein zierlicher und anmuthiger Weise umgeht er das Weibchen, breitet abwechselnd die Flügel und
den Schwanz und bewegt erstere wiederholt in eigenthümlich zitternder Weise. Auf dieses Liebes-
spiel folgt regelmäßig die Paarung. Das Nest steht an den allerverschiedensten Plätzen, wo sich eine
passende Höhlung dafür findet: in Felsritzen, Mauerspalten, Erdlöchern, unter Baumgewürzel, auf
Dachbalken, im Hausgiebel, in Holzklaftern, in Reisighaufen, in Baumhöhlungen, auf Weidenköpfen etc.
Grobe Würzelchen, Reiser, Grasstengel, dürre Blätter, Mos, Holzstückchen, Grasstöcke, Stroh-
halme u. s. w. bilden den Unterbau, zartere Halme, lange Grasblätter und feine Würzelchen die
zweite Lage, Wollklümpchen, Kälber- und Pferdehaare, Werg, Flachsfasern, Fichtenflechten und
andere weiche Stoffe die innere Ausfütterung. Das Gelege der ersten Brut besteht aus sechs bis
acht, das der zweiten aus vier bis sechs Eiern, welche auf grau- oder bläulichweißem Grunde mit
dunkel- oder hellaschgrauen, deutlichen oder verwaschenen Punkten und Strichelchen dicht, aber fein
gezeichnet sind. Das Weibchen brütet allein, beide Eltern aber nehmen an der Erziehung der Jungen
Theil. Das erste Gelege ist im April, das zweite im Juni vollzählig. Die Jungen wachsen rasch
heran und werden bald von den Eltern verlassen, die der ersten Brut vereinigen sich jedoch später mit
ihren nachgebornen Geschwistern und den Alten zu Gesellschaften, welche nunmehr bis zur Abreise in
mehr oder weniger innigem Verbande leben. Jm Herbste ziehen diese Familien allabendlich den
Rohrteichen zu und suchen sich hier zwischen Schwalben und Staaren ein Plätzchen zum Schlafen.
Jm Spätherbst schlagen sich die Gesellschaften zu Herden zusammen, und diese streichen nun während
des Tages von einer Viehtrift oder einem frisch gepflügten Acker zum andern, immer in der Reise-
richtung weiter, bis die Dunkelheit einbricht. Dann erhebt sich der ganze Schwarm und fliegt unter
lautem Rufen südwestlich dahin.

Der südasiatische Vertreter der Stelze ist der Dobin der Jndier (Motacilla dukhunensis).
Jm Sommergefieder sind die Rücken- und Schulterfedern blaßgrau, der Hinterkopf, Nacken, die

Bachſtelze. Dobin.
viel zu langſam, als daß er eine Bachſtelze im Fluge fängt. Wenn ein Schwarm dieſer Vögel einen
Raubvogel in die Luft geſchlagen hat, dann ertönt ein lautes Freudengeſchrei, und mit dieſem zer-
ſtreuen ſie ſich wieder. Auch gegen den Uhu ſind ſie feindſelig; ſie fliegen auf der Krähenhütte um
ihn herum und ſchreien ſtark; doch zerſtreuen ſie ſich bald, weil der Uhu nicht auffliegt.‟

Kerbthiere aller Art, deren Larven und Puppen ſind die Beute, welcher die Bachſtelze nachjagt.
Sie ſucht ihre Nahrung an den Ufern der Gewäſſer, vom Schlamm, von Steinen, von Miſtſtätten,
von Hausdächern und anderen Plätzen ab, ſtürzt ſich blitzſchnell auf die erſpäheten Thiere und ergreift
ſie mit unfehlbarer Sicherheit. Dem Ackermann folgt ſie beim Flügen nach und lieſt hinter ihm die
zu Tage gebrachten Kerfe auf; bei den Viehherden ſtellt ſie ſich regelmäßig ein und bei Schafhürden
verweilt ſie oft tagelang. Auch fliegenden Kerbthieren jagt ſie nach: „wenn ſie an den Bächen oder
ſonſtwo auf der Erde herumläuft, richtet ſie ihre Augen nach allen Seiten. Kommt ein Kerbthier
vorbeigeſtrichen, dann fliegt ſie ſogleich in die Höhe, vertolgt es und ſchnappt es faſt immer weg.‟

Wenn im Frühjahr der Schnee ſchmilzt, ſtellt ſich die Stelze zuerſt einzeln ein; dieſen Vor-
läufern aber folgt das eigentliche Wanderheer in größeren Abtheilungen, ihrer vierzig bis funfzig
zuſammen, bis endlich alle wieder eingetroffen ſind. Nun erwählt ſich jedes Paar ſein Gebiet, nie-
mals ohne Kampf und Streit mit andern derſelben Art. Paare, welche ſich ſchon früher vermählt
hatten, ſcheinen ſich wiederum zu vereinigen; aber auch ſie haben manchen Kampf zu beſtehen: denn
jedes unbeweibte Männchen ſucht dem andern die Gattin abſpenſtig zu machen. Dann gibt es ernſte
Raufereien. Die beiden Nebenbuhler fliegen mit ſtarkem Geſchrei, ähnlich jenem Kampfesruf,
den ſie bei Verfolgung eines Raubvogels ausſtoßen, hinter einander her, faſſen zeitweilig feſten
Fuß auf dem Boden, ſtellen ſich kampfgerüſtet einander gegenüber und fahren nun wie erboſte
Hähne ingrimmig auf einander los. Einer der Zweikämpter muß weichen, früher oder ſpäter; jeden-
falls endet der Kampf nicht eher, als bis er ſich entiernt hat. Jetzt ändert der Sieger ſein Benehmen.
Er ſucht ſeine Freude über den Beſitz „des neu erkämpften Weibes‟ an den Tag zu legen. Jn
ungemein zierlicher und anmuthiger Weiſe umgeht er das Weibchen, breitet abwechſelnd die Flügel und
den Schwanz und bewegt erſtere wiederholt in eigenthümlich zitternder Weiſe. Auf dieſes Liebes-
ſpiel folgt regelmäßig die Paarung. Das Neſt ſteht an den allerverſchiedenſten Plätzen, wo ſich eine
paſſende Höhlung dafür findet: in Felsritzen, Mauerſpalten, Erdlöchern, unter Baumgewürzel, auf
Dachbalken, im Hausgiebel, in Holzklaftern, in Reiſighaufen, in Baumhöhlungen, auf Weidenköpfen ꝛc.
Grobe Würzelchen, Reiſer, Grasſtengel, dürre Blätter, Mos, Holzſtückchen, Grasſtöcke, Stroh-
halme u. ſ. w. bilden den Unterbau, zartere Halme, lange Grasblätter und feine Würzelchen die
zweite Lage, Wollklümpchen, Kälber- und Pferdehaare, Werg, Flachsfaſern, Fichtenflechten und
andere weiche Stoffe die innere Ausfütterung. Das Gelege der erſten Brut beſteht aus ſechs bis
acht, das der zweiten aus vier bis ſechs Eiern, welche auf grau- oder bläulichweißem Grunde mit
dunkel- oder hellaſchgrauen, deutlichen oder verwaſchenen Punkten und Strichelchen dicht, aber fein
gezeichnet ſind. Das Weibchen brütet allein, beide Eltern aber nehmen an der Erziehung der Jungen
Theil. Das erſte Gelege iſt im April, das zweite im Juni vollzählig. Die Jungen wachſen raſch
heran und werden bald von den Eltern verlaſſen, die der erſten Brut vereinigen ſich jedoch ſpäter mit
ihren nachgebornen Geſchwiſtern und den Alten zu Geſellſchaften, welche nunmehr bis zur Abreiſe in
mehr oder weniger innigem Verbande leben. Jm Herbſte ziehen dieſe Familien allabendlich den
Rohrteichen zu und ſuchen ſich hier zwiſchen Schwalben und Staaren ein Plätzchen zum Schlafen.
Jm Spätherbſt ſchlagen ſich die Geſellſchaften zu Herden zuſammen, und dieſe ſtreichen nun während
des Tages von einer Viehtrift oder einem friſch gepflügten Acker zum andern, immer in der Reiſe-
richtung weiter, bis die Dunkelheit einbricht. Dann erhebt ſich der ganze Schwarm und fliegt unter
lautem Rufen ſüdweſtlich dahin.

Der ſüdaſiatiſche Vertreter der Stelze iſt der Dobin der Jndier (Motacilla dukhunensis).
Jm Sommergefieder ſind die Rücken- und Schulterfedern blaßgrau, der Hinterkopf, Nacken, die

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[901/0949] Bachſtelze. Dobin. viel zu langſam, als daß er eine Bachſtelze im Fluge fängt. Wenn ein Schwarm dieſer Vögel einen Raubvogel in die Luft geſchlagen hat, dann ertönt ein lautes Freudengeſchrei, und mit dieſem zer- ſtreuen ſie ſich wieder. Auch gegen den Uhu ſind ſie feindſelig; ſie fliegen auf der Krähenhütte um ihn herum und ſchreien ſtark; doch zerſtreuen ſie ſich bald, weil der Uhu nicht auffliegt.‟ Kerbthiere aller Art, deren Larven und Puppen ſind die Beute, welcher die Bachſtelze nachjagt. Sie ſucht ihre Nahrung an den Ufern der Gewäſſer, vom Schlamm, von Steinen, von Miſtſtätten, von Hausdächern und anderen Plätzen ab, ſtürzt ſich blitzſchnell auf die erſpäheten Thiere und ergreift ſie mit unfehlbarer Sicherheit. Dem Ackermann folgt ſie beim Flügen nach und lieſt hinter ihm die zu Tage gebrachten Kerfe auf; bei den Viehherden ſtellt ſie ſich regelmäßig ein und bei Schafhürden verweilt ſie oft tagelang. Auch fliegenden Kerbthieren jagt ſie nach: „wenn ſie an den Bächen oder ſonſtwo auf der Erde herumläuft, richtet ſie ihre Augen nach allen Seiten. Kommt ein Kerbthier vorbeigeſtrichen, dann fliegt ſie ſogleich in die Höhe, vertolgt es und ſchnappt es faſt immer weg.‟ Wenn im Frühjahr der Schnee ſchmilzt, ſtellt ſich die Stelze zuerſt einzeln ein; dieſen Vor- läufern aber folgt das eigentliche Wanderheer in größeren Abtheilungen, ihrer vierzig bis funfzig zuſammen, bis endlich alle wieder eingetroffen ſind. Nun erwählt ſich jedes Paar ſein Gebiet, nie- mals ohne Kampf und Streit mit andern derſelben Art. Paare, welche ſich ſchon früher vermählt hatten, ſcheinen ſich wiederum zu vereinigen; aber auch ſie haben manchen Kampf zu beſtehen: denn jedes unbeweibte Männchen ſucht dem andern die Gattin abſpenſtig zu machen. Dann gibt es ernſte Raufereien. Die beiden Nebenbuhler fliegen mit ſtarkem Geſchrei, ähnlich jenem Kampfesruf, den ſie bei Verfolgung eines Raubvogels ausſtoßen, hinter einander her, faſſen zeitweilig feſten Fuß auf dem Boden, ſtellen ſich kampfgerüſtet einander gegenüber und fahren nun wie erboſte Hähne ingrimmig auf einander los. Einer der Zweikämpter muß weichen, früher oder ſpäter; jeden- falls endet der Kampf nicht eher, als bis er ſich entiernt hat. Jetzt ändert der Sieger ſein Benehmen. Er ſucht ſeine Freude über den Beſitz „des neu erkämpften Weibes‟ an den Tag zu legen. Jn ungemein zierlicher und anmuthiger Weiſe umgeht er das Weibchen, breitet abwechſelnd die Flügel und den Schwanz und bewegt erſtere wiederholt in eigenthümlich zitternder Weiſe. Auf dieſes Liebes- ſpiel folgt regelmäßig die Paarung. Das Neſt ſteht an den allerverſchiedenſten Plätzen, wo ſich eine paſſende Höhlung dafür findet: in Felsritzen, Mauerſpalten, Erdlöchern, unter Baumgewürzel, auf Dachbalken, im Hausgiebel, in Holzklaftern, in Reiſighaufen, in Baumhöhlungen, auf Weidenköpfen ꝛc. Grobe Würzelchen, Reiſer, Grasſtengel, dürre Blätter, Mos, Holzſtückchen, Grasſtöcke, Stroh- halme u. ſ. w. bilden den Unterbau, zartere Halme, lange Grasblätter und feine Würzelchen die zweite Lage, Wollklümpchen, Kälber- und Pferdehaare, Werg, Flachsfaſern, Fichtenflechten und andere weiche Stoffe die innere Ausfütterung. Das Gelege der erſten Brut beſteht aus ſechs bis acht, das der zweiten aus vier bis ſechs Eiern, welche auf grau- oder bläulichweißem Grunde mit dunkel- oder hellaſchgrauen, deutlichen oder verwaſchenen Punkten und Strichelchen dicht, aber fein gezeichnet ſind. Das Weibchen brütet allein, beide Eltern aber nehmen an der Erziehung der Jungen Theil. Das erſte Gelege iſt im April, das zweite im Juni vollzählig. Die Jungen wachſen raſch heran und werden bald von den Eltern verlaſſen, die der erſten Brut vereinigen ſich jedoch ſpäter mit ihren nachgebornen Geſchwiſtern und den Alten zu Geſellſchaften, welche nunmehr bis zur Abreiſe in mehr oder weniger innigem Verbande leben. Jm Herbſte ziehen dieſe Familien allabendlich den Rohrteichen zu und ſuchen ſich hier zwiſchen Schwalben und Staaren ein Plätzchen zum Schlafen. Jm Spätherbſt ſchlagen ſich die Geſellſchaften zu Herden zuſammen, und dieſe ſtreichen nun während des Tages von einer Viehtrift oder einem friſch gepflügten Acker zum andern, immer in der Reiſe- richtung weiter, bis die Dunkelheit einbricht. Dann erhebt ſich der ganze Schwarm und fliegt unter lautem Rufen ſüdweſtlich dahin. Der ſüdaſiatiſche Vertreter der Stelze iſt der Dobin der Jndier (Motacilla dukhunensis). Jm Sommergefieder ſind die Rücken- und Schulterfedern blaßgrau, der Hinterkopf, Nacken, die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/949>, abgerufen am 22.11.2024.