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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
deshalb merkwürdig, weil die Gebirgsstelze sehr häufig schon bei uns in Deutschland überwintert und
wenn sie wirklich wegzieht, höchstens bis Südeuropa wandert. Jn ganz Egypten und Nubien habe
ich während meines langjährigen Aufenthaltes nicht eine einzige Gebirgsstelze beobachtet, und deshalb
wollte ich meinen Augen kaum trauen, als ich den lieben Bekannten aus der Heimat an dem Bache
des Thales von Mensa wieder antraf. Jn Spanien fand ich die Gebirgsstelze sehr häufig auf der
Sierra Nevada; in Griechenland soll sie nach von der Mühle und Lindermayer's Beobachtungen
als Wintergast beobachtet, in Rumelien aber auch als Brutvogel entdeckt worden sein. Auf
den kanarischen Jnseln ist sie, nach Bolle, gemein. "Um die Lachen, zu denen der Bach des Thales
unter der sommerlichen Gluth zusammengeschrumpft ist", schildert dieser gemüthvolle Forscher, "über
feinen Kiessand, trippelt hurtig ein Pärchen der Gebirgsstelze. Wir erkennen sie wieder, die freundliche
Nachbarin der Forelle. Als wir Knaben waren und den Harzwald oder die Gebirge Schlesiens
durchwanderten, haben wir sie zuerst kennen gelernt. Sie flog damals von einem mosigen Steine zum
andern, und die Tanne spiegelte sich in dem schnell fließenden Gewässer, über das sie dahinstrich.
Nun ist es die Palme, die ihr Bild hineinwirft; nun streicht die Stelze über ein Geröhricht, dessen
riesenhafte Halme die Nähe des Wendekreises verrathen und über lichtgrün wallende Jgnamenblätter
hinweg... Hier auf den Jnseln erscheint sie freilich auch am zahlreichsten längs der Bäche, die im
Winter als angeschwollene Bergströme die Thäler durchfluthen und als donnernde Fälle in tiefe Fels-
kessel hinabstürzen, während sie im Sommer in der Regel zu einer Reihe unzusammenhängender
Tümpel, welche die tiefsten Stellen des Thalweges einnehmen, versiegt sind. Sie bedarf aber durch-
aus nicht immer des lebendig fließenden Elementes: eine einfache Cisterne oder ein Bewässerungsteich
reicht hin, sie an die Nähe des Hauses oder Gartens zu fesseln, dem diese angehören. Selbst bei fast
stets bedeckten Wasserbehältern liebt sie es, sich anzusiedeln, unstreitig durch die in der Luft verbreitete
größere Kühlung und das häufigere Erscheinen von geflügelten Kerfen angelockt. Sie scheut daher
auch die Nähe des Waldes durchaus nicht, im Gegentheil, keinen anderen Vogel sieht man hier
häufiger auf den Dächern der Ortschaften, als die Gebirgsstelzen." So ist es auch in Jndien, --
anders in Afrika. Hier fürchtet sie zwar die Nähe des Menschen nicht; da aber, wo sie am liebsten
wohnt, sieht sie vielleicht den Mantelpavian oder die Meerkatze, den Löwen oder den Leoparden, den
Schabrackenschakal oder die Hiäne, den gewandten Klippspringer oder den schweren Kudu, das wüste
Warzenschwein oder den gewaltigen Elefanten öfter, als den braunen Menschen. Jerdon sagt,
daß sie in Jndien Wintergast wäre, Ende Septembers erscheine und bis zur ersten Woche des Mai
im Lande verweile, besonders häufig aber im Norden Jndiens aufträte. Auch diese Beobachtung ist
auffallend, weil aus Deutschland die Stelze später wegzieht, als im September und früher ankommt,
als im Mai.

Man kann kaum einen netteren Vogel sehen, als die zierliche, anmuthige Gebirgsstelze.
Sie geht gleichsam geschürzt, längs dem Wasser dahin oder an seichten Stellen in dasselbe hinein,
hütet sich sorgfältig, irgend einen Theil ihres Leibes zu beschmuzen und wiegt sich beim Gehen,
wie eine Tänzerin. "Sie läuft", sagt mein Vater, "mit der größten Schnelligkeit nicht nur
an den Ufern, sondern auch in seichten Wässern, wenn es ihr nicht bis an die Fersen geht, in
Schleusen, auf den Dächern und auf nassen Wiesen herum, wobei sie den Körper und Schwanz wag-
recht, letzteren oft auch atwas aufrecht hält, um ihn sorgfältig vor Nässe zu bewahren. Sitzt sie aber
auf einem Baume, Wasserbette, Steine oder sonst auf einem erhöhten Gegenstande, so richtet sie ihren Leib
hoch auf und läßt ihren Schwanz schief herabhängen. Jhr Flug ist ziemlich schnell und leicht, absatz-
weise bogig, er geht oft lange Strecken in Einem fort. Jch erinnere mich, daß sie viertel- oder halbe-
stunden weit in einem Zuge an einem Bache hinflog, ohne sich niederzulassen. Sie thut Dies
besonders im Winter, weil sie in der rauhen Jahreszeit ihre Nahrung in einem größeren Gebiete
zusammensuchen muß. Jn der warmen Jahreszeit fliegt sie, wenn sie aufgescheucht wird, selten weit.
Sie ist sehr zutraulich, nistet bei den Häusern, oft in ihren Mauern, und läßt einen Menschen, der
sich nicht um sie bekümmert, nahe an sich vorübergehen, ohne zu entfliehen. Bemerkt sie aber, daß

Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
deshalb merkwürdig, weil die Gebirgsſtelze ſehr häufig ſchon bei uns in Deutſchland überwintert und
wenn ſie wirklich wegzieht, höchſtens bis Südeuropa wandert. Jn ganz Egypten und Nubien habe
ich während meines langjährigen Aufenthaltes nicht eine einzige Gebirgsſtelze beobachtet, und deshalb
wollte ich meinen Augen kaum trauen, als ich den lieben Bekannten aus der Heimat an dem Bache
des Thales von Menſa wieder antraf. Jn Spanien fand ich die Gebirgsſtelze ſehr häufig auf der
Sierra Nevada; in Griechenland ſoll ſie nach von der Mühle und Lindermayer’s Beobachtungen
als Wintergaſt beobachtet, in Rumelien aber auch als Brutvogel entdeckt worden ſein. Auf
den kanariſchen Jnſeln iſt ſie, nach Bolle, gemein. „Um die Lachen, zu denen der Bach des Thales
unter der ſommerlichen Gluth zuſammengeſchrumpft iſt‟, ſchildert dieſer gemüthvolle Forſcher, „über
feinen Kiesſand, trippelt hurtig ein Pärchen der Gebirgsſtelze. Wir erkennen ſie wieder, die freundliche
Nachbarin der Forelle. Als wir Knaben waren und den Harzwald oder die Gebirge Schleſiens
durchwanderten, haben wir ſie zuerſt kennen gelernt. Sie flog damals von einem moſigen Steine zum
andern, und die Tanne ſpiegelte ſich in dem ſchnell fließenden Gewäſſer, über das ſie dahinſtrich.
Nun iſt es die Palme, die ihr Bild hineinwirft; nun ſtreicht die Stelze über ein Geröhricht, deſſen
rieſenhafte Halme die Nähe des Wendekreiſes verrathen und über lichtgrün wallende Jgnamenblätter
hinweg… Hier auf den Jnſeln erſcheint ſie freilich auch am zahlreichſten längs der Bäche, die im
Winter als angeſchwollene Bergſtröme die Thäler durchfluthen und als donnernde Fälle in tiefe Fels-
keſſel hinabſtürzen, während ſie im Sommer in der Regel zu einer Reihe unzuſammenhängender
Tümpel, welche die tiefſten Stellen des Thalweges einnehmen, verſiegt ſind. Sie bedarf aber durch-
aus nicht immer des lebendig fließenden Elementes: eine einfache Ciſterne oder ein Bewäſſerungsteich
reicht hin, ſie an die Nähe des Hauſes oder Gartens zu feſſeln, dem dieſe angehören. Selbſt bei faſt
ſtets bedeckten Waſſerbehältern liebt ſie es, ſich anzuſiedeln, unſtreitig durch die in der Luft verbreitete
größere Kühlung und das häufigere Erſcheinen von geflügelten Kerfen angelockt. Sie ſcheut daher
auch die Nähe des Waldes durchaus nicht, im Gegentheil, keinen anderen Vogel ſieht man hier
häufiger auf den Dächern der Ortſchaften, als die Gebirgsſtelzen.‟ So iſt es auch in Jndien, —
anders in Afrika. Hier fürchtet ſie zwar die Nähe des Menſchen nicht; da aber, wo ſie am liebſten
wohnt, ſieht ſie vielleicht den Mantelpavian oder die Meerkatze, den Löwen oder den Leoparden, den
Schabrackenſchakal oder die Hiäne, den gewandten Klippſpringer oder den ſchweren Kudu, das wüſte
Warzenſchwein oder den gewaltigen Elefanten öfter, als den braunen Menſchen. Jerdon ſagt,
daß ſie in Jndien Wintergaſt wäre, Ende Septembers erſcheine und bis zur erſten Woche des Mai
im Lande verweile, beſonders häufig aber im Norden Jndiens aufträte. Auch dieſe Beobachtung iſt
auffallend, weil aus Deutſchland die Stelze ſpäter wegzieht, als im September und früher ankommt,
als im Mai.

Man kann kaum einen netteren Vogel ſehen, als die zierliche, anmuthige Gebirgsſtelze.
Sie geht gleichſam geſchürzt, längs dem Waſſer dahin oder an ſeichten Stellen in daſſelbe hinein,
hütet ſich ſorgfältig, irgend einen Theil ihres Leibes zu beſchmuzen und wiegt ſich beim Gehen,
wie eine Tänzerin. „Sie läuft‟, ſagt mein Vater, „mit der größten Schnelligkeit nicht nur
an den Ufern, ſondern auch in ſeichten Wäſſern, wenn es ihr nicht bis an die Ferſen geht, in
Schleuſen, auf den Dächern und auf naſſen Wieſen herum, wobei ſie den Körper und Schwanz wag-
recht, letzteren oft auch atwas aufrecht hält, um ihn ſorgfältig vor Näſſe zu bewahren. Sitzt ſie aber
auf einem Baume, Waſſerbette, Steine oder ſonſt auf einem erhöhten Gegenſtande, ſo richtet ſie ihren Leib
hoch auf und läßt ihren Schwanz ſchief herabhängen. Jhr Flug iſt ziemlich ſchnell und leicht, abſatz-
weiſe bogig, er geht oft lange Strecken in Einem fort. Jch erinnere mich, daß ſie viertel- oder halbe-
ſtunden weit in einem Zuge an einem Bache hinflog, ohne ſich niederzulaſſen. Sie thut Dies
beſonders im Winter, weil ſie in der rauhen Jahreszeit ihre Nahrung in einem größeren Gebiete
zuſammenſuchen muß. Jn der warmen Jahreszeit fliegt ſie, wenn ſie aufgeſcheucht wird, ſelten weit.
Sie iſt ſehr zutraulich, niſtet bei den Häuſern, oft in ihren Mauern, und läßt einen Menſchen, der
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[904/0952] Die Fänger. Singvögel. Stelzen. deshalb merkwürdig, weil die Gebirgsſtelze ſehr häufig ſchon bei uns in Deutſchland überwintert und wenn ſie wirklich wegzieht, höchſtens bis Südeuropa wandert. Jn ganz Egypten und Nubien habe ich während meines langjährigen Aufenthaltes nicht eine einzige Gebirgsſtelze beobachtet, und deshalb wollte ich meinen Augen kaum trauen, als ich den lieben Bekannten aus der Heimat an dem Bache des Thales von Menſa wieder antraf. Jn Spanien fand ich die Gebirgsſtelze ſehr häufig auf der Sierra Nevada; in Griechenland ſoll ſie nach von der Mühle und Lindermayer’s Beobachtungen als Wintergaſt beobachtet, in Rumelien aber auch als Brutvogel entdeckt worden ſein. Auf den kanariſchen Jnſeln iſt ſie, nach Bolle, gemein. „Um die Lachen, zu denen der Bach des Thales unter der ſommerlichen Gluth zuſammengeſchrumpft iſt‟, ſchildert dieſer gemüthvolle Forſcher, „über feinen Kiesſand, trippelt hurtig ein Pärchen der Gebirgsſtelze. Wir erkennen ſie wieder, die freundliche Nachbarin der Forelle. Als wir Knaben waren und den Harzwald oder die Gebirge Schleſiens durchwanderten, haben wir ſie zuerſt kennen gelernt. Sie flog damals von einem moſigen Steine zum andern, und die Tanne ſpiegelte ſich in dem ſchnell fließenden Gewäſſer, über das ſie dahinſtrich. Nun iſt es die Palme, die ihr Bild hineinwirft; nun ſtreicht die Stelze über ein Geröhricht, deſſen rieſenhafte Halme die Nähe des Wendekreiſes verrathen und über lichtgrün wallende Jgnamenblätter hinweg… Hier auf den Jnſeln erſcheint ſie freilich auch am zahlreichſten längs der Bäche, die im Winter als angeſchwollene Bergſtröme die Thäler durchfluthen und als donnernde Fälle in tiefe Fels- keſſel hinabſtürzen, während ſie im Sommer in der Regel zu einer Reihe unzuſammenhängender Tümpel, welche die tiefſten Stellen des Thalweges einnehmen, verſiegt ſind. Sie bedarf aber durch- aus nicht immer des lebendig fließenden Elementes: eine einfache Ciſterne oder ein Bewäſſerungsteich reicht hin, ſie an die Nähe des Hauſes oder Gartens zu feſſeln, dem dieſe angehören. Selbſt bei faſt ſtets bedeckten Waſſerbehältern liebt ſie es, ſich anzuſiedeln, unſtreitig durch die in der Luft verbreitete größere Kühlung und das häufigere Erſcheinen von geflügelten Kerfen angelockt. Sie ſcheut daher auch die Nähe des Waldes durchaus nicht, im Gegentheil, keinen anderen Vogel ſieht man hier häufiger auf den Dächern der Ortſchaften, als die Gebirgsſtelzen.‟ So iſt es auch in Jndien, — anders in Afrika. Hier fürchtet ſie zwar die Nähe des Menſchen nicht; da aber, wo ſie am liebſten wohnt, ſieht ſie vielleicht den Mantelpavian oder die Meerkatze, den Löwen oder den Leoparden, den Schabrackenſchakal oder die Hiäne, den gewandten Klippſpringer oder den ſchweren Kudu, das wüſte Warzenſchwein oder den gewaltigen Elefanten öfter, als den braunen Menſchen. Jerdon ſagt, daß ſie in Jndien Wintergaſt wäre, Ende Septembers erſcheine und bis zur erſten Woche des Mai im Lande verweile, beſonders häufig aber im Norden Jndiens aufträte. Auch dieſe Beobachtung iſt auffallend, weil aus Deutſchland die Stelze ſpäter wegzieht, als im September und früher ankommt, als im Mai. Man kann kaum einen netteren Vogel ſehen, als die zierliche, anmuthige Gebirgsſtelze. Sie geht gleichſam geſchürzt, längs dem Waſſer dahin oder an ſeichten Stellen in daſſelbe hinein, hütet ſich ſorgfältig, irgend einen Theil ihres Leibes zu beſchmuzen und wiegt ſich beim Gehen, wie eine Tänzerin. „Sie läuft‟, ſagt mein Vater, „mit der größten Schnelligkeit nicht nur an den Ufern, ſondern auch in ſeichten Wäſſern, wenn es ihr nicht bis an die Ferſen geht, in Schleuſen, auf den Dächern und auf naſſen Wieſen herum, wobei ſie den Körper und Schwanz wag- recht, letzteren oft auch atwas aufrecht hält, um ihn ſorgfältig vor Näſſe zu bewahren. Sitzt ſie aber auf einem Baume, Waſſerbette, Steine oder ſonſt auf einem erhöhten Gegenſtande, ſo richtet ſie ihren Leib hoch auf und läßt ihren Schwanz ſchief herabhängen. Jhr Flug iſt ziemlich ſchnell und leicht, abſatz- weiſe bogig, er geht oft lange Strecken in Einem fort. Jch erinnere mich, daß ſie viertel- oder halbe- ſtunden weit in einem Zuge an einem Bache hinflog, ohne ſich niederzulaſſen. Sie thut Dies beſonders im Winter, weil ſie in der rauhen Jahreszeit ihre Nahrung in einem größeren Gebiete zuſammenſuchen muß. Jn der warmen Jahreszeit fliegt ſie, wenn ſie aufgeſcheucht wird, ſelten weit. Sie iſt ſehr zutraulich, niſtet bei den Häuſern, oft in ihren Mauern, und läßt einen Menſchen, der ſich nicht um ſie bekümmert, nahe an ſich vorübergehen, ohne zu entfliehen. Bemerkt ſie aber, daß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 904. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/952>, abgerufen am 22.11.2024.