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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
schwarz, lichter gesäumt, die Flügeldeckfedern braunschwarz, weiß gesäumt. Das Weibchen ist auf der
Oberseite olivenfarbig, auf der Unterseite lichtgraugelb; die Ohrgegend ist schwarz.

Jn England oder Großbritannien überhaupt lebt eine dritte Art, die Feldstelze, deren
Männchen sich dadurch von den andern unterscheidet, daß der Scheitel und Hinterhals gelbgrün
gefärbt ist, während die Zeichnung des übrigen Körpers im wesentlichen dieselbe ist, wie bei den
andern. Von den vielen anderweitigen Arten oder Spielarten, welche aufgestellt wurden, will ich
hier absehen. Jn der Größe und in den Verhältnissen des Leibes stimmen alle Schafstelzen überein.
Die Länge beträgt 6 bis 61/2, die Breite 9 bis 10, die Fittiglänge 2 5/6 bis 31/4, die Schwanz-
länge 2 Zoll.

Blasius hält alle Schafstelzen nur für Spielarten ein und derselben Art, weil sie denselben
Flügel- und Schwanzbau, fast dieselbe Größe und dieselbe Lebensweise haben. "Bedenkt man", sagt
er, "daß die Männchen in der Scheitelfärbung von reiner Citronenfarbe durch Grüngelb, Grüngrau
bis zu Kohlschwarz alle möglichen Uebergänge zeigen, so kann man vermuthen, daß die scharfe
Abtrennung der Arten, von geographischen Thatsachen abgesehen, eine bedenkliche sein muß. Diese
Bedenken müssen sich noch steigern, wenn man weiß, daß auch geographisch keine festen Grenzen einge-
halten werden, wenn man weiß, daß ein und dieselbe Form an ein und derselben Oertlichkeit in sehr
abweichender Färbung in auffallender Annäherung zu anderen Formen vorkommt, und daß man genau
dieselbe Färbung ebenso häufig in ganz entlegenen Ortschaften antrifft, ohne daß sie auf Zwischen-
stationen beobachtet worden wäre. Dadurch wird naturgeschichtlich und sogar geographisch eine
strenge Sonderung der Männchen unmöglich, während an eine strenge Sonderung der Weibchen und
Jungen nicht zu denken ist. ... Die Vogelkunde hat nur die Thatsache feststellen können, daß bei
ganz gleichem Bau und ganz gleichen Lebensäußerungen eine bestimmte Thierform vielfach abwechselnd
gefärbt sein kann, und daß diese verschiedenen Färbungen in ihrer geographischen Verbreitung stellen-
weise sich örtlichen Beschränkungen unterwirft." So gänzlich abgeschlossen, wie Blasius uns
glauben machen will, scheint mir die Frage noch nicht zu sein; denn bis jetzt liegen meines Erachtens
durchaus noch nicht genügende Beobachtungen vor, als daß wir uns für berechtigt halten könnten, ein
endgiltiges Urtheil zu fällen. Die Forscher, welche eine dieser sogenannten Spielarten längere Zeit
und massenhaft beobachten konnten, sind anderer Ansicht: sie wollen durchaus nicht an die Arteinheit
der so verschiedenartig gefärbten Vögel glauben. Das Eine freilich ist gewiß, daß sich die Schafstelzen
in Lebensweise und Betragen sehr wenig von einander unterscheiden oder, was vielleicht richtiger ist,
daß wir noch keinen Unterschied wahrgenommen haben.

Bei uns sind die Schafstelzen Sommervögel; sie erscheinen aber viel später, als die Bachstelzen,
selten vor Anfang April, selbst erst zu Ende des Monats oder im Anfange des Mai und verlassen uns
vielleicht im August oder September wieder. Während ihres Zuges machen sie sich auch in Gegenden
bemerklich, in denen sie sonst nicht vorkommen. Jede größere Viehherde zieht sie an und hält sie oft
während des ganzen Tages fest. Jhre Brutplätze hingegen sind Sümpfe oder wenigstens feuchte, mit
Gras bewachsene Ebenen. Sie gehen weit nach Norden hinauf: ich habe sie als Brutvögel nur im
nördlichsten Finnmarken kennen gelernt; hier leben sie auf den Blößen der Birkenwaldungen,
immer möglichst nahe am Wasser. Jn Deutschland brüten sie auf feuchten Wiesen oder in
den Niederungen größerer Flüsse, so namentlich in Anhalt, Hannover und Mecklenburg. Die sammt-
köpfige Schafstelze kommt bei uns nicht als Brutvogel vor; ihre Heimat scheint Griechenland und
Nordafrika zu sein. Von der Mühle hält sie für eine eigene Art, weil sie sich nicht mit andern
vermischt, sondern immer zu Jhresgleichen hält, viel früher ankommt und viel früher wegzieht,
als die nördlichen; Lindermayer stimmt ihm vollständig bei und sagt, daß sie vorzugsweise die
Nähe des Meeres liebe, wo Süßwasser sich mit dem Salzwasser vermischt, also in Gegenden wohne,
welche eine sehr eigenthümliche Pflanzenwelt hervorbringt; ich meinestheils muß gestehen, daß ich

Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
ſchwarz, lichter geſäumt, die Flügeldeckfedern braunſchwarz, weiß geſäumt. Das Weibchen iſt auf der
Oberſeite olivenfarbig, auf der Unterſeite lichtgraugelb; die Ohrgegend iſt ſchwarz.

Jn England oder Großbritannien überhaupt lebt eine dritte Art, die Feldſtelze, deren
Männchen ſich dadurch von den andern unterſcheidet, daß der Scheitel und Hinterhals gelbgrün
gefärbt iſt, während die Zeichnung des übrigen Körpers im weſentlichen dieſelbe iſt, wie bei den
andern. Von den vielen anderweitigen Arten oder Spielarten, welche aufgeſtellt wurden, will ich
hier abſehen. Jn der Größe und in den Verhältniſſen des Leibes ſtimmen alle Schafſtelzen überein.
Die Länge beträgt 6 bis 6½, die Breite 9 bis 10, die Fittiglänge 2⅚ bis 3¼, die Schwanz-
länge 2 Zoll.

Blaſius hält alle Schafſtelzen nur für Spielarten ein und derſelben Art, weil ſie denſelben
Flügel- und Schwanzbau, faſt dieſelbe Größe und dieſelbe Lebensweiſe haben. „Bedenkt man‟, ſagt
er, „daß die Männchen in der Scheitelfärbung von reiner Citronenfarbe durch Grüngelb, Grüngrau
bis zu Kohlſchwarz alle möglichen Uebergänge zeigen, ſo kann man vermuthen, daß die ſcharfe
Abtrennung der Arten, von geographiſchen Thatſachen abgeſehen, eine bedenkliche ſein muß. Dieſe
Bedenken müſſen ſich noch ſteigern, wenn man weiß, daß auch geographiſch keine feſten Grenzen einge-
halten werden, wenn man weiß, daß ein und dieſelbe Form an ein und derſelben Oertlichkeit in ſehr
abweichender Färbung in auffallender Annäherung zu anderen Formen vorkommt, und daß man genau
dieſelbe Färbung ebenſo häufig in ganz entlegenen Ortſchaften antrifft, ohne daß ſie auf Zwiſchen-
ſtationen beobachtet worden wäre. Dadurch wird naturgeſchichtlich und ſogar geographiſch eine
ſtrenge Sonderung der Männchen unmöglich, während an eine ſtrenge Sonderung der Weibchen und
Jungen nicht zu denken iſt. … Die Vogelkunde hat nur die Thatſache feſtſtellen können, daß bei
ganz gleichem Bau und ganz gleichen Lebensäußerungen eine beſtimmte Thierform vielfach abwechſelnd
gefärbt ſein kann, und daß dieſe verſchiedenen Färbungen in ihrer geographiſchen Verbreitung ſtellen-
weiſe ſich örtlichen Beſchränkungen unterwirft.‟ So gänzlich abgeſchloſſen, wie Blaſius uns
glauben machen will, ſcheint mir die Frage noch nicht zu ſein; denn bis jetzt liegen meines Erachtens
durchaus noch nicht genügende Beobachtungen vor, als daß wir uns für berechtigt halten könnten, ein
endgiltiges Urtheil zu fällen. Die Forſcher, welche eine dieſer ſogenannten Spielarten längere Zeit
und maſſenhaft beobachten konnten, ſind anderer Anſicht: ſie wollen durchaus nicht an die Arteinheit
der ſo verſchiedenartig gefärbten Vögel glauben. Das Eine freilich iſt gewiß, daß ſich die Schafſtelzen
in Lebensweiſe und Betragen ſehr wenig von einander unterſcheiden oder, was vielleicht richtiger iſt,
daß wir noch keinen Unterſchied wahrgenommen haben.

Bei uns ſind die Schafſtelzen Sommervögel; ſie erſcheinen aber viel ſpäter, als die Bachſtelzen,
ſelten vor Anfang April, ſelbſt erſt zu Ende des Monats oder im Anfange des Mai und verlaſſen uns
vielleicht im Auguſt oder September wieder. Während ihres Zuges machen ſie ſich auch in Gegenden
bemerklich, in denen ſie ſonſt nicht vorkommen. Jede größere Viehherde zieht ſie an und hält ſie oft
während des ganzen Tages feſt. Jhre Brutplätze hingegen ſind Sümpfe oder wenigſtens feuchte, mit
Gras bewachſene Ebenen. Sie gehen weit nach Norden hinauf: ich habe ſie als Brutvögel nur im
nördlichſten Finnmarken kennen gelernt; hier leben ſie auf den Blößen der Birkenwaldungen,
immer möglichſt nahe am Waſſer. Jn Deutſchland brüten ſie auf feuchten Wieſen oder in
den Niederungen größerer Flüſſe, ſo namentlich in Anhalt, Hannover und Mecklenburg. Die ſammt-
köpfige Schafſtelze kommt bei uns nicht als Brutvogel vor; ihre Heimat ſcheint Griechenland und
Nordafrika zu ſein. Von der Mühle hält ſie für eine eigene Art, weil ſie ſich nicht mit andern
vermiſcht, ſondern immer zu Jhresgleichen hält, viel früher ankommt und viel früher wegzieht,
als die nördlichen; Lindermayer ſtimmt ihm vollſtändig bei und ſagt, daß ſie vorzugsweiſe die
Nähe des Meeres liebe, wo Süßwaſſer ſich mit dem Salzwaſſer vermiſcht, alſo in Gegenden wohne,
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[906/0954] Die Fänger. Singvögel. Stelzen. ſchwarz, lichter geſäumt, die Flügeldeckfedern braunſchwarz, weiß geſäumt. Das Weibchen iſt auf der Oberſeite olivenfarbig, auf der Unterſeite lichtgraugelb; die Ohrgegend iſt ſchwarz. Jn England oder Großbritannien überhaupt lebt eine dritte Art, die Feldſtelze, deren Männchen ſich dadurch von den andern unterſcheidet, daß der Scheitel und Hinterhals gelbgrün gefärbt iſt, während die Zeichnung des übrigen Körpers im weſentlichen dieſelbe iſt, wie bei den andern. Von den vielen anderweitigen Arten oder Spielarten, welche aufgeſtellt wurden, will ich hier abſehen. Jn der Größe und in den Verhältniſſen des Leibes ſtimmen alle Schafſtelzen überein. Die Länge beträgt 6 bis 6½, die Breite 9 bis 10, die Fittiglänge 2⅚ bis 3¼, die Schwanz- länge 2 Zoll. Blaſius hält alle Schafſtelzen nur für Spielarten ein und derſelben Art, weil ſie denſelben Flügel- und Schwanzbau, faſt dieſelbe Größe und dieſelbe Lebensweiſe haben. „Bedenkt man‟, ſagt er, „daß die Männchen in der Scheitelfärbung von reiner Citronenfarbe durch Grüngelb, Grüngrau bis zu Kohlſchwarz alle möglichen Uebergänge zeigen, ſo kann man vermuthen, daß die ſcharfe Abtrennung der Arten, von geographiſchen Thatſachen abgeſehen, eine bedenkliche ſein muß. Dieſe Bedenken müſſen ſich noch ſteigern, wenn man weiß, daß auch geographiſch keine feſten Grenzen einge- halten werden, wenn man weiß, daß ein und dieſelbe Form an ein und derſelben Oertlichkeit in ſehr abweichender Färbung in auffallender Annäherung zu anderen Formen vorkommt, und daß man genau dieſelbe Färbung ebenſo häufig in ganz entlegenen Ortſchaften antrifft, ohne daß ſie auf Zwiſchen- ſtationen beobachtet worden wäre. Dadurch wird naturgeſchichtlich und ſogar geographiſch eine ſtrenge Sonderung der Männchen unmöglich, während an eine ſtrenge Sonderung der Weibchen und Jungen nicht zu denken iſt. … Die Vogelkunde hat nur die Thatſache feſtſtellen können, daß bei ganz gleichem Bau und ganz gleichen Lebensäußerungen eine beſtimmte Thierform vielfach abwechſelnd gefärbt ſein kann, und daß dieſe verſchiedenen Färbungen in ihrer geographiſchen Verbreitung ſtellen- weiſe ſich örtlichen Beſchränkungen unterwirft.‟ So gänzlich abgeſchloſſen, wie Blaſius uns glauben machen will, ſcheint mir die Frage noch nicht zu ſein; denn bis jetzt liegen meines Erachtens durchaus noch nicht genügende Beobachtungen vor, als daß wir uns für berechtigt halten könnten, ein endgiltiges Urtheil zu fällen. Die Forſcher, welche eine dieſer ſogenannten Spielarten längere Zeit und maſſenhaft beobachten konnten, ſind anderer Anſicht: ſie wollen durchaus nicht an die Arteinheit der ſo verſchiedenartig gefärbten Vögel glauben. Das Eine freilich iſt gewiß, daß ſich die Schafſtelzen in Lebensweiſe und Betragen ſehr wenig von einander unterſcheiden oder, was vielleicht richtiger iſt, daß wir noch keinen Unterſchied wahrgenommen haben. Bei uns ſind die Schafſtelzen Sommervögel; ſie erſcheinen aber viel ſpäter, als die Bachſtelzen, ſelten vor Anfang April, ſelbſt erſt zu Ende des Monats oder im Anfange des Mai und verlaſſen uns vielleicht im Auguſt oder September wieder. Während ihres Zuges machen ſie ſich auch in Gegenden bemerklich, in denen ſie ſonſt nicht vorkommen. Jede größere Viehherde zieht ſie an und hält ſie oft während des ganzen Tages feſt. Jhre Brutplätze hingegen ſind Sümpfe oder wenigſtens feuchte, mit Gras bewachſene Ebenen. Sie gehen weit nach Norden hinauf: ich habe ſie als Brutvögel nur im nördlichſten Finnmarken kennen gelernt; hier leben ſie auf den Blößen der Birkenwaldungen, immer möglichſt nahe am Waſſer. Jn Deutſchland brüten ſie auf feuchten Wieſen oder in den Niederungen größerer Flüſſe, ſo namentlich in Anhalt, Hannover und Mecklenburg. Die ſammt- köpfige Schafſtelze kommt bei uns nicht als Brutvogel vor; ihre Heimat ſcheint Griechenland und Nordafrika zu ſein. Von der Mühle hält ſie für eine eigene Art, weil ſie ſich nicht mit andern vermiſcht, ſondern immer zu Jhresgleichen hält, viel früher ankommt und viel früher wegzieht, als die nördlichen; Lindermayer ſtimmt ihm vollſtändig bei und ſagt, daß ſie vorzugsweiſe die Nähe des Meeres liebe, wo Süßwaſſer ſich mit dem Salzwaſſer vermiſcht, alſo in Gegenden wohne, welche eine ſehr eigenthümliche Pflanzenwelt hervorbringt; ich meinestheils muß geſtehen, daß ich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/954>, abgerufen am 22.11.2024.