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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Bart- und Schwanzmeise.
auch die Pärchen müssen mit großer Sorgfalt gepflegt werden, wenn sie ein paar Jahre ausdauern
sollen. Man ernährt sie am besten mit Nachtigallfutter, in welches viel Mohn- oder Rohrsamen
gemischt wird.

"Die Zärtlichkeit eines Paares dieser Vögel gegen einander", sagt Graf Gourcy, "ist außer-
ordentlich groß. Stets sitzen die Gatten fest an einander gedrückt, und beim Schlafen deckt immer
einer den andern, gewöhnlich das Männchen seine Gefährtin mit dem einen Flügel, soweit es mit
diesem reichen kann. Sie schnäbeln sich beständig, putzen sich wechselseitig, und wenn das Weibchen
allein von der Sitzstange abspringt, so ruft es das Männchen laut und, dem Tone nach zu urtheilen,
zornig zurück. Sie baden sich oft, jedoch immer eins nach dem andern. Steigt das Männchen aus
dem Wasser, so tritt das Weibchen hinein und wird, wenn es sich zuerst in das Wasser begeben hat,
vom Männchen abgelöst. Beim Herumspringen lassen sie beständig einen leisen Ton hören, welchen
ich mit Nichts besser, als mit dem Geräusch eines ungeschmierten Kinderschubkarrens vergleichen kann.
Außerdem hört man ein scharf betontes "Tschin tschin" von ihnen." Es ist bereits gelungen, die
Bartmeisen zur Fortpflanzung im Käfig zu bringen, und man hat dabei Gelegenheit gehabt, ihr
Betragen während der Paarungszeit zu beobachten. Sie sind um diese Zeit noch zärtlicher als sonst,
liebkosen sich beständig und lassen einen eigenen zwitschernden oder lockenden Ton hören. Sobald das
Männchen denselben ausstößt, kommt das Weibchen sogleich herbei, liebkost den Gatten durch sanftes
Schnabelpicken an Kehle und Racken, und dieser balzt wie ein Fasan mit zugedrückten Augen, nieder-
gebeugtem Kopf und ausgebreitetem Schwanz, erhebt sich auch gerade auf den Beinen und bringt einen
sonderbar schwirrenden oder schnarrenden Ton hervor. Nach solchem Vorspiel folgt dann gewöhnlich
die Begattung.



Bekannter ist uns die Sippe der Schwanzmeisen (Orites), weil eines ihrer Mitglieder in
Deutschland allerorten vorkommt. Die Kennzeichen der Sippe sind ein kurzer, gedrungener Leib, mit
sehr langem, stark abgestuften und in der Mitte ausgeschnittenen Schwanze, mittellange Flügel, in
denen die vierte und fünfte Schwinge die längsten sind, ein sehr kurzer und gewölbter, vorn spitziger
Schnabel und schwache Füße. Die Geschlechter ähneln sich in der Färbung, die Jungen weichen
etwas von den Alten ab.

Die Schwanzmeise, Mehl- oder Mohr-, Schnee-, Ried-, Moor-, Berg-, Spiegel-,
Zagel-
oder Zahlmeise, der Pfannenstiel, Weinzapfer oder Teufelsbolzen (Orites
caudatus
) ist auf der Oberseite in der Mitte schwarz, auf dem Kopfe weiß, auf der Unterseite röthlich-
weiß; der Flügel ist schwarz; seine hinteren Schwingen sind breit weiß gerandet; die Steuerfedern sind
schwarz, die drei äußersten jeder Seite mit weißen Kehlflecken gezeichnet. Die Jungen sind an den
Kopfseiten, auf dem Rücken und auf den Flügeln mattschwarz, auf dem Scheitel und auf der Unter-
seite weißlich. Das Auge ist dunkelbraun, sein unbefiederter Rand bei alten Vögeln hellroth, bei
jungen hochgelb; der Schnabel und der Fuß sind schwarz. Die Länge beträgt 6 Zoll, die Breite
73/4 Zoll, die Fittiglänge 21/2, die Schwanzlänge 31/2 Zoll.

Die Bartmeise geht nicht weit nach Süden hinab; denn sie gehört schon in Griechenland und
Spanien zu den Seltenheiten. Nach Krüper nistet sie noch in den Waldungen Rumeliens und
Akarnaniens; nach unseren Erfahrungen erscheint sie in Spanien nur zufällig. Dagegen verbreitet sie
sich von den drei südlichen Grenzgebirgen an bis weit nach Norden hinauf, wird auch in ganz Mittel-
asien gefunden. Bei uns streicht sie im Herbst und Frühjahr mit einer gewissen Regelmäßigkeit; viele
Familien bleiben aber auch während des strengsten Winters in Deutschland wohnen. Es scheint, daß
die Schwanzmeise Laubwaldungen den Nadelhölzern bevorzugt; aber lieber noch als im Walde siedelt
sie sich in Obstwaldungen oder in baumreichen Auen an.

Bart- und Schwanzmeiſe.
auch die Pärchen müſſen mit großer Sorgfalt gepflegt werden, wenn ſie ein paar Jahre ausdauern
ſollen. Man ernährt ſie am beſten mit Nachtigallfutter, in welches viel Mohn- oder Rohrſamen
gemiſcht wird.

„Die Zärtlichkeit eines Paares dieſer Vögel gegen einander‟, ſagt Graf Gourcy, „iſt außer-
ordentlich groß. Stets ſitzen die Gatten feſt an einander gedrückt, und beim Schlafen deckt immer
einer den andern, gewöhnlich das Männchen ſeine Gefährtin mit dem einen Flügel, ſoweit es mit
dieſem reichen kann. Sie ſchnäbeln ſich beſtändig, putzen ſich wechſelſeitig, und wenn das Weibchen
allein von der Sitzſtange abſpringt, ſo ruft es das Männchen laut und, dem Tone nach zu urtheilen,
zornig zurück. Sie baden ſich oft, jedoch immer eins nach dem andern. Steigt das Männchen aus
dem Waſſer, ſo tritt das Weibchen hinein und wird, wenn es ſich zuerſt in das Waſſer begeben hat,
vom Männchen abgelöſt. Beim Herumſpringen laſſen ſie beſtändig einen leiſen Ton hören, welchen
ich mit Nichts beſſer, als mit dem Geräuſch eines ungeſchmierten Kinderſchubkarrens vergleichen kann.
Außerdem hört man ein ſcharf betontes „Tſchin tſchin‟ von ihnen.‟ Es iſt bereits gelungen, die
Bartmeiſen zur Fortpflanzung im Käfig zu bringen, und man hat dabei Gelegenheit gehabt, ihr
Betragen während der Paarungszeit zu beobachten. Sie ſind um dieſe Zeit noch zärtlicher als ſonſt,
liebkoſen ſich beſtändig und laſſen einen eigenen zwitſchernden oder lockenden Ton hören. Sobald das
Männchen denſelben ausſtößt, kommt das Weibchen ſogleich herbei, liebkoſt den Gatten durch ſanftes
Schnabelpicken an Kehle und Racken, und dieſer balzt wie ein Faſan mit zugedrückten Augen, nieder-
gebeugtem Kopf und ausgebreitetem Schwanz, erhebt ſich auch gerade auf den Beinen und bringt einen
ſonderbar ſchwirrenden oder ſchnarrenden Ton hervor. Nach ſolchem Vorſpiel folgt dann gewöhnlich
die Begattung.



Bekannter iſt uns die Sippe der Schwanzmeiſen (Orites), weil eines ihrer Mitglieder in
Deutſchland allerorten vorkommt. Die Kennzeichen der Sippe ſind ein kurzer, gedrungener Leib, mit
ſehr langem, ſtark abgeſtuften und in der Mitte ausgeſchnittenen Schwanze, mittellange Flügel, in
denen die vierte und fünfte Schwinge die längſten ſind, ein ſehr kurzer und gewölbter, vorn ſpitziger
Schnabel und ſchwache Füße. Die Geſchlechter ähneln ſich in der Färbung, die Jungen weichen
etwas von den Alten ab.

Die Schwanzmeiſe, Mehl- oder Mohr-, Schnee-, Ried-, Moor-, Berg-, Spiegel-,
Zagel-
oder Zahlmeiſe, der Pfannenſtiel, Weinzapfer oder Teufelsbolzen (Orites
caudatus
) iſt auf der Oberſeite in der Mitte ſchwarz, auf dem Kopfe weiß, auf der Unterſeite röthlich-
weiß; der Flügel iſt ſchwarz; ſeine hinteren Schwingen ſind breit weiß gerandet; die Steuerfedern ſind
ſchwarz, die drei äußerſten jeder Seite mit weißen Kehlflecken gezeichnet. Die Jungen ſind an den
Kopfſeiten, auf dem Rücken und auf den Flügeln mattſchwarz, auf dem Scheitel und auf der Unter-
ſeite weißlich. Das Auge iſt dunkelbraun, ſein unbefiederter Rand bei alten Vögeln hellroth, bei
jungen hochgelb; der Schnabel und der Fuß ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 6 Zoll, die Breite
7¾ Zoll, die Fittiglänge 2½, die Schwanzlänge 3½ Zoll.

Die Bartmeiſe geht nicht weit nach Süden hinab; denn ſie gehört ſchon in Griechenland und
Spanien zu den Seltenheiten. Nach Krüper niſtet ſie noch in den Waldungen Rumeliens und
Akarnaniens; nach unſeren Erfahrungen erſcheint ſie in Spanien nur zufällig. Dagegen verbreitet ſie
ſich von den drei ſüdlichen Grenzgebirgen an bis weit nach Norden hinauf, wird auch in ganz Mittel-
aſien gefunden. Bei uns ſtreicht ſie im Herbſt und Frühjahr mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit; viele
Familien bleiben aber auch während des ſtrengſten Winters in Deutſchland wohnen. Es ſcheint, daß
die Schwanzmeiſe Laubwaldungen den Nadelhölzern bevorzugt; aber lieber noch als im Walde ſiedelt
ſie ſich in Obſtwaldungen oder in baumreichen Auen an.

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[927/0977] Bart- und Schwanzmeiſe. auch die Pärchen müſſen mit großer Sorgfalt gepflegt werden, wenn ſie ein paar Jahre ausdauern ſollen. Man ernährt ſie am beſten mit Nachtigallfutter, in welches viel Mohn- oder Rohrſamen gemiſcht wird. „Die Zärtlichkeit eines Paares dieſer Vögel gegen einander‟, ſagt Graf Gourcy, „iſt außer- ordentlich groß. Stets ſitzen die Gatten feſt an einander gedrückt, und beim Schlafen deckt immer einer den andern, gewöhnlich das Männchen ſeine Gefährtin mit dem einen Flügel, ſoweit es mit dieſem reichen kann. Sie ſchnäbeln ſich beſtändig, putzen ſich wechſelſeitig, und wenn das Weibchen allein von der Sitzſtange abſpringt, ſo ruft es das Männchen laut und, dem Tone nach zu urtheilen, zornig zurück. Sie baden ſich oft, jedoch immer eins nach dem andern. Steigt das Männchen aus dem Waſſer, ſo tritt das Weibchen hinein und wird, wenn es ſich zuerſt in das Waſſer begeben hat, vom Männchen abgelöſt. Beim Herumſpringen laſſen ſie beſtändig einen leiſen Ton hören, welchen ich mit Nichts beſſer, als mit dem Geräuſch eines ungeſchmierten Kinderſchubkarrens vergleichen kann. Außerdem hört man ein ſcharf betontes „Tſchin tſchin‟ von ihnen.‟ Es iſt bereits gelungen, die Bartmeiſen zur Fortpflanzung im Käfig zu bringen, und man hat dabei Gelegenheit gehabt, ihr Betragen während der Paarungszeit zu beobachten. Sie ſind um dieſe Zeit noch zärtlicher als ſonſt, liebkoſen ſich beſtändig und laſſen einen eigenen zwitſchernden oder lockenden Ton hören. Sobald das Männchen denſelben ausſtößt, kommt das Weibchen ſogleich herbei, liebkoſt den Gatten durch ſanftes Schnabelpicken an Kehle und Racken, und dieſer balzt wie ein Faſan mit zugedrückten Augen, nieder- gebeugtem Kopf und ausgebreitetem Schwanz, erhebt ſich auch gerade auf den Beinen und bringt einen ſonderbar ſchwirrenden oder ſchnarrenden Ton hervor. Nach ſolchem Vorſpiel folgt dann gewöhnlich die Begattung. Bekannter iſt uns die Sippe der Schwanzmeiſen (Orites), weil eines ihrer Mitglieder in Deutſchland allerorten vorkommt. Die Kennzeichen der Sippe ſind ein kurzer, gedrungener Leib, mit ſehr langem, ſtark abgeſtuften und in der Mitte ausgeſchnittenen Schwanze, mittellange Flügel, in denen die vierte und fünfte Schwinge die längſten ſind, ein ſehr kurzer und gewölbter, vorn ſpitziger Schnabel und ſchwache Füße. Die Geſchlechter ähneln ſich in der Färbung, die Jungen weichen etwas von den Alten ab. Die Schwanzmeiſe, Mehl- oder Mohr-, Schnee-, Ried-, Moor-, Berg-, Spiegel-, Zagel- oder Zahlmeiſe, der Pfannenſtiel, Weinzapfer oder Teufelsbolzen (Orites caudatus) iſt auf der Oberſeite in der Mitte ſchwarz, auf dem Kopfe weiß, auf der Unterſeite röthlich- weiß; der Flügel iſt ſchwarz; ſeine hinteren Schwingen ſind breit weiß gerandet; die Steuerfedern ſind ſchwarz, die drei äußerſten jeder Seite mit weißen Kehlflecken gezeichnet. Die Jungen ſind an den Kopfſeiten, auf dem Rücken und auf den Flügeln mattſchwarz, auf dem Scheitel und auf der Unter- ſeite weißlich. Das Auge iſt dunkelbraun, ſein unbefiederter Rand bei alten Vögeln hellroth, bei jungen hochgelb; der Schnabel und der Fuß ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 6 Zoll, die Breite 7¾ Zoll, die Fittiglänge 2½, die Schwanzlänge 3½ Zoll. Die Bartmeiſe geht nicht weit nach Süden hinab; denn ſie gehört ſchon in Griechenland und Spanien zu den Seltenheiten. Nach Krüper niſtet ſie noch in den Waldungen Rumeliens und Akarnaniens; nach unſeren Erfahrungen erſcheint ſie in Spanien nur zufällig. Dagegen verbreitet ſie ſich von den drei ſüdlichen Grenzgebirgen an bis weit nach Norden hinauf, wird auch in ganz Mittel- aſien gefunden. Bei uns ſtreicht ſie im Herbſt und Frühjahr mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit; viele Familien bleiben aber auch während des ſtrengſten Winters in Deutſchland wohnen. Es ſcheint, daß die Schwanzmeiſe Laubwaldungen den Nadelhölzern bevorzugt; aber lieber noch als im Walde ſiedelt ſie ſich in Obſtwaldungen oder in baumreichen Auen an.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/977>, abgerufen am 22.11.2024.