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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Grilllumme.
nach Alter und Jahreszeit wesentlich verändert. Jm Hochzeitskleide ist die Teiste bis auf ein
reinweißes Flügelschild sammtschwarz, grünlichschillernd, das Auge braun, der Schnabel schwarz, der
Fuß korallenroth. Jm Winterkleide ist die Unterseite weiß und schwarz gefleckt, im Jugendkleide der
Oberkörper schwärzlich, der Flügel weiß und schwarz quer gebändert, der Unterkörper weiß, das
übrige schwarzgrau gefleckt. Die Länge beträgt 13, die Breite 22, die Fittiglänge 61/2, die
Schwanzlänge 2 Zoll.

Soviel man bis jetzt weiß, verbreitet sich die Teiste über den hohen Norden der Erde und lebt
als Brutvogel zwischen dem 80. und 58. Grade der Breite. Jnnerhalb dieses Gürtels ist sie an
allen geeigneten Küsten gemein, obwohl man sie selten in größeren Scharen, vielmehr meist in kleinen
Trupps, paarweise oder einzeln findet. Nur da, wo das Meer gefriert, ereignet es sich zuweilen,
daß sie sich in außerordentlich großer Anzahl an den Wuhnen im Eise zusammenfindet; sowie sich die
Verhältnisse ändern, vertheilt sie sich dann wieder. Mit Beginn des eigentlichen Winters tritt sie
eine mehr oder weniger regelmäßige Wanderung an, welche sie in südlichere Gegenden und so z. B.
alljährlich an unsere nördlichen Küsten bringt. Jn das Jnnere der Länder verfliegt sie sich äußerst
selten; nur besondere Unglücksfälle, beispielsweise starker Schneefall im Spätfrühling verblüffen
zuweilen einzelne dieser Seevögel in dem Grade, daß sie die Küste, landeinwärts fliegend, aus dem
Auge verlieren.

Der Anblick der Teiste ist immer erfreulich, mag man sie nun auf den Felsenblöcken sitzen,
richtiger kleben, oder schwimmen und tauchen oder fliegen sehen. Sitzend pflegt sie sich auf die Fuß-
wurzeln niederzulassen und den Rumpf ziemlich aufrecht zu halten: dabei bewegt sie Hals und Kopf
in anmuthigen Windungen; im Schwimmen ist sie sehr behend, obgleich sie gewöhnlich den Rumpf
nicht tief einsenkt, vielmehr leichter als alle Verwandten auf der Oberfläche liegt. Beim Rudern
zeigt sie oft die hübschen rothen Füße über dem Wasser. Wenn sie tauchen will, führt sie mit beiden
Füßen einen kräftigen Stoß aus, stürzt sich kopfüber ohne jegliches Geräusch ins Wasser, öffnet
sofort nach dem Eintauchen die Flügel und rudert nun mit diesen und mit den Füßen weiter, hält
jedoch höchstens zwei Minuten, ohne Luft zu schöpfen, unter Wasser aus. Jm stillen, klaren Meere kann
man sie auf weithin mit den Blicken verfolgen, irrt sich aber gewöhnlich in der Durchsichtigkeit des
Wassers und überschätzt die Tiefe, zu welcher sie hinabsteigt. Der Flug ist verhältnißmäßig leicht,
obschon die Flügel ebenfalls mit sehr raschen Schlägen, gleichsam schwirrend bewegt werden müssen.
Beim Aufstehen vom Wasser macht sich ein kurzer Anlauf nöthig; hat sie jedoch einmal eine gewisse
Höhe gewonnen, so fliegt sie viel rascher fort, als man anfangs vermuthet, und klimmt schnell eine
bedeutende Höhe, beispielsweise zu den Felsen empor. Beim Niederlassen auf das Wasser breitet sie
die Flügel, ohne sie eigentlich zu bewegen. Die Stimme unterscheidet sie von allen Verwandten;
denn sie ist kein Knarren, wie bei diesen, sondern ein Pfeifen, welches man durch die Silbe "Jip"
ungefähr ausdrücken kann. Jn ihrem Betragen zeigt sich die Teiste, wie die übrigen Lummen auch,
sanft, gutmüthig und verträglich, jedoch, wie schon bemerkt, nicht in demselben Grade gesellig wie jene.
Auf den Brutplätzen sieht man sie stets einzeln unter den übrigen, jedes Paar in treuer Gemeinschaft.
Um das Thun und Treiben der übrigen Bergvögel scheint sie sich nicht zu bekümmern, und ebenso-
wenig fürchtet sie sich vor einem herannahenden Menschen. Wenn der Jagdfalk über die Vogelberge
streicht und alles Lebende in Todesangst versetzt, wenn alle Lummen und Alken so eilig als möglich
dem Meere zufliegen, erhebt sich auch die Teiste, um schleunigst im Wasser ihre Rettung zu suchen;
wenn aber ein Mensch den Brutplatz besucht, kann er mindestens bis auf funfzehn, oft bis auf zehn
Schritte an das Pärchen herangehen, ohne es aufzuscheuchen. Jm Wasser ist die Teiste stets vor-
sichtiger als auf dem Lande, obgleich sie auch hier zuweilen sich äußerst vertrauensselig zeigt. Fern
vom Meere verliert sie, wie die Verwandten, alle Besinnung, scheint sie zu vergessen, daß die Natur
ihr Flügel verliehen.

Anfangs März erscheinen die Teisten auf den Vogelbergen, auf kleineren höchstens drei, vier
Pärchen, auf den größeren mehrere, selten jedoch über zwanzig oder dreißig von ihnen an solchen

Grilllumme.
nach Alter und Jahreszeit weſentlich verändert. Jm Hochzeitskleide iſt die Teiſte bis auf ein
reinweißes Flügelſchild ſammtſchwarz, grünlichſchillernd, das Auge braun, der Schnabel ſchwarz, der
Fuß korallenroth. Jm Winterkleide iſt die Unterſeite weiß und ſchwarz gefleckt, im Jugendkleide der
Oberkörper ſchwärzlich, der Flügel weiß und ſchwarz quer gebändert, der Unterkörper weiß, das
übrige ſchwarzgrau gefleckt. Die Länge beträgt 13, die Breite 22, die Fittiglänge 6½, die
Schwanzlänge 2 Zoll.

Soviel man bis jetzt weiß, verbreitet ſich die Teiſte über den hohen Norden der Erde und lebt
als Brutvogel zwiſchen dem 80. und 58. Grade der Breite. Jnnerhalb dieſes Gürtels iſt ſie an
allen geeigneten Küſten gemein, obwohl man ſie ſelten in größeren Scharen, vielmehr meiſt in kleinen
Trupps, paarweiſe oder einzeln findet. Nur da, wo das Meer gefriert, ereignet es ſich zuweilen,
daß ſie ſich in außerordentlich großer Anzahl an den Wuhnen im Eiſe zuſammenfindet; ſowie ſich die
Verhältniſſe ändern, vertheilt ſie ſich dann wieder. Mit Beginn des eigentlichen Winters tritt ſie
eine mehr oder weniger regelmäßige Wanderung an, welche ſie in ſüdlichere Gegenden und ſo z. B.
alljährlich an unſere nördlichen Küſten bringt. Jn das Jnnere der Länder verfliegt ſie ſich äußerſt
ſelten; nur beſondere Unglücksfälle, beiſpielsweiſe ſtarker Schneefall im Spätfrühling verblüffen
zuweilen einzelne dieſer Seevögel in dem Grade, daß ſie die Küſte, landeinwärts fliegend, aus dem
Auge verlieren.

Der Anblick der Teiſte iſt immer erfreulich, mag man ſie nun auf den Felſenblöcken ſitzen,
richtiger kleben, oder ſchwimmen und tauchen oder fliegen ſehen. Sitzend pflegt ſie ſich auf die Fuß-
wurzeln niederzulaſſen und den Rumpf ziemlich aufrecht zu halten: dabei bewegt ſie Hals und Kopf
in anmuthigen Windungen; im Schwimmen iſt ſie ſehr behend, obgleich ſie gewöhnlich den Rumpf
nicht tief einſenkt, vielmehr leichter als alle Verwandten auf der Oberfläche liegt. Beim Rudern
zeigt ſie oft die hübſchen rothen Füße über dem Waſſer. Wenn ſie tauchen will, führt ſie mit beiden
Füßen einen kräftigen Stoß aus, ſtürzt ſich kopfüber ohne jegliches Geräuſch ins Waſſer, öffnet
ſofort nach dem Eintauchen die Flügel und rudert nun mit dieſen und mit den Füßen weiter, hält
jedoch höchſtens zwei Minuten, ohne Luft zu ſchöpfen, unter Waſſer aus. Jm ſtillen, klaren Meere kann
man ſie auf weithin mit den Blicken verfolgen, irrt ſich aber gewöhnlich in der Durchſichtigkeit des
Waſſers und überſchätzt die Tiefe, zu welcher ſie hinabſteigt. Der Flug iſt verhältnißmäßig leicht,
obſchon die Flügel ebenfalls mit ſehr raſchen Schlägen, gleichſam ſchwirrend bewegt werden müſſen.
Beim Aufſtehen vom Waſſer macht ſich ein kurzer Anlauf nöthig; hat ſie jedoch einmal eine gewiſſe
Höhe gewonnen, ſo fliegt ſie viel raſcher fort, als man anfangs vermuthet, und klimmt ſchnell eine
bedeutende Höhe, beiſpielsweiſe zu den Felſen empor. Beim Niederlaſſen auf das Waſſer breitet ſie
die Flügel, ohne ſie eigentlich zu bewegen. Die Stimme unterſcheidet ſie von allen Verwandten;
denn ſie iſt kein Knarren, wie bei dieſen, ſondern ein Pfeifen, welches man durch die Silbe „Jip“
ungefähr ausdrücken kann. Jn ihrem Betragen zeigt ſich die Teiſte, wie die übrigen Lummen auch,
ſanft, gutmüthig und verträglich, jedoch, wie ſchon bemerkt, nicht in demſelben Grade geſellig wie jene.
Auf den Brutplätzen ſieht man ſie ſtets einzeln unter den übrigen, jedes Paar in treuer Gemeinſchaft.
Um das Thun und Treiben der übrigen Bergvögel ſcheint ſie ſich nicht zu bekümmern, und ebenſo-
wenig fürchtet ſie ſich vor einem herannahenden Menſchen. Wenn der Jagdfalk über die Vogelberge
ſtreicht und alles Lebende in Todesangſt verſetzt, wenn alle Lummen und Alken ſo eilig als möglich
dem Meere zufliegen, erhebt ſich auch die Teiſte, um ſchleunigſt im Waſſer ihre Rettung zu ſuchen;
wenn aber ein Menſch den Brutplatz beſucht, kann er mindeſtens bis auf funfzehn, oft bis auf zehn
Schritte an das Pärchen herangehen, ohne es aufzuſcheuchen. Jm Waſſer iſt die Teiſte ſtets vor-
ſichtiger als auf dem Lande, obgleich ſie auch hier zuweilen ſich äußerſt vertrauensſelig zeigt. Fern
vom Meere verliert ſie, wie die Verwandten, alle Beſinnung, ſcheint ſie zu vergeſſen, daß die Natur
ihr Flügel verliehen.

Anfangs März erſcheinen die Teiſten auf den Vogelbergen, auf kleineren höchſtens drei, vier
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[949/1001] Grilllumme. nach Alter und Jahreszeit weſentlich verändert. Jm Hochzeitskleide iſt die Teiſte bis auf ein reinweißes Flügelſchild ſammtſchwarz, grünlichſchillernd, das Auge braun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß korallenroth. Jm Winterkleide iſt die Unterſeite weiß und ſchwarz gefleckt, im Jugendkleide der Oberkörper ſchwärzlich, der Flügel weiß und ſchwarz quer gebändert, der Unterkörper weiß, das übrige ſchwarzgrau gefleckt. Die Länge beträgt 13, die Breite 22, die Fittiglänge 6½, die Schwanzlänge 2 Zoll. Soviel man bis jetzt weiß, verbreitet ſich die Teiſte über den hohen Norden der Erde und lebt als Brutvogel zwiſchen dem 80. und 58. Grade der Breite. Jnnerhalb dieſes Gürtels iſt ſie an allen geeigneten Küſten gemein, obwohl man ſie ſelten in größeren Scharen, vielmehr meiſt in kleinen Trupps, paarweiſe oder einzeln findet. Nur da, wo das Meer gefriert, ereignet es ſich zuweilen, daß ſie ſich in außerordentlich großer Anzahl an den Wuhnen im Eiſe zuſammenfindet; ſowie ſich die Verhältniſſe ändern, vertheilt ſie ſich dann wieder. Mit Beginn des eigentlichen Winters tritt ſie eine mehr oder weniger regelmäßige Wanderung an, welche ſie in ſüdlichere Gegenden und ſo z. B. alljährlich an unſere nördlichen Küſten bringt. Jn das Jnnere der Länder verfliegt ſie ſich äußerſt ſelten; nur beſondere Unglücksfälle, beiſpielsweiſe ſtarker Schneefall im Spätfrühling verblüffen zuweilen einzelne dieſer Seevögel in dem Grade, daß ſie die Küſte, landeinwärts fliegend, aus dem Auge verlieren. Der Anblick der Teiſte iſt immer erfreulich, mag man ſie nun auf den Felſenblöcken ſitzen, richtiger kleben, oder ſchwimmen und tauchen oder fliegen ſehen. Sitzend pflegt ſie ſich auf die Fuß- wurzeln niederzulaſſen und den Rumpf ziemlich aufrecht zu halten: dabei bewegt ſie Hals und Kopf in anmuthigen Windungen; im Schwimmen iſt ſie ſehr behend, obgleich ſie gewöhnlich den Rumpf nicht tief einſenkt, vielmehr leichter als alle Verwandten auf der Oberfläche liegt. Beim Rudern zeigt ſie oft die hübſchen rothen Füße über dem Waſſer. Wenn ſie tauchen will, führt ſie mit beiden Füßen einen kräftigen Stoß aus, ſtürzt ſich kopfüber ohne jegliches Geräuſch ins Waſſer, öffnet ſofort nach dem Eintauchen die Flügel und rudert nun mit dieſen und mit den Füßen weiter, hält jedoch höchſtens zwei Minuten, ohne Luft zu ſchöpfen, unter Waſſer aus. Jm ſtillen, klaren Meere kann man ſie auf weithin mit den Blicken verfolgen, irrt ſich aber gewöhnlich in der Durchſichtigkeit des Waſſers und überſchätzt die Tiefe, zu welcher ſie hinabſteigt. Der Flug iſt verhältnißmäßig leicht, obſchon die Flügel ebenfalls mit ſehr raſchen Schlägen, gleichſam ſchwirrend bewegt werden müſſen. Beim Aufſtehen vom Waſſer macht ſich ein kurzer Anlauf nöthig; hat ſie jedoch einmal eine gewiſſe Höhe gewonnen, ſo fliegt ſie viel raſcher fort, als man anfangs vermuthet, und klimmt ſchnell eine bedeutende Höhe, beiſpielsweiſe zu den Felſen empor. Beim Niederlaſſen auf das Waſſer breitet ſie die Flügel, ohne ſie eigentlich zu bewegen. Die Stimme unterſcheidet ſie von allen Verwandten; denn ſie iſt kein Knarren, wie bei dieſen, ſondern ein Pfeifen, welches man durch die Silbe „Jip“ ungefähr ausdrücken kann. Jn ihrem Betragen zeigt ſich die Teiſte, wie die übrigen Lummen auch, ſanft, gutmüthig und verträglich, jedoch, wie ſchon bemerkt, nicht in demſelben Grade geſellig wie jene. Auf den Brutplätzen ſieht man ſie ſtets einzeln unter den übrigen, jedes Paar in treuer Gemeinſchaft. Um das Thun und Treiben der übrigen Bergvögel ſcheint ſie ſich nicht zu bekümmern, und ebenſo- wenig fürchtet ſie ſich vor einem herannahenden Menſchen. Wenn der Jagdfalk über die Vogelberge ſtreicht und alles Lebende in Todesangſt verſetzt, wenn alle Lummen und Alken ſo eilig als möglich dem Meere zufliegen, erhebt ſich auch die Teiſte, um ſchleunigſt im Waſſer ihre Rettung zu ſuchen; wenn aber ein Menſch den Brutplatz beſucht, kann er mindeſtens bis auf funfzehn, oft bis auf zehn Schritte an das Pärchen herangehen, ohne es aufzuſcheuchen. Jm Waſſer iſt die Teiſte ſtets vor- ſichtiger als auf dem Lande, obgleich ſie auch hier zuweilen ſich äußerſt vertrauensſelig zeigt. Fern vom Meere verliert ſie, wie die Verwandten, alle Beſinnung, ſcheint ſie zu vergeſſen, daß die Natur ihr Flügel verliehen. Anfangs März erſcheinen die Teiſten auf den Vogelbergen, auf kleineren höchſtens drei, vier Pärchen, auf den größeren mehrere, ſelten jedoch über zwanzig oder dreißig von ihnen an ſolchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 949. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1001>, abgerufen am 22.11.2024.