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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Krabbentaucher.

Unter allen Lummen und Flügeltauchern überhaupt ist der Krabbentaucher der beweglichste,
munterste und gewandteste. Er geht auf den Zehen, verhältnißmäßig rasch und geschickt, wenn auch
mit kleinen trippelnden Schrittchen, huscht behend zwischen den Steinen umher oder kriecht wie eine
Maus in die Klüfte, schwimmt und taucht mit außerordentlicher Fertigkeit, noch besser als Lummen
und Alken, verweilt zwei und mehr Minuten in der Wassertiefe und erträgt alle Unbill des Wetters
lange Zeit, bevor er ermattet. Jm Fluge zeigt er Aehnlichkeit mit seinen Verwandten und noch
mehr als diese mit Kerbthieren, weil die kleinen Schwingen noch rascher bewegt werden als von
jenen. Vom Wasser wie vom Lande erhebt er sich leicht und ohne Mühe, und ebenso gewandt fällt
er wieder auf oder in das Wasser ein, kurz, beweist, daß er seinen Flug vollständig in der Gewalt
hat. Die Stimme unterscheidet ihn von allen übrigen Flügeltauchern und scheint sehr manchfaltig zu
sein, da die Beobachter sie verschieden wiedergeben, die einen durch die Silbe "Gief", welche hell-
pfeifend klingen soll, die anderen durch die Laute "Trr, trr, tet, tet, tet". Scharen, welche man
bei Nebelwetter im Meere antrifft, vernimmt man schon viel eher, als man sie zu sehen bekommt,
wie sich denn überhaupt der Krabbentaucher durch eine außerordentliche Lebhaftigkeit und Regsamkeit
sehr zu seinem Vortheile auszeichnet. Jm übrigen bekundet er in seinem Wesen sich als echte
Lumme, zeigt sich ebenso friedliebend, duldsam und gesellig, ebenso sorglos und unüberlegt wie die
Verwandten.

Die Nahrung scheint vorzugsweise aus kleinen, nah der Oberfläche lebenden Krebsthieren zu
bestehen; denn nur zuweilen findet man Ueberreste von Fischen in dem Magen der Erlegten. Bei
ihrer Jagd sieht man die Krabbentaucher, über eine große Fläche des Meeres zerstreut, eifrigst
schwimmen, tauchen und mit raschen Bewegungen des Kopfes ihre Beute verfolgen und immer
Etwas aufnehmen.

Auf hochnordischen Jnseln rotten sich diese Vögelchen während der Brutzeit ebenfalls zu unschätz-
baren Scharen zusammen. An den Küsten Spitzbergens z. B. sieht man sie, laut Malmgren,
überall in großer Menge und vernimmt von den Bergseiten, welche sie sich erwählt haben, Tag und
Nacht ihr ununterbrochenes Geschrei bis auf eine halbe Meile weit von der Küste. Jn der Nähe
Jslands brüten sie, laut Faber, nur auf einer Stelle, auf der nördlichsten Spitze der kleinen Jnsel
Grimsö. Jedes Pärchen sucht sich hier tief unter den niedergefallenen Felsstücken eine passende
Niststelle und legt hier sein weißes, bläulich schimmerndes, dem einer Taube an Größe gleich-
kommendes Ei. "Am 17. Junius", sagt Faber, "wälzte ich nachts um zwölf Uhr mit einigen
Bewohnern der Jnsel die Steine weg, welche die Brütenden verbargen, und griff zehn auf den Eiern
sitzende Krabbentaucher, die, wie ich beim Zerlegen fand, alle Männchen waren. Sie gaben mir
einen rührenden Beweis der Liebe, welche auch die Männchen dieser Vögel an ihre Eier bindet. Drei
Tage vor diesem Unternehmen nämlich hatte ich den Brutplatz ebenfalls besucht und Einen flügellahm
geschossen; derselbe verbarg sich aber behend zwischen den Steinen, ehe ich ihn greifen konnte. Er
war eines von den zehn Männchen, welche ich drei Tage später auf den Eiern fing, lag ganz abgezehrt
mit zerschmetterten Flügeln da: seine leiblichen Schmerzen aber hatten die Liebe für die Brut nicht
unterdrücken können." Auf den Brutplätzen sieht man diejenigen, welche nicht brüten, scharenweise
auf den herabgefallenen Felsstücken sitzen, welche die brütenden Gatten verbergen. Werden jene auf-
gejagt, so fliegen sie sämmtlich auf das Meer hinaus, kehren jedoch bald zurück und umkreisen die
Brutplätze, sodaß man sie leicht erlegen kann. Uebertages fischen die nichtbrütenden Vögel auf dem
Meere, abends setzen sie sich unter stetem Schreien, Schnattern und Gackern in der Nähe der Nester
auf den Steinen nieder. Wie lange die Brutzeit währt, weiß man bis jetzt noch nicht, wohl aber,
daß beide Eltern das in graue Flaumen gekleidete Junge ebenfalls zärtlich lieben und so lange mit
Futter versorgen, bis es vollkommen ausgefiedert die Höhle verlassen und auf das Meer hinausfliegen
kann. Wahrscheinlich sammeln sich nunmehr nach und nach die Krabbentaucher von verschiedenen
Brutplätzen, um jene unermeßlichen Scharen zu bilden, welche man zuweilen bemerkt hat.

Krabbentaucher.

Unter allen Lummen und Flügeltauchern überhaupt iſt der Krabbentaucher der beweglichſte,
munterſte und gewandteſte. Er geht auf den Zehen, verhältnißmäßig raſch und geſchickt, wenn auch
mit kleinen trippelnden Schrittchen, huſcht behend zwiſchen den Steinen umher oder kriecht wie eine
Maus in die Klüfte, ſchwimmt und taucht mit außerordentlicher Fertigkeit, noch beſſer als Lummen
und Alken, verweilt zwei und mehr Minuten in der Waſſertiefe und erträgt alle Unbill des Wetters
lange Zeit, bevor er ermattet. Jm Fluge zeigt er Aehnlichkeit mit ſeinen Verwandten und noch
mehr als dieſe mit Kerbthieren, weil die kleinen Schwingen noch raſcher bewegt werden als von
jenen. Vom Waſſer wie vom Lande erhebt er ſich leicht und ohne Mühe, und ebenſo gewandt fällt
er wieder auf oder in das Waſſer ein, kurz, beweiſt, daß er ſeinen Flug vollſtändig in der Gewalt
hat. Die Stimme unterſcheidet ihn von allen übrigen Flügeltauchern und ſcheint ſehr manchfaltig zu
ſein, da die Beobachter ſie verſchieden wiedergeben, die einen durch die Silbe „Gief“, welche hell-
pfeifend klingen ſoll, die anderen durch die Laute „Trr, trr, tet, tet, tet“. Scharen, welche man
bei Nebelwetter im Meere antrifft, vernimmt man ſchon viel eher, als man ſie zu ſehen bekommt,
wie ſich denn überhaupt der Krabbentaucher durch eine außerordentliche Lebhaftigkeit und Regſamkeit
ſehr zu ſeinem Vortheile auszeichnet. Jm übrigen bekundet er in ſeinem Weſen ſich als echte
Lumme, zeigt ſich ebenſo friedliebend, duldſam und geſellig, ebenſo ſorglos und unüberlegt wie die
Verwandten.

Die Nahrung ſcheint vorzugsweiſe aus kleinen, nah der Oberfläche lebenden Krebsthieren zu
beſtehen; denn nur zuweilen findet man Ueberreſte von Fiſchen in dem Magen der Erlegten. Bei
ihrer Jagd ſieht man die Krabbentaucher, über eine große Fläche des Meeres zerſtreut, eifrigſt
ſchwimmen, tauchen und mit raſchen Bewegungen des Kopfes ihre Beute verfolgen und immer
Etwas aufnehmen.

Auf hochnordiſchen Jnſeln rotten ſich dieſe Vögelchen während der Brutzeit ebenfalls zu unſchätz-
baren Scharen zuſammen. An den Küſten Spitzbergens z. B. ſieht man ſie, laut Malmgren,
überall in großer Menge und vernimmt von den Bergſeiten, welche ſie ſich erwählt haben, Tag und
Nacht ihr ununterbrochenes Geſchrei bis auf eine halbe Meile weit von der Küſte. Jn der Nähe
Jslands brüten ſie, laut Faber, nur auf einer Stelle, auf der nördlichſten Spitze der kleinen Jnſel
Grimsö. Jedes Pärchen ſucht ſich hier tief unter den niedergefallenen Felsſtücken eine paſſende
Niſtſtelle und legt hier ſein weißes, bläulich ſchimmerndes, dem einer Taube an Größe gleich-
kommendes Ei. „Am 17. Junius“, ſagt Faber, „wälzte ich nachts um zwölf Uhr mit einigen
Bewohnern der Jnſel die Steine weg, welche die Brütenden verbargen, und griff zehn auf den Eiern
ſitzende Krabbentaucher, die, wie ich beim Zerlegen fand, alle Männchen waren. Sie gaben mir
einen rührenden Beweis der Liebe, welche auch die Männchen dieſer Vögel an ihre Eier bindet. Drei
Tage vor dieſem Unternehmen nämlich hatte ich den Brutplatz ebenfalls beſucht und Einen flügellahm
geſchoſſen; derſelbe verbarg ſich aber behend zwiſchen den Steinen, ehe ich ihn greifen konnte. Er
war eines von den zehn Männchen, welche ich drei Tage ſpäter auf den Eiern fing, lag ganz abgezehrt
mit zerſchmetterten Flügeln da: ſeine leiblichen Schmerzen aber hatten die Liebe für die Brut nicht
unterdrücken können.“ Auf den Brutplätzen ſieht man diejenigen, welche nicht brüten, ſcharenweiſe
auf den herabgefallenen Felsſtücken ſitzen, welche die brütenden Gatten verbergen. Werden jene auf-
gejagt, ſo fliegen ſie ſämmtlich auf das Meer hinaus, kehren jedoch bald zurück und umkreiſen die
Brutplätze, ſodaß man ſie leicht erlegen kann. Uebertages fiſchen die nichtbrütenden Vögel auf dem
Meere, abends ſetzen ſie ſich unter ſtetem Schreien, Schnattern und Gackern in der Nähe der Neſter
auf den Steinen nieder. Wie lange die Brutzeit währt, weiß man bis jetzt noch nicht, wohl aber,
daß beide Eltern das in graue Flaumen gekleidete Junge ebenfalls zärtlich lieben und ſo lange mit
Futter verſorgen, bis es vollkommen ausgefiedert die Höhle verlaſſen und auf das Meer hinausfliegen
kann. Wahrſcheinlich ſammeln ſich nunmehr nach und nach die Krabbentaucher von verſchiedenen
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[955/1007] Krabbentaucher. Unter allen Lummen und Flügeltauchern überhaupt iſt der Krabbentaucher der beweglichſte, munterſte und gewandteſte. Er geht auf den Zehen, verhältnißmäßig raſch und geſchickt, wenn auch mit kleinen trippelnden Schrittchen, huſcht behend zwiſchen den Steinen umher oder kriecht wie eine Maus in die Klüfte, ſchwimmt und taucht mit außerordentlicher Fertigkeit, noch beſſer als Lummen und Alken, verweilt zwei und mehr Minuten in der Waſſertiefe und erträgt alle Unbill des Wetters lange Zeit, bevor er ermattet. Jm Fluge zeigt er Aehnlichkeit mit ſeinen Verwandten und noch mehr als dieſe mit Kerbthieren, weil die kleinen Schwingen noch raſcher bewegt werden als von jenen. Vom Waſſer wie vom Lande erhebt er ſich leicht und ohne Mühe, und ebenſo gewandt fällt er wieder auf oder in das Waſſer ein, kurz, beweiſt, daß er ſeinen Flug vollſtändig in der Gewalt hat. Die Stimme unterſcheidet ihn von allen übrigen Flügeltauchern und ſcheint ſehr manchfaltig zu ſein, da die Beobachter ſie verſchieden wiedergeben, die einen durch die Silbe „Gief“, welche hell- pfeifend klingen ſoll, die anderen durch die Laute „Trr, trr, tet, tet, tet“. Scharen, welche man bei Nebelwetter im Meere antrifft, vernimmt man ſchon viel eher, als man ſie zu ſehen bekommt, wie ſich denn überhaupt der Krabbentaucher durch eine außerordentliche Lebhaftigkeit und Regſamkeit ſehr zu ſeinem Vortheile auszeichnet. Jm übrigen bekundet er in ſeinem Weſen ſich als echte Lumme, zeigt ſich ebenſo friedliebend, duldſam und geſellig, ebenſo ſorglos und unüberlegt wie die Verwandten. Die Nahrung ſcheint vorzugsweiſe aus kleinen, nah der Oberfläche lebenden Krebsthieren zu beſtehen; denn nur zuweilen findet man Ueberreſte von Fiſchen in dem Magen der Erlegten. Bei ihrer Jagd ſieht man die Krabbentaucher, über eine große Fläche des Meeres zerſtreut, eifrigſt ſchwimmen, tauchen und mit raſchen Bewegungen des Kopfes ihre Beute verfolgen und immer Etwas aufnehmen. Auf hochnordiſchen Jnſeln rotten ſich dieſe Vögelchen während der Brutzeit ebenfalls zu unſchätz- baren Scharen zuſammen. An den Küſten Spitzbergens z. B. ſieht man ſie, laut Malmgren, überall in großer Menge und vernimmt von den Bergſeiten, welche ſie ſich erwählt haben, Tag und Nacht ihr ununterbrochenes Geſchrei bis auf eine halbe Meile weit von der Küſte. Jn der Nähe Jslands brüten ſie, laut Faber, nur auf einer Stelle, auf der nördlichſten Spitze der kleinen Jnſel Grimsö. Jedes Pärchen ſucht ſich hier tief unter den niedergefallenen Felsſtücken eine paſſende Niſtſtelle und legt hier ſein weißes, bläulich ſchimmerndes, dem einer Taube an Größe gleich- kommendes Ei. „Am 17. Junius“, ſagt Faber, „wälzte ich nachts um zwölf Uhr mit einigen Bewohnern der Jnſel die Steine weg, welche die Brütenden verbargen, und griff zehn auf den Eiern ſitzende Krabbentaucher, die, wie ich beim Zerlegen fand, alle Männchen waren. Sie gaben mir einen rührenden Beweis der Liebe, welche auch die Männchen dieſer Vögel an ihre Eier bindet. Drei Tage vor dieſem Unternehmen nämlich hatte ich den Brutplatz ebenfalls beſucht und Einen flügellahm geſchoſſen; derſelbe verbarg ſich aber behend zwiſchen den Steinen, ehe ich ihn greifen konnte. Er war eines von den zehn Männchen, welche ich drei Tage ſpäter auf den Eiern fing, lag ganz abgezehrt mit zerſchmetterten Flügeln da: ſeine leiblichen Schmerzen aber hatten die Liebe für die Brut nicht unterdrücken können.“ Auf den Brutplätzen ſieht man diejenigen, welche nicht brüten, ſcharenweiſe auf den herabgefallenen Felsſtücken ſitzen, welche die brütenden Gatten verbergen. Werden jene auf- gejagt, ſo fliegen ſie ſämmtlich auf das Meer hinaus, kehren jedoch bald zurück und umkreiſen die Brutplätze, ſodaß man ſie leicht erlegen kann. Uebertages fiſchen die nichtbrütenden Vögel auf dem Meere, abends ſetzen ſie ſich unter ſtetem Schreien, Schnattern und Gackern in der Nähe der Neſter auf den Steinen nieder. Wie lange die Brutzeit währt, weiß man bis jetzt noch nicht, wohl aber, daß beide Eltern das in graue Flaumen gekleidete Junge ebenfalls zärtlich lieben und ſo lange mit Futter verſorgen, bis es vollkommen ausgefiedert die Höhle verlaſſen und auf das Meer hinausfliegen kann. Wahrſcheinlich ſammeln ſich nunmehr nach und nach die Krabbentaucher von verſchiedenen Brutplätzen, um jene unermeßlichen Scharen zu bilden, welche man zuweilen bemerkt hat.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 955. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1007>, abgerufen am 22.11.2024.