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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Wendehals.
und wenn er fliegt, wendet er sich sobald als möglich wieder einem Baume zu. Aus der Höhe
stürzt er sich bis dicht über den Boden hernieder, fliegt hier mit rasch bewegten Flügeln eine Strecke
geradeaus und steigt dann in einem großen, flachen Boden wieder aufwärts. Nur wenn er größere
Strecken durchmessen muß, fliegt er in einer sanft wogenden Linie dahin.

Dagegen leistet er Erstaunliches in Verrenkung seines Halses, und diese Fähigkeit ist es, welche
ihm fast in allen Sprachen den gleichbedeutenden Namen verliehen hat. Jedes Ungewohnte bewegt
ihn, Grimassen zu schneiden, und diese werden um so toller, je mehr der Vogel durch irgend eine
Erscheinung in Furcht versetzt worden ist. "Er dehnt den Hals oft lang aus", sagt Naumann,
"sträubt die Kopffedern zu einer Holle aus und breitet den Schwanz fächerförmig aus, Alles unter
wiederholten, langsamen Verbeugungen, oder er dehnt den ganzen Körper und beugt sich, besonders,
wenn er böse ist, langsam vorwärts, verdreht die Augen und bewegt die Kehle wie ein Laubfrosch
unter sonderbarem, dumpfen Gurgeln. Jn der Angst, z. B. wenn er gefangen ist und man mit der
Hand zugreifen will, macht er so sonderbare Grimassen, daß ein Unkundiger darüber, wenn nicht
erschrecken, so doch erstaunen muß. Mit aufgesträubten Kopffedern und halb geschlossenen Augen
dehnt er den Hals zu einer besonderen Länge aus und dreht ihn wie eine Schlange ganz langsam,
sodaß der Kopf währenddem mehrmals im Kreise umgeht und der Schnabel dabei bald rückwärts, bald
vorwärts steht." Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß der Wendehals damit seine Feinde oder
Angreifer schrecken will. Wie der Wiedehopf sich beim Anblick eines Naubvogels zu Boden duckt und
sich durch das weiter oben beschriebene Geberdenspiel unkenntlich zu machen sucht, so bemüht sich auch
der Wendehals, den Feind zu täuschen und abzuschrecken. Er vertraut auf sein unscheinbares
Gefieder, dessen Färbung sich der der Baumrinde oder auch des Bodens innig anschmiegt und ahmt
noch außerdem die Bewegungen der Schlange nach, welche den meisten Thieren furchtbar erscheint.
Daß diese Vertheidigungsart nicht angeboren, sondern angelernt ist, beweist der Wendehals schlagend
genug; denn nur die älteren Vögel, nicht aber die Jungen geberden sich in so merkwürdiger Weise.

Außer dem angegebenen "Wii id wii id" vernimmt man vom Wendehals selten einen anderen
Laut. Jm Zorn ruft das Männchen "Wäd wäd", in der Angst stoßen beide Geschlechter kurz abge-
brochen die Silbe "Schäck" aus, im Zorn zischt wenigstens das Weibchen wie eine Schlange. Die
Jungen schwirren, so lange sie im Neste sitzen, nach Art der Heuschrecken.

Die Spanier haben sehr recht, wenn sie den Wendehals "Hormiguero" oder zu deutsch Ameisler
nennen; denn diese Kerbthiere, welche er ebensowohl vom Boden als von den Bäumen abliest, bilden
in der That die Hauptmasse seiner Nahrung. Er verzehrt alle kleineren Arten, noch lieber aber die
Puppen, als die ausgebildeten Kerfe. Gelegentlich frißt er auch wohl Raupen und andere Larven
oder Puppen; Ameisen bleiben aber immer die Hauptsache. Seine Zunge, welche er so weit vor-
strecken kann, wie nur irgend einer der Spechte, leistet ihm bei seinem Nahrungserwerb höchst
ersprießliche Dienste. Nach Art des Ameisenfressers steckt er sie durch Ritzen und Löcher in das
Jnnere der Haufen, wartet, bis sich die erbosten Kerbthiere an dem vermeintlichen Wurm festgebissen
haben oder an dem klebrigen Schleim hängen geblieben sind, und zieht dann die ganze Ladung mit
einem Ruck in den Schnabel. Die Puppen spießt er mit der Zungenspitze an, wie schon der alte
Geßner beobachtete: "Der Windhalß durchsticht mit seiner außgestreckten Zungen sehr schnell die
Ameissen, gleich wie bey vns die jungen Knaben die Frösch mit eisern Pfeilen, so sie an einen Bogen
gebunden haben, vnd verschluckt dieselbigen, er berühret auch die nimmer mit seinem Schnabel, als die
andern Vögel jhre Speiß."

Hinsichtlich der Nisthöhle macht der Wendehals geringe Ansprüche. Es genügt ihm, wenn der
Eingang zu der Höhlung einigermaßen eng ist, sodaß nicht jedes Raubthier ihm oder der Kinderschar
gefährlich werden kann. Ob das Loch sich in bedeutender oder geringerer Höhe über dem Boden
befindet, scheint ihm ziemlich gleichgiltig zu sein. Sind mehrere Höhlen in einem Baume, so überläßt
er, wie Naumann bemerkt, die höheren gewöhnlich anderen Vögeln, Feldsperlingen, Rothschwänzen
und Meisen, mit denen er nicht gern streiten mag, nimmt die unterste in Besitz und lebt dann mit

Wendehals.
und wenn er fliegt, wendet er ſich ſobald als möglich wieder einem Baume zu. Aus der Höhe
ſtürzt er ſich bis dicht über den Boden hernieder, fliegt hier mit raſch bewegten Flügeln eine Strecke
geradeaus und ſteigt dann in einem großen, flachen Boden wieder aufwärts. Nur wenn er größere
Strecken durchmeſſen muß, fliegt er in einer ſanft wogenden Linie dahin.

Dagegen leiſtet er Erſtaunliches in Verrenkung ſeines Halſes, und dieſe Fähigkeit iſt es, welche
ihm faſt in allen Sprachen den gleichbedeutenden Namen verliehen hat. Jedes Ungewohnte bewegt
ihn, Grimaſſen zu ſchneiden, und dieſe werden um ſo toller, je mehr der Vogel durch irgend eine
Erſcheinung in Furcht verſetzt worden iſt. „Er dehnt den Hals oft lang aus“, ſagt Naumann,
„ſträubt die Kopffedern zu einer Holle aus und breitet den Schwanz fächerförmig aus, Alles unter
wiederholten, langſamen Verbeugungen, oder er dehnt den ganzen Körper und beugt ſich, beſonders,
wenn er böſe iſt, langſam vorwärts, verdreht die Augen und bewegt die Kehle wie ein Laubfroſch
unter ſonderbarem, dumpfen Gurgeln. Jn der Angſt, z. B. wenn er gefangen iſt und man mit der
Hand zugreifen will, macht er ſo ſonderbare Grimaſſen, daß ein Unkundiger darüber, wenn nicht
erſchrecken, ſo doch erſtaunen muß. Mit aufgeſträubten Kopffedern und halb geſchloſſenen Augen
dehnt er den Hals zu einer beſonderen Länge aus und dreht ihn wie eine Schlange ganz langſam,
ſodaß der Kopf währenddem mehrmals im Kreiſe umgeht und der Schnabel dabei bald rückwärts, bald
vorwärts ſteht.“ Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß der Wendehals damit ſeine Feinde oder
Angreifer ſchrecken will. Wie der Wiedehopf ſich beim Anblick eines Naubvogels zu Boden duckt und
ſich durch das weiter oben beſchriebene Geberdenſpiel unkenntlich zu machen ſucht, ſo bemüht ſich auch
der Wendehals, den Feind zu täuſchen und abzuſchrecken. Er vertraut auf ſein unſcheinbares
Gefieder, deſſen Färbung ſich der der Baumrinde oder auch des Bodens innig anſchmiegt und ahmt
noch außerdem die Bewegungen der Schlange nach, welche den meiſten Thieren furchtbar erſcheint.
Daß dieſe Vertheidigungsart nicht angeboren, ſondern angelernt iſt, beweiſt der Wendehals ſchlagend
genug; denn nur die älteren Vögel, nicht aber die Jungen geberden ſich in ſo merkwürdiger Weiſe.

Außer dem angegebenen „Wii id wii id“ vernimmt man vom Wendehals ſelten einen anderen
Laut. Jm Zorn ruft das Männchen „Wäd wäd“, in der Angſt ſtoßen beide Geſchlechter kurz abge-
brochen die Silbe „Schäck“ aus, im Zorn ziſcht wenigſtens das Weibchen wie eine Schlange. Die
Jungen ſchwirren, ſo lange ſie im Neſte ſitzen, nach Art der Heuſchrecken.

Die Spanier haben ſehr recht, wenn ſie den Wendehals „Hormiguero“ oder zu deutſch Ameiſler
nennen; denn dieſe Kerbthiere, welche er ebenſowohl vom Boden als von den Bäumen ablieſt, bilden
in der That die Hauptmaſſe ſeiner Nahrung. Er verzehrt alle kleineren Arten, noch lieber aber die
Puppen, als die ausgebildeten Kerfe. Gelegentlich frißt er auch wohl Raupen und andere Larven
oder Puppen; Ameiſen bleiben aber immer die Hauptſache. Seine Zunge, welche er ſo weit vor-
ſtrecken kann, wie nur irgend einer der Spechte, leiſtet ihm bei ſeinem Nahrungserwerb höchſt
erſprießliche Dienſte. Nach Art des Ameiſenfreſſers ſteckt er ſie durch Ritzen und Löcher in das
Jnnere der Haufen, wartet, bis ſich die erboſten Kerbthiere an dem vermeintlichen Wurm feſtgebiſſen
haben oder an dem klebrigen Schleim hängen geblieben ſind, und zieht dann die ganze Ladung mit
einem Ruck in den Schnabel. Die Puppen ſpießt er mit der Zungenſpitze an, wie ſchon der alte
Geßner beobachtete: „Der Windhalß durchſticht mit ſeiner außgeſtreckten Zungen ſehr ſchnell die
Ameiſſen, gleich wie bey vns die jungen Knaben die Fröſch mit eiſern Pfeilen, ſo ſie an einen Bogen
gebunden haben, vnd verſchluckt dieſelbigen, er berühret auch die nimmer mit ſeinem Schnabel, als die
andern Vögel jhre Speiß.“

Hinſichtlich der Niſthöhle macht der Wendehals geringe Anſprüche. Es genügt ihm, wenn der
Eingang zu der Höhlung einigermaßen eng iſt, ſodaß nicht jedes Raubthier ihm oder der Kinderſchar
gefährlich werden kann. Ob das Loch ſich in bedeutender oder geringerer Höhe über dem Boden
befindet, ſcheint ihm ziemlich gleichgiltig zu ſein. Sind mehrere Höhlen in einem Baume, ſo überläßt
er, wie Naumann bemerkt, die höheren gewöhnlich anderen Vögeln, Feldſperlingen, Rothſchwänzen
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[91/0105] Wendehals. und wenn er fliegt, wendet er ſich ſobald als möglich wieder einem Baume zu. Aus der Höhe ſtürzt er ſich bis dicht über den Boden hernieder, fliegt hier mit raſch bewegten Flügeln eine Strecke geradeaus und ſteigt dann in einem großen, flachen Boden wieder aufwärts. Nur wenn er größere Strecken durchmeſſen muß, fliegt er in einer ſanft wogenden Linie dahin. Dagegen leiſtet er Erſtaunliches in Verrenkung ſeines Halſes, und dieſe Fähigkeit iſt es, welche ihm faſt in allen Sprachen den gleichbedeutenden Namen verliehen hat. Jedes Ungewohnte bewegt ihn, Grimaſſen zu ſchneiden, und dieſe werden um ſo toller, je mehr der Vogel durch irgend eine Erſcheinung in Furcht verſetzt worden iſt. „Er dehnt den Hals oft lang aus“, ſagt Naumann, „ſträubt die Kopffedern zu einer Holle aus und breitet den Schwanz fächerförmig aus, Alles unter wiederholten, langſamen Verbeugungen, oder er dehnt den ganzen Körper und beugt ſich, beſonders, wenn er böſe iſt, langſam vorwärts, verdreht die Augen und bewegt die Kehle wie ein Laubfroſch unter ſonderbarem, dumpfen Gurgeln. Jn der Angſt, z. B. wenn er gefangen iſt und man mit der Hand zugreifen will, macht er ſo ſonderbare Grimaſſen, daß ein Unkundiger darüber, wenn nicht erſchrecken, ſo doch erſtaunen muß. Mit aufgeſträubten Kopffedern und halb geſchloſſenen Augen dehnt er den Hals zu einer beſonderen Länge aus und dreht ihn wie eine Schlange ganz langſam, ſodaß der Kopf währenddem mehrmals im Kreiſe umgeht und der Schnabel dabei bald rückwärts, bald vorwärts ſteht.“ Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß der Wendehals damit ſeine Feinde oder Angreifer ſchrecken will. Wie der Wiedehopf ſich beim Anblick eines Naubvogels zu Boden duckt und ſich durch das weiter oben beſchriebene Geberdenſpiel unkenntlich zu machen ſucht, ſo bemüht ſich auch der Wendehals, den Feind zu täuſchen und abzuſchrecken. Er vertraut auf ſein unſcheinbares Gefieder, deſſen Färbung ſich der der Baumrinde oder auch des Bodens innig anſchmiegt und ahmt noch außerdem die Bewegungen der Schlange nach, welche den meiſten Thieren furchtbar erſcheint. Daß dieſe Vertheidigungsart nicht angeboren, ſondern angelernt iſt, beweiſt der Wendehals ſchlagend genug; denn nur die älteren Vögel, nicht aber die Jungen geberden ſich in ſo merkwürdiger Weiſe. Außer dem angegebenen „Wii id wii id“ vernimmt man vom Wendehals ſelten einen anderen Laut. Jm Zorn ruft das Männchen „Wäd wäd“, in der Angſt ſtoßen beide Geſchlechter kurz abge- brochen die Silbe „Schäck“ aus, im Zorn ziſcht wenigſtens das Weibchen wie eine Schlange. Die Jungen ſchwirren, ſo lange ſie im Neſte ſitzen, nach Art der Heuſchrecken. Die Spanier haben ſehr recht, wenn ſie den Wendehals „Hormiguero“ oder zu deutſch Ameiſler nennen; denn dieſe Kerbthiere, welche er ebenſowohl vom Boden als von den Bäumen ablieſt, bilden in der That die Hauptmaſſe ſeiner Nahrung. Er verzehrt alle kleineren Arten, noch lieber aber die Puppen, als die ausgebildeten Kerfe. Gelegentlich frißt er auch wohl Raupen und andere Larven oder Puppen; Ameiſen bleiben aber immer die Hauptſache. Seine Zunge, welche er ſo weit vor- ſtrecken kann, wie nur irgend einer der Spechte, leiſtet ihm bei ſeinem Nahrungserwerb höchſt erſprießliche Dienſte. Nach Art des Ameiſenfreſſers ſteckt er ſie durch Ritzen und Löcher in das Jnnere der Haufen, wartet, bis ſich die erboſten Kerbthiere an dem vermeintlichen Wurm feſtgebiſſen haben oder an dem klebrigen Schleim hängen geblieben ſind, und zieht dann die ganze Ladung mit einem Ruck in den Schnabel. Die Puppen ſpießt er mit der Zungenſpitze an, wie ſchon der alte Geßner beobachtete: „Der Windhalß durchſticht mit ſeiner außgeſtreckten Zungen ſehr ſchnell die Ameiſſen, gleich wie bey vns die jungen Knaben die Fröſch mit eiſern Pfeilen, ſo ſie an einen Bogen gebunden haben, vnd verſchluckt dieſelbigen, er berühret auch die nimmer mit ſeinem Schnabel, als die andern Vögel jhre Speiß.“ Hinſichtlich der Niſthöhle macht der Wendehals geringe Anſprüche. Es genügt ihm, wenn der Eingang zu der Höhlung einigermaßen eng iſt, ſodaß nicht jedes Raubthier ihm oder der Kinderſchar gefährlich werden kann. Ob das Loch ſich in bedeutender oder geringerer Höhe über dem Boden befindet, ſcheint ihm ziemlich gleichgiltig zu ſein. Sind mehrere Höhlen in einem Baume, ſo überläßt er, wie Naumann bemerkt, die höheren gewöhnlich anderen Vögeln, Feldſperlingen, Rothſchwänzen und Meiſen, mit denen er nicht gern ſtreiten mag, nimmt die unterſte in Beſitz und lebt dann mit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/105>, abgerufen am 23.11.2024.