soll sie gar nicht gefunden werden und die Schweiz, Nordfrankreich und Jtalien nur auf dem Zuge berühren. Auf Korfu erscheint sie während des Zuges in großer Anzahl; die Scharen verweilen aber nur wenige Tage hier, und blos einzelne Paare nisten auf der Jnsel oder auf dem benachbarten Fest- lande. Auch auf Malta ist sie im Frühling und Herbst gemein, und auch hier verweilen blos einige, um zu brüten. Jn Südrußland, Spanien und Griechenland ist sie an geeigneten Orten sehr häufig; in Griechenland bildet sie förmliche Ansiedelungen, in Spanien haben wir sie ebenfalls oft in ziemlichen Gesellschaften beobachtet. Gelegentlich ihrer Winterreise erscheint sie in allen von mir durch- reisten Gegenden Afrikas: ich habe sie noch südlich des zwölften Grads nördlicher Breite angetroffen, ja, wenn A. Smith richtig beobachtet hat, kommt sie um diese Zeit sogar am Vorgebirge der guten Hoffnung vor. Nach Jerdon soll sie in West- und Mittelasien gemein sein, dagegen nur in den nordwestlichsten Provinzen Jndiens gefunden werden.
Bei uns zu Lande meidet die Blaurake die Nähe des Menschen ängstlich; in südlicheren Gegenden läßt sie sich leichter beobachten. Sie ist höchst unstät und flüchtig, so lange sie nicht die Sorge um die Brut an ein ganz bestimmtes Gebiet fesselt, schweift während des ganzen Tages umher, von Baum zu Baum fliegend, und späht von den Wipfeln oder von den Spitzen dürrer Aeste aus nach Nahrung. Bei trübem Wetter mürrisch und verdrossen, tummelt sie sich bei Sonnenschein oft, des Spielens halber, in der Luft umher und macht dabei sonderbare Schwenkungen, stürzt sich z. B. plötzlich aus großer Höhe kopfüber in die Tiefe hernieder und klettert dann langsam wieder aufwärts oder schwenkt sich mit taubenartigem Fluge unter haftigen Flügelschlägen, scheinbar zwecklos, durch die Luft, sodaß man sie immer leicht erkennen kann. Jm Gezweig hüpft sie nicht umher; sie bewegt sich vielmehr, wie die meisten übrigen Leichtschnäbler, immer nur mit Hilfe der Flügel von einem Aste zum andern. Auf dem Boden ist sie gänzlich fremd; doch kommt es vor, daß sie sich demselben fliegend so weit nähert, um ein dort laufendes Thier aufnehmen zu können. Jhre Sinne scheinen wohl entwickelt und ihr Verstand ziemlich ausgebildet zu sein; ihr Wesen aber ist nicht gerade liebenswürdiger Art. Ganz im Gegensatze zu den verwandten Bienenfressern sind alle Raken und so auch die unsrige zänkische, unver- trägliche, bissige Geschöpfe, welche mit wenig andern Thieren Frieden halten und zumal mit Jhres- gleichen in beständigem Streite liegen. Von der Mühle versichert, daß die Blaurake mit der Dohle, und Naumann, daß sie mit andern um sie wohnenden Vögeln gute Freundschaft halte; das Erstere ist richtig, das Letztere hat wohl nur bedingungsweise Geltung; denn nicht blos die Raubvögel, sondern auch Würger, Heher und Krähen werden von der Rake heftig angefallen. Während der Brutzeit und auf ihrem Winterzuge herrscht Frieden. Die Stimme entspricht dem Namen: sie ist ein hohes, schnarrendes, beständig wiederholtes "Raker, raker, raker", der Laut des Zorns aber ein kreischendes "Räh" und der Ton der Zärtlichkeit ein klägliches, hohes "Kräh". "Bei schönem Wetter", sagt Naumann, "steigt das Männchen in der Nähe, wo das Weibchen brütet, mit einem "Rak, rak, jack" bis zu einer ziemlichen Höhe empor, aus welcher es sich auf einmal wieder herabstürzt, dabei immer überpurzelt, sich in der Luft hin- und herwiegt und unter einem schnell auf einander folgenden "Räh, räh, räh", in welches es das "Rak" verwandelt, sobald es sich zu überpurzeln anfängt, wieder seinen Sitz auf der Spitze eines dürren Astes einnimmt. Dies scheint den Gesang vorzustellen."
Allerlei Kerbthiere und kleine Lurche, namentlich Käfer, Heuschrecken, Gewürm, kleine Frösche und Eidechsen bilden die Nahrung der Rake. Eine Maus nimmt sie wohl auch mit auf, und kleine Vögel wird sie ebenfalls nicht verschmähen. Naumann sagt, daß er sie nie ein fliegendes Kerbthier habe fangen sehen; Jerdon hingegen versichert, daß die indische Art auf gewisse Strecken fliegende Kerbthiere verfolgt und sich eifrig mit dem Fange der geflügelten Termiten beschäftigt, wenn diese nach einem gefallenen Regen ihre Rester verlassen und umherschwärmen. Laut Naumann soll sie auch niemals Pflanzenstosse zu sich nehmen, während von der Mühle erwähnt, daß in Griechenland ihre Federn an der Schnabelwurzel von dem Zuckerstoff der Feigen verkleistert erscheinen, und Linder- mayer bestätigend hinzufügt, daß sie noch nach ihrem Wegzuge aus Griechenland auf den Jnseln ver- weile, "wo die Feigen, ihre Lieblingskost, sie noch einige Zeit fesseln, ehe sie ihre Reise nach den
Blaurake.
ſoll ſie gar nicht gefunden werden und die Schweiz, Nordfrankreich und Jtalien nur auf dem Zuge berühren. Auf Korfu erſcheint ſie während des Zuges in großer Anzahl; die Scharen verweilen aber nur wenige Tage hier, und blos einzelne Paare niſten auf der Jnſel oder auf dem benachbarten Feſt- lande. Auch auf Malta iſt ſie im Frühling und Herbſt gemein, und auch hier verweilen blos einige, um zu brüten. Jn Südrußland, Spanien und Griechenland iſt ſie an geeigneten Orten ſehr häufig; in Griechenland bildet ſie förmliche Anſiedelungen, in Spanien haben wir ſie ebenfalls oft in ziemlichen Geſellſchaften beobachtet. Gelegentlich ihrer Winterreiſe erſcheint ſie in allen von mir durch- reiſten Gegenden Afrikas: ich habe ſie noch ſüdlich des zwölften Grads nördlicher Breite angetroffen, ja, wenn A. Smith richtig beobachtet hat, kommt ſie um dieſe Zeit ſogar am Vorgebirge der guten Hoffnung vor. Nach Jerdon ſoll ſie in Weſt- und Mittelaſien gemein ſein, dagegen nur in den nordweſtlichſten Provinzen Jndiens gefunden werden.
Bei uns zu Lande meidet die Blaurake die Nähe des Menſchen ängſtlich; in ſüdlicheren Gegenden läßt ſie ſich leichter beobachten. Sie iſt höchſt unſtät und flüchtig, ſo lange ſie nicht die Sorge um die Brut an ein ganz beſtimmtes Gebiet feſſelt, ſchweift während des ganzen Tages umher, von Baum zu Baum fliegend, und ſpäht von den Wipfeln oder von den Spitzen dürrer Aeſte aus nach Nahrung. Bei trübem Wetter mürriſch und verdroſſen, tummelt ſie ſich bei Sonnenſchein oft, des Spielens halber, in der Luft umher und macht dabei ſonderbare Schwenkungen, ſtürzt ſich z. B. plötzlich aus großer Höhe kopfüber in die Tiefe hernieder und klettert dann langſam wieder aufwärts oder ſchwenkt ſich mit taubenartigem Fluge unter haftigen Flügelſchlägen, ſcheinbar zwecklos, durch die Luft, ſodaß man ſie immer leicht erkennen kann. Jm Gezweig hüpft ſie nicht umher; ſie bewegt ſich vielmehr, wie die meiſten übrigen Leichtſchnäbler, immer nur mit Hilfe der Flügel von einem Aſte zum andern. Auf dem Boden iſt ſie gänzlich fremd; doch kommt es vor, daß ſie ſich demſelben fliegend ſo weit nähert, um ein dort laufendes Thier aufnehmen zu können. Jhre Sinne ſcheinen wohl entwickelt und ihr Verſtand ziemlich ausgebildet zu ſein; ihr Weſen aber iſt nicht gerade liebenswürdiger Art. Ganz im Gegenſatze zu den verwandten Bienenfreſſern ſind alle Raken und ſo auch die unſrige zänkiſche, unver- trägliche, biſſige Geſchöpfe, welche mit wenig andern Thieren Frieden halten und zumal mit Jhres- gleichen in beſtändigem Streite liegen. Von der Mühle verſichert, daß die Blaurake mit der Dohle, und Naumann, daß ſie mit andern um ſie wohnenden Vögeln gute Freundſchaft halte; das Erſtere iſt richtig, das Letztere hat wohl nur bedingungsweiſe Geltung; denn nicht blos die Raubvögel, ſondern auch Würger, Heher und Krähen werden von der Rake heftig angefallen. Während der Brutzeit und auf ihrem Winterzuge herrſcht Frieden. Die Stimme entſpricht dem Namen: ſie iſt ein hohes, ſchnarrendes, beſtändig wiederholtes „Raker, raker, raker“, der Laut des Zorns aber ein kreiſchendes „Räh“ und der Ton der Zärtlichkeit ein klägliches, hohes „Kräh“. „Bei ſchönem Wetter“, ſagt Naumann, „ſteigt das Männchen in der Nähe, wo das Weibchen brütet, mit einem „Rak, rak, jack“ bis zu einer ziemlichen Höhe empor, aus welcher es ſich auf einmal wieder herabſtürzt, dabei immer überpurzelt, ſich in der Luft hin- und herwiegt und unter einem ſchnell auf einander folgenden „Räh, räh, räh“, in welches es das „Rak“ verwandelt, ſobald es ſich zu überpurzeln anfängt, wieder ſeinen Sitz auf der Spitze eines dürren Aſtes einnimmt. Dies ſcheint den Geſang vorzuſtellen.“
Allerlei Kerbthiere und kleine Lurche, namentlich Käfer, Heuſchrecken, Gewürm, kleine Fröſche und Eidechſen bilden die Nahrung der Rake. Eine Maus nimmt ſie wohl auch mit auf, und kleine Vögel wird ſie ebenfalls nicht verſchmähen. Naumann ſagt, daß er ſie nie ein fliegendes Kerbthier habe fangen ſehen; Jerdon hingegen verſichert, daß die indiſche Art auf gewiſſe Strecken fliegende Kerbthiere verfolgt und ſich eifrig mit dem Fange der geflügelten Termiten beſchäftigt, wenn dieſe nach einem gefallenen Regen ihre Reſter verlaſſen und umherſchwärmen. Laut Naumann ſoll ſie auch niemals Pflanzenſtoſſe zu ſich nehmen, während von der Mühle erwähnt, daß in Griechenland ihre Federn an der Schnabelwurzel von dem Zuckerſtoff der Feigen verkleiſtert erſcheinen, und Linder- mayer beſtätigend hinzufügt, daß ſie noch nach ihrem Wegzuge aus Griechenland auf den Jnſeln ver- weile, „wo die Feigen, ihre Lieblingskoſt, ſie noch einige Zeit feſſeln, ehe ſie ihre Reiſe nach den
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Blaurake.
ſoll ſie gar nicht gefunden werden und die Schweiz, Nordfrankreich und Jtalien nur auf dem Zuge
berühren. Auf Korfu erſcheint ſie während des Zuges in großer Anzahl; die Scharen verweilen aber
nur wenige Tage hier, und blos einzelne Paare niſten auf der Jnſel oder auf dem benachbarten Feſt-
lande. Auch auf Malta iſt ſie im Frühling und Herbſt gemein, und auch hier verweilen blos einige,
um zu brüten. Jn Südrußland, Spanien und Griechenland iſt ſie an geeigneten Orten ſehr häufig;
in Griechenland bildet ſie förmliche Anſiedelungen, in Spanien haben wir ſie ebenfalls oft in
ziemlichen Geſellſchaften beobachtet. Gelegentlich ihrer Winterreiſe erſcheint ſie in allen von mir durch-
reiſten Gegenden Afrikas: ich habe ſie noch ſüdlich des zwölften Grads nördlicher Breite angetroffen,
ja, wenn A. Smith richtig beobachtet hat, kommt ſie um dieſe Zeit ſogar am Vorgebirge der guten
Hoffnung vor. Nach Jerdon ſoll ſie in Weſt- und Mittelaſien gemein ſein, dagegen nur in den
nordweſtlichſten Provinzen Jndiens gefunden werden.
Bei uns zu Lande meidet die Blaurake die Nähe des Menſchen ängſtlich; in ſüdlicheren Gegenden
läßt ſie ſich leichter beobachten. Sie iſt höchſt unſtät und flüchtig, ſo lange ſie nicht die Sorge um die
Brut an ein ganz beſtimmtes Gebiet feſſelt, ſchweift während des ganzen Tages umher, von Baum zu
Baum fliegend, und ſpäht von den Wipfeln oder von den Spitzen dürrer Aeſte aus nach Nahrung.
Bei trübem Wetter mürriſch und verdroſſen, tummelt ſie ſich bei Sonnenſchein oft, des Spielens halber,
in der Luft umher und macht dabei ſonderbare Schwenkungen, ſtürzt ſich z. B. plötzlich aus großer
Höhe kopfüber in die Tiefe hernieder und klettert dann langſam wieder aufwärts oder ſchwenkt ſich
mit taubenartigem Fluge unter haftigen Flügelſchlägen, ſcheinbar zwecklos, durch die Luft, ſodaß man ſie
immer leicht erkennen kann. Jm Gezweig hüpft ſie nicht umher; ſie bewegt ſich vielmehr, wie die
meiſten übrigen Leichtſchnäbler, immer nur mit Hilfe der Flügel von einem Aſte zum andern. Auf
dem Boden iſt ſie gänzlich fremd; doch kommt es vor, daß ſie ſich demſelben fliegend ſo weit nähert,
um ein dort laufendes Thier aufnehmen zu können. Jhre Sinne ſcheinen wohl entwickelt und ihr
Verſtand ziemlich ausgebildet zu ſein; ihr Weſen aber iſt nicht gerade liebenswürdiger Art. Ganz im
Gegenſatze zu den verwandten Bienenfreſſern ſind alle Raken und ſo auch die unſrige zänkiſche, unver-
trägliche, biſſige Geſchöpfe, welche mit wenig andern Thieren Frieden halten und zumal mit Jhres-
gleichen in beſtändigem Streite liegen. Von der Mühle verſichert, daß die Blaurake mit der Dohle,
und Naumann, daß ſie mit andern um ſie wohnenden Vögeln gute Freundſchaft halte; das Erſtere
iſt richtig, das Letztere hat wohl nur bedingungsweiſe Geltung; denn nicht blos die Raubvögel,
ſondern auch Würger, Heher und Krähen werden von der Rake heftig angefallen. Während der
Brutzeit und auf ihrem Winterzuge herrſcht Frieden. Die Stimme entſpricht dem Namen: ſie iſt ein
hohes, ſchnarrendes, beſtändig wiederholtes „Raker, raker, raker“, der Laut des Zorns aber ein
kreiſchendes „Räh“ und der Ton der Zärtlichkeit ein klägliches, hohes „Kräh“. „Bei ſchönem Wetter“,
ſagt Naumann, „ſteigt das Männchen in der Nähe, wo das Weibchen brütet, mit einem „Rak,
rak, jack“ bis zu einer ziemlichen Höhe empor, aus welcher es ſich auf einmal wieder herabſtürzt, dabei
immer überpurzelt, ſich in der Luft hin- und herwiegt und unter einem ſchnell auf einander folgenden
„Räh, räh, räh“, in welches es das „Rak“ verwandelt, ſobald es ſich zu überpurzeln anfängt, wieder
ſeinen Sitz auf der Spitze eines dürren Aſtes einnimmt. Dies ſcheint den Geſang vorzuſtellen.“
Allerlei Kerbthiere und kleine Lurche, namentlich Käfer, Heuſchrecken, Gewürm, kleine Fröſche
und Eidechſen bilden die Nahrung der Rake. Eine Maus nimmt ſie wohl auch mit auf, und kleine
Vögel wird ſie ebenfalls nicht verſchmähen. Naumann ſagt, daß er ſie nie ein fliegendes Kerbthier
habe fangen ſehen; Jerdon hingegen verſichert, daß die indiſche Art auf gewiſſe Strecken fliegende
Kerbthiere verfolgt und ſich eifrig mit dem Fange der geflügelten Termiten beſchäftigt, wenn dieſe nach
einem gefallenen Regen ihre Reſter verlaſſen und umherſchwärmen. Laut Naumann ſoll ſie auch
niemals Pflanzenſtoſſe zu ſich nehmen, während von der Mühle erwähnt, daß in Griechenland
ihre Federn an der Schnabelwurzel von dem Zuckerſtoff der Feigen verkleiſtert erſcheinen, und Linder-
mayer beſtätigend hinzufügt, daß ſie noch nach ihrem Wegzuge aus Griechenland auf den Jnſeln ver-
weile, „wo die Feigen, ihre Lieblingskoſt, ſie noch einige Zeit feſſeln, ehe ſie ihre Reiſe nach den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/163>, abgerufen am 21.11.2024.
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