sperren zuweilen den weiten Rachen auf, wispern leise, wenn sie hungrig sind oder wenn sie gefüttert werden und kriechen durch einander wie Gewürm. Jn dieser Zeit werden sie von den Alten mit Jnsektenlarven und vorzüglich mit Libellen, denen diese zuvor Kopf und Flügel abstoßen, gefüttert. Später bekommen sie auch kleine Fische, und wenn ihnen nach und nach die Federn wachsen, so scheinen sie überall mit blauschwarzen Stacheln bekleidet zu sein, weil die Federn in sehr langen Scheiden stecken, und diese nicht so bald aufplatzen. Sie sitzen überhaupt lange im Neste, ehe sie zum Ausfliegen fähig werden, und ihre Ernährung macht den Alten viele Mühe, weshalb sie sich denn auch in dieser Zeit ungemein lebhaft und thätig zeigen. Die ausgeflogenen Jungen werden in die ruhigsten Winkel der Ufer, besonders in Gesträuch, Flechtwerk oder zwischen die ausgewachsenen Wurzeln am Ufer stehender Bäume geführt, sodaß ein kleiner Umkreis die ganze Familie beherbergt und jeder einzelne unweit des andern einen solchen Sitz hat, wo er wenigstens von der Uferseite her nicht so leicht gesehen werden kann. Die Alten verrathen sie, wenn man sich zufällig naht, durch ängstliches Hin- und Herfliegen in kurzen Räumen und durch klägliches Schreien, während die Jungen sich ganz still und ruhig verhalten. Stößt man sie aus ihrem Schlupfwinkel, so flattert das eine da-, das andere dorthin, und die Alten folgen bald diesem, bald jenem unter kläglichem Schreien. Es währt lange, ehe sie sich Fische fangen lernen."
Wie zärtlich die Alten ihre Brut lieben, geht aus einer Beobachtung Naumann's hervor. Er ging ernstlich darauf aus, ein Nest mit Jungen aufzusuchen, begab sich deshalb an ein Stelle, wo er ein solches wußte, überzeugte sich durch den Geruch von der Anwesenheit der Jungen und begann nun, am Aufbrechen der Höhle zu arbeiten. "Jch war nicht allein, und wir hatten nicht nur viel gesprochen, sondern auch tüchtig mit den Füßen oben über dem Neste auf den Rasen gestampft. Jch erstaunte daher nicht wenig, als ich mit einer dünnen Ruthe im Loche störte und mir der alte Eis- vogel, der nunmehr die Jungen verließ, beinahe ins Gesicht flog. Der Untergang der Familie war einmal beschlossen, und so sollte denn auch ein Alter mit darauf gehen; da wir aber heute kein passendes Werkzeug zur Hand hatten, so wurde Dies auf morgen verschoben und der Eingang mit Schlingen bestellt. Alle diese gewaltsamen Störungen hatten nicht vermocht, die unglückliche Mutter abzuhalten, einen Versuch zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und sie hing am andern Morgen todt in der Schlinge vor ihrem Neste, während das Männchen, als wir nun die Jungen ausgruben, mehrmals schreiend dicht an uns vorbeiflog."
Die seit der Veröffentlichung der Beobachtungen meines Vaters und Naumann's gesammelten Erfahrungen haben ergeben, daß die Brutzeit des Eisvogels sich nicht auf die genannten Monate beschränkt. Verschiedene Umstände können das Fortpflanzungsgeschäft verzögern. Wenn das Früh- jahr spät eintritt, wenn die Flüsse oder Bäche längere Zeit Hochwasser haben, wenn die Nesthöhle zer- stört wurde u. s. w., muß der Eisvogel bessere Zeiten abwarten, und so kann es geschehen, daß man noch im September unerwachsene Junge in den Nesthöhlen findet.
Es ist nicht bekannt, daß irgend ein Raubthier dem Eisvogel nachstellt. Der erwachsene entgeht durch seine Lebensweise vielen Verfolgungen, denen andere Vögel ausgesetzt sind, und die Nesthöhle ist nur in seltenen Fällen so angelegt, daß ein Wiesel oder eine Wasserratte zu ihr gelangen kann. Auch der Mensch behelligt unseren Fischer im ganzen wenig, nicht etwa aus Gutmüthigkeit oder Thierfreundlichkeit, sondern weil sich der scheue Gesell vor Jedermann in Acht nimmt und seine Jagd den Sonntagsschützen zu schwer fällt. Der Kundige, welcher seine Gewohnheiten kennt, erlegt ihn ohne sonderliche Mühe und weiß sich auch des lebenden Vogels zu bemächtigen. Leider hat es seine Schwierigkeit, das schöne Geschöpf an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Jung aus dem Neste genommene Eisvögel lassen sich mit Fleisch und Fischen groß füttern und dann auch längere Zeit am Leben erhalten; alt eingefangene sind ungestüm und ängstlich, verschmähen gewöhnlich das Futter und flattern sich bald zu Tode. Hat man sie aber gezähmt und kann man ihnen einen passenden Aufent- halt gewähren, so sind sie wirklich reizend. Jm Thiergarten zu London sind für die Königsfischer und andere Wasservögel besondere Vorkehrungen getroffen worden. Man hat hier einen großen Käfig
Eisvogel.
ſperren zuweilen den weiten Rachen auf, wiſpern leiſe, wenn ſie hungrig ſind oder wenn ſie gefüttert werden und kriechen durch einander wie Gewürm. Jn dieſer Zeit werden ſie von den Alten mit Jnſektenlarven und vorzüglich mit Libellen, denen dieſe zuvor Kopf und Flügel abſtoßen, gefüttert. Später bekommen ſie auch kleine Fiſche, und wenn ihnen nach und nach die Federn wachſen, ſo ſcheinen ſie überall mit blauſchwarzen Stacheln bekleidet zu ſein, weil die Federn in ſehr langen Scheiden ſtecken, und dieſe nicht ſo bald aufplatzen. Sie ſitzen überhaupt lange im Neſte, ehe ſie zum Ausfliegen fähig werden, und ihre Ernährung macht den Alten viele Mühe, weshalb ſie ſich denn auch in dieſer Zeit ungemein lebhaft und thätig zeigen. Die ausgeflogenen Jungen werden in die ruhigſten Winkel der Ufer, beſonders in Geſträuch, Flechtwerk oder zwiſchen die ausgewachſenen Wurzeln am Ufer ſtehender Bäume geführt, ſodaß ein kleiner Umkreis die ganze Familie beherbergt und jeder einzelne unweit des andern einen ſolchen Sitz hat, wo er wenigſtens von der Uferſeite her nicht ſo leicht geſehen werden kann. Die Alten verrathen ſie, wenn man ſich zufällig naht, durch ängſtliches Hin- und Herfliegen in kurzen Räumen und durch klägliches Schreien, während die Jungen ſich ganz ſtill und ruhig verhalten. Stößt man ſie aus ihrem Schlupfwinkel, ſo flattert das eine da-, das andere dorthin, und die Alten folgen bald dieſem, bald jenem unter kläglichem Schreien. Es währt lange, ehe ſie ſich Fiſche fangen lernen.“
Wie zärtlich die Alten ihre Brut lieben, geht aus einer Beobachtung Naumann’s hervor. Er ging ernſtlich darauf aus, ein Neſt mit Jungen aufzuſuchen, begab ſich deshalb an ein Stelle, wo er ein ſolches wußte, überzeugte ſich durch den Geruch von der Anweſenheit der Jungen und begann nun, am Aufbrechen der Höhle zu arbeiten. „Jch war nicht allein, und wir hatten nicht nur viel geſprochen, ſondern auch tüchtig mit den Füßen oben über dem Neſte auf den Raſen geſtampft. Jch erſtaunte daher nicht wenig, als ich mit einer dünnen Ruthe im Loche ſtörte und mir der alte Eis- vogel, der nunmehr die Jungen verließ, beinahe ins Geſicht flog. Der Untergang der Familie war einmal beſchloſſen, und ſo ſollte denn auch ein Alter mit darauf gehen; da wir aber heute kein paſſendes Werkzeug zur Hand hatten, ſo wurde Dies auf morgen verſchoben und der Eingang mit Schlingen beſtellt. Alle dieſe gewaltſamen Störungen hatten nicht vermocht, die unglückliche Mutter abzuhalten, einen Verſuch zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und ſie hing am andern Morgen todt in der Schlinge vor ihrem Neſte, während das Männchen, als wir nun die Jungen ausgruben, mehrmals ſchreiend dicht an uns vorbeiflog.“
Die ſeit der Veröffentlichung der Beobachtungen meines Vaters und Naumann’s geſammelten Erfahrungen haben ergeben, daß die Brutzeit des Eisvogels ſich nicht auf die genannten Monate beſchränkt. Verſchiedene Umſtände können das Fortpflanzungsgeſchäft verzögern. Wenn das Früh- jahr ſpät eintritt, wenn die Flüſſe oder Bäche längere Zeit Hochwaſſer haben, wenn die Neſthöhle zer- ſtört wurde u. ſ. w., muß der Eisvogel beſſere Zeiten abwarten, und ſo kann es geſchehen, daß man noch im September unerwachſene Junge in den Neſthöhlen findet.
Es iſt nicht bekannt, daß irgend ein Raubthier dem Eisvogel nachſtellt. Der erwachſene entgeht durch ſeine Lebensweiſe vielen Verfolgungen, denen andere Vögel ausgeſetzt ſind, und die Neſthöhle iſt nur in ſeltenen Fällen ſo angelegt, daß ein Wieſel oder eine Waſſerratte zu ihr gelangen kann. Auch der Menſch behelligt unſeren Fiſcher im ganzen wenig, nicht etwa aus Gutmüthigkeit oder Thierfreundlichkeit, ſondern weil ſich der ſcheue Geſell vor Jedermann in Acht nimmt und ſeine Jagd den Sonntagsſchützen zu ſchwer fällt. Der Kundige, welcher ſeine Gewohnheiten kennt, erlegt ihn ohne ſonderliche Mühe und weiß ſich auch des lebenden Vogels zu bemächtigen. Leider hat es ſeine Schwierigkeit, das ſchöne Geſchöpf an die Gefangenſchaft zu gewöhnen. Jung aus dem Neſte genommene Eisvögel laſſen ſich mit Fleiſch und Fiſchen groß füttern und dann auch längere Zeit am Leben erhalten; alt eingefangene ſind ungeſtüm und ängſtlich, verſchmähen gewöhnlich das Futter und flattern ſich bald zu Tode. Hat man ſie aber gezähmt und kann man ihnen einen paſſenden Aufent- halt gewähren, ſo ſind ſie wirklich reizend. Jm Thiergarten zu London ſind für die Königsfiſcher und andere Waſſervögel beſondere Vorkehrungen getroffen worden. Man hat hier einen großen Käfig
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[165/0181]
Eisvogel.
ſperren zuweilen den weiten Rachen auf, wiſpern leiſe, wenn ſie hungrig ſind oder wenn ſie gefüttert
werden und kriechen durch einander wie Gewürm. Jn dieſer Zeit werden ſie von den Alten mit
Jnſektenlarven und vorzüglich mit Libellen, denen dieſe zuvor Kopf und Flügel abſtoßen, gefüttert.
Später bekommen ſie auch kleine Fiſche, und wenn ihnen nach und nach die Federn wachſen, ſo
ſcheinen ſie überall mit blauſchwarzen Stacheln bekleidet zu ſein, weil die Federn in ſehr langen
Scheiden ſtecken, und dieſe nicht ſo bald aufplatzen. Sie ſitzen überhaupt lange im Neſte, ehe ſie zum
Ausfliegen fähig werden, und ihre Ernährung macht den Alten viele Mühe, weshalb ſie ſich denn auch
in dieſer Zeit ungemein lebhaft und thätig zeigen. Die ausgeflogenen Jungen werden in die
ruhigſten Winkel der Ufer, beſonders in Geſträuch, Flechtwerk oder zwiſchen die ausgewachſenen
Wurzeln am Ufer ſtehender Bäume geführt, ſodaß ein kleiner Umkreis die ganze Familie beherbergt
und jeder einzelne unweit des andern einen ſolchen Sitz hat, wo er wenigſtens von der Uferſeite her
nicht ſo leicht geſehen werden kann. Die Alten verrathen ſie, wenn man ſich zufällig naht, durch
ängſtliches Hin- und Herfliegen in kurzen Räumen und durch klägliches Schreien, während die Jungen
ſich ganz ſtill und ruhig verhalten. Stößt man ſie aus ihrem Schlupfwinkel, ſo flattert das eine da-,
das andere dorthin, und die Alten folgen bald dieſem, bald jenem unter kläglichem Schreien. Es
währt lange, ehe ſie ſich Fiſche fangen lernen.“
Wie zärtlich die Alten ihre Brut lieben, geht aus einer Beobachtung Naumann’s hervor.
Er ging ernſtlich darauf aus, ein Neſt mit Jungen aufzuſuchen, begab ſich deshalb an ein
Stelle, wo er ein ſolches wußte, überzeugte ſich durch den Geruch von der Anweſenheit der Jungen
und begann nun, am Aufbrechen der Höhle zu arbeiten. „Jch war nicht allein, und wir hatten nicht
nur viel geſprochen, ſondern auch tüchtig mit den Füßen oben über dem Neſte auf den Raſen geſtampft.
Jch erſtaunte daher nicht wenig, als ich mit einer dünnen Ruthe im Loche ſtörte und mir der alte Eis-
vogel, der nunmehr die Jungen verließ, beinahe ins Geſicht flog. Der Untergang der Familie war
einmal beſchloſſen, und ſo ſollte denn auch ein Alter mit darauf gehen; da wir aber heute kein
paſſendes Werkzeug zur Hand hatten, ſo wurde Dies auf morgen verſchoben und der Eingang mit
Schlingen beſtellt. Alle dieſe gewaltſamen Störungen hatten nicht vermocht, die unglückliche Mutter
abzuhalten, einen Verſuch zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und ſie hing am andern
Morgen todt in der Schlinge vor ihrem Neſte, während das Männchen, als wir nun die Jungen
ausgruben, mehrmals ſchreiend dicht an uns vorbeiflog.“
Die ſeit der Veröffentlichung der Beobachtungen meines Vaters und Naumann’s geſammelten
Erfahrungen haben ergeben, daß die Brutzeit des Eisvogels ſich nicht auf die genannten Monate
beſchränkt. Verſchiedene Umſtände können das Fortpflanzungsgeſchäft verzögern. Wenn das Früh-
jahr ſpät eintritt, wenn die Flüſſe oder Bäche längere Zeit Hochwaſſer haben, wenn die Neſthöhle zer-
ſtört wurde u. ſ. w., muß der Eisvogel beſſere Zeiten abwarten, und ſo kann es geſchehen, daß man
noch im September unerwachſene Junge in den Neſthöhlen findet.
Es iſt nicht bekannt, daß irgend ein Raubthier dem Eisvogel nachſtellt. Der erwachſene entgeht
durch ſeine Lebensweiſe vielen Verfolgungen, denen andere Vögel ausgeſetzt ſind, und die Neſthöhle iſt
nur in ſeltenen Fällen ſo angelegt, daß ein Wieſel oder eine Waſſerratte zu ihr gelangen kann.
Auch der Menſch behelligt unſeren Fiſcher im ganzen wenig, nicht etwa aus Gutmüthigkeit oder
Thierfreundlichkeit, ſondern weil ſich der ſcheue Geſell vor Jedermann in Acht nimmt und ſeine Jagd
den Sonntagsſchützen zu ſchwer fällt. Der Kundige, welcher ſeine Gewohnheiten kennt, erlegt ihn
ohne ſonderliche Mühe und weiß ſich auch des lebenden Vogels zu bemächtigen. Leider hat es ſeine
Schwierigkeit, das ſchöne Geſchöpf an die Gefangenſchaft zu gewöhnen. Jung aus dem Neſte
genommene Eisvögel laſſen ſich mit Fleiſch und Fiſchen groß füttern und dann auch längere Zeit am
Leben erhalten; alt eingefangene ſind ungeſtüm und ängſtlich, verſchmähen gewöhnlich das Futter und
flattern ſich bald zu Tode. Hat man ſie aber gezähmt und kann man ihnen einen paſſenden Aufent-
halt gewähren, ſo ſind ſie wirklich reizend. Jm Thiergarten zu London ſind für die Königsfiſcher und
andere Waſſervögel beſondere Vorkehrungen getroffen worden. Man hat hier einen großen Käfig
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/181>, abgerufen am 21.11.2024.
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