Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.Die Späher. Leichtschnäbler. Madenfresser. Kukals. mäßigem Umfange: sie enthalten in den meisten Fällen nicht mehr als fünf oder sechs Eier. Dasvon Azara geschilderte Zusammenleben des Vogels in Ansiedlungen mag dagegen an solchen Orten, wo er von Menschen nicht viel beunruhigt wird, zwar ebenfalls noch vorkommen; in Brasilien jedoch ist diese Erscheinung nicht bekannt; ich habe ihrer auch von keinem Brasilianer erwähnen hören, obgleich die Leute gerade solche Einzelheiten der einheimischen Thiere sehr gut zu kennen pflegen und sogleich davon erzählen, wenn man sich bei ihnen nach der Lebensweise der Geschöpfe erkundigt." Hiermit stimmt die Angabe von Schomburgk überein. "Die Jndianer behaupten", sagt er, "daß nur die Coroyas ein gemeinsames Nest bauen, während die beiden andern Arten diese Eigenthümlich- keit nicht theilen, indem bei ihnen jedes Pärchen sein eigenes Nest besitzt." Dagegen theilt uns Gosse Folgendes mit. "Die Thatsache, daß der Ani in Gesellschaft baut und ein ungewöhnlich großes Nest aus Zweigen gemeinschaftlich herstellt, wird von allen Ausiedlern bestätigt. Gewöhnlich soll ein hoher Baum zur Anlage gewählt werden." Hill, dessen Angaben durchaus glaubwürdig sind, sagt: "Etwa ein halbes Dutzend von ihnen baut nur ein einziges Nest. Dasselbe ist groß und geräumig genug, um alle aufzunehmen und die gesammte Kinderschar zu beherbergen. Sie betreiben die Bebrütung mit größter Hingebung und verlassen es, so lange sie brüten, niemals, ohne die Eier mit Blättern zu bedecken... Jm Juli fand ich ein Nest dieser Vögel. Es bestand aus einer großen Masse von verflochtenen Zweigen, welche mit Blättern ausgekleidet waren. Jn ihm lagen acht Eier, aber gleichzeitig die Schalenstücke von vielen andern und noch ein gutes Theil derselben unter dem Baume." "Meine sechs Eier des Ani", fährt Burmeister fort, "sind etwa so groß, wie gewöhnliche Taubeneier. Sie hatten, frisch gelegt, eine völlig weiße Farbe und ein kreidiges Ansehen, wobei jedoch ein grünlicher Ton hindurchschimmerte. Hier und da waren Streifen und Striche in die Oberfläche eingerissen, durch welche ein schönes Seladongrün zum Vorschein kam. Jede Berührung mit harten Gegenständen zerstörte den weißen Ueberzug und ließ die grüne untere Lage hervortreten; ja, als ich das Ei mit dem Messer schabte, ging der weiße Kreideüberzug vollends herunter. Jch halte denselben hiernach für eine besondere Stoffausscheidung, welche das Ei, während es vor oder in der Kloake verweilt, von dieser erhält, und zwar möchte ich den Stoff mit dem kreidigen Jnhalt der Urinmasse vergleichen, womit der Koth der Vögel bekleidet zu sein pflegt. Entfernt man den Ueberzug, so erhält das vorher ganz matte, kreidige Ei einen leichten Glanzüberzug, eine sehr feinporige Oberfläche. Diese Farbe ist bald etwas mehr blaugrün, bald reiner meergrün." "Jm Juni", sagt Newton, "fand ich ein Nest dieser Art. Jch sah zwei Vögel dicht neben einander sitzen und zwar, wie sich später herausstellte, auf dem Neste, welches sich an den Stamm lehnte und von einigen jungen Schößlingen gehalten wurde, in einer Höhe von ungefähr fünf Fuß über dem Boden. Es war ein roher Bau von Stöcken und Zweigen, groß und tief, theilweise mit trockenen Blättern ausgefüllt, zwischen denen ich vierzehn Eier entdeckte. Das Nest war augenscheinlich gemeinsames Eigenthum. Gewöhnlich saßen zwei oder drei Vögel dicht neben einander in ihm und manchmal vier oder fünf und darüber in der Baumkrone; sie schrien so lange, als ich in der Nähe war." Die Jungen verlassen, laut Schomburgk, das Nest, ehe sie noch flugfähig sind, und hüpfen in Gesellschaft der Alten mit gleicher Gewandtheit von Zweig zu Zweig. Sobald sich Gefahr naht, erheben sich die Alten mit wildem Geschrei, und in raschen Sprüngen eilen die Jungen vom Gebüsch oder von den Bäumen herab, um, auf dem Boden angekommen, im Grase zu verschwinden. Die Madenfresser sind so wenig scheu, daß ihre Jagd kaum Schwierigkeiten verursacht. Da, wo Die Späher. Leichtſchnäbler. Madenfreſſer. Kukals. mäßigem Umfange: ſie enthalten in den meiſten Fällen nicht mehr als fünf oder ſechs Eier. Dasvon Azara geſchilderte Zuſammenleben des Vogels in Anſiedlungen mag dagegen an ſolchen Orten, wo er von Menſchen nicht viel beunruhigt wird, zwar ebenfalls noch vorkommen; in Braſilien jedoch iſt dieſe Erſcheinung nicht bekannt; ich habe ihrer auch von keinem Braſilianer erwähnen hören, obgleich die Leute gerade ſolche Einzelheiten der einheimiſchen Thiere ſehr gut zu kennen pflegen und ſogleich davon erzählen, wenn man ſich bei ihnen nach der Lebensweiſe der Geſchöpfe erkundigt.“ Hiermit ſtimmt die Angabe von Schomburgk überein. „Die Jndianer behaupten“, ſagt er, „daß nur die Coroyas ein gemeinſames Neſt bauen, während die beiden andern Arten dieſe Eigenthümlich- keit nicht theilen, indem bei ihnen jedes Pärchen ſein eigenes Neſt beſitzt.“ Dagegen theilt uns Goſſe Folgendes mit. „Die Thatſache, daß der Ani in Geſellſchaft baut und ein ungewöhnlich großes Neſt aus Zweigen gemeinſchaftlich herſtellt, wird von allen Auſiedlern beſtätigt. Gewöhnlich ſoll ein hoher Baum zur Anlage gewählt werden.“ Hill, deſſen Angaben durchaus glaubwürdig ſind, ſagt: „Etwa ein halbes Dutzend von ihnen baut nur ein einziges Neſt. Daſſelbe iſt groß und geräumig genug, um alle aufzunehmen und die geſammte Kinderſchar zu beherbergen. Sie betreiben die Bebrütung mit größter Hingebung und verlaſſen es, ſo lange ſie brüten, niemals, ohne die Eier mit Blättern zu bedecken... Jm Juli fand ich ein Neſt dieſer Vögel. Es beſtand aus einer großen Maſſe von verflochtenen Zweigen, welche mit Blättern ausgekleidet waren. Jn ihm lagen acht Eier, aber gleichzeitig die Schalenſtücke von vielen andern und noch ein gutes Theil derſelben unter dem Baume.“ „Meine ſechs Eier des Ani“, fährt Burmeiſter fort, „ſind etwa ſo groß, wie gewöhnliche Taubeneier. Sie hatten, friſch gelegt, eine völlig weiße Farbe und ein kreidiges Anſehen, wobei jedoch ein grünlicher Ton hindurchſchimmerte. Hier und da waren Streifen und Striche in die Oberfläche eingeriſſen, durch welche ein ſchönes Seladongrün zum Vorſchein kam. Jede Berührung mit harten Gegenſtänden zerſtörte den weißen Ueberzug und ließ die grüne untere Lage hervortreten; ja, als ich das Ei mit dem Meſſer ſchabte, ging der weiße Kreideüberzug vollends herunter. Jch halte denſelben hiernach für eine beſondere Stoffausſcheidung, welche das Ei, während es vor oder in der Kloake verweilt, von dieſer erhält, und zwar möchte ich den Stoff mit dem kreidigen Jnhalt der Urinmaſſe vergleichen, womit der Koth der Vögel bekleidet zu ſein pflegt. Entfernt man den Ueberzug, ſo erhält das vorher ganz matte, kreidige Ei einen leichten Glanzüberzug, eine ſehr feinporige Oberfläche. Dieſe Farbe iſt bald etwas mehr blaugrün, bald reiner meergrün.“ „Jm Juni“, ſagt Newton, „fand ich ein Neſt dieſer Art. Jch ſah zwei Vögel dicht neben einander ſitzen und zwar, wie ſich ſpäter herausſtellte, auf dem Neſte, welches ſich an den Stamm lehnte und von einigen jungen Schößlingen gehalten wurde, in einer Höhe von ungefähr fünf Fuß über dem Boden. Es war ein roher Bau von Stöcken und Zweigen, groß und tief, theilweiſe mit trockenen Blättern ausgefüllt, zwiſchen denen ich vierzehn Eier entdeckte. Das Neſt war augenſcheinlich gemeinſames Eigenthum. Gewöhnlich ſaßen zwei oder drei Vögel dicht neben einander in ihm und manchmal vier oder fünf und darüber in der Baumkrone; ſie ſchrien ſo lange, als ich in der Nähe war.“ Die Jungen verlaſſen, laut Schomburgk, das Neſt, ehe ſie noch flugfähig ſind, und hüpfen in Geſellſchaft der Alten mit gleicher Gewandtheit von Zweig zu Zweig. Sobald ſich Gefahr naht, erheben ſich die Alten mit wildem Geſchrei, und in raſchen Sprüngen eilen die Jungen vom Gebüſch oder von den Bäumen herab, um, auf dem Boden angekommen, im Graſe zu verſchwinden. Die Madenfreſſer ſind ſo wenig ſcheu, daß ihre Jagd kaum Schwierigkeiten verurſacht. Da, wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0242" n="220"/><fw place="top" type="header">Die Späher. Leichtſchnäbler. Madenfreſſer. Kukals.</fw><lb/> mäßigem Umfange: ſie enthalten in den meiſten Fällen nicht mehr als fünf oder ſechs Eier. 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Sie hatten, friſch gelegt, eine völlig weiße Farbe und ein kreidiges<lb/> Anſehen, wobei jedoch ein grünlicher Ton hindurchſchimmerte. Hier und da waren Streifen und<lb/> Striche in die Oberfläche eingeriſſen, durch welche ein ſchönes Seladongrün zum Vorſchein kam.<lb/> Jede Berührung mit harten Gegenſtänden zerſtörte den weißen Ueberzug und ließ die grüne<lb/> untere Lage hervortreten; ja, als ich das Ei mit dem Meſſer ſchabte, ging der weiße Kreideüberzug<lb/> vollends herunter. Jch halte denſelben hiernach für eine beſondere Stoffausſcheidung, welche das<lb/> Ei, während es vor oder in der Kloake verweilt, von dieſer erhält, und zwar möchte ich den Stoff<lb/> mit dem kreidigen Jnhalt der Urinmaſſe vergleichen, womit der Koth der Vögel bekleidet zu ſein<lb/> pflegt. Entfernt man den Ueberzug, ſo erhält das vorher ganz matte, kreidige Ei einen leichten<lb/> Glanzüberzug, eine ſehr feinporige Oberfläche. 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Diejenigen, welche man ſchießt, fallen übrigens keineswegs<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0242]
Die Späher. Leichtſchnäbler. Madenfreſſer. Kukals.
mäßigem Umfange: ſie enthalten in den meiſten Fällen nicht mehr als fünf oder ſechs Eier. Das
von Azara geſchilderte Zuſammenleben des Vogels in Anſiedlungen mag dagegen an ſolchen Orten,
wo er von Menſchen nicht viel beunruhigt wird, zwar ebenfalls noch vorkommen; in Braſilien jedoch
iſt dieſe Erſcheinung nicht bekannt; ich habe ihrer auch von keinem Braſilianer erwähnen hören,
obgleich die Leute gerade ſolche Einzelheiten der einheimiſchen Thiere ſehr gut zu kennen pflegen und
ſogleich davon erzählen, wenn man ſich bei ihnen nach der Lebensweiſe der Geſchöpfe erkundigt.“
Hiermit ſtimmt die Angabe von Schomburgk überein. „Die Jndianer behaupten“, ſagt er, „daß
nur die Coroyas ein gemeinſames Neſt bauen, während die beiden andern Arten dieſe Eigenthümlich-
keit nicht theilen, indem bei ihnen jedes Pärchen ſein eigenes Neſt beſitzt.“ Dagegen theilt uns
Goſſe Folgendes mit. „Die Thatſache, daß der Ani in Geſellſchaft baut und ein ungewöhnlich
großes Neſt aus Zweigen gemeinſchaftlich herſtellt, wird von allen Auſiedlern beſtätigt. Gewöhnlich
ſoll ein hoher Baum zur Anlage gewählt werden.“ Hill, deſſen Angaben durchaus glaubwürdig
ſind, ſagt: „Etwa ein halbes Dutzend von ihnen baut nur ein einziges Neſt. Daſſelbe iſt groß und
geräumig genug, um alle aufzunehmen und die geſammte Kinderſchar zu beherbergen. Sie betreiben
die Bebrütung mit größter Hingebung und verlaſſen es, ſo lange ſie brüten, niemals, ohne die Eier
mit Blättern zu bedecken... Jm Juli fand ich ein Neſt dieſer Vögel. Es beſtand aus einer großen
Maſſe von verflochtenen Zweigen, welche mit Blättern ausgekleidet waren. Jn ihm lagen acht Eier,
aber gleichzeitig die Schalenſtücke von vielen andern und noch ein gutes Theil derſelben unter dem
Baume.“ „Meine ſechs Eier des Ani“, fährt Burmeiſter fort, „ſind etwa ſo groß, wie
gewöhnliche Taubeneier. Sie hatten, friſch gelegt, eine völlig weiße Farbe und ein kreidiges
Anſehen, wobei jedoch ein grünlicher Ton hindurchſchimmerte. Hier und da waren Streifen und
Striche in die Oberfläche eingeriſſen, durch welche ein ſchönes Seladongrün zum Vorſchein kam.
Jede Berührung mit harten Gegenſtänden zerſtörte den weißen Ueberzug und ließ die grüne
untere Lage hervortreten; ja, als ich das Ei mit dem Meſſer ſchabte, ging der weiße Kreideüberzug
vollends herunter. Jch halte denſelben hiernach für eine beſondere Stoffausſcheidung, welche das
Ei, während es vor oder in der Kloake verweilt, von dieſer erhält, und zwar möchte ich den Stoff
mit dem kreidigen Jnhalt der Urinmaſſe vergleichen, womit der Koth der Vögel bekleidet zu ſein
pflegt. Entfernt man den Ueberzug, ſo erhält das vorher ganz matte, kreidige Ei einen leichten
Glanzüberzug, eine ſehr feinporige Oberfläche. Dieſe Farbe iſt bald etwas mehr blaugrün, bald
reiner meergrün.“ „Jm Juni“, ſagt Newton, „fand ich ein Neſt dieſer Art. Jch ſah zwei
Vögel dicht neben einander ſitzen und zwar, wie ſich ſpäter herausſtellte, auf dem Neſte, welches ſich
an den Stamm lehnte und von einigen jungen Schößlingen gehalten wurde, in einer Höhe von
ungefähr fünf Fuß über dem Boden. Es war ein roher Bau von Stöcken und Zweigen, groß und
tief, theilweiſe mit trockenen Blättern ausgefüllt, zwiſchen denen ich vierzehn Eier entdeckte. Das
Neſt war augenſcheinlich gemeinſames Eigenthum. Gewöhnlich ſaßen zwei oder drei Vögel dicht neben
einander in ihm und manchmal vier oder fünf und darüber in der Baumkrone; ſie ſchrien ſo lange, als
ich in der Nähe war.“ Die Jungen verlaſſen, laut Schomburgk, das Neſt, ehe ſie noch flugfähig
ſind, und hüpfen in Geſellſchaft der Alten mit gleicher Gewandtheit von Zweig zu Zweig. Sobald
ſich Gefahr naht, erheben ſich die Alten mit wildem Geſchrei, und in raſchen Sprüngen eilen die
Jungen vom Gebüſch oder von den Bäumen herab, um, auf dem Boden angekommen, im Graſe
zu verſchwinden.
Die Madenfreſſer ſind ſo wenig ſcheu, daß ihre Jagd kaum Schwierigkeiten verurſacht. Da, wo
ſie wenig mit den Menſchen verkehren, grenzt ihre Dreiſtigkeit an das Unglaubliche. „Gleich mehreren
Vögeln dieſer Einöden“, berichtet Humboldt, „ſcheuen ſie ſich ſo wenig vor dem Menſchen, daß
Kinder ſie oft mit der Hand fangen. Jn den Thälern von Aragua, wo ſie ſehr häufig ſind, ſetzten
ſie ſich am hellen Tage auf unſere Hängematte, während wir darin lagen.“ Nur das Pfeifen können
ſie, wie Schomburgk verſichert, nicht vertragen; wenigſtens fliegen ſie augenblicklich davon, ſobald
man einen pfeifenden Ton ausſtößt. Diejenigen, welche man ſchießt, fallen übrigens keineswegs
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