Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Späher. Leichtſchnäbler. Pfefferfreſſer. Hornvögel.
Aehnliches gereicht wurde, bewies er jedesmal ſeine Zufriedenheit. Er faßte den Biſſen mit der
Schnabelſpitze, berührte ihn mit erſichtlichem Vergnügen vermittelſt ſeiner Zunge und brachte ihn
dann mit einem raſchen Ruck nach oben in die Gurgel. Trotz ſeiner Vorliebe für Pflanzennahrung
machte er ſich, lebenden Thieren gegenüber, einer gewiſſen Raubluſt ſehr verdächtig. Er zeigte ſich
erregt, wenn irgend ein anderer Vogel oder ſelbſt ein ausgeſtopfter Balg in die Nähe ſeines Käſigs
gebracht wurde, erhob ſich, ſträubte die Federn und ſtieß einen dumpfen, klappenden Laut aus,
welcher, wie es ſchien, Vergnügen oder richtiger Triumphgeſchrei ausdrücken ſollte. Gleichzeitig
dehnte ſich das Auge, und er ſchien bereit, ſich auf ſeine Beute zu ſtürzen. Wenn man ihm einen
Spiegel vorhielt, bekundete er ähnliche Erregung.

Ein Stieglitz, welchen Broderip in den Käfig ſeines Gefangenen brachte, wurde augen-
blicklich von dem Tukan erſchnappt, und der arme kleine Vogel hatte eben noch Zeit, um einen
kurzen, ſchwachen Schrei auszuſtoßen. Jm nächſten Augenblick war er todt und ſo zuſammen-
gequetſcht, daß die Eingeweide zum Vorſchein kamen. Sofort nach ſeinem Tode begann der Mörder
ſein Opfer zu rupfen, und nachdem Dies größtentheils beſorgt war, zerbrach er die Knochen der
Schwingen und Füße und zermalmte die kleine Leiche, bis ſie eine formloſe Maſſe bildete. Dabei
hüpfte er von Zweig zu Zweig, ſtieß forwährend ſein eigenthümliches Geſchnatter aus und zitterte
mit dem Schnabel und den Schwingen. Die Eingeweide verzehrte er zuerſt, hierauf aber, Stück für
Stück, den ganzen Vogel, ſelbſt Schnabel und Füße mit, und während des Verſchlingens bekundete
er das größte Vergnügen. Nach vollendeter Mahlzeit reinigte er den Schnabel von den ihm
anhängenden Federn ſehr ſorgfältig. Broderip fügt Dem hinzu, daß er mehr als einmal
beobachtet, wie ſein Tukan das Verſchlungene von ſich gegeben, aber auch wieder gefreſſen habe,
ganz nach Art der Hunde. Einmal förderte er in dieſer Weiſe ein Stück Fleiſch wieder zu Tage,
welches in dem Kropfe bereits theilweiſe verdaut war. Während er ſich erbrach, ließ er jenen
klappenden Laut vernehmen. Ehe er das Fleiſch von ſich gab, hatte er ſein Futter durchſucht und
gefunden, daß es nur aus Brot beſtand; dieſes aber verſchmähete er, und es ſchien, als ob er ſich
durch ſein Erbrechen den Genuß thieriſcher Nahrung noch einmal habe verſchaffen wollen. Dieſer
Gefangene ſchien letztere überhaupt den Pflanzenſtoffen vorzuziehen: er ſuchte ſtets zuerſt das
Fleiſch aus ſeinem Futternapfe hervor und ging erſt dann an die Pflanzenſtoffe, wenn jenes ver-
zehrt war.

Der Tukan, welchen Vigors gefangen hielt, war auffallend liebenswürdig und umgänglich.
Er erlaubte, daß man mit ihm ſpielte, fraß aus der Hand, war munter, nett und trotz ſeines
unförmlichen Schnabels anmuthig und leicht in ſeinen Bewegungen, hielt ſein Geſieder auch
ſtets rein und ordentlich und badete ſich regelmäßig täglich einmal. Wenn er nicht geſtört wurde,
benahm er ſich an einem Tage wie am andern. Mit Dunkelwerden vollendete er ſeine letzte Mahlzeit,
bewegte ſich noch einigemale im Käfig rundum und ließ ſich dann auf der höchſten Sitzſtange nieder.
Jn demſelben Augenblick zog er den Kopf zwiſchen die Schultern und drehte ſeinen Schwanz, ſodaß
er ſenkrecht über den Rücken zu ſtehen kam. Jn dieſer Stellung verweilte er etwa zwei Stunden
lang zwiſchen Schlafen und Wachen, die Augen gewöhnlich geſchloſſen. Dann erlaubte er jede
Berührung, nahm auch wohl eine Lieblingsſpeiſe zu ſich, änderte ſeine Stellung aber nicht. Ebenſo
geſtattete er, daß man ihm den Schwanz niederbog, brachte ihn aber immer wieder in dieſelbe Lage
zurück. Gegen das Ende der angegebenen Zeit drehte er langſam den Schnabel auf den Rücken,
verbarg ihn hier zwiſchen den Federn und ließ die Flügel herabſinken, ſodaß er wie ein Feder-
ball erſchien. Jm Winter änderte er ſein Betragen; das Kaminfeuer hielt ihn dann noch
lange wach.

„Meine Tukane“, ſchreibt mir Dr. Bodinus, „ſind höchſt liebenswürdige Vögel. Jhr
prachtvolles Geſieder entzückt Jedermann, und der ungeheuere Schnabel wird keineswegs unförmig,
ſondern höchſtens eigenthümlich gefunden. Sie ſcheuen die Nähe des Menſchen durchaus nicht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/260
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/260>, abgerufen am 19.12.2024.