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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
von den Alten gefüttert und geführt, weil sie bald ihr Futter suchen und sich vor Gefahren in Acht
nehmen lernen. Jedes der Eltern hat gewöhnlich ein Junges bei sich und leitet es auf dem Felde
zum Fressen an."

Lieblingsnahrung der Ringeltaube ist Samen der Nadelholzarten; mit ihm findet man im
Sommer oft den ganzen Kropf angefüllt. Sie liest ihn nicht nur von der Erde auf, sondern holt
ihn auch, wie mein Vater beobachtet hat, zwischen den klaffenden Deckelchen der Zapfen hervor.
Außerdem frißt sie Getreidearten und Grassämereien, ausnahmsweise auch Schnecken und Regen-
würmer, und im Spätsommer Heidelbeeren. Nach Naumann findet sie im Laubwald ein beliebtes
Nahrungsmittel an Eicheln und Bucheckern. Diese Angabe stimmt vortrefflich mit Dem überein,
was ich in Spanien erfuhr und beobachtete; denn hier bilden die Früchte der immergrünen Eiche
das hauptsächlichste Futter der als Wintergäste im Lande anwesenden Holztauben.

Die wenigen Körner, welche sich die Ringeltaube im Felde zusammenliest, darf man ihr gönnen:
es sind eben nur solche, welche ohne sie doch verkommen wären, und sie macht diesen kleinen Eingriff
in das Besitzthum des Menschen tausendfach wieder gut durch das Aufzehren von Unkrautsamen
verschiedener Art. Sie bringt also keinen Schaden, muß vielmehr als ein nützliches Thier betrachtet
und sollte geschont werden. Jch meinestheils sehe in ihr einen Vogel, welcher im Walde gar nicht
fehlen darf, weil er zu seiner Belebung so wesentlich mit beiträgt, und alle Natur- und Thierfreunde
denken, glaube ich, nicht anders. Der gierige Bauer freilich oder der traurige Sonntagsschütz
verfolgen sie zu jeder Jahreszeit, und der Südeuropäer lichtet die Reihe der sich bei ihm
zu Gaste bittenden Wanderscharen so viel als möglich. Glücklicher Weise ist es nicht gerade leicht,
eine Holztaube zu berücken. Diejenigen, welche in den Städten nisten und wenige Fuß über den
Häuptern der Spaziergänger ungescheut ihr Wesen treiben, ja thun, als ob sie gezähmt wären, sind
große Ausnahmen von der Regel. Jm allgemeinen ist die Ringeltaube unter allen Umständen vor-
sichtig und traut keinem Menschen, auch dem nicht, welcher harmlos zu sein scheint. Diese Vorsicht
rettet sie vor den meisten Nachstellungen der gedachten Thierfeinde, und der kundige Jäger stellt ihr
eben nicht nach, weil er sie kennen und lieben gelernt hat. Dies ist der Grund, weshalb diese Taube
noch überall bei uns vorkommt, noch nirgends ausgerottet worden ist. Neben dem Menschen hat der
vorsichtige Vogel wenig Feinde, welche ihm gefährlich werden können. Habicht und Wanderfalk oder
die großen Verwandten des letzteren fangen zuweilen eine Alte; Wildkatze, Baummarder und
Eichhorn, vielleicht auch der weibliche Sperber, und nachts der Uhu bedrohen die Brut.

Gefangene Ringeltauben werden erträglich zahm und halten viele Jahre im Käfige aus. Es
hält nicht schwer, sie an ein passendes Ersatzfutter zu gewöhnen, da gemischte Sämereien ihren
Ansprüchen vollständig genügen. Zur Fortpflanzung im Käfig schreiten sie aber nur ausnahmsweise.
Meines Wissens gelang es dem Naturforscher Pietruvski zuerst, Junge von seinen gefangenen
Ringeltauben zu erzielen. Bei unsern gegenwärtigen Anstalten, d. h. bei der Einrichtung der
größeren Gesellschaftskäfige in unsern Thiergärten, will ein solches Ergebniß nicht viel mehr besagen.
Auch im hamburger Thiergarten, welcher für derartige Vögel passende Räumlichkeiten noch nicht
besitzt, schritt ein Paar Ringeltauben zur Fortpflanzung, und nur ein unglücklicher Zufall verhinderte,
daß das Ergebniß ein befriedigendes war. Mit andern Girrvögeln der verschiedensten Art verträgt
sich diese Taube sehr gut. Sie macht nie Gebrauch vom Rechte des Stärkeren und läßt sich von
kleinen Schwächlingen oft merkwürdig viel gefallen, ohne sich derselben zu erwehren.



Prinz Lucian Bonaparte hat auch die Hohl-, Loch-, Block- oder Blautaube unter
dem Namen Palumboena von der Felsen- oder Feldtaube getrennt und zum Vertreter einer beson-
dern Sippe erhoben; ich muß aber sagen, daß ich zwischen den beiden keine Unterschiede zu erkennen

Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
von den Alten gefüttert und geführt, weil ſie bald ihr Futter ſuchen und ſich vor Gefahren in Acht
nehmen lernen. Jedes der Eltern hat gewöhnlich ein Junges bei ſich und leitet es auf dem Felde
zum Freſſen an.“

Lieblingsnahrung der Ringeltaube iſt Samen der Nadelholzarten; mit ihm findet man im
Sommer oft den ganzen Kropf angefüllt. Sie lieſt ihn nicht nur von der Erde auf, ſondern holt
ihn auch, wie mein Vater beobachtet hat, zwiſchen den klaffenden Deckelchen der Zapfen hervor.
Außerdem frißt ſie Getreidearten und Grasſämereien, ausnahmsweiſe auch Schnecken und Regen-
würmer, und im Spätſommer Heidelbeeren. Nach Naumann findet ſie im Laubwald ein beliebtes
Nahrungsmittel an Eicheln und Bucheckern. Dieſe Angabe ſtimmt vortrefflich mit Dem überein,
was ich in Spanien erfuhr und beobachtete; denn hier bilden die Früchte der immergrünen Eiche
das hauptſächlichſte Futter der als Wintergäſte im Lande anweſenden Holztauben.

Die wenigen Körner, welche ſich die Ringeltaube im Felde zuſammenlieſt, darf man ihr gönnen:
es ſind eben nur ſolche, welche ohne ſie doch verkommen wären, und ſie macht dieſen kleinen Eingriff
in das Beſitzthum des Menſchen tauſendfach wieder gut durch das Aufzehren von Unkrautſamen
verſchiedener Art. Sie bringt alſo keinen Schaden, muß vielmehr als ein nützliches Thier betrachtet
und ſollte geſchont werden. Jch meinestheils ſehe in ihr einen Vogel, welcher im Walde gar nicht
fehlen darf, weil er zu ſeiner Belebung ſo weſentlich mit beiträgt, und alle Natur- und Thierfreunde
denken, glaube ich, nicht anders. Der gierige Bauer freilich oder der traurige Sonntagsſchütz
verfolgen ſie zu jeder Jahreszeit, und der Südeuropäer lichtet die Reihe der ſich bei ihm
zu Gaſte bittenden Wanderſcharen ſo viel als möglich. Glücklicher Weiſe iſt es nicht gerade leicht,
eine Holztaube zu berücken. Diejenigen, welche in den Städten niſten und wenige Fuß über den
Häuptern der Spaziergänger ungeſcheut ihr Weſen treiben, ja thun, als ob ſie gezähmt wären, ſind
große Ausnahmen von der Regel. Jm allgemeinen iſt die Ringeltaube unter allen Umſtänden vor-
ſichtig und traut keinem Menſchen, auch dem nicht, welcher harmlos zu ſein ſcheint. Dieſe Vorſicht
rettet ſie vor den meiſten Nachſtellungen der gedachten Thierfeinde, und der kundige Jäger ſtellt ihr
eben nicht nach, weil er ſie kennen und lieben gelernt hat. Dies iſt der Grund, weshalb dieſe Taube
noch überall bei uns vorkommt, noch nirgends ausgerottet worden iſt. Neben dem Menſchen hat der
vorſichtige Vogel wenig Feinde, welche ihm gefährlich werden können. Habicht und Wanderfalk oder
die großen Verwandten des letzteren fangen zuweilen eine Alte; Wildkatze, Baummarder und
Eichhorn, vielleicht auch der weibliche Sperber, und nachts der Uhu bedrohen die Brut.

Gefangene Ringeltauben werden erträglich zahm und halten viele Jahre im Käfige aus. Es
hält nicht ſchwer, ſie an ein paſſendes Erſatzfutter zu gewöhnen, da gemiſchte Sämereien ihren
Anſprüchen vollſtändig genügen. Zur Fortpflanzung im Käfig ſchreiten ſie aber nur ausnahmsweiſe.
Meines Wiſſens gelang es dem Naturforſcher Pietruvski zuerſt, Junge von ſeinen gefangenen
Ringeltauben zu erzielen. Bei unſern gegenwärtigen Anſtalten, d. h. bei der Einrichtung der
größeren Geſellſchaftskäfige in unſern Thiergärten, will ein ſolches Ergebniß nicht viel mehr beſagen.
Auch im hamburger Thiergarten, welcher für derartige Vögel paſſende Räumlichkeiten noch nicht
beſitzt, ſchritt ein Paar Ringeltauben zur Fortpflanzung, und nur ein unglücklicher Zufall verhinderte,
daß das Ergebniß ein befriedigendes war. Mit andern Girrvögeln der verſchiedenſten Art verträgt
ſich dieſe Taube ſehr gut. Sie macht nie Gebrauch vom Rechte des Stärkeren und läßt ſich von
kleinen Schwächlingen oft merkwürdig viel gefallen, ohne ſich derſelben zu erwehren.



Prinz Lucian Bonaparte hat auch die Hohl-, Loch-, Block- oder Blautaube unter
dem Namen Palumboena von der Felſen- oder Feldtaube getrennt und zum Vertreter einer beſon-
dern Sippe erhoben; ich muß aber ſagen, daß ich zwiſchen den beiden keine Unterſchiede zu erkennen

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[266/0288] Die Läufer. Girrvögel. Tauben. von den Alten gefüttert und geführt, weil ſie bald ihr Futter ſuchen und ſich vor Gefahren in Acht nehmen lernen. Jedes der Eltern hat gewöhnlich ein Junges bei ſich und leitet es auf dem Felde zum Freſſen an.“ Lieblingsnahrung der Ringeltaube iſt Samen der Nadelholzarten; mit ihm findet man im Sommer oft den ganzen Kropf angefüllt. Sie lieſt ihn nicht nur von der Erde auf, ſondern holt ihn auch, wie mein Vater beobachtet hat, zwiſchen den klaffenden Deckelchen der Zapfen hervor. Außerdem frißt ſie Getreidearten und Grasſämereien, ausnahmsweiſe auch Schnecken und Regen- würmer, und im Spätſommer Heidelbeeren. Nach Naumann findet ſie im Laubwald ein beliebtes Nahrungsmittel an Eicheln und Bucheckern. Dieſe Angabe ſtimmt vortrefflich mit Dem überein, was ich in Spanien erfuhr und beobachtete; denn hier bilden die Früchte der immergrünen Eiche das hauptſächlichſte Futter der als Wintergäſte im Lande anweſenden Holztauben. Die wenigen Körner, welche ſich die Ringeltaube im Felde zuſammenlieſt, darf man ihr gönnen: es ſind eben nur ſolche, welche ohne ſie doch verkommen wären, und ſie macht dieſen kleinen Eingriff in das Beſitzthum des Menſchen tauſendfach wieder gut durch das Aufzehren von Unkrautſamen verſchiedener Art. Sie bringt alſo keinen Schaden, muß vielmehr als ein nützliches Thier betrachtet und ſollte geſchont werden. Jch meinestheils ſehe in ihr einen Vogel, welcher im Walde gar nicht fehlen darf, weil er zu ſeiner Belebung ſo weſentlich mit beiträgt, und alle Natur- und Thierfreunde denken, glaube ich, nicht anders. Der gierige Bauer freilich oder der traurige Sonntagsſchütz verfolgen ſie zu jeder Jahreszeit, und der Südeuropäer lichtet die Reihe der ſich bei ihm zu Gaſte bittenden Wanderſcharen ſo viel als möglich. Glücklicher Weiſe iſt es nicht gerade leicht, eine Holztaube zu berücken. Diejenigen, welche in den Städten niſten und wenige Fuß über den Häuptern der Spaziergänger ungeſcheut ihr Weſen treiben, ja thun, als ob ſie gezähmt wären, ſind große Ausnahmen von der Regel. Jm allgemeinen iſt die Ringeltaube unter allen Umſtänden vor- ſichtig und traut keinem Menſchen, auch dem nicht, welcher harmlos zu ſein ſcheint. Dieſe Vorſicht rettet ſie vor den meiſten Nachſtellungen der gedachten Thierfeinde, und der kundige Jäger ſtellt ihr eben nicht nach, weil er ſie kennen und lieben gelernt hat. Dies iſt der Grund, weshalb dieſe Taube noch überall bei uns vorkommt, noch nirgends ausgerottet worden iſt. Neben dem Menſchen hat der vorſichtige Vogel wenig Feinde, welche ihm gefährlich werden können. Habicht und Wanderfalk oder die großen Verwandten des letzteren fangen zuweilen eine Alte; Wildkatze, Baummarder und Eichhorn, vielleicht auch der weibliche Sperber, und nachts der Uhu bedrohen die Brut. Gefangene Ringeltauben werden erträglich zahm und halten viele Jahre im Käfige aus. Es hält nicht ſchwer, ſie an ein paſſendes Erſatzfutter zu gewöhnen, da gemiſchte Sämereien ihren Anſprüchen vollſtändig genügen. Zur Fortpflanzung im Käfig ſchreiten ſie aber nur ausnahmsweiſe. Meines Wiſſens gelang es dem Naturforſcher Pietruvski zuerſt, Junge von ſeinen gefangenen Ringeltauben zu erzielen. Bei unſern gegenwärtigen Anſtalten, d. h. bei der Einrichtung der größeren Geſellſchaftskäfige in unſern Thiergärten, will ein ſolches Ergebniß nicht viel mehr beſagen. Auch im hamburger Thiergarten, welcher für derartige Vögel paſſende Räumlichkeiten noch nicht beſitzt, ſchritt ein Paar Ringeltauben zur Fortpflanzung, und nur ein unglücklicher Zufall verhinderte, daß das Ergebniß ein befriedigendes war. Mit andern Girrvögeln der verſchiedenſten Art verträgt ſich dieſe Taube ſehr gut. Sie macht nie Gebrauch vom Rechte des Stärkeren und läßt ſich von kleinen Schwächlingen oft merkwürdig viel gefallen, ohne ſich derſelben zu erwehren. Prinz Lucian Bonaparte hat auch die Hohl-, Loch-, Block- oder Blautaube unter dem Namen Palumboena von der Felſen- oder Feldtaube getrennt und zum Vertreter einer beſon- dern Sippe erhoben; ich muß aber ſagen, daß ich zwiſchen den beiden keine Unterſchiede zu erkennen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/288>, abgerufen am 20.05.2024.