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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Rebhuhntaube.
und keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sie zu vernichten. Um diesen Vogel zu jagen, muß man
früh am Tage zur Stelle sein; denn mit Sonnenaufgang pflegt er sich auf die höchsten Zweige
der größten Bäume zu setzen, in der Richtung nach Osten hin. Der Thau, welcher auf den
Antillen während der Nacht in großer Menge fällt, durchnäßt wie Regen das Gefieder und ver-
anlaßt die Vögel, sich zu trocknen; deshalb sehen sie den ersten Strahlen der Sonne entgegen. Um
diese Zeit muß man unsere Taube aufsuchen; aber Dies muß ohne jegliches Geräusch geschehen: denn
ihr Gehör ist so außerordentlich fein, daß das leiseste Rasseln sie veranlaßt, nach der Ursache zu spähen
-- und dann ist den Jäger sehen und blitzschnell fliehen das Werk eines Augenblicks. Etwas später
begegnet man ihr in den niederen Dickichten der Wälder auf den belaubtesten Zweigen, welche sie
aufsucht, um der Hitze des Tages zu entgehen, am häufigsten in der Nähe von Flüssen, zu denen
sie kommt, um ihren Durst zu stillen. Dann ist sie weniger scheu, vielleicht, weil sie sich, gedeckt
durch die Blätter, in Sicherheit glaubt, möglicherweise auch, weil die Hitze ihre Lebhaftigkeit ver-
mindert. Aber wenn auch die Mittagszeit ein Anschleichen erleichtert, so ist es um so schwerer, sie
wahrzunehmen; denn auch der Jäger ist weniger aufgelegt, sie zu verfolgen, weil die außerordentliche
Glut der Tagesmitte ihn ebenso belästigt, wie sein Wild. Besonders häufig trifft man sie zu gewissen
Zeiten auf den Zuckererbsen an, deren Hülsen sie ausleert." Diejenigen, welche Audubon sah,
befanden sich ebenfalls in der Nähe vom Wasser und pickten hier Kies auf, rannten aber schleunig in
das Dickicht zurück und wurden, obgleich dieser geschickte Jäger den ganzen Tag nach ihnen suchte,
nicht wieder gesehen.

Ueber die Fortpflanzung berichtet Gundlach: "Sie setzen", sagt er, "ihr aus Reisern ver-
fertigtes Nest auf die Krone gewisser Schmarotzerpflanzen im schattigen, von Unterholz freien Hoch-
wald. Die Eier habe ich aber noch nicht zu sehen bekommen."

Dies ist Alles, was ich über das Freileben des Thieres habe finden können.

Die Rebhuhntaube muß auf Cuba sehr oft gefangen und vielfach im Käfig gehalten werden;
denn in manchen Jahren kommen auffallend viele von ihnen auf den europäischen Thiermarkt, und
man kann sie dann für wenige Thaler kaufen. Der hamburger Thiergarten hat mehrere besessen,
leider aber nicht lange Zeit, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil die nöthigen Räumlichkeiten zu
ihrer Beherbergung nicht vorhanden waren. Sie macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck, weil ihr
Betragen ebenso absonderlich ist, wie ihre Färbung. Diejenigen, welche ich beobachten konnte,
gewährten mir übrigens wenig Vergnügen. Sie saßen mit aufgeblähtem Gefieder oft lange Zeit still
auf ein und derselben Stelle, bewegten sich nur auf dem Boden, beschmuzten sich fortwährend und
schienen der Reinigung ihres Gefieders durchaus nicht mit demselben Eifer obzuliegen, wie andere
Tauben. Einen Stimmlaut habe ich, so viel ich mich entsinne, niemals von einer meiner Gefangenen
vernommen; es ist jedoch möglich, daß auch sie sich hören ließen, wir Dies aber, weil sie unter vielen
anderen Tauben lebten, nicht wahrgenommen haben. Mit unserem Klima schienen sie sich nicht
befreunden zu können: jeder kältere Sommertag stimmte sie unbehaglich, jeder Regenguß machte sie
beinah krank.



Oceanien beherbergt mehrere Tauben, welche bestimmt zu sein scheinen, in unsern Vogel-
häusern eine große Rolle zu spielen, weil sie nicht blos durch die Schönheit ihres Gefieders
und die Anmuth ihres Wesens fesseln, sondern sich auch leicht fortpflanzen und deshalb wohl zu
Hausthieren gemacht werden können. Jhre Einbürgerung wird deshalb gegenwärtig überall
versucht und verspricht einen, so zu sagen, handgreiflichen Nutzen, da das Fleisch einiger Arten,
wenigstens nach einstimmiger Versicherung der Reisenden, ganz vorzüglich sein soll. Diese Tauben
verdienen also einer besondern Berücksichtigung.

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Rebhuhntaube.
und keine Gelegenheit vorübergehen laſſen, ſie zu vernichten. Um dieſen Vogel zu jagen, muß man
früh am Tage zur Stelle ſein; denn mit Sonnenaufgang pflegt er ſich auf die höchſten Zweige
der größten Bäume zu ſetzen, in der Richtung nach Oſten hin. Der Thau, welcher auf den
Antillen während der Nacht in großer Menge fällt, durchnäßt wie Regen das Gefieder und ver-
anlaßt die Vögel, ſich zu trocknen; deshalb ſehen ſie den erſten Strahlen der Sonne entgegen. Um
dieſe Zeit muß man unſere Taube aufſuchen; aber Dies muß ohne jegliches Geräuſch geſchehen: denn
ihr Gehör iſt ſo außerordentlich fein, daß das leiſeſte Raſſeln ſie veranlaßt, nach der Urſache zu ſpähen
— und dann iſt den Jäger ſehen und blitzſchnell fliehen das Werk eines Augenblicks. Etwas ſpäter
begegnet man ihr in den niederen Dickichten der Wälder auf den belaubteſten Zweigen, welche ſie
aufſucht, um der Hitze des Tages zu entgehen, am häufigſten in der Nähe von Flüſſen, zu denen
ſie kommt, um ihren Durſt zu ſtillen. Dann iſt ſie weniger ſcheu, vielleicht, weil ſie ſich, gedeckt
durch die Blätter, in Sicherheit glaubt, möglicherweiſe auch, weil die Hitze ihre Lebhaftigkeit ver-
mindert. Aber wenn auch die Mittagszeit ein Anſchleichen erleichtert, ſo iſt es um ſo ſchwerer, ſie
wahrzunehmen; denn auch der Jäger iſt weniger aufgelegt, ſie zu verfolgen, weil die außerordentliche
Glut der Tagesmitte ihn ebenſo beläſtigt, wie ſein Wild. Beſonders häufig trifft man ſie zu gewiſſen
Zeiten auf den Zuckererbſen an, deren Hülſen ſie ausleert.“ Diejenigen, welche Audubon ſah,
befanden ſich ebenfalls in der Nähe vom Waſſer und pickten hier Kies auf, rannten aber ſchleunig in
das Dickicht zurück und wurden, obgleich dieſer geſchickte Jäger den ganzen Tag nach ihnen ſuchte,
nicht wieder geſehen.

Ueber die Fortpflanzung berichtet Gundlach: „Sie ſetzen“, ſagt er, „ihr aus Reiſern ver-
fertigtes Neſt auf die Krone gewiſſer Schmarotzerpflanzen im ſchattigen, von Unterholz freien Hoch-
wald. Die Eier habe ich aber noch nicht zu ſehen bekommen.“

Dies iſt Alles, was ich über das Freileben des Thieres habe finden können.

Die Rebhuhntaube muß auf Cuba ſehr oft gefangen und vielfach im Käfig gehalten werden;
denn in manchen Jahren kommen auffallend viele von ihnen auf den europäiſchen Thiermarkt, und
man kann ſie dann für wenige Thaler kaufen. Der hamburger Thiergarten hat mehrere beſeſſen,
leider aber nicht lange Zeit, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil die nöthigen Räumlichkeiten zu
ihrer Beherbergung nicht vorhanden waren. Sie macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck, weil ihr
Betragen ebenſo abſonderlich iſt, wie ihre Färbung. Diejenigen, welche ich beobachten konnte,
gewährten mir übrigens wenig Vergnügen. Sie ſaßen mit aufgeblähtem Gefieder oft lange Zeit ſtill
auf ein und derſelben Stelle, bewegten ſich nur auf dem Boden, beſchmuzten ſich fortwährend und
ſchienen der Reinigung ihres Gefieders durchaus nicht mit demſelben Eifer obzuliegen, wie andere
Tauben. Einen Stimmlaut habe ich, ſo viel ich mich entſinne, niemals von einer meiner Gefangenen
vernommen; es iſt jedoch möglich, daß auch ſie ſich hören ließen, wir Dies aber, weil ſie unter vielen
anderen Tauben lebten, nicht wahrgenommen haben. Mit unſerem Klima ſchienen ſie ſich nicht
befreunden zu können: jeder kältere Sommertag ſtimmte ſie unbehaglich, jeder Regenguß machte ſie
beinah krank.



Oceanien beherbergt mehrere Tauben, welche beſtimmt zu ſein ſcheinen, in unſern Vogel-
häuſern eine große Rolle zu ſpielen, weil ſie nicht blos durch die Schönheit ihres Gefieders
und die Anmuth ihres Weſens feſſeln, ſondern ſich auch leicht fortpflanzen und deshalb wohl zu
Hausthieren gemacht werden können. Jhre Einbürgerung wird deshalb gegenwärtig überall
verſucht und verſpricht einen, ſo zu ſagen, handgreiflichen Nutzen, da das Fleiſch einiger Arten,
wenigſtens nach einſtimmiger Verſicherung der Reiſenden, ganz vorzüglich ſein ſoll. Dieſe Tauben
verdienen alſo einer beſondern Berückſichtigung.

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[291/0313] Rebhuhntaube. und keine Gelegenheit vorübergehen laſſen, ſie zu vernichten. Um dieſen Vogel zu jagen, muß man früh am Tage zur Stelle ſein; denn mit Sonnenaufgang pflegt er ſich auf die höchſten Zweige der größten Bäume zu ſetzen, in der Richtung nach Oſten hin. Der Thau, welcher auf den Antillen während der Nacht in großer Menge fällt, durchnäßt wie Regen das Gefieder und ver- anlaßt die Vögel, ſich zu trocknen; deshalb ſehen ſie den erſten Strahlen der Sonne entgegen. Um dieſe Zeit muß man unſere Taube aufſuchen; aber Dies muß ohne jegliches Geräuſch geſchehen: denn ihr Gehör iſt ſo außerordentlich fein, daß das leiſeſte Raſſeln ſie veranlaßt, nach der Urſache zu ſpähen — und dann iſt den Jäger ſehen und blitzſchnell fliehen das Werk eines Augenblicks. Etwas ſpäter begegnet man ihr in den niederen Dickichten der Wälder auf den belaubteſten Zweigen, welche ſie aufſucht, um der Hitze des Tages zu entgehen, am häufigſten in der Nähe von Flüſſen, zu denen ſie kommt, um ihren Durſt zu ſtillen. Dann iſt ſie weniger ſcheu, vielleicht, weil ſie ſich, gedeckt durch die Blätter, in Sicherheit glaubt, möglicherweiſe auch, weil die Hitze ihre Lebhaftigkeit ver- mindert. Aber wenn auch die Mittagszeit ein Anſchleichen erleichtert, ſo iſt es um ſo ſchwerer, ſie wahrzunehmen; denn auch der Jäger iſt weniger aufgelegt, ſie zu verfolgen, weil die außerordentliche Glut der Tagesmitte ihn ebenſo beläſtigt, wie ſein Wild. Beſonders häufig trifft man ſie zu gewiſſen Zeiten auf den Zuckererbſen an, deren Hülſen ſie ausleert.“ Diejenigen, welche Audubon ſah, befanden ſich ebenfalls in der Nähe vom Waſſer und pickten hier Kies auf, rannten aber ſchleunig in das Dickicht zurück und wurden, obgleich dieſer geſchickte Jäger den ganzen Tag nach ihnen ſuchte, nicht wieder geſehen. Ueber die Fortpflanzung berichtet Gundlach: „Sie ſetzen“, ſagt er, „ihr aus Reiſern ver- fertigtes Neſt auf die Krone gewiſſer Schmarotzerpflanzen im ſchattigen, von Unterholz freien Hoch- wald. Die Eier habe ich aber noch nicht zu ſehen bekommen.“ Dies iſt Alles, was ich über das Freileben des Thieres habe finden können. Die Rebhuhntaube muß auf Cuba ſehr oft gefangen und vielfach im Käfig gehalten werden; denn in manchen Jahren kommen auffallend viele von ihnen auf den europäiſchen Thiermarkt, und man kann ſie dann für wenige Thaler kaufen. Der hamburger Thiergarten hat mehrere beſeſſen, leider aber nicht lange Zeit, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil die nöthigen Räumlichkeiten zu ihrer Beherbergung nicht vorhanden waren. Sie macht einen ganz eigenthümlichen Eindruck, weil ihr Betragen ebenſo abſonderlich iſt, wie ihre Färbung. Diejenigen, welche ich beobachten konnte, gewährten mir übrigens wenig Vergnügen. Sie ſaßen mit aufgeblähtem Gefieder oft lange Zeit ſtill auf ein und derſelben Stelle, bewegten ſich nur auf dem Boden, beſchmuzten ſich fortwährend und ſchienen der Reinigung ihres Gefieders durchaus nicht mit demſelben Eifer obzuliegen, wie andere Tauben. Einen Stimmlaut habe ich, ſo viel ich mich entſinne, niemals von einer meiner Gefangenen vernommen; es iſt jedoch möglich, daß auch ſie ſich hören ließen, wir Dies aber, weil ſie unter vielen anderen Tauben lebten, nicht wahrgenommen haben. Mit unſerem Klima ſchienen ſie ſich nicht befreunden zu können: jeder kältere Sommertag ſtimmte ſie unbehaglich, jeder Regenguß machte ſie beinah krank. Oceanien beherbergt mehrere Tauben, welche beſtimmt zu ſein ſcheinen, in unſern Vogel- häuſern eine große Rolle zu ſpielen, weil ſie nicht blos durch die Schönheit ihres Gefieders und die Anmuth ihres Weſens feſſeln, ſondern ſich auch leicht fortpflanzen und deshalb wohl zu Hausthieren gemacht werden können. Jhre Einbürgerung wird deshalb gegenwärtig überall verſucht und verſpricht einen, ſo zu ſagen, handgreiflichen Nutzen, da das Fleiſch einiger Arten, wenigſtens nach einſtimmiger Verſicherung der Reiſenden, ganz vorzüglich ſein ſoll. Dieſe Tauben verdienen alſo einer beſondern Berückſichtigung. 19*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/313>, abgerufen am 18.12.2024.