sich derselben Gegend zu, von welcher er herkam, und wahrscheinlich kehrt jeder zu demselben Weide- gebiete zurück. Erlegt man Flughühner bei der Tränke, so findet man, daß sie ihren Kropf mit Körnern derart angefüllt haben, daß die ihn bedeckenden Federn bauschen. Nachdem sich die Vögel getränkt haben, tritt die mit der beginnenden Verdauung verbundene Ruhe ein, und jetzt sieht man die Kette, gruppenweise vereinzelt, in behaglicher Ruhe, entweder in selbst gescharrten, seichten Ver- tiefungen oder auch ohne weiteres auf dem Sande gelagert, gewöhnlich platt gedrückt auf dem Bauche, oft aber auch auf der Seite, bald auf dieser, bald auf jener liegend, wobei dann der eine Flügel ausgebreitet und den Strahlen der Sonne preisgegeben wird. Während dieser Ruhepause schweigt auch die Unterhaltung; sie beginnt aber augenblicklich wieder, wenn sich etwas Verdächtiges zeigt. Jn den Nachmittagsstunden wird eine zweite Mahlzeit eingenommen, und zwischen vier und sechs Uhr fliegt Alles zum zweiten Mal den Tränkplätzen zu. Auch diesmal verweilt der Flug nur wenige Minuten an dem labungspendenden Orte und eilt nun unmittelbar dem Schlafplatze zu; doch kann es vorkommen, daß dieser in der Nähe der Quelle gewählt wird, wie ich folches auch einmal, freilich an einem vom Menschen in keiner Weise beunruhigten Orte, beobachtet habe.
Nur da, wo die Flughühner verfolgt werden, zeigen sie sich scheu; in der eigentlichen Wüste, wo sie wenig mit Menschen in Berührung kommen, lassen sie den Reiter auf seinem Kamele sich ihnen bis auf wenige Schritte nähern; selbst dem Fußgänger wird es nicht schwer, an sie heranzukommen, wenn er sie rechtzeitig entdeckt hat, und die bei der Jagd überhaupt nöthige Verstellung anwendet, d. h. thut, als ob er harmlos an ihnen vorüber gehen wolle. Aber gerade das Entdecken hat seine Schwierigkeiten. Es gehört ein sehr scharfes Auge dazu, sie wahrzunehmen. Jch habe mehr als hundertmal Wüstenhühner gejagt und erlegt, bin aber bei jeder Jagd von neuem in Erstaunen gesetzt worden über die Fertigkeit der Thiere, sich den Blicken zu entziehen. Hierbei leistet ihnen ihr Wüstengewand die besten Dienste: das Flughuhn braucht sich blos auf dem Boden, dessen Färbung es in den feinsten Schattirungen auf seinem Gefieder trägt, niederzudrücken und sich ruhig zu ver- halten, und es selbst ist gleichsam zu einem Theil des Bodens geworden; man vermag es von diesem nicht mehr zu unterscheiden. Jn dieser Weise täuschen alle Flughühner den unkundigen Verfolger. Wer ein recht scharfes Auge besitzt und zu beobachten gelernt hat, sieht bei seiner Annäherung an eine auf der Erde ruhende Kette Flughühner mehrere alte Männchen, welche mit hochaufgestrecktem Halse den Ankommenden betrachten, und gewahrt bei weiterem Herangehen, wie diese Wächter plötzlich unsichtbar werden und die ganze zahlreiche Kette unsichtbar machen, indem auch sie sich platt auf die Erde legen. Jeder vorüberziehende Raubvogel, jedes sich zeigende und gefährlich scheinende Geschöpf verwandelt in dieser Weise die Hunderte von Vögeln in Hunderte von Häufchen, welche dem Sande so vollkommen ähneln, daß man immer und immer wieder überrascht wird, wenn plötzlich von einer Stelle, auf welcher man nur Sand zu bemerken glaubte, die vielen, großen Vögel unter lebhaftem Geräusch sich erheben.
Die Nahrung besteht, wenn nicht ausschließlich, so doch fast nur aus Sämereien. Da, wo es Felder gibt in der Nähe der Wüste, haben sie beim Einsammeln dieser Körner, wenigstens zeitweilig, leichte Arbeit: in ganz Nordostafrika z. B. nähren sie sich Monate lang nur von der Durrah; in Spanien brandschatzen sie die Weizen-, Mais- und Wickenfelder; in Jndien erscheinen sie auf den abgeernteten und trocken gewordenen Reisfeldern. Jn den Wüsten und Steppen aber haben sie nur in den wenigen ährentragenden Gräsern ergiebige Nährpflanzen, und hier begreift man es oft wirklich nicht, wie sie es möglich machen, tagtäglich die sehr weiten Kröpfe zu füllen. Ob sie Kerb- thiere aufnehmen, weiß ich nicht; ich habe, soviel ich mich entsinne, immer nur Körner in ihrem Magen gefunden. Die Gefangenen fressen übrigens Ameiseneier.
Jn Südeuropa und Nordafrika brüten die Flughühner in den ersten Frühlingsmonaten, in Mittelafrika zu Anfang der Regenzeit, welche den nordischen Frühling vertritt, in Südindien, laut Jerdon, in den Monaten zwischen Dezember und Mai, in Mittelindien noch etwas später. Jch
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
ſich derſelben Gegend zu, von welcher er herkam, und wahrſcheinlich kehrt jeder zu demſelben Weide- gebiete zurück. Erlegt man Flughühner bei der Tränke, ſo findet man, daß ſie ihren Kropf mit Körnern derart angefüllt haben, daß die ihn bedeckenden Federn bauſchen. Nachdem ſich die Vögel getränkt haben, tritt die mit der beginnenden Verdauung verbundene Ruhe ein, und jetzt ſieht man die Kette, gruppenweiſe vereinzelt, in behaglicher Ruhe, entweder in ſelbſt geſcharrten, ſeichten Ver- tiefungen oder auch ohne weiteres auf dem Sande gelagert, gewöhnlich platt gedrückt auf dem Bauche, oft aber auch auf der Seite, bald auf dieſer, bald auf jener liegend, wobei dann der eine Flügel ausgebreitet und den Strahlen der Sonne preisgegeben wird. Während dieſer Ruhepauſe ſchweigt auch die Unterhaltung; ſie beginnt aber augenblicklich wieder, wenn ſich etwas Verdächtiges zeigt. Jn den Nachmittagsſtunden wird eine zweite Mahlzeit eingenommen, und zwiſchen vier und ſechs Uhr fliegt Alles zum zweiten Mal den Tränkplätzen zu. Auch diesmal verweilt der Flug nur wenige Minuten an dem labungſpendenden Orte und eilt nun unmittelbar dem Schlafplatze zu; doch kann es vorkommen, daß dieſer in der Nähe der Quelle gewählt wird, wie ich folches auch einmal, freilich an einem vom Menſchen in keiner Weiſe beunruhigten Orte, beobachtet habe.
Nur da, wo die Flughühner verfolgt werden, zeigen ſie ſich ſcheu; in der eigentlichen Wüſte, wo ſie wenig mit Menſchen in Berührung kommen, laſſen ſie den Reiter auf ſeinem Kamele ſich ihnen bis auf wenige Schritte nähern; ſelbſt dem Fußgänger wird es nicht ſchwer, an ſie heranzukommen, wenn er ſie rechtzeitig entdeckt hat, und die bei der Jagd überhaupt nöthige Verſtellung anwendet, d. h. thut, als ob er harmlos an ihnen vorüber gehen wolle. Aber gerade das Entdecken hat ſeine Schwierigkeiten. Es gehört ein ſehr ſcharfes Auge dazu, ſie wahrzunehmen. Jch habe mehr als hundertmal Wüſtenhühner gejagt und erlegt, bin aber bei jeder Jagd von neuem in Erſtaunen geſetzt worden über die Fertigkeit der Thiere, ſich den Blicken zu entziehen. Hierbei leiſtet ihnen ihr Wüſtengewand die beſten Dienſte: das Flughuhn braucht ſich blos auf dem Boden, deſſen Färbung es in den feinſten Schattirungen auf ſeinem Gefieder trägt, niederzudrücken und ſich ruhig zu ver- halten, und es ſelbſt iſt gleichſam zu einem Theil des Bodens geworden; man vermag es von dieſem nicht mehr zu unterſcheiden. Jn dieſer Weiſe täuſchen alle Flughühner den unkundigen Verfolger. Wer ein recht ſcharfes Auge beſitzt und zu beobachten gelernt hat, ſieht bei ſeiner Annäherung an eine auf der Erde ruhende Kette Flughühner mehrere alte Männchen, welche mit hochaufgeſtrecktem Halſe den Ankommenden betrachten, und gewahrt bei weiterem Herangehen, wie dieſe Wächter plötzlich unſichtbar werden und die ganze zahlreiche Kette unſichtbar machen, indem auch ſie ſich platt auf die Erde legen. Jeder vorüberziehende Raubvogel, jedes ſich zeigende und gefährlich ſcheinende Geſchöpf verwandelt in dieſer Weiſe die Hunderte von Vögeln in Hunderte von Häufchen, welche dem Sande ſo vollkommen ähneln, daß man immer und immer wieder überraſcht wird, wenn plötzlich von einer Stelle, auf welcher man nur Sand zu bemerken glaubte, die vielen, großen Vögel unter lebhaftem Geräuſch ſich erheben.
Die Nahrung beſteht, wenn nicht ausſchließlich, ſo doch faſt nur aus Sämereien. Da, wo es Felder gibt in der Nähe der Wüſte, haben ſie beim Einſammeln dieſer Körner, wenigſtens zeitweilig, leichte Arbeit: in ganz Nordoſtafrika z. B. nähren ſie ſich Monate lang nur von der Durrah; in Spanien brandſchatzen ſie die Weizen-, Mais- und Wickenfelder; in Jndien erſcheinen ſie auf den abgeernteten und trocken gewordenen Reisfeldern. Jn den Wüſten und Steppen aber haben ſie nur in den wenigen ährentragenden Gräſern ergiebige Nährpflanzen, und hier begreift man es oft wirklich nicht, wie ſie es möglich machen, tagtäglich die ſehr weiten Kröpfe zu füllen. Ob ſie Kerb- thiere aufnehmen, weiß ich nicht; ich habe, ſoviel ich mich entſinne, immer nur Körner in ihrem Magen gefunden. Die Gefangenen freſſen übrigens Ameiſeneier.
Jn Südeuropa und Nordafrika brüten die Flughühner in den erſten Frühlingsmonaten, in Mittelafrika zu Anfang der Regenzeit, welche den nordiſchen Frühling vertritt, in Südindien, laut Jerdon, in den Monaten zwiſchen Dezember und Mai, in Mittelindien noch etwas ſpäter. Jch
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[318/0342]
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
ſich derſelben Gegend zu, von welcher er herkam, und wahrſcheinlich kehrt jeder zu demſelben Weide-
gebiete zurück. Erlegt man Flughühner bei der Tränke, ſo findet man, daß ſie ihren Kropf mit
Körnern derart angefüllt haben, daß die ihn bedeckenden Federn bauſchen. Nachdem ſich die Vögel
getränkt haben, tritt die mit der beginnenden Verdauung verbundene Ruhe ein, und jetzt ſieht man
die Kette, gruppenweiſe vereinzelt, in behaglicher Ruhe, entweder in ſelbſt geſcharrten, ſeichten Ver-
tiefungen oder auch ohne weiteres auf dem Sande gelagert, gewöhnlich platt gedrückt auf dem
Bauche, oft aber auch auf der Seite, bald auf dieſer, bald auf jener liegend, wobei dann
der eine Flügel ausgebreitet und den Strahlen der Sonne preisgegeben wird. Während dieſer
Ruhepauſe ſchweigt auch die Unterhaltung; ſie beginnt aber augenblicklich wieder, wenn ſich etwas
Verdächtiges zeigt. Jn den Nachmittagsſtunden wird eine zweite Mahlzeit eingenommen, und
zwiſchen vier und ſechs Uhr fliegt Alles zum zweiten Mal den Tränkplätzen zu. Auch diesmal
verweilt der Flug nur wenige Minuten an dem labungſpendenden Orte und eilt nun unmittelbar
dem Schlafplatze zu; doch kann es vorkommen, daß dieſer in der Nähe der Quelle gewählt wird,
wie ich folches auch einmal, freilich an einem vom Menſchen in keiner Weiſe beunruhigten Orte,
beobachtet habe.
Nur da, wo die Flughühner verfolgt werden, zeigen ſie ſich ſcheu; in der eigentlichen Wüſte,
wo ſie wenig mit Menſchen in Berührung kommen, laſſen ſie den Reiter auf ſeinem Kamele ſich ihnen
bis auf wenige Schritte nähern; ſelbſt dem Fußgänger wird es nicht ſchwer, an ſie heranzukommen,
wenn er ſie rechtzeitig entdeckt hat, und die bei der Jagd überhaupt nöthige Verſtellung anwendet,
d. h. thut, als ob er harmlos an ihnen vorüber gehen wolle. Aber gerade das Entdecken hat ſeine
Schwierigkeiten. Es gehört ein ſehr ſcharfes Auge dazu, ſie wahrzunehmen. Jch habe mehr als
hundertmal Wüſtenhühner gejagt und erlegt, bin aber bei jeder Jagd von neuem in Erſtaunen
geſetzt worden über die Fertigkeit der Thiere, ſich den Blicken zu entziehen. Hierbei leiſtet ihnen ihr
Wüſtengewand die beſten Dienſte: das Flughuhn braucht ſich blos auf dem Boden, deſſen Färbung
es in den feinſten Schattirungen auf ſeinem Gefieder trägt, niederzudrücken und ſich ruhig zu ver-
halten, und es ſelbſt iſt gleichſam zu einem Theil des Bodens geworden; man vermag es von dieſem
nicht mehr zu unterſcheiden. Jn dieſer Weiſe täuſchen alle Flughühner den unkundigen Verfolger.
Wer ein recht ſcharfes Auge beſitzt und zu beobachten gelernt hat, ſieht bei ſeiner Annäherung an eine
auf der Erde ruhende Kette Flughühner mehrere alte Männchen, welche mit hochaufgeſtrecktem Halſe
den Ankommenden betrachten, und gewahrt bei weiterem Herangehen, wie dieſe Wächter plötzlich
unſichtbar werden und die ganze zahlreiche Kette unſichtbar machen, indem auch ſie ſich platt auf die
Erde legen. Jeder vorüberziehende Raubvogel, jedes ſich zeigende und gefährlich ſcheinende Geſchöpf
verwandelt in dieſer Weiſe die Hunderte von Vögeln in Hunderte von Häufchen, welche dem Sande
ſo vollkommen ähneln, daß man immer und immer wieder überraſcht wird, wenn plötzlich von einer
Stelle, auf welcher man nur Sand zu bemerken glaubte, die vielen, großen Vögel unter lebhaftem
Geräuſch ſich erheben.
Die Nahrung beſteht, wenn nicht ausſchließlich, ſo doch faſt nur aus Sämereien. Da, wo es
Felder gibt in der Nähe der Wüſte, haben ſie beim Einſammeln dieſer Körner, wenigſtens zeitweilig,
leichte Arbeit: in ganz Nordoſtafrika z. B. nähren ſie ſich Monate lang nur von der Durrah; in
Spanien brandſchatzen ſie die Weizen-, Mais- und Wickenfelder; in Jndien erſcheinen ſie auf den
abgeernteten und trocken gewordenen Reisfeldern. Jn den Wüſten und Steppen aber haben ſie nur
in den wenigen ährentragenden Gräſern ergiebige Nährpflanzen, und hier begreift man es oft
wirklich nicht, wie ſie es möglich machen, tagtäglich die ſehr weiten Kröpfe zu füllen. Ob ſie Kerb-
thiere aufnehmen, weiß ich nicht; ich habe, ſoviel ich mich entſinne, immer nur Körner in ihrem
Magen gefunden. Die Gefangenen freſſen übrigens Ameiſeneier.
Jn Südeuropa und Nordafrika brüten die Flughühner in den erſten Frühlingsmonaten, in
Mittelafrika zu Anfang der Regenzeit, welche den nordiſchen Frühling vertritt, in Südindien, laut
Jerdon, in den Monaten zwiſchen Dezember und Mai, in Mittelindien noch etwas ſpäter. Jch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/342>, abgerufen am 27.11.2024.
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