Die Nahrung besteht vorzugsweise in Pflanzenstoffen. Auf den Alpen findet man ihren Kropf mit Blättern der Alpenweide und des Haidekrauts, mit Knospen der Tannen, der Alpenrosen, mit Preisel-, Heidel- und Brombeeren, verschiedenen Blumen und dergleichen angefüllt; auf den Land- straßen sieht man sie beschäftigt, Haferkörner aus dem Miste der Pferde und Maulthiere aufzusuchen, und im Sommer stellen sie allerhand Kerbthieren nach. Jm Norden bilden die Knospen und Blätter der Zwergweiden und Birkenarten, die Blätter- und Blüthenknospen der verschiedensten Alpenpflanzen wie die auf jenen Höhen noch wachsenden Beeren, im Nothfall auch Flechtentheile, welche sie von den Steinen abklauben, ihre Aeßung. Falls Faber richtig beobachtet hat, tragen sie sich auf bestimmten Plätzen, ihren Lieblingsruhesitzen, Vorräthe von Nahrung für den Winter ein.
Jm Mai sieht man alle Alpenschneehühner gepaart, und beide Gatten halten sich, solange die Bebrütung der Eier währt, zusammen. Wenn aber die Jungen ausgeschlüpft sind, entfernt sich der Hahn zeitweilig von der Familie und zieht den höheren Gebirgen zu, um hier die wärmste Zeit des Sommers zu verbringen. Während er früher still und traurig war, wird er lebhaft, läßt oft seine Stimme vernehmen, erhält vom Weibchen Antwort, fliegt sehr geschwind, mit kaum bewegten Flügeln zum Vergnügen in die Luft, indem er schräg emporsteigt, einen Augenblick mit zitternden Flügeln still steht und sich dann plötzlich wieder niederwirft, gefällt sich zuweilen auch in Stellungen, welche einigermaßen an die Balztänze anderer Rauchfußhühner erinnern, ohne ihnen jedoch zu gleichen. Er nimmt weder an dem Brutgeschäfte noch an der Führung der Jungen Theil. Die Henne sucht sich Mitte oder Ende Juni unter einem niedrigen Gesträuch, oder auch wohl einem schützenden Steine, eine passende Stelle zum Neste auf, scharrt hier eine seichte Vertiefung, kleidet sie kunstlos mit welken Blättern aus, legt ihre neun bis vierzehn, auch wohl sechszehn, auf rothgelbem Grunde mit dunkelbraunen Flecken getüpfelten Eier und beginnt mit Hingebung zu brüten. Nach Verlauf von ungefähr drei Wochen sind die Jungen gezeitigt. Nunmehr zeigt sich die Sorgfalt und mütterliche Aufopferung der Henne in glänzender Weise. Sobald die Kleinen einigermaßen abgetrocknet sind, führt sie die Henne vom Neste weg auf Nahrung versprechende Plätze, und hier treibt sich die behende Schar munter umher. Droht Gefahr, so erhebt sich die Alte, um durch ihr Wegfliegen die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich zu lenken; die Jungen zerstreuen sich auf dieses Zeichen hin augenblicklich und haben sich im Nu zwischen den Steinen verborgen, während jene dem Jäger fast unter die Füße läuft. Steinmüller störte, wie Tschudi erzählt, einst ein Gehecke auf und sing ein Küchlein ein, das jämmerlich piepte; die Mutter schoß in wilder Verzweiflung auf ihn zu und wurde von ihm erlegt. Welden überraschte am Monte Rosa eine Henne mit neun Küchlein; obgleich in der größten Gefahr schwebend, war sie doch nicht zum Auffliegen zu bringen, sondern lief rasch weiter, mit den ausgebreiteten Flügeln die Jungen deckend. Von diesen huschte während der Flucht eins nach dem andern unbemerkt ins Gestein und erst, als die Henne alle geborgen sah, flog sie, auf die eigene Rettung bedacht, auf und davon. Von den versteckten Thierchen war trotz aller Aufmerksamkeit nicht eins aufzufinden. Kaum aber hatte sich Welden in ein Versteck gelegt und ein Weilchen gewartet, so kam die Schneehenne eifrig wieder herbei gelaufen, gluckste leise, und in wenig Augenblicken schlüpften alle neun Küchlein wieder unter ihre Flügel. Auch Professor Horn- schuh sah auf einer Schweizerreise eine Familie von Alpenschneehühnern. Die Jungen waren noch klein und die Mutter so um sie besorgt, daß sie vor den Reisenden nicht floh, sondern ganz nahe vor ihren Füßen umherlief; sie hätte mit dem Stocke erschlagen werden können, aber der thierfreundliche Hornschuh behelligte sie selbstverständlich nicht. Wie weit die Aufopferung der treuen Mutter geht, wird aus einer Angabe Faber's ersichtlich. "Wenn man im Herbste nur darauf Acht hat", sagt er, "daß man die Alte schont, so kann man leicht den ganzen Trupp eins nach dem andern wegschießen; denn die Mutter fliegt, von dem Schusse erschreckt, zwar auf, wirft sich aber aus Besorgniß für die Jungen gleich wieder zur Erde, und diese, welche auch öfters bei dem Schusse auf- stehen, fallen einen Augenblick später, der Mutter folgend, wieder zum Boden herab."
Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe in Pflanzenſtoffen. Auf den Alpen findet man ihren Kropf mit Blättern der Alpenweide und des Haidekrauts, mit Knospen der Tannen, der Alpenroſen, mit Preiſel-, Heidel- und Brombeeren, verſchiedenen Blumen und dergleichen angefüllt; auf den Land- ſtraßen ſieht man ſie beſchäftigt, Haferkörner aus dem Miſte der Pferde und Maulthiere aufzuſuchen, und im Sommer ſtellen ſie allerhand Kerbthieren nach. Jm Norden bilden die Knospen und Blätter der Zwergweiden und Birkenarten, die Blätter- und Blüthenknospen der verſchiedenſten Alpenpflanzen wie die auf jenen Höhen noch wachſenden Beeren, im Nothfall auch Flechtentheile, welche ſie von den Steinen abklauben, ihre Aeßung. Falls Faber richtig beobachtet hat, tragen ſie ſich auf beſtimmten Plätzen, ihren Lieblingsruheſitzen, Vorräthe von Nahrung für den Winter ein.
Jm Mai ſieht man alle Alpenſchneehühner gepaart, und beide Gatten halten ſich, ſolange die Bebrütung der Eier währt, zuſammen. Wenn aber die Jungen ausgeſchlüpft ſind, entfernt ſich der Hahn zeitweilig von der Familie und zieht den höheren Gebirgen zu, um hier die wärmſte Zeit des Sommers zu verbringen. Während er früher ſtill und traurig war, wird er lebhaft, läßt oft ſeine Stimme vernehmen, erhält vom Weibchen Antwort, fliegt ſehr geſchwind, mit kaum bewegten Flügeln zum Vergnügen in die Luft, indem er ſchräg emporſteigt, einen Augenblick mit zitternden Flügeln ſtill ſteht und ſich dann plötzlich wieder niederwirft, gefällt ſich zuweilen auch in Stellungen, welche einigermaßen an die Balztänze anderer Rauchfußhühner erinnern, ohne ihnen jedoch zu gleichen. Er nimmt weder an dem Brutgeſchäfte noch an der Führung der Jungen Theil. Die Henne ſucht ſich Mitte oder Ende Juni unter einem niedrigen Geſträuch, oder auch wohl einem ſchützenden Steine, eine paſſende Stelle zum Neſte auf, ſcharrt hier eine ſeichte Vertiefung, kleidet ſie kunſtlos mit welken Blättern aus, legt ihre neun bis vierzehn, auch wohl ſechszehn, auf rothgelbem Grunde mit dunkelbraunen Flecken getüpfelten Eier und beginnt mit Hingebung zu brüten. Nach Verlauf von ungefähr drei Wochen ſind die Jungen gezeitigt. Nunmehr zeigt ſich die Sorgfalt und mütterliche Aufopferung der Henne in glänzender Weiſe. Sobald die Kleinen einigermaßen abgetrocknet ſind, führt ſie die Henne vom Neſte weg auf Nahrung verſprechende Plätze, und hier treibt ſich die behende Schar munter umher. Droht Gefahr, ſo erhebt ſich die Alte, um durch ihr Wegfliegen die Aufmerkſamkeit des Feindes auf ſich zu lenken; die Jungen zerſtreuen ſich auf dieſes Zeichen hin augenblicklich und haben ſich im Nu zwiſchen den Steinen verborgen, während jene dem Jäger faſt unter die Füße läuft. Steinmüller ſtörte, wie Tſchudi erzählt, einſt ein Gehecke auf und ſing ein Küchlein ein, das jämmerlich piepte; die Mutter ſchoß in wilder Verzweiflung auf ihn zu und wurde von ihm erlegt. Welden überraſchte am Monte Roſa eine Henne mit neun Küchlein; obgleich in der größten Gefahr ſchwebend, war ſie doch nicht zum Auffliegen zu bringen, ſondern lief raſch weiter, mit den ausgebreiteten Flügeln die Jungen deckend. Von dieſen huſchte während der Flucht eins nach dem andern unbemerkt ins Geſtein und erſt, als die Henne alle geborgen ſah, flog ſie, auf die eigene Rettung bedacht, auf und davon. Von den verſteckten Thierchen war trotz aller Aufmerkſamkeit nicht eins aufzufinden. Kaum aber hatte ſich Welden in ein Verſteck gelegt und ein Weilchen gewartet, ſo kam die Schneehenne eifrig wieder herbei gelaufen, gluckſte leiſe, und in wenig Augenblicken ſchlüpften alle neun Küchlein wieder unter ihre Flügel. Auch Profeſſor Horn- ſchuh ſah auf einer Schweizerreiſe eine Familie von Alpenſchneehühnern. Die Jungen waren noch klein und die Mutter ſo um ſie beſorgt, daß ſie vor den Reiſenden nicht floh, ſondern ganz nahe vor ihren Füßen umherlief; ſie hätte mit dem Stocke erſchlagen werden können, aber der thierfreundliche Hornſchuh behelligte ſie ſelbſtverſtändlich nicht. Wie weit die Aufopferung der treuen Mutter geht, wird aus einer Angabe Faber’s erſichtlich. „Wenn man im Herbſte nur darauf Acht hat“, ſagt er, „daß man die Alte ſchont, ſo kann man leicht den ganzen Trupp eins nach dem andern wegſchießen; denn die Mutter fliegt, von dem Schuſſe erſchreckt, zwar auf, wirft ſich aber aus Beſorgniß für die Jungen gleich wieder zur Erde, und dieſe, welche auch öfters bei dem Schuſſe auf- ſtehen, fallen einen Augenblick ſpäter, der Mutter folgend, wieder zum Boden herab.“
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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe in Pflanzenſtoffen. Auf den Alpen findet man ihren Kropf
mit Blättern der Alpenweide und des Haidekrauts, mit Knospen der Tannen, der Alpenroſen, mit
Preiſel-, Heidel- und Brombeeren, verſchiedenen Blumen und dergleichen angefüllt; auf den Land-
ſtraßen ſieht man ſie beſchäftigt, Haferkörner aus dem Miſte der Pferde und Maulthiere aufzuſuchen,
und im Sommer ſtellen ſie allerhand Kerbthieren nach. Jm Norden bilden die Knospen und
Blätter der Zwergweiden und Birkenarten, die Blätter- und Blüthenknospen der verſchiedenſten
Alpenpflanzen wie die auf jenen Höhen noch wachſenden Beeren, im Nothfall auch Flechtentheile,
welche ſie von den Steinen abklauben, ihre Aeßung. Falls Faber richtig beobachtet hat, tragen
ſie ſich auf beſtimmten Plätzen, ihren Lieblingsruheſitzen, Vorräthe von Nahrung für den
Winter ein.
Jm Mai ſieht man alle Alpenſchneehühner gepaart, und beide Gatten halten ſich, ſolange die
Bebrütung der Eier währt, zuſammen. Wenn aber die Jungen ausgeſchlüpft ſind, entfernt ſich der
Hahn zeitweilig von der Familie und zieht den höheren Gebirgen zu, um hier die wärmſte Zeit des
Sommers zu verbringen. Während er früher ſtill und traurig war, wird er lebhaft, läßt oft ſeine
Stimme vernehmen, erhält vom Weibchen Antwort, fliegt ſehr geſchwind, mit kaum bewegten Flügeln
zum Vergnügen in die Luft, indem er ſchräg emporſteigt, einen Augenblick mit zitternden Flügeln ſtill
ſteht und ſich dann plötzlich wieder niederwirft, gefällt ſich zuweilen auch in Stellungen, welche
einigermaßen an die Balztänze anderer Rauchfußhühner erinnern, ohne ihnen jedoch zu gleichen.
Er nimmt weder an dem Brutgeſchäfte noch an der Führung der Jungen Theil. Die Henne ſucht
ſich Mitte oder Ende Juni unter einem niedrigen Geſträuch, oder auch wohl einem ſchützenden Steine,
eine paſſende Stelle zum Neſte auf, ſcharrt hier eine ſeichte Vertiefung, kleidet ſie kunſtlos mit
welken Blättern aus, legt ihre neun bis vierzehn, auch wohl ſechszehn, auf rothgelbem Grunde mit
dunkelbraunen Flecken getüpfelten Eier und beginnt mit Hingebung zu brüten. Nach Verlauf
von ungefähr drei Wochen ſind die Jungen gezeitigt. Nunmehr zeigt ſich die Sorgfalt und
mütterliche Aufopferung der Henne in glänzender Weiſe. Sobald die Kleinen einigermaßen
abgetrocknet ſind, führt ſie die Henne vom Neſte weg auf Nahrung verſprechende Plätze, und hier
treibt ſich die behende Schar munter umher. Droht Gefahr, ſo erhebt ſich die Alte, um durch ihr
Wegfliegen die Aufmerkſamkeit des Feindes auf ſich zu lenken; die Jungen zerſtreuen ſich auf dieſes
Zeichen hin augenblicklich und haben ſich im Nu zwiſchen den Steinen verborgen, während jene
dem Jäger faſt unter die Füße läuft. Steinmüller ſtörte, wie Tſchudi erzählt, einſt ein Gehecke
auf und ſing ein Küchlein ein, das jämmerlich piepte; die Mutter ſchoß in wilder Verzweiflung
auf ihn zu und wurde von ihm erlegt. Welden überraſchte am Monte Roſa eine Henne mit neun
Küchlein; obgleich in der größten Gefahr ſchwebend, war ſie doch nicht zum Auffliegen zu bringen,
ſondern lief raſch weiter, mit den ausgebreiteten Flügeln die Jungen deckend. Von dieſen huſchte
während der Flucht eins nach dem andern unbemerkt ins Geſtein und erſt, als die Henne alle geborgen
ſah, flog ſie, auf die eigene Rettung bedacht, auf und davon. Von den verſteckten Thierchen war trotz
aller Aufmerkſamkeit nicht eins aufzufinden. Kaum aber hatte ſich Welden in ein Verſteck gelegt und
ein Weilchen gewartet, ſo kam die Schneehenne eifrig wieder herbei gelaufen, gluckſte leiſe, und in
wenig Augenblicken ſchlüpften alle neun Küchlein wieder unter ihre Flügel. Auch Profeſſor Horn-
ſchuh ſah auf einer Schweizerreiſe eine Familie von Alpenſchneehühnern. Die Jungen waren noch
klein und die Mutter ſo um ſie beſorgt, daß ſie vor den Reiſenden nicht floh, ſondern ganz nahe vor
ihren Füßen umherlief; ſie hätte mit dem Stocke erſchlagen werden können, aber der thierfreundliche
Hornſchuh behelligte ſie ſelbſtverſtändlich nicht. Wie weit die Aufopferung der treuen Mutter
geht, wird aus einer Angabe Faber’s erſichtlich. „Wenn man im Herbſte nur darauf Acht hat“,
ſagt er, „daß man die Alte ſchont, ſo kann man leicht den ganzen Trupp eins nach dem andern
wegſchießen; denn die Mutter fliegt, von dem Schuſſe erſchreckt, zwar auf, wirft ſich aber aus
Beſorgniß für die Jungen gleich wieder zur Erde, und dieſe, welche auch öfters bei dem Schuſſe auf-
ſtehen, fallen einen Augenblick ſpäter, der Mutter folgend, wieder zum Boden herab.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/408>, abgerufen am 21.11.2024.
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