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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Steinhuhn.
unbewohnten hohen Gegenden am häufigsten gefunden wird. Jn der Schweiz lebt es, laut
Tschudi, "am liebsten auf sonnigen Gehängen zwischen Krummholz und Alpenrosenstauden, unter
den hohen Mauern der Felsenwände, in Geröllschluchten und Schneebetten, zwischen Steinblöcken
und Kräutern", und geht bles im Winter aus dem hohen Gürtel nach den tieferen Steinhalden
herab, oft bis in die Nähe der Bergdörfer und selbst der Ortschaften des Tieflandes. Diesen
Angaben entsprechen die Beobachtungen, welche Mountaineer am Himalaya anstellte: auch hier
erscheint es um die Mitte des September in zahlreichen Ketten auf den bebauten Feldern, nahe bei
den Dörfern des tieferen Landes.

Das Steinhuhn zeichnet sich, wie alle seine Verwandten, deren Lebensweise uns bekannt geworden
ist, durch Behendigkeit, Scharfsinnigkeit, Klugheit, Muth, Kampflust und leichte Zähmbarkeit vor
andern Hühnern sehr zu seinem Vortheile aus. Es läuft außerordentlich rasch und mit bewunderungs-
würdigem Geschick über den Boden dahin, gleichviel, ob derselbe eben oder uneben, steinigt oder mit
Gras bestanden ist, klettert mit Leichtigkeit über Felsblöcke hinweg oder an seitlichen Abhängen
empor und vermag sich noch auf Flächen zu erhalten, welche dem Anschein nach einen so schwerleibigen
Vogel in seinem Fortkommen auf das Aeußerste behindern. Jm Vergleich mit andern Hühnerarten
hat es einen leichten, geraden, schnellfördernden und auffallend geräuschlosen Flug; demungeachtet
streift es selten weit in einem Zuge fort, sondern läßt sich sobald als möglich wieder auf dem Boden
nieder, weil es auf die Kraft seiner Schenkel doch noch mehr vertraut, als auf die verhältnißmäßig
sehr starken Brustmuskeln. Ungezwungen fliegt es nie auf höhere Bäume, wie es überhaupt alle
waldigen Stellen fast ängstlich meidet; im Nothfall verbirgt es sich aber doch in den Nadelzweigen der
Wettertanne. Unter den Sinnen steht das Gesicht, dessen Schärfe jedem Jäger wohl bekannt ist,
obenan. Daß die geistigen Fähigkeiten sehr ausgebildet sind, lehrt die Beobachtung des freilebenden,
wie des zahmen Steinhuhnes. Es ist unter allen Berghühnern das scheueste und vorsichtigste, achtsam
auf Alles, was rundum vorgeht; es unterscheidet den Schützen sehr wohl von dem ihm ungefährlichen
Hirten, wie es überhaupt seine Feinde genau kennen lernt; es versteht es meisterhaft, den verschie-
densten Nachstellungen sich zu entziehen und beweist zu jeder Zeit einen hohen Grad von Klugheit;
aber es fügt sich gezwungen auch sehr leicht in veränderte Umstände und wird gerade deshalb in
überraschend kurzer Zeit zahm und zutraulich gegen seinen Pfleger.

Die Stimme erinnert in mancher Hinsicht an das Gackern der Haushühner. Der Lockruf ist
ein schallendes "Gigigich" oder "Chazibiz", der Laut, welcher beim Auffliegen ausgestoßen wird, ein
eigenthümliches Pfeifen, welches man durch die Silben "Pitschii, pitschii" ungefähr wiedergeben kann.
Da, wo es viele Steinhühner gibt, glaubt man sich, wie Von der Mühle sagt, zur Paarungszeit
in einen Hühnerhof versetzt, so vielfältig erschallt der Ruf dieser anmuthigen Geschöpfe von allen
Seiten her.

Die Nahrung besteht aus verschiedenen Pflanzenstoffen und aus Kleingethier mancherlei Art. Jm
Hochgebirge nähren sich die Steinhühner von den Knospen der Alpenrose und anderen Hochgebirgs-
pflanzen, von Beeren, zarten Blättern und verschiedenen Sämereien, nebenbei aber auch von
Spinnen, Kerfen, deren Larven und dergleichen; in der Tiefe besuchen sie die Felder, namentlich
solange das Getreide noch niedrig und frisch ist, und dann verzehren sie zuweilen nichts Anderes, als
die Spitzen von jungem Weizen und anderm grünenden Getreide; im Winter gehen sie auch wohl
die Wachholderbeeren an oder nehmen selbst mit Fichtennadeln vorlieb.

Da, wo Steinhühner häufig sind, vereinigen sich, wie schon bemerkt, im Spätherbste oft mehrere
Völker zu zahlreichen Ketten, in Jndien, laut Mountaineer, zu solchen, welche bis hundert Stück
zählen können. Mit dem Beginn des Frühlings sprengen sich diese Vereine wieder, und nunmehr wählt
sich jedes einzelne Paar einen besondern Standort, inmitten welchem es zu brüten gedenkt. Der
Hahn vertheidigt das Gebiet mit dem größten Heldenmuthe: er bekämpft jeden Eindringling in sein
Gehege mit wahrer Leidenschaftlichkeit, und zwar auch dann noch, wenn die Henne bereits brütet.

Steinhuhn.
unbewohnten hohen Gegenden am häufigſten gefunden wird. Jn der Schweiz lebt es, laut
Tſchudi, „am liebſten auf ſonnigen Gehängen zwiſchen Krummholz und Alpenroſenſtauden, unter
den hohen Mauern der Felſenwände, in Geröllſchluchten und Schneebetten, zwiſchen Steinblöcken
und Kräutern“, und geht bles im Winter aus dem hohen Gürtel nach den tieferen Steinhalden
herab, oft bis in die Nähe der Bergdörfer und ſelbſt der Ortſchaften des Tieflandes. Dieſen
Angaben entſprechen die Beobachtungen, welche Mountaineer am Himalaya anſtellte: auch hier
erſcheint es um die Mitte des September in zahlreichen Ketten auf den bebauten Feldern, nahe bei
den Dörfern des tieferen Landes.

Das Steinhuhn zeichnet ſich, wie alle ſeine Verwandten, deren Lebensweiſe uns bekannt geworden
iſt, durch Behendigkeit, Scharfſinnigkeit, Klugheit, Muth, Kampfluſt und leichte Zähmbarkeit vor
andern Hühnern ſehr zu ſeinem Vortheile aus. Es läuft außerordentlich raſch und mit bewunderungs-
würdigem Geſchick über den Boden dahin, gleichviel, ob derſelbe eben oder uneben, ſteinigt oder mit
Gras beſtanden iſt, klettert mit Leichtigkeit über Felsblöcke hinweg oder an ſeitlichen Abhängen
empor und vermag ſich noch auf Flächen zu erhalten, welche dem Anſchein nach einen ſo ſchwerleibigen
Vogel in ſeinem Fortkommen auf das Aeußerſte behindern. Jm Vergleich mit andern Hühnerarten
hat es einen leichten, geraden, ſchnellfördernden und auffallend geräuſchloſen Flug; demungeachtet
ſtreift es ſelten weit in einem Zuge fort, ſondern läßt ſich ſobald als möglich wieder auf dem Boden
nieder, weil es auf die Kraft ſeiner Schenkel doch noch mehr vertraut, als auf die verhältnißmäßig
ſehr ſtarken Bruſtmuskeln. Ungezwungen fliegt es nie auf höhere Bäume, wie es überhaupt alle
waldigen Stellen faſt ängſtlich meidet; im Nothfall verbirgt es ſich aber doch in den Nadelzweigen der
Wettertanne. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht, deſſen Schärfe jedem Jäger wohl bekannt iſt,
obenan. Daß die geiſtigen Fähigkeiten ſehr ausgebildet ſind, lehrt die Beobachtung des freilebenden,
wie des zahmen Steinhuhnes. Es iſt unter allen Berghühnern das ſcheueſte und vorſichtigſte, achtſam
auf Alles, was rundum vorgeht; es unterſcheidet den Schützen ſehr wohl von dem ihm ungefährlichen
Hirten, wie es überhaupt ſeine Feinde genau kennen lernt; es verſteht es meiſterhaft, den verſchie-
denſten Nachſtellungen ſich zu entziehen und beweiſt zu jeder Zeit einen hohen Grad von Klugheit;
aber es fügt ſich gezwungen auch ſehr leicht in veränderte Umſtände und wird gerade deshalb in
überraſchend kurzer Zeit zahm und zutraulich gegen ſeinen Pfleger.

Die Stimme erinnert in mancher Hinſicht an das Gackern der Haushühner. Der Lockruf iſt
ein ſchallendes „Gigigich“ oder „Chazibiz“, der Laut, welcher beim Auffliegen ausgeſtoßen wird, ein
eigenthümliches Pfeifen, welches man durch die Silben „Pitſchii, pitſchii“ ungefähr wiedergeben kann.
Da, wo es viele Steinhühner gibt, glaubt man ſich, wie Von der Mühle ſagt, zur Paarungszeit
in einen Hühnerhof verſetzt, ſo vielfältig erſchallt der Ruf dieſer anmuthigen Geſchöpfe von allen
Seiten her.

Die Nahrung beſteht aus verſchiedenen Pflanzenſtoffen und aus Kleingethier mancherlei Art. Jm
Hochgebirge nähren ſich die Steinhühner von den Knospen der Alpenroſe und anderen Hochgebirgs-
pflanzen, von Beeren, zarten Blättern und verſchiedenen Sämereien, nebenbei aber auch von
Spinnen, Kerfen, deren Larven und dergleichen; in der Tiefe beſuchen ſie die Felder, namentlich
ſolange das Getreide noch niedrig und friſch iſt, und dann verzehren ſie zuweilen nichts Anderes, als
die Spitzen von jungem Weizen und anderm grünenden Getreide; im Winter gehen ſie auch wohl
die Wachholderbeeren an oder nehmen ſelbſt mit Fichtennadeln vorlieb.

Da, wo Steinhühner häufig ſind, vereinigen ſich, wie ſchon bemerkt, im Spätherbſte oft mehrere
Völker zu zahlreichen Ketten, in Jndien, laut Mountaineer, zu ſolchen, welche bis hundert Stück
zählen können. Mit dem Beginn des Frühlings ſprengen ſich dieſe Vereine wieder, und nunmehr wählt
ſich jedes einzelne Paar einen beſondern Standort, inmitten welchem es zu brüten gedenkt. Der
Hahn vertheidigt das Gebiet mit dem größten Heldenmuthe: er bekämpft jeden Eindringling in ſein
Gehege mit wahrer Leidenſchaftlichkeit, und zwar auch dann noch, wenn die Henne bereits brütet.

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[389/0417] Steinhuhn. unbewohnten hohen Gegenden am häufigſten gefunden wird. Jn der Schweiz lebt es, laut Tſchudi, „am liebſten auf ſonnigen Gehängen zwiſchen Krummholz und Alpenroſenſtauden, unter den hohen Mauern der Felſenwände, in Geröllſchluchten und Schneebetten, zwiſchen Steinblöcken und Kräutern“, und geht bles im Winter aus dem hohen Gürtel nach den tieferen Steinhalden herab, oft bis in die Nähe der Bergdörfer und ſelbſt der Ortſchaften des Tieflandes. Dieſen Angaben entſprechen die Beobachtungen, welche Mountaineer am Himalaya anſtellte: auch hier erſcheint es um die Mitte des September in zahlreichen Ketten auf den bebauten Feldern, nahe bei den Dörfern des tieferen Landes. Das Steinhuhn zeichnet ſich, wie alle ſeine Verwandten, deren Lebensweiſe uns bekannt geworden iſt, durch Behendigkeit, Scharfſinnigkeit, Klugheit, Muth, Kampfluſt und leichte Zähmbarkeit vor andern Hühnern ſehr zu ſeinem Vortheile aus. Es läuft außerordentlich raſch und mit bewunderungs- würdigem Geſchick über den Boden dahin, gleichviel, ob derſelbe eben oder uneben, ſteinigt oder mit Gras beſtanden iſt, klettert mit Leichtigkeit über Felsblöcke hinweg oder an ſeitlichen Abhängen empor und vermag ſich noch auf Flächen zu erhalten, welche dem Anſchein nach einen ſo ſchwerleibigen Vogel in ſeinem Fortkommen auf das Aeußerſte behindern. Jm Vergleich mit andern Hühnerarten hat es einen leichten, geraden, ſchnellfördernden und auffallend geräuſchloſen Flug; demungeachtet ſtreift es ſelten weit in einem Zuge fort, ſondern läßt ſich ſobald als möglich wieder auf dem Boden nieder, weil es auf die Kraft ſeiner Schenkel doch noch mehr vertraut, als auf die verhältnißmäßig ſehr ſtarken Bruſtmuskeln. Ungezwungen fliegt es nie auf höhere Bäume, wie es überhaupt alle waldigen Stellen faſt ängſtlich meidet; im Nothfall verbirgt es ſich aber doch in den Nadelzweigen der Wettertanne. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht, deſſen Schärfe jedem Jäger wohl bekannt iſt, obenan. Daß die geiſtigen Fähigkeiten ſehr ausgebildet ſind, lehrt die Beobachtung des freilebenden, wie des zahmen Steinhuhnes. Es iſt unter allen Berghühnern das ſcheueſte und vorſichtigſte, achtſam auf Alles, was rundum vorgeht; es unterſcheidet den Schützen ſehr wohl von dem ihm ungefährlichen Hirten, wie es überhaupt ſeine Feinde genau kennen lernt; es verſteht es meiſterhaft, den verſchie- denſten Nachſtellungen ſich zu entziehen und beweiſt zu jeder Zeit einen hohen Grad von Klugheit; aber es fügt ſich gezwungen auch ſehr leicht in veränderte Umſtände und wird gerade deshalb in überraſchend kurzer Zeit zahm und zutraulich gegen ſeinen Pfleger. Die Stimme erinnert in mancher Hinſicht an das Gackern der Haushühner. Der Lockruf iſt ein ſchallendes „Gigigich“ oder „Chazibiz“, der Laut, welcher beim Auffliegen ausgeſtoßen wird, ein eigenthümliches Pfeifen, welches man durch die Silben „Pitſchii, pitſchii“ ungefähr wiedergeben kann. Da, wo es viele Steinhühner gibt, glaubt man ſich, wie Von der Mühle ſagt, zur Paarungszeit in einen Hühnerhof verſetzt, ſo vielfältig erſchallt der Ruf dieſer anmuthigen Geſchöpfe von allen Seiten her. Die Nahrung beſteht aus verſchiedenen Pflanzenſtoffen und aus Kleingethier mancherlei Art. Jm Hochgebirge nähren ſich die Steinhühner von den Knospen der Alpenroſe und anderen Hochgebirgs- pflanzen, von Beeren, zarten Blättern und verſchiedenen Sämereien, nebenbei aber auch von Spinnen, Kerfen, deren Larven und dergleichen; in der Tiefe beſuchen ſie die Felder, namentlich ſolange das Getreide noch niedrig und friſch iſt, und dann verzehren ſie zuweilen nichts Anderes, als die Spitzen von jungem Weizen und anderm grünenden Getreide; im Winter gehen ſie auch wohl die Wachholderbeeren an oder nehmen ſelbſt mit Fichtennadeln vorlieb. Da, wo Steinhühner häufig ſind, vereinigen ſich, wie ſchon bemerkt, im Spätherbſte oft mehrere Völker zu zahlreichen Ketten, in Jndien, laut Mountaineer, zu ſolchen, welche bis hundert Stück zählen können. Mit dem Beginn des Frühlings ſprengen ſich dieſe Vereine wieder, und nunmehr wählt ſich jedes einzelne Paar einen beſondern Standort, inmitten welchem es zu brüten gedenkt. Der Hahn vertheidigt das Gebiet mit dem größten Heldenmuthe: er bekämpft jeden Eindringling in ſein Gehege mit wahrer Leidenſchaftlichkeit, und zwar auch dann noch, wenn die Henne bereits brütet.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/417>, abgerufen am 21.11.2024.