haben die allgemeine Färbung des Gefieders, sind aber an der äußeren Fahne gelb gerändert und tragen an der inneren eben solche breite längliche Flecken, während auf den Schwanzfedern eine aus Gelb und Braun bestehende unregelmäßige Bandzeichnung zum Vorschein kommt. Das Auge ist lichtbraun, die nackte Stelle um dasselbe zinnoberroth, das Kehlfeld gelb, dunkelroth eingefaßt und gefleckt, der Schnabel dunkelbraungrau, an der Wurzel und auf der Nafendecke roth, der Fuß dunkel- braungrau. Die Länge beträgt 16, beim Weibchen 141/2, die Breite 25, beim Weibchen etwa 24, die Fittiglänge 7 2/3 , die Schwanzlänge 4 Zoll.
Soviel bis jetzt bekannt, reicht der Verbreitungskreis des Küstenhuhnes von der Nordgrenze Abyssiniens an bis zu den Somaliländern herab; überall aber findet es sich nur im Küstenlande und bezüglich in der Tiefe, niemals in Gebirgen. "Wenn man von der Küste des rothen Meeres dem Gebirge sich zuwendet", so habe ich in meinen "Ergebnissen" u. s. w. gesagt, "begegnet man zunächst diesem Huhne. Es bewohnt paar- und familienweise sehr zahlreich die Dickichte und die Ufersäume der Regenbetten und wird um so häufiger, je verschlungener und ausgedehnter dieselben sind. Jm eigentlichen Gebirge habe ich es nie bemerkt; wohl aber lebt es noch einzeln unmittelbar am Fuße des ersten Gebirgswalles."
"Ebensowenig als andere Frankoline zeigt sich das Küstenhuhn frei; es läuft vielmehr bei An- näherung eines Menschen so eilig als möglich dem nächsten Gebüsche zu und stiehlt sich in ihm weiter, mit meisterhafter Gewandtheit jede günstige Stelle sich aussuchend, pfeilschnell über eine Blöße von einem Busche zum andern rennend, immer bedacht, sich bestmöglichst zu decken und gewiß überzeugt, daß sein Kleid der vorherrschenden Bodenfärbung in jeder Hinsicht auf das genaueste sich anpaßt. Blos wenn man es auf einem freien Platze überrascht oder einen Hund auf seine Spur hetzt, steht es unter geräuschvollem Flügelschlage auf und wendet sich einem entfernten Dickichte zu, in welchem es dann die Flucht laufend fortsetzt. Der Flug ist ziemlich leicht, anfangs allerdings flatternd, in einer gewissen Höhe aber viel schwebend: er hat mich am meisten an den unseres Birkhuhnes erinnert. So leicht er übrigens genannt werden kann, so weit steht er hinter dem Laufe zurück; denn unser Huhn rennt mit unglaublicher Gewandtheit und Schnelligkeit dahin."
"Wie die Verwandten, welche mir bekannt wurden, lebt auch das Küstenhuhn in Einweibigkeit. Man trifft Paar bei Paar in treuer Gemeinschaft, und wenn man einer größeren Anzahl begegnet, sind es zwei oder drei Paare, welche sich zufällig vereinigten oder Familien im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. die Eltern mit ihren fünf bis sechs Jungen. Ungeachtet dieses trauten Zusammenhaltens der Gatten, ist die Eifersucht der Hähne ebenso groß, wie bei andern Mitgliedern ihres streitbaren Geschlechts. Wenn ich auch selbst die Kämpfe nicht mit angesehen habe, welche die Männchen aus- fechten mögen, so sprach doch das herausfordernde Geschrei des einen und die trotzige Antwort des andern Hahnes deutlich genug für meine Behauptung."
"Der Ruf des Küstenhuhnes ist ein echtes Waldhuhngeschrei, obgleich er mich manchmal mehr an die Stimme des Perlhuhnes oder unseres Rebhuhnes erinnert hat, als an das Kollern und Balzen unseres Birk- und Auerwildes. Am häufigsten vernahm ich die Laute "Girrää, Rirrää", welche in einiger Entfernung dem Locktone des Rebhuhnes täuschend ähnlich klingen. Jm April und Mai hatte die Fortpflanzung begonnen; unsere Hühner waren aufs äußerste erregt und riefen und schrien in den Abendstunden ohne Ende. Ein Nest fand ich in einem dichten und dunklen Busche, zwischen mehreren Stämmen, unmittelbar über dem Boden. Es war eine tiefe, mit etwas Laub und einigen Federn ausgelegte Mulde, welche sechs reinweiße, in Gestalt, Größe und Färbung denen eines kleinen Haushuhnes ähnliche Eier enthielt. Die Henne selbst machte mich auf das Nest aufmerksam. Sie lief bei meiner Ankunft aus dem Busche heraus, ging etwa funfzig Schritte weit fort, stellte sich dort auf eine Blöße hin, breitete die Flügel, schlug mit ihnen und schrie "Hihärr," unzweifelhaft in der Absicht, mich vom Neste abzuführen. Jch bezeichnete mir den Busch und folgte ihr. Sie ging weiter und weiter, huschte und flatterte, schrie beständig vor mir her, führte mich wirklich fast fünfhundert Schritte ihr nach, stieg plötzlich auf und kehrte nun im großen Bogen zum Neste zurück, ganz nach Art
Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
haben die allgemeine Färbung des Gefieders, ſind aber an der äußeren Fahne gelb gerändert und tragen an der inneren eben ſolche breite längliche Flecken, während auf den Schwanzfedern eine aus Gelb und Braun beſtehende unregelmäßige Bandzeichnung zum Vorſchein kommt. Das Auge iſt lichtbraun, die nackte Stelle um daſſelbe zinnoberroth, das Kehlfeld gelb, dunkelroth eingefaßt und gefleckt, der Schnabel dunkelbraungrau, an der Wurzel und auf der Nafendecke roth, der Fuß dunkel- braungrau. Die Länge beträgt 16, beim Weibchen 14½, die Breite 25, beim Weibchen etwa 24, die Fittiglänge 7⅔, die Schwanzlänge 4 Zoll.
Soviel bis jetzt bekannt, reicht der Verbreitungskreis des Küſtenhuhnes von der Nordgrenze Abyſſiniens an bis zu den Somaliländern herab; überall aber findet es ſich nur im Küſtenlande und bezüglich in der Tiefe, niemals in Gebirgen. „Wenn man von der Küſte des rothen Meeres dem Gebirge ſich zuwendet“, ſo habe ich in meinen „Ergebniſſen“ u. ſ. w. geſagt, „begegnet man zunächſt dieſem Huhne. Es bewohnt paar- und familienweiſe ſehr zahlreich die Dickichte und die Uferſäume der Regenbetten und wird um ſo häufiger, je verſchlungener und ausgedehnter dieſelben ſind. Jm eigentlichen Gebirge habe ich es nie bemerkt; wohl aber lebt es noch einzeln unmittelbar am Fuße des erſten Gebirgswalles.“
„Ebenſowenig als andere Frankoline zeigt ſich das Küſtenhuhn frei; es läuft vielmehr bei An- näherung eines Menſchen ſo eilig als möglich dem nächſten Gebüſche zu und ſtiehlt ſich in ihm weiter, mit meiſterhafter Gewandtheit jede günſtige Stelle ſich ausſuchend, pfeilſchnell über eine Blöße von einem Buſche zum andern rennend, immer bedacht, ſich beſtmöglichſt zu decken und gewiß überzeugt, daß ſein Kleid der vorherrſchenden Bodenfärbung in jeder Hinſicht auf das genaueſte ſich anpaßt. Blos wenn man es auf einem freien Platze überraſcht oder einen Hund auf ſeine Spur hetzt, ſteht es unter geräuſchvollem Flügelſchlage auf und wendet ſich einem entfernten Dickichte zu, in welchem es dann die Flucht laufend fortſetzt. Der Flug iſt ziemlich leicht, anfangs allerdings flatternd, in einer gewiſſen Höhe aber viel ſchwebend: er hat mich am meiſten an den unſeres Birkhuhnes erinnert. So leicht er übrigens genannt werden kann, ſo weit ſteht er hinter dem Laufe zurück; denn unſer Huhn rennt mit unglaublicher Gewandtheit und Schnelligkeit dahin.“
„Wie die Verwandten, welche mir bekannt wurden, lebt auch das Küſtenhuhn in Einweibigkeit. Man trifft Paar bei Paar in treuer Gemeinſchaft, und wenn man einer größeren Anzahl begegnet, ſind es zwei oder drei Paare, welche ſich zufällig vereinigten oder Familien im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. die Eltern mit ihren fünf bis ſechs Jungen. Ungeachtet dieſes trauten Zuſammenhaltens der Gatten, iſt die Eiferſucht der Hähne ebenſo groß, wie bei andern Mitgliedern ihres ſtreitbaren Geſchlechts. Wenn ich auch ſelbſt die Kämpfe nicht mit angeſehen habe, welche die Männchen aus- fechten mögen, ſo ſprach doch das herausfordernde Geſchrei des einen und die trotzige Antwort des andern Hahnes deutlich genug für meine Behauptung.“
„Der Ruf des Küſtenhuhnes iſt ein echtes Waldhuhngeſchrei, obgleich er mich manchmal mehr an die Stimme des Perlhuhnes oder unſeres Rebhuhnes erinnert hat, als an das Kollern und Balzen unſeres Birk- und Auerwildes. Am häufigſten vernahm ich die Laute „Girrää, Rirrää“, welche in einiger Entfernung dem Locktone des Rebhuhnes täuſchend ähnlich klingen. Jm April und Mai hatte die Fortpflanzung begonnen; unſere Hühner waren aufs äußerſte erregt und riefen und ſchrien in den Abendſtunden ohne Ende. Ein Neſt fand ich in einem dichten und dunklen Buſche, zwiſchen mehreren Stämmen, unmittelbar über dem Boden. Es war eine tiefe, mit etwas Laub und einigen Federn ausgelegte Mulde, welche ſechs reinweiße, in Geſtalt, Größe und Färbung denen eines kleinen Haushuhnes ähnliche Eier enthielt. Die Henne ſelbſt machte mich auf das Neſt aufmerkſam. Sie lief bei meiner Ankunft aus dem Buſche heraus, ging etwa funfzig Schritte weit fort, ſtellte ſich dort auf eine Blöße hin, breitete die Flügel, ſchlug mit ihnen und ſchrie „Hihärr,“ unzweifelhaft in der Abſicht, mich vom Neſte abzuführen. Jch bezeichnete mir den Buſch und folgte ihr. Sie ging weiter und weiter, huſchte und flatterte, ſchrie beſtändig vor mir her, führte mich wirklich faſt fünfhundert Schritte ihr nach, ſtieg plötzlich auf und kehrte nun im großen Bogen zum Neſte zurück, ganz nach Art
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[406/0434]
Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
haben die allgemeine Färbung des Gefieders, ſind aber an der äußeren Fahne gelb gerändert und
tragen an der inneren eben ſolche breite längliche Flecken, während auf den Schwanzfedern eine aus
Gelb und Braun beſtehende unregelmäßige Bandzeichnung zum Vorſchein kommt. Das Auge iſt
lichtbraun, die nackte Stelle um daſſelbe zinnoberroth, das Kehlfeld gelb, dunkelroth eingefaßt und
gefleckt, der Schnabel dunkelbraungrau, an der Wurzel und auf der Nafendecke roth, der Fuß dunkel-
braungrau. Die Länge beträgt 16, beim Weibchen 14½, die Breite 25, beim Weibchen etwa 24, die
Fittiglänge 7⅔, die Schwanzlänge 4 Zoll.
Soviel bis jetzt bekannt, reicht der Verbreitungskreis des Küſtenhuhnes von der Nordgrenze
Abyſſiniens an bis zu den Somaliländern herab; überall aber findet es ſich nur im Küſtenlande und
bezüglich in der Tiefe, niemals in Gebirgen. „Wenn man von der Küſte des rothen Meeres dem
Gebirge ſich zuwendet“, ſo habe ich in meinen „Ergebniſſen“ u. ſ. w. geſagt, „begegnet man zunächſt
dieſem Huhne. Es bewohnt paar- und familienweiſe ſehr zahlreich die Dickichte und die Uferſäume
der Regenbetten und wird um ſo häufiger, je verſchlungener und ausgedehnter dieſelben ſind. Jm
eigentlichen Gebirge habe ich es nie bemerkt; wohl aber lebt es noch einzeln unmittelbar am Fuße des
erſten Gebirgswalles.“
„Ebenſowenig als andere Frankoline zeigt ſich das Küſtenhuhn frei; es läuft vielmehr bei An-
näherung eines Menſchen ſo eilig als möglich dem nächſten Gebüſche zu und ſtiehlt ſich in ihm weiter,
mit meiſterhafter Gewandtheit jede günſtige Stelle ſich ausſuchend, pfeilſchnell über eine Blöße von
einem Buſche zum andern rennend, immer bedacht, ſich beſtmöglichſt zu decken und gewiß überzeugt,
daß ſein Kleid der vorherrſchenden Bodenfärbung in jeder Hinſicht auf das genaueſte ſich anpaßt. Blos
wenn man es auf einem freien Platze überraſcht oder einen Hund auf ſeine Spur hetzt, ſteht es unter
geräuſchvollem Flügelſchlage auf und wendet ſich einem entfernten Dickichte zu, in welchem es dann die
Flucht laufend fortſetzt. Der Flug iſt ziemlich leicht, anfangs allerdings flatternd, in einer gewiſſen
Höhe aber viel ſchwebend: er hat mich am meiſten an den unſeres Birkhuhnes erinnert. So leicht er
übrigens genannt werden kann, ſo weit ſteht er hinter dem Laufe zurück; denn unſer Huhn rennt mit
unglaublicher Gewandtheit und Schnelligkeit dahin.“
„Wie die Verwandten, welche mir bekannt wurden, lebt auch das Küſtenhuhn in Einweibigkeit.
Man trifft Paar bei Paar in treuer Gemeinſchaft, und wenn man einer größeren Anzahl begegnet,
ſind es zwei oder drei Paare, welche ſich zufällig vereinigten oder Familien im eigentlichen Sinne des
Wortes, d. h. die Eltern mit ihren fünf bis ſechs Jungen. Ungeachtet dieſes trauten Zuſammenhaltens
der Gatten, iſt die Eiferſucht der Hähne ebenſo groß, wie bei andern Mitgliedern ihres ſtreitbaren
Geſchlechts. Wenn ich auch ſelbſt die Kämpfe nicht mit angeſehen habe, welche die Männchen aus-
fechten mögen, ſo ſprach doch das herausfordernde Geſchrei des einen und die trotzige Antwort des
andern Hahnes deutlich genug für meine Behauptung.“
„Der Ruf des Küſtenhuhnes iſt ein echtes Waldhuhngeſchrei, obgleich er mich manchmal mehr an
die Stimme des Perlhuhnes oder unſeres Rebhuhnes erinnert hat, als an das Kollern und Balzen
unſeres Birk- und Auerwildes. Am häufigſten vernahm ich die Laute „Girrää, Rirrää“, welche in
einiger Entfernung dem Locktone des Rebhuhnes täuſchend ähnlich klingen. Jm April und Mai hatte
die Fortpflanzung begonnen; unſere Hühner waren aufs äußerſte erregt und riefen und ſchrien in den
Abendſtunden ohne Ende. Ein Neſt fand ich in einem dichten und dunklen Buſche, zwiſchen
mehreren Stämmen, unmittelbar über dem Boden. Es war eine tiefe, mit etwas Laub und einigen
Federn ausgelegte Mulde, welche ſechs reinweiße, in Geſtalt, Größe und Färbung denen eines kleinen
Haushuhnes ähnliche Eier enthielt. Die Henne ſelbſt machte mich auf das Neſt aufmerkſam. Sie
lief bei meiner Ankunft aus dem Buſche heraus, ging etwa funfzig Schritte weit fort, ſtellte ſich dort
auf eine Blöße hin, breitete die Flügel, ſchlug mit ihnen und ſchrie „Hihärr,“ unzweifelhaft in der
Abſicht, mich vom Neſte abzuführen. Jch bezeichnete mir den Buſch und folgte ihr. Sie ging weiter
und weiter, huſchte und flatterte, ſchrie beſtändig vor mir her, führte mich wirklich faſt fünfhundert
Schritte ihr nach, ſtieg plötzlich auf und kehrte nun im großen Bogen zum Neſte zurück, ganz nach Art
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/434>, abgerufen am 21.11.2024.
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