und dergleichen Schutzorte, scheint auch gelegentlich die Tiefe des Waldes aufzusuchen. Jm Süden der Vereinigten Staaten ist sie ein Standvogel, im Norden tritt sie alljährlich Streifzüge an, welche zu förmlichen Wanderungen werden können.
Die Schilderungen der amerikanischen Forscher beweisen zur Genüge, daß die Baumwachtel in ihrer Lebensweise und ihrem Betragen unserm Rebhuhne ähnelt. Der Lauf ist ebenso behend, der Flug wohl noch etwas rascher; die übrigen Begabungen stehen ungefähr auf derselben Höhe; die Stimme aber besitzt mehr Klang und Wechsel als die des Rebhuhnes. Sie besteht aus zwei Lauten, welche zuweilen noch durch einen Vorschlag eingeleitet, meist oft nach einander wiederholt werden und wie "Bobweit" klingen. Diese Laute können leicht nachgeahmt werden und haben der Baumwachtel den volksthümlichen Namen "Bob white" verschafft. Der Ausdruck der Zärtlichkeit ist ein sanft zwitschern- der Laut, der Angstruf ein ängstliches Pfeifen.
[Abbildung]
Die Baum- oder virginische Wachtel(Ortyx virginianus). [1/2] der nat. Größe.
Mit Beginn des Frühlings sprengen sich die Schwärme oder Völker, welche während des Winters zusammengelebt hatten. Jeder Hahn erwirbt sich, oft erst nach langem Kampfe, eine Henne, und er- wählt sich nun ein passendes Wohngebiet. Jn diesem geht es jetzt lebhaft zu; denn die Aufregung des Männchens bekundet sich nicht blos durch fortwährendes Rufen, sondern auch durch Streit mit andern. Gegen Abend sieht man auf allen Umzäunungen, gewöhnlich auf den höchsten Spitzen der Pfähle, Baumwachteln sitzen, welche, vonhieraus laut rufend, sich bemerklich zu machen suchen, durch ihr Schreien andere Hähne herbeilocken, mit diesen kämpfen und nach beendigtem Streite wieder auf ihre hohen Sitze zurückkehren. Wenig später, jedoch selten vor Anfang Mai's, schreitet die Henne zum Restbau. Sie zeigt sich hierin sorgsamer als unser Rebhuhn; denn nicht blos der Standort des Nestes wird stets mit Vorsicht gewählt, sondern dieses auch mit einer gewissen Kunstfertigkeit in dem Boden ausgescharrt und ziemlich ordentlich mit Gräsern, Halmen und Blättern ausgekleidet. Gewöhnlich ersieht sie sich einen dichten Grasbusch und scharrt in der Mitte desselben eine halbkugelige Grube aus,
Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
und dergleichen Schutzorte, ſcheint auch gelegentlich die Tiefe des Waldes aufzuſuchen. Jm Süden der Vereinigten Staaten iſt ſie ein Standvogel, im Norden tritt ſie alljährlich Streifzüge an, welche zu förmlichen Wanderungen werden können.
Die Schilderungen der amerikaniſchen Forſcher beweiſen zur Genüge, daß die Baumwachtel in ihrer Lebensweiſe und ihrem Betragen unſerm Rebhuhne ähnelt. Der Lauf iſt ebenſo behend, der Flug wohl noch etwas raſcher; die übrigen Begabungen ſtehen ungefähr auf derſelben Höhe; die Stimme aber beſitzt mehr Klang und Wechſel als die des Rebhuhnes. Sie beſteht aus zwei Lauten, welche zuweilen noch durch einen Vorſchlag eingeleitet, meiſt oft nach einander wiederholt werden und wie „Bobweit“ klingen. Dieſe Laute können leicht nachgeahmt werden und haben der Baumwachtel den volksthümlichen Namen „Bob white“ verſchafft. Der Ausdruck der Zärtlichkeit iſt ein ſanft zwitſchern- der Laut, der Angſtruf ein ängſtliches Pfeifen.
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Die Baum- oder virginiſche Wachtel(Ortyx virginianus). [½] der nat. Größe.
Mit Beginn des Frühlings ſprengen ſich die Schwärme oder Völker, welche während des Winters zuſammengelebt hatten. Jeder Hahn erwirbt ſich, oft erſt nach langem Kampfe, eine Henne, und er- wählt ſich nun ein paſſendes Wohngebiet. Jn dieſem geht es jetzt lebhaft zu; denn die Aufregung des Männchens bekundet ſich nicht blos durch fortwährendes Rufen, ſondern auch durch Streit mit andern. Gegen Abend ſieht man auf allen Umzäunungen, gewöhnlich auf den höchſten Spitzen der Pfähle, Baumwachteln ſitzen, welche, vonhieraus laut rufend, ſich bemerklich zu machen ſuchen, durch ihr Schreien andere Hähne herbeilocken, mit dieſen kämpfen und nach beendigtem Streite wieder auf ihre hohen Sitze zurückkehren. Wenig ſpäter, jedoch ſelten vor Anfang Mai’s, ſchreitet die Henne zum Reſtbau. Sie zeigt ſich hierin ſorgſamer als unſer Rebhuhn; denn nicht blos der Standort des Neſtes wird ſtets mit Vorſicht gewählt, ſondern dieſes auch mit einer gewiſſen Kunſtfertigkeit in dem Boden ausgeſcharrt und ziemlich ordentlich mit Gräſern, Halmen und Blättern ausgekleidet. Gewöhnlich erſieht ſie ſich einen dichten Grasbuſch und ſcharrt in der Mitte deſſelben eine halbkugelige Grube aus,
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Die Läufer. Scharrvögel. Baumhühner.
und dergleichen Schutzorte, ſcheint auch gelegentlich die Tiefe des Waldes aufzuſuchen. Jm Süden
der Vereinigten Staaten iſt ſie ein Standvogel, im Norden tritt ſie alljährlich Streifzüge an, welche
zu förmlichen Wanderungen werden können.
Die Schilderungen der amerikaniſchen Forſcher beweiſen zur Genüge, daß die Baumwachtel in
ihrer Lebensweiſe und ihrem Betragen unſerm Rebhuhne ähnelt. Der Lauf iſt ebenſo behend, der
Flug wohl noch etwas raſcher; die übrigen Begabungen ſtehen ungefähr auf derſelben Höhe; die Stimme
aber beſitzt mehr Klang und Wechſel als die des Rebhuhnes. Sie beſteht aus zwei Lauten, welche
zuweilen noch durch einen Vorſchlag eingeleitet, meiſt oft nach einander wiederholt werden und wie
„Bobweit“ klingen. Dieſe Laute können leicht nachgeahmt werden und haben der Baumwachtel den
volksthümlichen Namen „Bob white“ verſchafft. Der Ausdruck der Zärtlichkeit iſt ein ſanft zwitſchern-
der Laut, der Angſtruf ein ängſtliches Pfeifen.
[Abbildung Die Baum- oder virginiſche Wachtel (Ortyx virginianus). ½ der nat. Größe.]
Mit Beginn des Frühlings ſprengen ſich die Schwärme oder Völker, welche während des Winters
zuſammengelebt hatten. Jeder Hahn erwirbt ſich, oft erſt nach langem Kampfe, eine Henne, und er-
wählt ſich nun ein paſſendes Wohngebiet. Jn dieſem geht es jetzt lebhaft zu; denn die Aufregung
des Männchens bekundet ſich nicht blos durch fortwährendes Rufen, ſondern auch durch Streit mit
andern. Gegen Abend ſieht man auf allen Umzäunungen, gewöhnlich auf den höchſten Spitzen der
Pfähle, Baumwachteln ſitzen, welche, vonhieraus laut rufend, ſich bemerklich zu machen ſuchen, durch
ihr Schreien andere Hähne herbeilocken, mit dieſen kämpfen und nach beendigtem Streite wieder auf
ihre hohen Sitze zurückkehren. Wenig ſpäter, jedoch ſelten vor Anfang Mai’s, ſchreitet die Henne zum
Reſtbau. Sie zeigt ſich hierin ſorgſamer als unſer Rebhuhn; denn nicht blos der Standort des Neſtes
wird ſtets mit Vorſicht gewählt, ſondern dieſes auch mit einer gewiſſen Kunſtfertigkeit in dem Boden
ausgeſcharrt und ziemlich ordentlich mit Gräſern, Halmen und Blättern ausgekleidet. Gewöhnlich
erſieht ſie ſich einen dichten Grasbuſch und ſcharrt in der Mitte deſſelben eine halbkugelige Grube aus,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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