in kleinere Gesellschaften zu zertheilen, und nunmehr mischt sich Alt und Jung unter einander. Dies geschieht gewöhnlich um die Mitte des November. Noch etwas später kann es vorkommen, daß sie sich, wahrscheinlich abgemattet von der langen Wanderung, den Bauerhäusern nähern, unter den zahmen Hühnerstand mischen und mit ihm in Hof und Stall eintreten, um hier Nahrung zu suchen. Jn solcher Weise verbringen sie den Herbst und einen Theil des Winters.
Um die Mitte des Februar regt sich der Fortpflanzungstrieb. Die Weibchen trennen sich von den Männchen, werden von diesen aber eifrig verfolgt. Von nun an schlafen die Geschlechter geson- dert, jedoch in nicht großen Entfernungen von einander. Stößt eines der Weibchen seinen Lockton aus, so antworten alle Hähne, welche ihn hören, mit schnell auf einander folgenden rollenden Tönen. Erschallt der Lockruf vom Boden herauf, so fliegen alle sofort hernieder, schlagen in dem Augen- blicke des Auffallens, gleichviel, ob ein Weibchen in Sicht ist oder nicht, ein Rad, werfen den Kopf auf die Schulter zurück, schleifen mit den Flügeln und geben die sonderbaren Stellungen, Laute und Geräusche zum Besten, welche wir bei den gezähmten Nachkommen zu sehen gewöhnt sind. Da- bei geschieht es nicht selten, daß zwei Männchen mit einander in Streit gerathen und so heftig kämpfen, daß einer unter den Schlägen des andern sein Leben aushauchen muß. Als auffallend hebt Audubon hervor, daß der Sieger seinen getödteten Gegner keineswegs mit Haß betrachtet, sondern sich vor ihm ebenso geberdet, als ob er eine Henne liebkosen wolle. Hat der Hahn eine solche entdeckt und sich ihr genähert, so ahmt sie, wenn sie älter als ein Jahr ist, seine Stellungen in der Regel nach, naht sich dann aber ihrerseits, legt sich auf den Boden und fordert ihn so zur Begattung auf. Jüngeren Hennen gegenüber benimmt sich der verliebte Hahn ganz anders. Er trägt sich weniger pomphaft, bewegt sich mit großer Schnelligkeit, erhebt sich zuweilen vom Boden, fliegt um sie herum, rennt nach dem Auffußen mit aller Macht auf sie zu, verscheucht ihre Furcht durch ein Knurren und erringt sich schließlich auch ihre Willfährigkeit. Es scheint, daß ein Hahn und eine Henne, welche in dieser Weise sich vereinigen, während des Sommers in einer gewissen Verbindung bleiben, wenn schon der erstere freilich seine Aufmerksamkeit keineswegs einem Weibchen allein widmet. Die Hennen ihrerseits folgen dem bevorzugten Hahne, bis sie zu legen beginnen und nunmehr sich vereinzeln und verstecken, in der Absicht, ihre Eier vor dem Hahne zu schützen, dessen stürmische Liebesbewerbung sie gefährden könnte. Das legende Weibchen vermeidet, mit Ausnahme einer kurzen Zeit während jeden Tages, den Hahn fast ängstlich. Dieser zeigt sich lässig und faul, sobald er seinem Fortpflanzungstriebe genügt hat, unterläßt Kämpfe mit anderen seiner Art, kollert weniger und bekümmert sich kaum noch um die Hennen, welche nun ihrerseits um den unhöflichen Gemahl stöhnen, ihm um den Bart gehen, ihn liebkosen und alle Mittel in Bewegung setzen, die erstorbene Glut seiner Gefühle wieder anzu- fachen. Schließlich trennen sich die Hähne gänzlich von den Hennen, und dann werden sie so faul, so gleichgültig, daß sie selbst den feindlichen Menschen kaum mehr beachten.
Wenn das Frühjahr trocken ist, sucht sich die Henne um die Mitte des April einen geeigneten Nistplatz aus. Derselbe wird unter allen Umständen so versteckt als möglich angelegt und namentlich vor dem scharfen Auge der Krähe verborgen, weil diese sich jeden Augenblick, den die Mutter fern vom Neste verbringt, zu Nutzen macht, um die Eier zu rauben. Das Nest besteht aus einer seichten, liederlich mit Federn ausgekleideten Vertiefung; das Gelege zählt zehn bis funfzehn, zuweilen auch zwanzig auf dunkelrauchgelbem Grunde rothgepunktete Eier. Dem Neste naht sich die Henne stets mit größter Vorsicht und deckt, wenn sie es verläßt, die Eier sorgfältig mit trockenen Blättern zu, sodaß es schwer ist, das eine und die anderen zu bemerken, auch in der That nur wenige gefunden werden, von denen man nicht die erschreckte Mutter vertrieb. Gewahrt diese, während sie brütet, einen Feind, so drückt sie sich nieder, rührt sich nicht, bis sie merkt, daß sie entdeckt wurde. Audu- bon erzählt, daß er, wenn er sich durch Pfeifen oder lautes Sprechen den Anschein der Unachtsamkeit gab, einem Neste oft bis auf wenige Schritte nahen konnte, ohne die Henne zu verscheuchen, während sie, wenn er vorsichtig herauschlich, stets in einer Entfernung von wenigstens zwanzig Schritten auf- stand und davonlief. Uebrigens verläßt die Alte, welche von einem Menschen gestört wurde, ihr Nest
Die Läufer. Scharrvögel. Truthühner.
in kleinere Geſellſchaften zu zertheilen, und nunmehr miſcht ſich Alt und Jung unter einander. Dies geſchieht gewöhnlich um die Mitte des November. Noch etwas ſpäter kann es vorkommen, daß ſie ſich, wahrſcheinlich abgemattet von der langen Wanderung, den Bauerhäuſern nähern, unter den zahmen Hühnerſtand miſchen und mit ihm in Hof und Stall eintreten, um hier Nahrung zu ſuchen. Jn ſolcher Weiſe verbringen ſie den Herbſt und einen Theil des Winters.
Um die Mitte des Februar regt ſich der Fortpflanzungstrieb. Die Weibchen trennen ſich von den Männchen, werden von dieſen aber eifrig verfolgt. Von nun an ſchlafen die Geſchlechter geſon- dert, jedoch in nicht großen Entfernungen von einander. Stößt eines der Weibchen ſeinen Lockton aus, ſo antworten alle Hähne, welche ihn hören, mit ſchnell auf einander folgenden rollenden Tönen. Erſchallt der Lockruf vom Boden herauf, ſo fliegen alle ſofort hernieder, ſchlagen in dem Augen- blicke des Auffallens, gleichviel, ob ein Weibchen in Sicht iſt oder nicht, ein Rad, werfen den Kopf auf die Schulter zurück, ſchleifen mit den Flügeln und geben die ſonderbaren Stellungen, Laute und Geräuſche zum Beſten, welche wir bei den gezähmten Nachkommen zu ſehen gewöhnt ſind. Da- bei geſchieht es nicht ſelten, daß zwei Männchen mit einander in Streit gerathen und ſo heftig kämpfen, daß einer unter den Schlägen des andern ſein Leben aushauchen muß. Als auffallend hebt Audubon hervor, daß der Sieger ſeinen getödteten Gegner keineswegs mit Haß betrachtet, ſondern ſich vor ihm ebenſo geberdet, als ob er eine Henne liebkoſen wolle. Hat der Hahn eine ſolche entdeckt und ſich ihr genähert, ſo ahmt ſie, wenn ſie älter als ein Jahr iſt, ſeine Stellungen in der Regel nach, naht ſich dann aber ihrerſeits, legt ſich auf den Boden und fordert ihn ſo zur Begattung auf. Jüngeren Hennen gegenüber benimmt ſich der verliebte Hahn ganz anders. Er trägt ſich weniger pomphaft, bewegt ſich mit großer Schnelligkeit, erhebt ſich zuweilen vom Boden, fliegt um ſie herum, rennt nach dem Auffußen mit aller Macht auf ſie zu, verſcheucht ihre Furcht durch ein Knurren und erringt ſich ſchließlich auch ihre Willfährigkeit. Es ſcheint, daß ein Hahn und eine Henne, welche in dieſer Weiſe ſich vereinigen, während des Sommers in einer gewiſſen Verbindung bleiben, wenn ſchon der erſtere freilich ſeine Aufmerkſamkeit keineswegs einem Weibchen allein widmet. Die Hennen ihrerſeits folgen dem bevorzugten Hahne, bis ſie zu legen beginnen und nunmehr ſich vereinzeln und verſtecken, in der Abſicht, ihre Eier vor dem Hahne zu ſchützen, deſſen ſtürmiſche Liebesbewerbung ſie gefährden könnte. Das legende Weibchen vermeidet, mit Ausnahme einer kurzen Zeit während jeden Tages, den Hahn faſt ängſtlich. Dieſer zeigt ſich läſſig und faul, ſobald er ſeinem Fortpflanzungstriebe genügt hat, unterläßt Kämpfe mit anderen ſeiner Art, kollert weniger und bekümmert ſich kaum noch um die Hennen, welche nun ihrerſeits um den unhöflichen Gemahl ſtöhnen, ihm um den Bart gehen, ihn liebkoſen und alle Mittel in Bewegung ſetzen, die erſtorbene Glut ſeiner Gefühle wieder anzu- fachen. Schließlich trennen ſich die Hähne gänzlich von den Hennen, und dann werden ſie ſo faul, ſo gleichgültig, daß ſie ſelbſt den feindlichen Menſchen kaum mehr beachten.
Wenn das Frühjahr trocken iſt, ſucht ſich die Henne um die Mitte des April einen geeigneten Niſtplatz aus. Derſelbe wird unter allen Umſtänden ſo verſteckt als möglich angelegt und namentlich vor dem ſcharfen Auge der Krähe verborgen, weil dieſe ſich jeden Augenblick, den die Mutter fern vom Neſte verbringt, zu Nutzen macht, um die Eier zu rauben. Das Neſt beſteht aus einer ſeichten, liederlich mit Federn ausgekleideten Vertiefung; das Gelege zählt zehn bis funfzehn, zuweilen auch zwanzig auf dunkelrauchgelbem Grunde rothgepunktete Eier. Dem Neſte naht ſich die Henne ſtets mit größter Vorſicht und deckt, wenn ſie es verläßt, die Eier ſorgfältig mit trockenen Blättern zu, ſodaß es ſchwer iſt, das eine und die anderen zu bemerken, auch in der That nur wenige gefunden werden, von denen man nicht die erſchreckte Mutter vertrieb. Gewahrt dieſe, während ſie brütet, einen Feind, ſo drückt ſie ſich nieder, rührt ſich nicht, bis ſie merkt, daß ſie entdeckt wurde. Audu- bon erzählt, daß er, wenn er ſich durch Pfeifen oder lautes Sprechen den Anſchein der Unachtſamkeit gab, einem Neſte oft bis auf wenige Schritte nahen konnte, ohne die Henne zu verſcheuchen, während ſie, wenn er vorſichtig herauſchlich, ſtets in einer Entfernung von wenigſtens zwanzig Schritten auf- ſtand und davonlief. Uebrigens verläßt die Alte, welche von einem Menſchen geſtört wurde, ihr Neſt
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Die Läufer. Scharrvögel. Truthühner.
in kleinere Geſellſchaften zu zertheilen, und nunmehr miſcht ſich Alt und Jung unter einander. Dies
geſchieht gewöhnlich um die Mitte des November. Noch etwas ſpäter kann es vorkommen, daß ſie
ſich, wahrſcheinlich abgemattet von der langen Wanderung, den Bauerhäuſern nähern, unter den
zahmen Hühnerſtand miſchen und mit ihm in Hof und Stall eintreten, um hier Nahrung zu ſuchen.
Jn ſolcher Weiſe verbringen ſie den Herbſt und einen Theil des Winters.
Um die Mitte des Februar regt ſich der Fortpflanzungstrieb. Die Weibchen trennen ſich von
den Männchen, werden von dieſen aber eifrig verfolgt. Von nun an ſchlafen die Geſchlechter geſon-
dert, jedoch in nicht großen Entfernungen von einander. Stößt eines der Weibchen ſeinen Lockton
aus, ſo antworten alle Hähne, welche ihn hören, mit ſchnell auf einander folgenden rollenden Tönen.
Erſchallt der Lockruf vom Boden herauf, ſo fliegen alle ſofort hernieder, ſchlagen in dem Augen-
blicke des Auffallens, gleichviel, ob ein Weibchen in Sicht iſt oder nicht, ein Rad, werfen den Kopf
auf die Schulter zurück, ſchleifen mit den Flügeln und geben die ſonderbaren Stellungen, Laute
und Geräuſche zum Beſten, welche wir bei den gezähmten Nachkommen zu ſehen gewöhnt ſind. Da-
bei geſchieht es nicht ſelten, daß zwei Männchen mit einander in Streit gerathen und ſo heftig
kämpfen, daß einer unter den Schlägen des andern ſein Leben aushauchen muß. Als auffallend hebt
Audubon hervor, daß der Sieger ſeinen getödteten Gegner keineswegs mit Haß betrachtet, ſondern
ſich vor ihm ebenſo geberdet, als ob er eine Henne liebkoſen wolle. Hat der Hahn eine ſolche entdeckt
und ſich ihr genähert, ſo ahmt ſie, wenn ſie älter als ein Jahr iſt, ſeine Stellungen in der Regel
nach, naht ſich dann aber ihrerſeits, legt ſich auf den Boden und fordert ihn ſo zur Begattung auf.
Jüngeren Hennen gegenüber benimmt ſich der verliebte Hahn ganz anders. Er trägt ſich weniger
pomphaft, bewegt ſich mit großer Schnelligkeit, erhebt ſich zuweilen vom Boden, fliegt um ſie herum,
rennt nach dem Auffußen mit aller Macht auf ſie zu, verſcheucht ihre Furcht durch ein Knurren und
erringt ſich ſchließlich auch ihre Willfährigkeit. Es ſcheint, daß ein Hahn und eine Henne, welche in
dieſer Weiſe ſich vereinigen, während des Sommers in einer gewiſſen Verbindung bleiben, wenn ſchon
der erſtere freilich ſeine Aufmerkſamkeit keineswegs einem Weibchen allein widmet. Die Hennen
ihrerſeits folgen dem bevorzugten Hahne, bis ſie zu legen beginnen und nunmehr ſich vereinzeln und
verſtecken, in der Abſicht, ihre Eier vor dem Hahne zu ſchützen, deſſen ſtürmiſche Liebesbewerbung ſie
gefährden könnte. Das legende Weibchen vermeidet, mit Ausnahme einer kurzen Zeit während jeden
Tages, den Hahn faſt ängſtlich. Dieſer zeigt ſich läſſig und faul, ſobald er ſeinem Fortpflanzungstriebe
genügt hat, unterläßt Kämpfe mit anderen ſeiner Art, kollert weniger und bekümmert ſich kaum noch
um die Hennen, welche nun ihrerſeits um den unhöflichen Gemahl ſtöhnen, ihm um den Bart gehen,
ihn liebkoſen und alle Mittel in Bewegung ſetzen, die erſtorbene Glut ſeiner Gefühle wieder anzu-
fachen. Schließlich trennen ſich die Hähne gänzlich von den Hennen, und dann werden ſie ſo faul,
ſo gleichgültig, daß ſie ſelbſt den feindlichen Menſchen kaum mehr beachten.
Wenn das Frühjahr trocken iſt, ſucht ſich die Henne um die Mitte des April einen geeigneten
Niſtplatz aus. Derſelbe wird unter allen Umſtänden ſo verſteckt als möglich angelegt und namentlich
vor dem ſcharfen Auge der Krähe verborgen, weil dieſe ſich jeden Augenblick, den die Mutter fern
vom Neſte verbringt, zu Nutzen macht, um die Eier zu rauben. Das Neſt beſteht aus einer ſeichten,
liederlich mit Federn ausgekleideten Vertiefung; das Gelege zählt zehn bis funfzehn, zuweilen auch
zwanzig auf dunkelrauchgelbem Grunde rothgepunktete Eier. Dem Neſte naht ſich die Henne ſtets
mit größter Vorſicht und deckt, wenn ſie es verläßt, die Eier ſorgfältig mit trockenen Blättern zu,
ſodaß es ſchwer iſt, das eine und die anderen zu bemerken, auch in der That nur wenige gefunden
werden, von denen man nicht die erſchreckte Mutter vertrieb. Gewahrt dieſe, während ſie brütet,
einen Feind, ſo drückt ſie ſich nieder, rührt ſich nicht, bis ſie merkt, daß ſie entdeckt wurde. Audu-
bon erzählt, daß er, wenn er ſich durch Pfeifen oder lautes Sprechen den Anſchein der Unachtſamkeit
gab, einem Neſte oft bis auf wenige Schritte nahen konnte, ohne die Henne zu verſcheuchen, während
ſie, wenn er vorſichtig herauſchlich, ſtets in einer Entfernung von wenigſtens zwanzig Schritten auf-
ſtand und davonlief. Uebrigens verläßt die Alte, welche von einem Menſchen geſtört wurde, ihr Neſt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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