Hokkos unter die Hühner eines Züchters in der Nähe von Marseille, gestattete ihnen nach einiger Zeit in einem ziemlich großen Hofe umherzugehen und bemerkte, daß sie sich bald an den Aufenthaltsort gewöhnten, herbeigelaufen kamen, wenn die Enten, Trut- und Perlhühner gefüttert wurden, an deren Mahlzeit theilnahmen, den nächsten Nachbarn Schnabelhiebe versetzten und auch wohl von Haushähnen bekämpft wurden, nicht selten über die Mauer des Hofes ins Feld flogen, um hier den Trauben nach- zugehen, gegen Abend aber wieder zurückkehrten und sich hier mitten unter den Haushühnern auf die Stangen zum Schlafen aufsetzten. Oft wurde beobachtet, daß das Männchen sein Weibchen aufregte und hartnäckig verfolgte, niemals aber die Begattung gesehen. Eines schönen Tages war das Weibchen verschwunden, und wie man annahm, einem Raubthiere zur Beute gefallen. Nach Verlauf mehrerer Wochen aber erschien es in Begleitung von funfzehn schon ziemlich starken Küchlein, welche herrlich heranwuchsen und von beiden Eltern mit ersichtlichem Stolze geführt wurden. "Wir erhielten in dieser Weise mehrere Jahre hinter einander mehr oder weniger zahlreiche Bruten und entdeckten schließlich auch den verborgenen Nistort, einen ungeheuren Holzstoß, in einem Winkel. Niemals betrug die Stückzahl einer Brut mehr als funfzehn; wenn sich also aus der Anzahl der ausge- schlüpften Jungen auf die Anzahl der gelegten Eier schließen läßt, so steht zu vermuthen, daß diese funfzehn nicht übersteigt."
Diese Mittheilung ist so gewiß erlogen, als Herr Barthelemy-Lapommeraye der großen Nation angehört. Es geht Dies aus allen übrigen Angaben mit unumstößlicher Gewißheit hervor, hätte derselben aber auch gar nicht bedurft, um den Franzmann der Unwahrheit zu überführen; denn ein Hokko, dessen Gelege in der Heimat nur aus zwei Eiern besteht, wird sich durch die Gefangen- schaft wahrlich nicht bestimmen lassen, diese Anzahl zu versiebenfachen.
Beachtungswerther erscheint mir dagegen folgender von dem Franzosen Pomme gegebener Bericht: "Jch besaß sechs weibliche Hokkos und nur vier Männchen. Dieses Mißverhältniß hat mir den Beweis geliefert, daß der Vogel in Einweibigkeit lebt. Die nicht gepaarten Weibchen legen zwar dennoch und suchen die Liebkosungen des ersten, besten Männchens, welches ihnen in den Weg kommt; aber sie gehen in den Geschlechtsverrichtungen nicht weiter, bauen sich keine Nester, sondern legen ihre Eier, wohin sie gerade kommen, meist abends, wenn sie sich schon aufgesetzt haben. Die- jenigen dagegen, welche Männchen haben, legen immer in ein Nest und zwar in ein solches, welches von den letzteren errichtet worden ist; denn bei diesen Vögeln baut das Männchen. Jch muß zugleich bemerken, daß die Hokkos, in Frankreich wenigstens, sehr selten brüten; von allen, welche ich bekommen konnte, hat nur ein einziges Neigung hierzu gezeigt. Fünf Stück haben Eier gelegt, das sechste war mehrere Tage lang gepaart und suchte das Männchen auf, aber es hat nie gelegt. Die neuange- kommenen Weibchen bleiben während des ersten Jahres ihrer Einführung kalt und gefühllos; im zweiten Jahre paaren sie sich, aber sie legen nicht oder nur schallose Eier; im dritten Jahre ist Schale daran, sie ist jedoch zerbrechlich und unvollkommen, und erst im vierten Jahre verschwindet auch dieser Mangel. Jedes Weibchen legt, wenn es nicht brütet, nur einmal und zwar gegen Ende Aprils oder zu Anfang Mai's. Die Brütezeit dauert einunddreißig bis zweiunddreißig Tage. Bei mir wurden jedes Mal zwei, manchmal, aber selten, drei Eier gelegt. Fast alle Eier, welche ich bekam, waren befruchtet; aber bei fast allen starb das völlig entwickelte Junge in der Schale ab, als ob ihm die Kraft zum Ausschlüpfen gefehlt hätte. Es kommt Dies in unsern Gegenden bei einheimischen Vögeln oft vor, wenn die Mutter während des Legens nicht ganz gesund ist. Dreimal konnten indessen die jungen Hokkos die Schwierigkeiten beim Ausschlüpfen überwinden; aber, obwohl sie ganz kräftig waren, lebten sie doch nur drei bis vier Tage. Sie fraßen Nichts und starben ohne Zweifel Hungers. Gegen die Truthenne, welche sie ausgebrütet hatte, zeigten sie eine große Abneigung und hielten sich immer von ihr entfernt. Diese Beobachtung brachte mich auf die Vermuthung, daß die Mutter eine erste Nahrung im Kropfe bereite wie die Tauben, und solche den jungen Hokkos in den ersten Tagen unumgänglich nothwendig sei. Um mich hiervon zu überzeugen, gab ich einem Hokkohuhne zwei Eier von Schakuhühnern. Sie wurden so gut bebrütet, daß am 29. Tage die Pflegemutter mit ihren zwei
Die Läufer. Scharrvögel. Hokkos.
Hokkos unter die Hühner eines Züchters in der Nähe von Marſeille, geſtattete ihnen nach einiger Zeit in einem ziemlich großen Hofe umherzugehen und bemerkte, daß ſie ſich bald an den Aufenthaltsort gewöhnten, herbeigelaufen kamen, wenn die Enten, Trut- und Perlhühner gefüttert wurden, an deren Mahlzeit theilnahmen, den nächſten Nachbarn Schnabelhiebe verſetzten und auch wohl von Haushähnen bekämpft wurden, nicht ſelten über die Mauer des Hofes ins Feld flogen, um hier den Trauben nach- zugehen, gegen Abend aber wieder zurückkehrten und ſich hier mitten unter den Haushühnern auf die Stangen zum Schlafen aufſetzten. Oft wurde beobachtet, daß das Männchen ſein Weibchen aufregte und hartnäckig verfolgte, niemals aber die Begattung geſehen. Eines ſchönen Tages war das Weibchen verſchwunden, und wie man annahm, einem Raubthiere zur Beute gefallen. Nach Verlauf mehrerer Wochen aber erſchien es in Begleitung von funfzehn ſchon ziemlich ſtarken Küchlein, welche herrlich heranwuchſen und von beiden Eltern mit erſichtlichem Stolze geführt wurden. „Wir erhielten in dieſer Weiſe mehrere Jahre hinter einander mehr oder weniger zahlreiche Bruten und entdeckten ſchließlich auch den verborgenen Niſtort, einen ungeheuren Holzſtoß, in einem Winkel. Niemals betrug die Stückzahl einer Brut mehr als funfzehn; wenn ſich alſo aus der Anzahl der ausge- ſchlüpften Jungen auf die Anzahl der gelegten Eier ſchließen läßt, ſo ſteht zu vermuthen, daß dieſe funfzehn nicht überſteigt.“
Dieſe Mittheilung iſt ſo gewiß erlogen, als Herr Barthélemy-Lapommeraye der großen Nation angehört. Es geht Dies aus allen übrigen Angaben mit unumſtößlicher Gewißheit hervor, hätte derſelben aber auch gar nicht bedurft, um den Franzmann der Unwahrheit zu überführen; denn ein Hokko, deſſen Gelege in der Heimat nur aus zwei Eiern beſteht, wird ſich durch die Gefangen- ſchaft wahrlich nicht beſtimmen laſſen, dieſe Anzahl zu verſiebenfachen.
Beachtungswerther erſcheint mir dagegen folgender von dem Franzoſen Pomme gegebener Bericht: „Jch beſaß ſechs weibliche Hokkos und nur vier Männchen. Dieſes Mißverhältniß hat mir den Beweis geliefert, daß der Vogel in Einweibigkeit lebt. Die nicht gepaarten Weibchen legen zwar dennoch und ſuchen die Liebkoſungen des erſten, beſten Männchens, welches ihnen in den Weg kommt; aber ſie gehen in den Geſchlechtsverrichtungen nicht weiter, bauen ſich keine Neſter, ſondern legen ihre Eier, wohin ſie gerade kommen, meiſt abends, wenn ſie ſich ſchon aufgeſetzt haben. Die- jenigen dagegen, welche Männchen haben, legen immer in ein Neſt und zwar in ein ſolches, welches von den letzteren errichtet worden iſt; denn bei dieſen Vögeln baut das Männchen. Jch muß zugleich bemerken, daß die Hokkos, in Frankreich wenigſtens, ſehr ſelten brüten; von allen, welche ich bekommen konnte, hat nur ein einziges Neigung hierzu gezeigt. Fünf Stück haben Eier gelegt, das ſechſte war mehrere Tage lang gepaart und ſuchte das Männchen auf, aber es hat nie gelegt. Die neuange- kommenen Weibchen bleiben während des erſten Jahres ihrer Einführung kalt und gefühllos; im zweiten Jahre paaren ſie ſich, aber ſie legen nicht oder nur ſchalloſe Eier; im dritten Jahre iſt Schale daran, ſie iſt jedoch zerbrechlich und unvollkommen, und erſt im vierten Jahre verſchwindet auch dieſer Mangel. Jedes Weibchen legt, wenn es nicht brütet, nur einmal und zwar gegen Ende Aprils oder zu Anfang Mai’s. Die Brütezeit dauert einunddreißig bis zweiunddreißig Tage. Bei mir wurden jedes Mal zwei, manchmal, aber ſelten, drei Eier gelegt. Faſt alle Eier, welche ich bekam, waren befruchtet; aber bei faſt allen ſtarb das völlig entwickelte Junge in der Schale ab, als ob ihm die Kraft zum Ausſchlüpfen gefehlt hätte. Es kommt Dies in unſern Gegenden bei einheimiſchen Vögeln oft vor, wenn die Mutter während des Legens nicht ganz geſund iſt. Dreimal konnten indeſſen die jungen Hokkos die Schwierigkeiten beim Ausſchlüpfen überwinden; aber, obwohl ſie ganz kräftig waren, lebten ſie doch nur drei bis vier Tage. Sie fraßen Nichts und ſtarben ohne Zweifel Hungers. Gegen die Truthenne, welche ſie ausgebrütet hatte, zeigten ſie eine große Abneigung und hielten ſich immer von ihr entfernt. Dieſe Beobachtung brachte mich auf die Vermuthung, daß die Mutter eine erſte Nahrung im Kropfe bereite wie die Tauben, und ſolche den jungen Hokkos in den erſten Tagen unumgänglich nothwendig ſei. Um mich hiervon zu überzeugen, gab ich einem Hokkohuhne zwei Eier von Schakuhühnern. Sie wurden ſo gut bebrütet, daß am 29. Tage die Pflegemutter mit ihren zwei
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[506/0536]
Die Läufer. Scharrvögel. Hokkos.
Hokkos unter die Hühner eines Züchters in der Nähe von Marſeille, geſtattete ihnen nach einiger Zeit
in einem ziemlich großen Hofe umherzugehen und bemerkte, daß ſie ſich bald an den Aufenthaltsort
gewöhnten, herbeigelaufen kamen, wenn die Enten, Trut- und Perlhühner gefüttert wurden, an deren
Mahlzeit theilnahmen, den nächſten Nachbarn Schnabelhiebe verſetzten und auch wohl von Haushähnen
bekämpft wurden, nicht ſelten über die Mauer des Hofes ins Feld flogen, um hier den Trauben nach-
zugehen, gegen Abend aber wieder zurückkehrten und ſich hier mitten unter den Haushühnern auf die
Stangen zum Schlafen aufſetzten. Oft wurde beobachtet, daß das Männchen ſein Weibchen aufregte
und hartnäckig verfolgte, niemals aber die Begattung geſehen. Eines ſchönen Tages war das
Weibchen verſchwunden, und wie man annahm, einem Raubthiere zur Beute gefallen. Nach Verlauf
mehrerer Wochen aber erſchien es in Begleitung von funfzehn ſchon ziemlich ſtarken Küchlein, welche
herrlich heranwuchſen und von beiden Eltern mit erſichtlichem Stolze geführt wurden. „Wir erhielten
in dieſer Weiſe mehrere Jahre hinter einander mehr oder weniger zahlreiche Bruten und entdeckten
ſchließlich auch den verborgenen Niſtort, einen ungeheuren Holzſtoß, in einem Winkel. Niemals
betrug die Stückzahl einer Brut mehr als funfzehn; wenn ſich alſo aus der Anzahl der ausge-
ſchlüpften Jungen auf die Anzahl der gelegten Eier ſchließen läßt, ſo ſteht zu vermuthen, daß dieſe
funfzehn nicht überſteigt.“
Dieſe Mittheilung iſt ſo gewiß erlogen, als Herr Barthélemy-Lapommeraye der großen
Nation angehört. Es geht Dies aus allen übrigen Angaben mit unumſtößlicher Gewißheit hervor,
hätte derſelben aber auch gar nicht bedurft, um den Franzmann der Unwahrheit zu überführen; denn
ein Hokko, deſſen Gelege in der Heimat nur aus zwei Eiern beſteht, wird ſich durch die Gefangen-
ſchaft wahrlich nicht beſtimmen laſſen, dieſe Anzahl zu verſiebenfachen.
Beachtungswerther erſcheint mir dagegen folgender von dem Franzoſen Pomme gegebener
Bericht: „Jch beſaß ſechs weibliche Hokkos und nur vier Männchen. Dieſes Mißverhältniß hat
mir den Beweis geliefert, daß der Vogel in Einweibigkeit lebt. Die nicht gepaarten Weibchen legen
zwar dennoch und ſuchen die Liebkoſungen des erſten, beſten Männchens, welches ihnen in den Weg
kommt; aber ſie gehen in den Geſchlechtsverrichtungen nicht weiter, bauen ſich keine Neſter, ſondern
legen ihre Eier, wohin ſie gerade kommen, meiſt abends, wenn ſie ſich ſchon aufgeſetzt haben. Die-
jenigen dagegen, welche Männchen haben, legen immer in ein Neſt und zwar in ein ſolches, welches
von den letzteren errichtet worden iſt; denn bei dieſen Vögeln baut das Männchen. Jch muß zugleich
bemerken, daß die Hokkos, in Frankreich wenigſtens, ſehr ſelten brüten; von allen, welche ich bekommen
konnte, hat nur ein einziges Neigung hierzu gezeigt. Fünf Stück haben Eier gelegt, das ſechſte war
mehrere Tage lang gepaart und ſuchte das Männchen auf, aber es hat nie gelegt. Die neuange-
kommenen Weibchen bleiben während des erſten Jahres ihrer Einführung kalt und gefühllos; im
zweiten Jahre paaren ſie ſich, aber ſie legen nicht oder nur ſchalloſe Eier; im dritten Jahre iſt Schale
daran, ſie iſt jedoch zerbrechlich und unvollkommen, und erſt im vierten Jahre verſchwindet auch dieſer
Mangel. Jedes Weibchen legt, wenn es nicht brütet, nur einmal und zwar gegen Ende Aprils oder
zu Anfang Mai’s. Die Brütezeit dauert einunddreißig bis zweiunddreißig Tage. Bei mir wurden
jedes Mal zwei, manchmal, aber ſelten, drei Eier gelegt. Faſt alle Eier, welche ich bekam, waren
befruchtet; aber bei faſt allen ſtarb das völlig entwickelte Junge in der Schale ab, als ob ihm die
Kraft zum Ausſchlüpfen gefehlt hätte. Es kommt Dies in unſern Gegenden bei einheimiſchen Vögeln
oft vor, wenn die Mutter während des Legens nicht ganz geſund iſt. Dreimal konnten indeſſen die
jungen Hokkos die Schwierigkeiten beim Ausſchlüpfen überwinden; aber, obwohl ſie ganz kräftig
waren, lebten ſie doch nur drei bis vier Tage. Sie fraßen Nichts und ſtarben ohne Zweifel Hungers.
Gegen die Truthenne, welche ſie ausgebrütet hatte, zeigten ſie eine große Abneigung und hielten ſich
immer von ihr entfernt. Dieſe Beobachtung brachte mich auf die Vermuthung, daß die Mutter eine
erſte Nahrung im Kropfe bereite wie die Tauben, und ſolche den jungen Hokkos in den erſten Tagen
unumgänglich nothwendig ſei. Um mich hiervon zu überzeugen, gab ich einem Hokkohuhne zwei Eier
von Schakuhühnern. Sie wurden ſo gut bebrütet, daß am 29. Tage die Pflegemutter mit ihren zwei
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/536>, abgerufen am 22.11.2024.
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