Alle Steppen Afrikas und ebenso die Wüsten, welche wenigstens hier und da einigermaßen fruchtbare Niederungen umschließen, beherbergen den Strauß. Jn früheren Zeiten ist er unzweifelhaft viel häufiger gewesen als gegenwärtig, hat auch Oertlichkeiten, Gegenden und Länder bewohnt, in denen er jetzt ausgerottet ist: ein Wüstenvogel aber war er von jeher. Er bewohnt die ganze Sahara, vom südlichen Abhange des Atlas an bis gegen den Nil hin, ebenso die lybische Wüste, zahlreich alle Steppen Jnnerafrikas, und in großer Menge die südlichen Ebenen des Erdtheils. Lichtenstein sah Anfangs dieses Jahrhunderts noch große Herden im Kaplande und namentlich in der Nähe des Komberges, und auch die übrigen Reisenden sprechen von Gesellschaften, welche aus mehr als hundert Stücken gebildet werden. "Die Einförmigkeit unserer Reise", erzählt Lichtenstein, "wurde auf angenehme Weise unterbrochen durch eine sehr ansehnliche Herde von Straußen, die wir zur Rechten und Linken vor uns entdeckten und denen wir, ohne daß sie uns sogleich bemerkten, ziemlich nahe kamen.... Die Anzahl aller Strauße, welche wir an diesem Orte sahen, mochte sich leicht auf drei- hundert belaufen." Später fügt er hinzu, daß die Dürrung in jener Gegend zuweilen die Strauße zwingt, die Ebene zu verlassen und sich nach den Höhen zu wenden. Hier trifft dann eine große Anzahl zusammen, zieht gemeinschaftlich weiter und vermehrt sich fortwährend durch neu hinzukommende. Jm nördlichen Afrika scheinen derartige Zusammenrottungen nicht stattzufinden; es hat mir wenigstens hiervon keiner der Straußenjäger, mit welchen ich verkehren konnte, Etwas zu erzählen gewußt. Hier lebt der Strauß, wie in Südafrika, während der Brutzeit in kleinen Familien, welche aus einem Hahne und zwei bis vier Hennen bestehen. Eine solche Familie scheint ein ziemlich ausgedehntes Weidegebiet zu haben und an demselben mit einer gewissen Zähigkeit festzuhalten. Die erste Bedingung, welche der Vogel an seinen Aufenthalt stellt, ist das Vorhandensein von Wasser. Da, wo solches reichlich vorhanden und nicht überall von Menschen in Besitz genommen wurde, stößt man jederzeit, wenn auch nicht auf Strauße selbst, so doch auf unverkennbare Anzeichen ihres Vorhanden- seins, d. h. auf ihre Fährten, welche nicht verwechselt werden können. Lichtenstein beobachtete, daß sie nach den Quellen, aus welchen sie zu trinken pflegen, immer auf ein und demselben Wege gehen, sodaß dadurch gerade Bahnen ausgetreten werden, welche in den unbewohnten Gegenden oft auf die Vermuthung führen, daß man Fußsteige von Menschen vor sich habe. Da, wo der Unterschied der Jahreszeiten und ihre Einwirkung auf die Pflanzenwelt nicht so groß ist, daß der Strauß zum Wandern gezwungen wird, behält er das einmal gewählte Gebiet wahrscheinlich jahraus, jahrein bei und entfernt sich selten über die Grenzen desselben.
Die starken und behenden Läufe ersetzen dem Strauß zwar nicht das Flugvermögen anderer Vögel, verleihen ihm aber doch eine Bewegungsfähigkeit, welche wahrhaft in Erstaunen setzt. Bei meiner Reise nach Bahiuda überritt ich eine sandige Stelle, auf welcher sich Straußenfährten in allen Richtungen kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes gegangen oder trabend gelaufen war. Jm ersteren Falle waren die Fußtapfen vier bis fünf, im letzteren sieben bis neun Fuß von einander entfernt. Anderson versichert, daß der Strauß, gejagt und auf geringe Entfernung hin, die englische Meile vielleicht in einer halben Minute durchlaufen könne, weil seine Füße den Boden kaum zu berühren scheinen und jeder Schritt nicht selten zwölf bis vierzehn Fuß weit sei. Diese Angabe ist gewiß übertrieben, wohl aber ist es richtig, daß der Vogel mit einem Rennpferde an Schnelligkeit nicht nur wetteifert, sondern es überholt, und das Wort der Bibel: "Zur Zeit, wenn er hoch fähet, erhebt er sich und verlachet beide, Roß und Mann", enthält also die vollständige Wahrheit. Bei sehr eiligem Laufe breitet der Strauß seine Flügel, vielleicht weniger, um sich im Gleichgewichte zu halten, als in Folge der Erregung, welche sich seiner unter solchen Umständen bemächtigt und welche er auch sonst in derselben Weise zu bekunden pflegt.
Als den am besten entwickelten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Gesicht anzusehen. Das Auge ist wirklich schön und seine Sehkraft erstaunlich groß. Alle Beobachter stimmen darin überein, daß man aus dem Gebahren des Riesenvogels deutlich wahrnehmen kann, wie er auf Meilen hin sein nacktes Gebiet beherrscht. Nächstdem sind Gehör und Geruch am meisten entwickelt, Gefühl
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
Alle Steppen Afrikas und ebenſo die Wüſten, welche wenigſtens hier und da einigermaßen fruchtbare Niederungen umſchließen, beherbergen den Strauß. Jn früheren Zeiten iſt er unzweifelhaft viel häufiger geweſen als gegenwärtig, hat auch Oertlichkeiten, Gegenden und Länder bewohnt, in denen er jetzt ausgerottet iſt: ein Wüſtenvogel aber war er von jeher. Er bewohnt die ganze Sahara, vom ſüdlichen Abhange des Atlas an bis gegen den Nil hin, ebenſo die lybiſche Wüſte, zahlreich alle Steppen Jnnerafrikas, und in großer Menge die ſüdlichen Ebenen des Erdtheils. Lichtenſtein ſah Anfangs dieſes Jahrhunderts noch große Herden im Kaplande und namentlich in der Nähe des Komberges, und auch die übrigen Reiſenden ſprechen von Geſellſchaften, welche aus mehr als hundert Stücken gebildet werden. „Die Einförmigkeit unſerer Reiſe“, erzählt Lichtenſtein, „wurde auf angenehme Weiſe unterbrochen durch eine ſehr anſehnliche Herde von Straußen, die wir zur Rechten und Linken vor uns entdeckten und denen wir, ohne daß ſie uns ſogleich bemerkten, ziemlich nahe kamen.... Die Anzahl aller Strauße, welche wir an dieſem Orte ſahen, mochte ſich leicht auf drei- hundert belaufen.“ Später fügt er hinzu, daß die Dürrung in jener Gegend zuweilen die Strauße zwingt, die Ebene zu verlaſſen und ſich nach den Höhen zu wenden. Hier trifft dann eine große Anzahl zuſammen, zieht gemeinſchaftlich weiter und vermehrt ſich fortwährend durch neu hinzukommende. Jm nördlichen Afrika ſcheinen derartige Zuſammenrottungen nicht ſtattzufinden; es hat mir wenigſtens hiervon keiner der Straußenjäger, mit welchen ich verkehren konnte, Etwas zu erzählen gewußt. Hier lebt der Strauß, wie in Südafrika, während der Brutzeit in kleinen Familien, welche aus einem Hahne und zwei bis vier Hennen beſtehen. Eine ſolche Familie ſcheint ein ziemlich ausgedehntes Weidegebiet zu haben und an demſelben mit einer gewiſſen Zähigkeit feſtzuhalten. Die erſte Bedingung, welche der Vogel an ſeinen Aufenthalt ſtellt, iſt das Vorhandenſein von Waſſer. Da, wo ſolches reichlich vorhanden und nicht überall von Menſchen in Beſitz genommen wurde, ſtößt man jederzeit, wenn auch nicht auf Strauße ſelbſt, ſo doch auf unverkennbare Anzeichen ihres Vorhanden- ſeins, d. h. auf ihre Fährten, welche nicht verwechſelt werden können. Lichtenſtein beobachtete, daß ſie nach den Quellen, aus welchen ſie zu trinken pflegen, immer auf ein und demſelben Wege gehen, ſodaß dadurch gerade Bahnen ausgetreten werden, welche in den unbewohnten Gegenden oft auf die Vermuthung führen, daß man Fußſteige von Menſchen vor ſich habe. Da, wo der Unterſchied der Jahreszeiten und ihre Einwirkung auf die Pflanzenwelt nicht ſo groß iſt, daß der Strauß zum Wandern gezwungen wird, behält er das einmal gewählte Gebiet wahrſcheinlich jahraus, jahrein bei und entfernt ſich ſelten über die Grenzen deſſelben.
Die ſtarken und behenden Läufe erſetzen dem Strauß zwar nicht das Flugvermögen anderer Vögel, verleihen ihm aber doch eine Bewegungsfähigkeit, welche wahrhaft in Erſtaunen ſetzt. Bei meiner Reiſe nach Bahiuda überritt ich eine ſandige Stelle, auf welcher ſich Straußenfährten in allen Richtungen kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes gegangen oder trabend gelaufen war. Jm erſteren Falle waren die Fußtapfen vier bis fünf, im letzteren ſieben bis neun Fuß von einander entfernt. Anderſon verſichert, daß der Strauß, gejagt und auf geringe Entfernung hin, die engliſche Meile vielleicht in einer halben Minute durchlaufen könne, weil ſeine Füße den Boden kaum zu berühren ſcheinen und jeder Schritt nicht ſelten zwölf bis vierzehn Fuß weit ſei. Dieſe Angabe iſt gewiß übertrieben, wohl aber iſt es richtig, daß der Vogel mit einem Rennpferde an Schnelligkeit nicht nur wetteifert, ſondern es überholt, und das Wort der Bibel: „Zur Zeit, wenn er hoch fähet, erhebt er ſich und verlachet beide, Roß und Mann“, enthält alſo die vollſtändige Wahrheit. Bei ſehr eiligem Laufe breitet der Strauß ſeine Flügel, vielleicht weniger, um ſich im Gleichgewichte zu halten, als in Folge der Erregung, welche ſich ſeiner unter ſolchen Umſtänden bemächtigt und welche er auch ſonſt in derſelben Weiſe zu bekunden pflegt.
Als den am beſten entwickelten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Geſicht anzuſehen. Das Auge iſt wirklich ſchön und ſeine Sehkraft erſtaunlich groß. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß man aus dem Gebahren des Rieſenvogels deutlich wahrnehmen kann, wie er auf Meilen hin ſein nacktes Gebiet beherrſcht. Nächſtdem ſind Gehör und Geruch am meiſten entwickelt, Gefühl
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Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
Alle Steppen Afrikas und ebenſo die Wüſten, welche wenigſtens hier und da einigermaßen
fruchtbare Niederungen umſchließen, beherbergen den Strauß. Jn früheren Zeiten iſt er unzweifelhaft
viel häufiger geweſen als gegenwärtig, hat auch Oertlichkeiten, Gegenden und Länder bewohnt, in
denen er jetzt ausgerottet iſt: ein Wüſtenvogel aber war er von jeher. Er bewohnt die ganze Sahara,
vom ſüdlichen Abhange des Atlas an bis gegen den Nil hin, ebenſo die lybiſche Wüſte, zahlreich alle
Steppen Jnnerafrikas, und in großer Menge die ſüdlichen Ebenen des Erdtheils. Lichtenſtein
ſah Anfangs dieſes Jahrhunderts noch große Herden im Kaplande und namentlich in der Nähe des
Komberges, und auch die übrigen Reiſenden ſprechen von Geſellſchaften, welche aus mehr als hundert
Stücken gebildet werden. „Die Einförmigkeit unſerer Reiſe“, erzählt Lichtenſtein, „wurde auf
angenehme Weiſe unterbrochen durch eine ſehr anſehnliche Herde von Straußen, die wir zur Rechten
und Linken vor uns entdeckten und denen wir, ohne daß ſie uns ſogleich bemerkten, ziemlich nahe
kamen.... Die Anzahl aller Strauße, welche wir an dieſem Orte ſahen, mochte ſich leicht auf drei-
hundert belaufen.“ Später fügt er hinzu, daß die Dürrung in jener Gegend zuweilen die Strauße
zwingt, die Ebene zu verlaſſen und ſich nach den Höhen zu wenden. Hier trifft dann eine große
Anzahl zuſammen, zieht gemeinſchaftlich weiter und vermehrt ſich fortwährend durch neu hinzukommende.
Jm nördlichen Afrika ſcheinen derartige Zuſammenrottungen nicht ſtattzufinden; es hat mir wenigſtens
hiervon keiner der Straußenjäger, mit welchen ich verkehren konnte, Etwas zu erzählen gewußt. Hier
lebt der Strauß, wie in Südafrika, während der Brutzeit in kleinen Familien, welche aus einem
Hahne und zwei bis vier Hennen beſtehen. Eine ſolche Familie ſcheint ein ziemlich ausgedehntes
Weidegebiet zu haben und an demſelben mit einer gewiſſen Zähigkeit feſtzuhalten. Die erſte
Bedingung, welche der Vogel an ſeinen Aufenthalt ſtellt, iſt das Vorhandenſein von Waſſer. Da,
wo ſolches reichlich vorhanden und nicht überall von Menſchen in Beſitz genommen wurde, ſtößt man
jederzeit, wenn auch nicht auf Strauße ſelbſt, ſo doch auf unverkennbare Anzeichen ihres Vorhanden-
ſeins, d. h. auf ihre Fährten, welche nicht verwechſelt werden können. Lichtenſtein beobachtete,
daß ſie nach den Quellen, aus welchen ſie zu trinken pflegen, immer auf ein und demſelben Wege gehen,
ſodaß dadurch gerade Bahnen ausgetreten werden, welche in den unbewohnten Gegenden oft auf die
Vermuthung führen, daß man Fußſteige von Menſchen vor ſich habe. Da, wo der Unterſchied der
Jahreszeiten und ihre Einwirkung auf die Pflanzenwelt nicht ſo groß iſt, daß der Strauß zum Wandern
gezwungen wird, behält er das einmal gewählte Gebiet wahrſcheinlich jahraus, jahrein bei und entfernt
ſich ſelten über die Grenzen deſſelben.
Die ſtarken und behenden Läufe erſetzen dem Strauß zwar nicht das Flugvermögen anderer
Vögel, verleihen ihm aber doch eine Bewegungsfähigkeit, welche wahrhaft in Erſtaunen ſetzt. Bei
meiner Reiſe nach Bahiuda überritt ich eine ſandige Stelle, auf welcher ſich Straußenfährten in allen
Richtungen kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes
gegangen oder trabend gelaufen war. Jm erſteren Falle waren die Fußtapfen vier bis fünf, im
letzteren ſieben bis neun Fuß von einander entfernt. Anderſon verſichert, daß der Strauß, gejagt
und auf geringe Entfernung hin, die engliſche Meile vielleicht in einer halben Minute durchlaufen
könne, weil ſeine Füße den Boden kaum zu berühren ſcheinen und jeder Schritt nicht ſelten zwölf bis
vierzehn Fuß weit ſei. Dieſe Angabe iſt gewiß übertrieben, wohl aber iſt es richtig, daß der Vogel
mit einem Rennpferde an Schnelligkeit nicht nur wetteifert, ſondern es überholt, und das Wort der
Bibel: „Zur Zeit, wenn er hoch fähet, erhebt er ſich und verlachet beide, Roß und Mann“, enthält
alſo die vollſtändige Wahrheit. Bei ſehr eiligem Laufe breitet der Strauß ſeine Flügel, vielleicht
weniger, um ſich im Gleichgewichte zu halten, als in Folge der Erregung, welche ſich ſeiner unter
ſolchen Umſtänden bemächtigt und welche er auch ſonſt in derſelben Weiſe zu bekunden pflegt.
Als den am beſten entwickelten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Geſicht anzuſehen.
Das Auge iſt wirklich ſchön und ſeine Sehkraft erſtaunlich groß. Alle Beobachter ſtimmen darin
überein, daß man aus dem Gebahren des Rieſenvogels deutlich wahrnehmen kann, wie er auf Meilen
hin ſein nacktes Gebiet beherrſcht. Nächſtdem ſind Gehör und Geruch am meiſten entwickelt, Gefühl
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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