lassen und bei hohem Schnee oft harten Mangel leiden müssen. Die gemeinsame Noth trägt wesentlich dazu bei, sie zu vereinigen: größere Herden trifft man nur im Winter.
Waldige Gegenden meidet der Großtrappe stets, zumal da, wo er sich der Gefährlichkeit seines schlimmsten Feindes bewußt wurde. Hier sieht er in jedem Busche einen Hinterhalt. Ebensowenig naht er sich bei uns zu Lande bewohnten Gebäuden; er weiß, daß ihm die Nähe des Menschen stets bedenklich sein muß. Külz erzählt, daß er in Eupartoria während anhaltender Kälte Heere von Trappen über die Stadt hinziehen sah, so niedrig, daß ein Jeder nach Belieben von seiner Hausthüre aus nach ihnen schießen konnte. Derartiges kommt in Deutschland niemals vor. Hier wählt der Großtrappe seinen bleibenden Aufenthalt auf jenen weiten Feldern, welche ihn schon von fern die Ankunft eines Menschen wahrnehmen lassen, sucht sich mit berechnendem Scharfsinn stets solche Stellen aus, welche keine Deckung bieten und läßt sich überhaupt so leicht nicht täuschen. Naumann erzählt, daß er, um Trappen zu beobachten, Erdhütten auf geeigneten Feldstücken erbauen und sich in ihnen schon vor Tagesanbruch einfinden mußte, um seinen Zweck zu erreichen. Aber solche Hütten mußten schon monate- oder mindestens wochenlang von den Großtrappen gesehen und als unver- dächtig erkannt worden sein, sollten sie sich als nützlich erweisen; denn jede Veränderung auf dem gewohnten Weideplatze, jedes Loch, welches gegraben wird, der Trappen oder eines anderen Zweckes wegen, fällt dem mißtrauischen Vogel auf und erscheint ihm höchst bedenklich. Regenwetter und Nässe im Getreide, welche ihm sehr zuwider sind, veranlaßten ihn, den Beobachtungen des erwähnten Forschers zu Folge, sich zuweilen auf Feldwegen und weiten Rainen zwischen Ackerstücken oder auf anstoßenden Brachäckern sehen zu lassen; aber er schleicht sich augenblicklich wieder zu den ihn deckenden Halmen zurück, sobald ihm eine Gefahr von weitem droht. Jm Winter wählt er sich am liebsten solche Felder, welche ihm Nahrung versprechen, insbesondere also die mit Winterraps oder mit Wintergetreide bestellten, und während dieser Jahreszeit ist er womöglich noch vorsichtiger als im Sommer, welcher ihm durch das hochaufschießende Getreide gute Deckung gewährt. Die Nachtruhe hält er stets auf den entlegensten Feldern, meist auf Brach- oder Stoppeläckern, begibt sich auch erst in der Dämmerung nach solchen Plätzen und scheint hier abwechselnd Wachen auszustellen, welche für die Sicherheit der übrigen zu sorgen haben. "Sowie der Morgen graut", sagt Naumann, "werden sie schon wieder wach, erheben sich von ihrem Lager, strecken sich behaglich, schlagen wohl auch ihre Flügel einige Male, gehen langsam hin und her und fliegen nun zusammen, die ältesten und schwersten zuletzt, auf und den stets vom Nachtlager entfernten Futterplätzen zu."
Der Gang der Großtrappen ist langsam und gemessen, verleiht daher dem Vogel eine gewisse Würde; doch kann er, wenn es Noth thut, so eilig dahinrennen, daß ihn ein Hund nur mit Mühe einholt., Vor dem Auffliegen nimmt er einen kurzen, aus zwei bis drei Sprüngen bestehenden Anlauf und erhebt sich nun, zwar nicht gerade schnell, aber doch nicht ohne sonderliche Anstrengung in die Luft, schwingt sich mit langsamen Flügelschlägen weiter und streicht, wenn er erst eine gewisse Höhe erreicht hat, so rasch dahin, daß derjenige Jäger, welcher ihn mit der Büchse erlegen will, seines Auges und seiner Waffe sehr sicher sein muß. Naumann meint, daß sich eine Krähe recht anstrengen müsse, um dem fliegenden Trappen zu folgen; ich meinestheils habe ihn niemals so schnell fliegen sehen. Jm Fluge streckt er Hals und Beine gerade von sich, der schwere Rumpf senkt sich aber hinten etwas hernieder: Dies macht ihn von weitem kenntlich. Nur in den russischen Steppen fliegt er in Schußnähe über dem Boden fort; in Deutschland weiß er, wie weit die Waffe des Jägers reicht. Wenn eine Gesellschaft von Großtrappen sich gleichzeitig erhebt, so hält jedes Glied derselben einen gewissen Abstand von den übrigen ein, gleichsam als fürchte es, diese durch seine Flügelschläge zu beirren.
Der Stimmlaut, welchen man zu allen Zeiten von dem Großtrappen vernimmt, läßt sich schwer durch Buchstaben ausdrücken; er ist ein sonderbares und leises Schnarren, welches nur dann deutlich wird, wenn man sich in unmittelbarer Nähe von dem Vogel befindet. Von Gefangenen habe ich nur diesen einen Laut oder richtiger dieses eine Geräusch vernommen; denn von einem Laute oder
Brehm, Thierleben. IV. 36
Großtrappe.
laſſen und bei hohem Schnee oft harten Mangel leiden müſſen. Die gemeinſame Noth trägt weſentlich dazu bei, ſie zu vereinigen: größere Herden trifft man nur im Winter.
Waldige Gegenden meidet der Großtrappe ſtets, zumal da, wo er ſich der Gefährlichkeit ſeines ſchlimmſten Feindes bewußt wurde. Hier ſieht er in jedem Buſche einen Hinterhalt. Ebenſowenig naht er ſich bei uns zu Lande bewohnten Gebäuden; er weiß, daß ihm die Nähe des Menſchen ſtets bedenklich ſein muß. Külz erzählt, daß er in Eupartoria während anhaltender Kälte Heere von Trappen über die Stadt hinziehen ſah, ſo niedrig, daß ein Jeder nach Belieben von ſeiner Hausthüre aus nach ihnen ſchießen konnte. Derartiges kommt in Deutſchland niemals vor. Hier wählt der Großtrappe ſeinen bleibenden Aufenthalt auf jenen weiten Feldern, welche ihn ſchon von fern die Ankunft eines Menſchen wahrnehmen laſſen, ſucht ſich mit berechnendem Scharfſinn ſtets ſolche Stellen aus, welche keine Deckung bieten und läßt ſich überhaupt ſo leicht nicht täuſchen. Naumann erzählt, daß er, um Trappen zu beobachten, Erdhütten auf geeigneten Feldſtücken erbauen und ſich in ihnen ſchon vor Tagesanbruch einfinden mußte, um ſeinen Zweck zu erreichen. Aber ſolche Hütten mußten ſchon monate- oder mindeſtens wochenlang von den Großtrappen geſehen und als unver- dächtig erkannt worden ſein, ſollten ſie ſich als nützlich erweiſen; denn jede Veränderung auf dem gewohnten Weideplatze, jedes Loch, welches gegraben wird, der Trappen oder eines anderen Zweckes wegen, fällt dem mißtrauiſchen Vogel auf und erſcheint ihm höchſt bedenklich. Regenwetter und Näſſe im Getreide, welche ihm ſehr zuwider ſind, veranlaßten ihn, den Beobachtungen des erwähnten Forſchers zu Folge, ſich zuweilen auf Feldwegen und weiten Rainen zwiſchen Ackerſtücken oder auf anſtoßenden Brachäckern ſehen zu laſſen; aber er ſchleicht ſich augenblicklich wieder zu den ihn deckenden Halmen zurück, ſobald ihm eine Gefahr von weitem droht. Jm Winter wählt er ſich am liebſten ſolche Felder, welche ihm Nahrung verſprechen, insbeſondere alſo die mit Winterraps oder mit Wintergetreide beſtellten, und während dieſer Jahreszeit iſt er womöglich noch vorſichtiger als im Sommer, welcher ihm durch das hochaufſchießende Getreide gute Deckung gewährt. Die Nachtruhe hält er ſtets auf den entlegenſten Feldern, meiſt auf Brach- oder Stoppeläckern, begibt ſich auch erſt in der Dämmerung nach ſolchen Plätzen und ſcheint hier abwechſelnd Wachen auszuſtellen, welche für die Sicherheit der übrigen zu ſorgen haben. „Sowie der Morgen graut“, ſagt Naumann, „werden ſie ſchon wieder wach, erheben ſich von ihrem Lager, ſtrecken ſich behaglich, ſchlagen wohl auch ihre Flügel einige Male, gehen langſam hin und her und fliegen nun zuſammen, die älteſten und ſchwerſten zuletzt, auf und den ſtets vom Nachtlager entfernten Futterplätzen zu.“
Der Gang der Großtrappen iſt langſam und gemeſſen, verleiht daher dem Vogel eine gewiſſe Würde; doch kann er, wenn es Noth thut, ſo eilig dahinrennen, daß ihn ein Hund nur mit Mühe einholt., Vor dem Auffliegen nimmt er einen kurzen, aus zwei bis drei Sprüngen beſtehenden Anlauf und erhebt ſich nun, zwar nicht gerade ſchnell, aber doch nicht ohne ſonderliche Anſtrengung in die Luft, ſchwingt ſich mit langſamen Flügelſchlägen weiter und ſtreicht, wenn er erſt eine gewiſſe Höhe erreicht hat, ſo raſch dahin, daß derjenige Jäger, welcher ihn mit der Büchſe erlegen will, ſeines Auges und ſeiner Waffe ſehr ſicher ſein muß. Naumann meint, daß ſich eine Krähe recht anſtrengen müſſe, um dem fliegenden Trappen zu folgen; ich meinestheils habe ihn niemals ſo ſchnell fliegen ſehen. Jm Fluge ſtreckt er Hals und Beine gerade von ſich, der ſchwere Rumpf ſenkt ſich aber hinten etwas hernieder: Dies macht ihn von weitem kenntlich. Nur in den ruſſiſchen Steppen fliegt er in Schußnähe über dem Boden fort; in Deutſchland weiß er, wie weit die Waffe des Jägers reicht. Wenn eine Geſellſchaft von Großtrappen ſich gleichzeitig erhebt, ſo hält jedes Glied derſelben einen gewiſſen Abſtand von den übrigen ein, gleichſam als fürchte es, dieſe durch ſeine Flügelſchläge zu beirren.
Der Stimmlaut, welchen man zu allen Zeiten von dem Großtrappen vernimmt, läßt ſich ſchwer durch Buchſtaben ausdrücken; er iſt ein ſonderbares und leiſes Schnarren, welches nur dann deutlich wird, wenn man ſich in unmittelbarer Nähe von dem Vogel befindet. Von Gefangenen habe ich nur dieſen einen Laut oder richtiger dieſes eine Geräuſch vernommen; denn von einem Laute oder
Brehm, Thierleben. IV. 36
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Großtrappe.
laſſen und bei hohem Schnee oft harten Mangel leiden müſſen. Die gemeinſame Noth trägt weſentlich
dazu bei, ſie zu vereinigen: größere Herden trifft man nur im Winter.
Waldige Gegenden meidet der Großtrappe ſtets, zumal da, wo er ſich der Gefährlichkeit ſeines
ſchlimmſten Feindes bewußt wurde. Hier ſieht er in jedem Buſche einen Hinterhalt. Ebenſowenig
naht er ſich bei uns zu Lande bewohnten Gebäuden; er weiß, daß ihm die Nähe des Menſchen ſtets
bedenklich ſein muß. Külz erzählt, daß er in Eupartoria während anhaltender Kälte Heere von
Trappen über die Stadt hinziehen ſah, ſo niedrig, daß ein Jeder nach Belieben von ſeiner Hausthüre
aus nach ihnen ſchießen konnte. Derartiges kommt in Deutſchland niemals vor. Hier wählt der
Großtrappe ſeinen bleibenden Aufenthalt auf jenen weiten Feldern, welche ihn ſchon von fern die
Ankunft eines Menſchen wahrnehmen laſſen, ſucht ſich mit berechnendem Scharfſinn ſtets ſolche
Stellen aus, welche keine Deckung bieten und läßt ſich überhaupt ſo leicht nicht täuſchen. Naumann
erzählt, daß er, um Trappen zu beobachten, Erdhütten auf geeigneten Feldſtücken erbauen und ſich in
ihnen ſchon vor Tagesanbruch einfinden mußte, um ſeinen Zweck zu erreichen. Aber ſolche Hütten
mußten ſchon monate- oder mindeſtens wochenlang von den Großtrappen geſehen und als unver-
dächtig erkannt worden ſein, ſollten ſie ſich als nützlich erweiſen; denn jede Veränderung auf dem
gewohnten Weideplatze, jedes Loch, welches gegraben wird, der Trappen oder eines anderen Zweckes
wegen, fällt dem mißtrauiſchen Vogel auf und erſcheint ihm höchſt bedenklich. Regenwetter und
Näſſe im Getreide, welche ihm ſehr zuwider ſind, veranlaßten ihn, den Beobachtungen des erwähnten
Forſchers zu Folge, ſich zuweilen auf Feldwegen und weiten Rainen zwiſchen Ackerſtücken oder auf
anſtoßenden Brachäckern ſehen zu laſſen; aber er ſchleicht ſich augenblicklich wieder zu den ihn deckenden
Halmen zurück, ſobald ihm eine Gefahr von weitem droht. Jm Winter wählt er ſich am liebſten
ſolche Felder, welche ihm Nahrung verſprechen, insbeſondere alſo die mit Winterraps oder mit
Wintergetreide beſtellten, und während dieſer Jahreszeit iſt er womöglich noch vorſichtiger als im
Sommer, welcher ihm durch das hochaufſchießende Getreide gute Deckung gewährt. Die Nachtruhe
hält er ſtets auf den entlegenſten Feldern, meiſt auf Brach- oder Stoppeläckern, begibt ſich auch erſt
in der Dämmerung nach ſolchen Plätzen und ſcheint hier abwechſelnd Wachen auszuſtellen, welche für
die Sicherheit der übrigen zu ſorgen haben. „Sowie der Morgen graut“, ſagt Naumann, „werden
ſie ſchon wieder wach, erheben ſich von ihrem Lager, ſtrecken ſich behaglich, ſchlagen wohl auch ihre
Flügel einige Male, gehen langſam hin und her und fliegen nun zuſammen, die älteſten und ſchwerſten
zuletzt, auf und den ſtets vom Nachtlager entfernten Futterplätzen zu.“
Der Gang der Großtrappen iſt langſam und gemeſſen, verleiht daher dem Vogel eine gewiſſe
Würde; doch kann er, wenn es Noth thut, ſo eilig dahinrennen, daß ihn ein Hund nur mit Mühe
einholt., Vor dem Auffliegen nimmt er einen kurzen, aus zwei bis drei Sprüngen beſtehenden Anlauf
und erhebt ſich nun, zwar nicht gerade ſchnell, aber doch nicht ohne ſonderliche Anſtrengung in die
Luft, ſchwingt ſich mit langſamen Flügelſchlägen weiter und ſtreicht, wenn er erſt eine gewiſſe Höhe
erreicht hat, ſo raſch dahin, daß derjenige Jäger, welcher ihn mit der Büchſe erlegen will, ſeines Auges
und ſeiner Waffe ſehr ſicher ſein muß. Naumann meint, daß ſich eine Krähe recht anſtrengen
müſſe, um dem fliegenden Trappen zu folgen; ich meinestheils habe ihn niemals ſo ſchnell fliegen
ſehen. Jm Fluge ſtreckt er Hals und Beine gerade von ſich, der ſchwere Rumpf ſenkt ſich aber hinten
etwas hernieder: Dies macht ihn von weitem kenntlich. Nur in den ruſſiſchen Steppen fliegt er in
Schußnähe über dem Boden fort; in Deutſchland weiß er, wie weit die Waffe des Jägers reicht.
Wenn eine Geſellſchaft von Großtrappen ſich gleichzeitig erhebt, ſo hält jedes Glied derſelben einen
gewiſſen Abſtand von den übrigen ein, gleichſam als fürchte es, dieſe durch ſeine Flügelſchläge
zu beirren.
Der Stimmlaut, welchen man zu allen Zeiten von dem Großtrappen vernimmt, läßt ſich ſchwer
durch Buchſtaben ausdrücken; er iſt ein ſonderbares und leiſes Schnarren, welches nur dann
deutlich wird, wenn man ſich in unmittelbarer Nähe von dem Vogel befindet. Von Gefangenen habe
ich nur dieſen einen Laut oder richtiger dieſes eine Geräuſch vernommen; denn von einem Laute oder
Brehm, Thierleben. IV. 36
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/599>, abgerufen am 22.11.2024.
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