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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Mornell. Flußregenpfeifer.
freilich das zarteste und wohlschmeckendste von allem Federwild; es übertrifft selbst das der
Schnepfenarten.



Auf flachen Kies- und Sandufern der Flüsse und ebenso an der Küste des Meeres, immer aber
an freien Wässern, nicht an Sümpfen, treiben sich auch in Deutschland mehrere Arten der Familie
umher, welche sich kennzeichnen durch verhältnißmäßig geringe Größe, schwachen Schnabel, lange,
spitze Flügel und ein sehr übereinstimmendes Gefieder, welches auf der Oberseite sandfarben, auf der
Unterseite weiß aussieht und durch ein Halsband geschmückt wird, weshalb denn die bezüglichen Arten
unter dem Namen Uferpfeifer (Aegialites) zusammengestellt wurden.

Die bekannteste Art der Sippe ist unser Flußregenpfeifer (Aegialites minor), auch
kleiner schwarzbändiger, baltischer Regen- oder Strandpfeifer, Sand- oder Gras-
läufer, Sandhühnchen
und Seelerche genannt, ein Vogel, welcher unsere Lerche wirklich
kaum übertrifft, da seine Länge nur 61/2, seine Breite 13, die Fittiglänge 4 1/3 , die Schwanzlänge
3 1/3 Zoll beträgt. Die Wangen, der Scheitel und der Oberkörper sind erdgrau, die Untertheile bis
auf die Halszeichnung weiß; auf der Stirn steht ein schmales schwarzes Band, an welches sich ein
breites weißes reiht, welches wiederum nach hinten zu durch ein schwarzes begrenzt wird; die Zügel
sind schwärzlich, der Kropf und ein von ihm aus nach hinten sich ziehendes Band tiefschwarz. Das
Auge ist dunkelbraun, ein ziemlich breiter Ring um dasselbe königsgelb, der Schnabel schwarz, der
Fuß röthlichgrau. Beim Weibchen sind die Farben blässer; den Jungen fehlt das schwarze Stirnband.

Der Verbreitungskreis des Flußregenpfeifers konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden.
Man hat ihn in ganz Europa, in einem großen Theile von Afrika und ebenso fast in ganz Asien
gefunden. Die südlichen Gegenden berührt er möglicherweise nur während seines Zuges, welcher
ihn im August oder September von uns wegführt und ihn im März oder September uns wieder-
bringt; noch im äußersten Süden Europas aber gehört er unter die Brutvögel. Jm Norden hält er
sich fast ausnahmslos an den Ufern von Binnengewässern, fern vom Meere auf; in der Winter-
herberge bevorzugt er ähnliche Orte, kommt jedoch gelegentlich auch einmal am Seestrande vor. Er
reist in großen Gesellschaften und hält sich in der Fremde stets in ziemlichen Schwärmen zusammen.

Sein Betragen unterscheidet ihn in gewisser Hinsicht von den genannten Verwandten; ein echter
Regenpfeifer ist er aber doch: wie alle Glieder seiner Familie, halber Nachtvogel, also besonders im
Zwielicht rege, in Mondscheinnächten lebendig, jedoch auch übertags thätig. Seine Bewegungen
sind leicht: er kann ungemein schnell laufen und vortrefflich fliegen, thut letzteres in den Mittags-
stunden aber nur selten, während er des Abends und Morgens seine Bewegungslust in jeder Weise
zu erkennen gibt. Der Lockton läßt sich durch die Silbe "Dia" oder "Deä" ungefähr wiedergeben,
der Warnungsruf klingt wie ein kurz ausgesprochenes "Diü", die Liebeswerbung, ein förmlicher
Gesang, wie "Düh, dü, düll, düll, lüllül, lüll", mit einem Triller endigend. Sein Wesen gefällt
Jedermann. Er lebt mit anderen seiner Art in Frieden, kleine Raufereien im Anfange der Brut-
zeit etwa abgerechnet, hängt mit unglaublicher Liebe an seinem Gatten oder an seiner Brut, begrüßt
jenen nach kürzester Abwesenheit durch Töne, Geberden und Stellungen, zeigt sich da, wo er geschont
wird, äußerst zutraulich, da, wo er Verfolgungen erfahren mußte, bald scheu und vorsichtig, und
gewöhnt sich, selbst alt gefangen, bald an den Verlust seiner Freiheit, wird auch in der Regel sehr
zahm. Seine Nahrung besteht aus verschiedenen Kerbthieren und deren Larven, auch wohl aus
Muscheln und kleinen Weichthieren; er wendet Steine um und jagt selbst im Wasser, trinkt oft
und viel und badet sich ein oder zwei Mal täglich, wie denn Wasser überhaupt ein wahres Lebens-
bedürfniß für ihn ist.

Mornell. Flußregenpfeifer.
freilich das zarteſte und wohlſchmeckendſte von allem Federwild; es übertrifft ſelbſt das der
Schnepfenarten.



Auf flachen Kies- und Sandufern der Flüſſe und ebenſo an der Küſte des Meeres, immer aber
an freien Wäſſern, nicht an Sümpfen, treiben ſich auch in Deutſchland mehrere Arten der Familie
umher, welche ſich kennzeichnen durch verhältnißmäßig geringe Größe, ſchwachen Schnabel, lange,
ſpitze Flügel und ein ſehr übereinſtimmendes Gefieder, welches auf der Oberſeite ſandfarben, auf der
Unterſeite weiß ausſieht und durch ein Halsband geſchmückt wird, weshalb denn die bezüglichen Arten
unter dem Namen Uferpfeifer (Aegialites) zuſammengeſtellt wurden.

Die bekannteſte Art der Sippe iſt unſer Flußregenpfeifer (Aegialites minor), auch
kleiner ſchwarzbändiger, baltiſcher Regen- oder Strandpfeifer, Sand- oder Gras-
läufer, Sandhühnchen
und Seelerche genannt, ein Vogel, welcher unſere Lerche wirklich
kaum übertrifft, da ſeine Länge nur 6½, ſeine Breite 13, die Fittiglänge 4⅓, die Schwanzlänge
3⅓ Zoll beträgt. Die Wangen, der Scheitel und der Oberkörper ſind erdgrau, die Untertheile bis
auf die Halszeichnung weiß; auf der Stirn ſteht ein ſchmales ſchwarzes Band, an welches ſich ein
breites weißes reiht, welches wiederum nach hinten zu durch ein ſchwarzes begrenzt wird; die Zügel
ſind ſchwärzlich, der Kropf und ein von ihm aus nach hinten ſich ziehendes Band tiefſchwarz. Das
Auge iſt dunkelbraun, ein ziemlich breiter Ring um daſſelbe königsgelb, der Schnabel ſchwarz, der
Fuß röthlichgrau. Beim Weibchen ſind die Farben bläſſer; den Jungen fehlt das ſchwarze Stirnband.

Der Verbreitungskreis des Flußregenpfeifers konnte bis jetzt noch nicht feſtgeſtellt werden.
Man hat ihn in ganz Europa, in einem großen Theile von Afrika und ebenſo faſt in ganz Aſien
gefunden. Die ſüdlichen Gegenden berührt er möglicherweiſe nur während ſeines Zuges, welcher
ihn im Auguſt oder September von uns wegführt und ihn im März oder September uns wieder-
bringt; noch im äußerſten Süden Europas aber gehört er unter die Brutvögel. Jm Norden hält er
ſich faſt ausnahmslos an den Ufern von Binnengewäſſern, fern vom Meere auf; in der Winter-
herberge bevorzugt er ähnliche Orte, kommt jedoch gelegentlich auch einmal am Seeſtrande vor. Er
reiſt in großen Geſellſchaften und hält ſich in der Fremde ſtets in ziemlichen Schwärmen zuſammen.

Sein Betragen unterſcheidet ihn in gewiſſer Hinſicht von den genannten Verwandten; ein echter
Regenpfeifer iſt er aber doch: wie alle Glieder ſeiner Familie, halber Nachtvogel, alſo beſonders im
Zwielicht rege, in Mondſcheinnächten lebendig, jedoch auch übertags thätig. Seine Bewegungen
ſind leicht: er kann ungemein ſchnell laufen und vortrefflich fliegen, thut letzteres in den Mittags-
ſtunden aber nur ſelten, während er des Abends und Morgens ſeine Bewegungsluſt in jeder Weiſe
zu erkennen gibt. Der Lockton läßt ſich durch die Silbe „Dia“ oder „Deä“ ungefähr wiedergeben,
der Warnungsruf klingt wie ein kurz ausgeſprochenes „Diü“, die Liebeswerbung, ein förmlicher
Geſang, wie „Düh, dü, düll, düll, lüllül, lüll“, mit einem Triller endigend. Sein Weſen gefällt
Jedermann. Er lebt mit anderen ſeiner Art in Frieden, kleine Raufereien im Anfange der Brut-
zeit etwa abgerechnet, hängt mit unglaublicher Liebe an ſeinem Gatten oder an ſeiner Brut, begrüßt
jenen nach kürzeſter Abweſenheit durch Töne, Geberden und Stellungen, zeigt ſich da, wo er geſchont
wird, äußerſt zutraulich, da, wo er Verfolgungen erfahren mußte, bald ſcheu und vorſichtig, und
gewöhnt ſich, ſelbſt alt gefangen, bald an den Verluſt ſeiner Freiheit, wird auch in der Regel ſehr
zahm. Seine Nahrung beſteht aus verſchiedenen Kerbthieren und deren Larven, auch wohl aus
Muſcheln und kleinen Weichthieren; er wendet Steine um und jagt ſelbſt im Waſſer, trinkt oft
und viel und badet ſich ein oder zwei Mal täglich, wie denn Waſſer überhaupt ein wahres Lebens-
bedürfniß für ihn iſt.

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[591/0629] Mornell. Flußregenpfeifer. freilich das zarteſte und wohlſchmeckendſte von allem Federwild; es übertrifft ſelbſt das der Schnepfenarten. Auf flachen Kies- und Sandufern der Flüſſe und ebenſo an der Küſte des Meeres, immer aber an freien Wäſſern, nicht an Sümpfen, treiben ſich auch in Deutſchland mehrere Arten der Familie umher, welche ſich kennzeichnen durch verhältnißmäßig geringe Größe, ſchwachen Schnabel, lange, ſpitze Flügel und ein ſehr übereinſtimmendes Gefieder, welches auf der Oberſeite ſandfarben, auf der Unterſeite weiß ausſieht und durch ein Halsband geſchmückt wird, weshalb denn die bezüglichen Arten unter dem Namen Uferpfeifer (Aegialites) zuſammengeſtellt wurden. Die bekannteſte Art der Sippe iſt unſer Flußregenpfeifer (Aegialites minor), auch kleiner ſchwarzbändiger, baltiſcher Regen- oder Strandpfeifer, Sand- oder Gras- läufer, Sandhühnchen und Seelerche genannt, ein Vogel, welcher unſere Lerche wirklich kaum übertrifft, da ſeine Länge nur 6½, ſeine Breite 13, die Fittiglänge 4⅓, die Schwanzlänge 3⅓ Zoll beträgt. Die Wangen, der Scheitel und der Oberkörper ſind erdgrau, die Untertheile bis auf die Halszeichnung weiß; auf der Stirn ſteht ein ſchmales ſchwarzes Band, an welches ſich ein breites weißes reiht, welches wiederum nach hinten zu durch ein ſchwarzes begrenzt wird; die Zügel ſind ſchwärzlich, der Kropf und ein von ihm aus nach hinten ſich ziehendes Band tiefſchwarz. Das Auge iſt dunkelbraun, ein ziemlich breiter Ring um daſſelbe königsgelb, der Schnabel ſchwarz, der Fuß röthlichgrau. Beim Weibchen ſind die Farben bläſſer; den Jungen fehlt das ſchwarze Stirnband. Der Verbreitungskreis des Flußregenpfeifers konnte bis jetzt noch nicht feſtgeſtellt werden. Man hat ihn in ganz Europa, in einem großen Theile von Afrika und ebenſo faſt in ganz Aſien gefunden. Die ſüdlichen Gegenden berührt er möglicherweiſe nur während ſeines Zuges, welcher ihn im Auguſt oder September von uns wegführt und ihn im März oder September uns wieder- bringt; noch im äußerſten Süden Europas aber gehört er unter die Brutvögel. Jm Norden hält er ſich faſt ausnahmslos an den Ufern von Binnengewäſſern, fern vom Meere auf; in der Winter- herberge bevorzugt er ähnliche Orte, kommt jedoch gelegentlich auch einmal am Seeſtrande vor. Er reiſt in großen Geſellſchaften und hält ſich in der Fremde ſtets in ziemlichen Schwärmen zuſammen. Sein Betragen unterſcheidet ihn in gewiſſer Hinſicht von den genannten Verwandten; ein echter Regenpfeifer iſt er aber doch: wie alle Glieder ſeiner Familie, halber Nachtvogel, alſo beſonders im Zwielicht rege, in Mondſcheinnächten lebendig, jedoch auch übertags thätig. Seine Bewegungen ſind leicht: er kann ungemein ſchnell laufen und vortrefflich fliegen, thut letzteres in den Mittags- ſtunden aber nur ſelten, während er des Abends und Morgens ſeine Bewegungsluſt in jeder Weiſe zu erkennen gibt. Der Lockton läßt ſich durch die Silbe „Dia“ oder „Deä“ ungefähr wiedergeben, der Warnungsruf klingt wie ein kurz ausgeſprochenes „Diü“, die Liebeswerbung, ein förmlicher Geſang, wie „Düh, dü, düll, düll, lüllül, lüll“, mit einem Triller endigend. Sein Weſen gefällt Jedermann. Er lebt mit anderen ſeiner Art in Frieden, kleine Raufereien im Anfange der Brut- zeit etwa abgerechnet, hängt mit unglaublicher Liebe an ſeinem Gatten oder an ſeiner Brut, begrüßt jenen nach kürzeſter Abweſenheit durch Töne, Geberden und Stellungen, zeigt ſich da, wo er geſchont wird, äußerſt zutraulich, da, wo er Verfolgungen erfahren mußte, bald ſcheu und vorſichtig, und gewöhnt ſich, ſelbſt alt gefangen, bald an den Verluſt ſeiner Freiheit, wird auch in der Regel ſehr zahm. Seine Nahrung beſteht aus verſchiedenen Kerbthieren und deren Larven, auch wohl aus Muſcheln und kleinen Weichthieren; er wendet Steine um und jagt ſelbſt im Waſſer, trinkt oft und viel und badet ſich ein oder zwei Mal täglich, wie denn Waſſer überhaupt ein wahres Lebens- bedürfniß für ihn iſt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/629>, abgerufen am 22.11.2024.